Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Waren Reichsbaudarlehen nach dem Runderlaß des Reichsarbeitsministers vom 25. September 1942 (MBliV 1942 S. 1958) nur noch mit 4 v. H. Zinsen und 1 v. H. Tilgung der Restschuld zu bedienen, so ist als "Ausgangskapital der RM-Verbindlichkeit" für die Ermittlung des fiktiven Schuldenstandes am 20. Juni 1948 das ursprüngliche Kapital zur Zeit der Schuldaufnahme anzusehen.

 

Normenkette

LAG § 99 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Abgabepflichtige hat in den Jahren 1927 und 1928 für den Bau von Wohnhäusern aus dem Wohnungsfürsorgefonds des Reichsarbeitsministeriums zwei Reichsbaudarlehen in Höhe von 22.500,- RM bzw. 29.600,- RM erhalten, die hypothekarisch gesichert waren. Die Darlehen waren vereinbarungsgemäß mit 5 % zu verzinsen und mit 1 % zuzüglich der ersparten Zinsen zu tilgen. Die Jahresleistungen wurden in der Folgezeit hinsichtlich des Zinsanteiles alljährlich so weit herabgesetzt, daß das Mietaufkommen die Lasten deckte. Auf Grund des Erlasses des Reichsarbeitsministers vom 25. September 1942 - IV a 1 Nr. 6011/66/42 (Ministerialblatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern 1942 S. 1958) wurden statt des jährlichen Zinserlasses die Jahresleistungen auf 4 % Zinsen und 1 % Tilgung gesenkt; gleichzeitig wurde bestimmt, daß die neuen Jahresleistungen ab 1. