Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufgabeerklärung bei Betriebsverpachtung
Leitsatz (NV)
Erklärt der Verpächter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, so liegt darin selbst dann keine Betriebsaufgabeerklärung, wenn das FA erklärungsgemäß veranlagt. Unterläßt es das FA in einem solchen Fall anzufragen, ob eine Betriebsaufgabe beabsichtigt ist (R 139 Abs. 5 Satz 10 EStR 1993), so führt auch dieses Verhalten nicht zur Annahme einer Betriebsaufgabe im Zeitpunkt des Unterlassens.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 14, 16
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Am ... Juli 1984 hatte der 1955 geborene Kläger die Eigenbewirtschaftung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs Gut A übernommen. Diesen Betrieb von ... ha hatte der Kläger, belastet mit einem Nießbrauch zugunsten seiner Mutter, durch Erbvertrag nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1961 erworben, nachdem ihm bereits im Dezember 1959 35 ha landwirtschaftlich genutzter Flächen unter Vorbehalt des Nießbrauchs zugunsten des Vaters übertragen worden waren. Der Vater des Klägers hatte das Gut 1949 in eine mit dem Großvater des Klägers gegründete BGB-Gesellschaft eingebracht, der der Großvater sein landwirtschaftliches Grundvermögen Hof B zur Verfügung gestellt hatte. Mit dem Erbfall ging auch der Gesellschaftsanteil des Vaters auf den Kläger über, und die Gesellschaft wurde ohne Liquidation durch Abschluß eines Gesellschaftsvertrags zwischen dem Großvater, dem Kläger, der Mutter als Nießbraucherin sowie dem Testamentsvollstrecker fortgesetzt. Die Gesellschaft wurde beendet, als der Großvater sein landwirtschaftliches Grundvermögen an einen Herrn X veräußert hatte. Mit Vertrag vom ... 1963 gründete die Mutter des Klägers und Nießbrauchsberechtigte mit X eine neue Gesellschaft zur gemeinsamen Erzielung land- und forstwirtschaftlicher Einkünfte. Diese Mitunternehmerschaft wurde zum ... Februar 1966 beendet. Die Mutter des Klägers bewirtschaftete den Betrieb dann bis zum 30. Juni 1984 selbst.
Bei Beginn der Eigenbewirtschaftung legte der Kläger den Grund und Boden und die Gebäude mit dem Teilwert in das Betriebsvermögen ein, weil er davon ausging, daß diese Wirtschaftsgüter seinem Privatvermögen angehört hätten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) folgte dem nur hinsichtlich der Fläche von 35 ha, ging aber für das Gut A von einer Buchwertfortführung aus.
Nach insoweit erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, der Kläger könne die von ihm begehrten höheren Absetzungen als Betriebsausgaben geltend machen, weil diese sich nach dem Teilwert des zum 1. Juli 1984 eingelegten Gebäudes (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) berechneten. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 2. Halbsatz EStG seien Einlagen mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen. Über die Höhe des Teilwerts bestehe Einigkeit zwischen den Beteiligten. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) sei nicht anzuwenden, weil der Kläger das Gut auch nicht als ruhenden Betrieb fortgeführt habe. Zwar sei das Gericht mit dem FA der Auffassung, daß auch bei Gestattung der Ausübung eines Nießbrauchs ein Wahlrecht bestehe, das Betriebsvermögen fortzuführen oder in das Privatvermögen zu überführen. Dieses Wahlrecht sei indessen ausgeübt worden, denn der Kläger habe seine Einkünfte jahrelang stets (nach dem Vortrag des FA seit 1971) als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt; dementsprechend sei auch veranlagt worden. Wenn das FA der Auffassung gewesen sei, darin liege keine Ausübung des Wahlrechts, so hätte es der Fürsorgepflicht entsprochen, möglichst frühzeitig für klare Verhältnisse zu sorgen, wie dies auch in den Einkommensteuer-Richtlinien -- EStR -- (Abschn. 139 Abs. 5 Sätze 7 bis 9 EStR 1990) vorgesehen sei.
Das FA rügt mit seiner vom Senat zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA die Einkommensteuerbescheide 1987 bis 1989 geändert, die die Kläger nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Die während des Revisionsverfahrens bekanntgegebenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1987 bis 1989 sind auf Antrag der Kläger Gegenstand des Verfahrens geworden (§§ 68, 121, 123 Satz 2 FGO). Der Senat hält es nicht für geboten, das angefochtene Urteil aus diesem Grunde insoweit aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Die Sache ist entscheidungsreif. Streitig ist weiterhin die Frage, ob dem Kläger höhere Absetzungen aus dem Ansatz von Teilwerten für eingebrachte Wirtschaftsgüter zu stehen. Die dazu getroffenen Tatsachenfeststellungen des FG sind durch den neuen Bescheid nicht berührt worden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 3. Juni 1986 IX R 2/79, BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674, und vom 24. November 1988 V R 30/83, BFH/NV 1989, 516).
2. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1984 bis 1986 und die nach § 68 FGO zum Gegenstand revisionsgerichtlicher Prüfung gewordenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1987 bis 1989 sind rechtmäßig. Dem Kläger stehen die von ihm begehrten höheren Absetzungen nicht zu, weil das Gut A nicht zu seinem Privat vermögen gehört hatte und die Wirtschaftsgüter dieses Betriebs daher bei Beginn der Eigenbewirtschaftung nicht zu Teilwerten in ein Betriebsvermögen eingelegt werden konnten (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 7 EStG). Zutreffend ist das FA davon ausgegangen, daß der Kläger mangels einer Betriebsaufgabe mit der Übernahme des Betriebs in die Eigenbewirtschaftung die Buchwerte fortzuführen hatte.
a) Unstreitig hatte der Kläger den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb "Gut A" 1961 im Wege der Erbfolge erworben. Die Bestellung des Nießbrauchs zugunsten seiner Mutter hat entgegen der Auffassung des FG nicht zu einer Betriebsaufgabe durch den Kläger geführt.
Nach der Rechtsprechung des Senats führt die Bestellung eines Nießbrauchs an einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zur Entstehung zweier Betriebe, eines ruhenden Eigentümerbetriebs und eines wirtschaftlichen Betriebs in der Hand des Nießbrauchers (BFH-Urteil vom 26. Februar 1987 IV R 325/84, BFHE 150, 321, BStBl II 1987, 772).
In Anwendung der Betriebsverpachtungsgrundsätze des Großen Senats des BFH (Urteil vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124) kann der Eigentümer allerdings wählen, ob er die Betriebsaufgabe erklärt (BFH in BFHE 150, 321, BStBl II 1987, 772). Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger im Zeitpunkt des Erbfalls und der Nießbrauchsbestellung ausdrücklich nicht die Betriebsaufgabe erklärt.
Aber auch in der wiederholten Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist eine solche Betriebsaufgabe nicht zu sehen. Der erkennende Senat hat mehrfach entschieden, daß die Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung allein nicht als konkludente Aufgabeerklärung zu werten ist (vgl. Urteile vom 31. Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395; vom 15. Oktober 1987 IV R 91/85, BFHE 151, 392, BStBl II 1988, 257; vom 15. April 1993 IV R 12/91, BFH/NV 1994, 87; vom 23. November 1995 IV R 36/94 -- Abdruck ist beigefügt --; Beschlüsse vom 27. Oktober 1988 IV S 11/88, BFH/NV 1990, 416, 418, und vom 1. Februar 1995 IV B 65/94, BFH/NV 1995, 676); daran ist auch im Streitfall festzuhalten.
Nach der Rechtsprechung des BFH erfordert die Betriebsaufgabe als Totalentnahme einen nach außen tretenden Entschluß des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 90/81, BFHE 140, 526, 533, BStBl II 1984, 474, 478 zu 3. a). Dieser Entschluß muß von dem Bewußtsein getragen sein, daß alle stillen Reserven aufzudecken sind (Senatsurteil IV R 36/94; s. auch Urteil vom 9. Juli 1981 IV R 101/77, BFHE 134, 110, BStBl II 1982, 20, und Beschluß des Senats in BFH/NV 1995, 676). Wegen dieser weitreichenden Folgen einer Betriebsaufgabeerklärung, an die der Steuerpflichtige gebunden ist (vgl. Senatsurteil IV R 36/94), hat der erkennende Senat stets eine eindeutige und unmißverständliche Erklärung gefordert (Urteile vom 23. Februar 1989 IV R 63/87, BFH/NV 1990, 219; vom 28. November 1991 IV R 58/91, BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521, und vom 14. November 1990 IV B 129/90, BFH/NV 1991, 591). Die bloße Angabe von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfüllt diese Anforderungen nicht. Denn auch bei einer konkludenten Betriebsaufgabeerklärung kann auf eine Bestimmung des Zeitpunkts der Betriebsaufgabe und die Versteuerung der stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens nicht verzichtet werden.
b) Entgegen der Auffassung des FG läßt sich aber eine Betriebsaufgabe auch nicht darin sehen, daß das FA den Kläger jahrelang erklärungsgemäß veranlagt, oder daß es unterlassen hat, den Tatbestand einer Betriebsaufgabe durch Rückfrage bei dem Kläger zu klären. Für den Fall der Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sehen die EStR zur Betriebsverpachtung zwar vor, daß das FA "durch Rückfrage bei dem Steuerpflichtigen klären soll, ob er den Betrieb als aufgegeben oder auch während der Verpachtung als fortbestehend ansehen will" (R 139 Abs. 5 Satz 10 EStR 1993). Selbst wenn zum Zeitpunkt der Abgabe der Einkommensteuererklärungen für 1971 und die Folgejahre eine derartige Anweisung bestanden hätte -- sie war erstmals Gegenstand des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 21. Januar 1977 (Finanz-Rundschau 1977, 143) und betraf die Verpachtung eines Gewerbebetriebs --, ließe sich aus einer Nichtbeachtung dieser Anregung zu einer Aufklärung noch nicht die materiell-rechtliche Folge einer Betriebsaufgabe herleiten. Damit verkennt der Kläger Bedeutung und Tragweite einer solchen Regelung, die den Steuerpflichtigen primär vor einer Zwangsbetriebsaufgabe schützen soll, ohne ihn jedoch von seiner Erklärungspflicht zu entbinden. Nach dem genannten und später in die EStR (Abschn. 139 Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStR 1978) übernommenen BMF-Schreiben soll diese eindeutige Betriebsaufgabeerklärung durch die Rückfrage erst herbeigeführt werden, andernfalls blieb es bei Einkünften aus Gewerbebetrieb.
3. Der erkennende Senat kann der Vorentscheidung schließlich auch nicht in der Annahme folgen, die Betriebsaufgabe sei durch Treu und Glauben eingetreten. Ob ein derartiger Sachverhalt in Fällen der Nutzungsüberlassung eines Betriebs überhaupt denkbar ist, kann im Streitfall dahinstehen; denn die von der Rechtsprechung allein im Interesse des Steuerpflichtigen entwickelten Verpachtungsgrundsätze stellen so maßgeblich auf die Willenserklärung des Steuerpflichtigen ab, der etwa den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe frei bestimmen kann, daß einem Verhalten der Finanzbehörde demgegenüber kaum Bedeutung zukommen kann. Im Streitfall läßt sich aber bereits schon deshalb nichts aus Treu und Glauben herleiten, weil das FA keinen Vertrauenstat bestand geschaffen hat. Ein solcher Vertrauenstatbestand wäre etwa anzunehmen, wenn das FA die Übertragung stiller Reserven nach § 6 b EStG mit der Begründung verwehrt hätte, der Kläger halte nur Privatvermögen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein FA bei der Durchführung einer Veranlagung grundsätzlich nicht an Auffassungen gebunden, die es bei vorhergehenden Veranlagungen vertreten hat (s. etwa Urteile vom 22. März 1990 IV R 145/88, BFHE 160, 253, BStBl II 1990, 643; vom 14. März 1991 IV R 135/90, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769, und vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834 a. E., jeweils m. w. N.). Nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung bewirkt die Beurteilung in einem Veranlagungszeitraum keine Bindung des FA für künftige Steuerabschnitte. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen gilt nur dann, wenn das FA eine Zusage erteilt oder durch sein früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Im Streitfall ist eine Zusage nicht erteilt worden. Das FA hat auch nicht auf andere Weise einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Da allein von vorangegangenen Veranlagungen keine Bindungswirkung ausgeht, hat es kein Verhalten gezeigt, durch das sich der Kläger zu Vermögensdispositionen veranlaßt fühlen durfte. Derartige Vermögensdispositionen hat der Kläger auch nicht vorgetragen.
4. Zu Unrecht hat der Kläger hiergegen eingewandt, als Mitunternehmer habe er bei Beendigung der BGB-Gesellschaft 1963 Privatvermögen erlangt, denn das der Gesellschaft überlassene Grundstück habe als Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft nach deren Auflösung nicht als Betriebsvermögen fortgeführt und verpachtet werden können. Wie der Senat mit Urteil vom 23. März 1995 IV R 93/93 (BFHE 177, 404, BStBl II 1995, 700) entschieden hat, ist eine Realteilung auch dann anzunehmen, wenn sich die wesentlichen Betriebsgrundlagen der Personengesellschaft im Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter befinden, sofern Gesellschafts- und Sonderbetriebsvermögen bei den Gesellschaftern Betriebsvermögen bleiben. Wie der Senat im Anschluß an sein Urteil vom 14. Dezember 1978 IV R 106/75 (BFHE 127, 21, BStBl II 1979, 300) weiter entschieden hat, steht in diesem Fall auch die anschließende Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen ehemaligen Mitgesellschafter einer Realteilung zu Buchwerten nicht entgegen, wenn die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung erfüllt sind und der Verpächter bei Nutzungsüberlassung nicht die Betriebsaufgabe erklärt. Entgegen der Auffassung des Klägers fordert die Rechtsprechung des Senats nicht, daß der Verpächter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs die persönliche Qualifikation als Landwirt aufweisen müsse. Entsprechende Ausführungen im Senatsurteil in BFHE 127, 21, BStBl II 1979, 300 zur Verpachtung eines Gewerbebetriebs (Metzgerei) sind beiläufig und dienen erkennbar der weiteren Begründung eines Fortführungswillens, der in aller Regel vermutet wird. Für die Anwendung der Verpachtungsgrundsätze genügt es nach neuerer Rechtsprechung jedenfalls, daß der Verpächter objektiv die Möglichkeit hat, den vorübergehend eingestellten Betrieb wieder aufzunehmen und fortzuführen (BFH-Urteile vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456, und vom 12. März 1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36; s. auch Wassermeyer, Steuerkongreß-Report 1986, 69, 82).
5. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 421167 |
BFH/NV 1996, 663 |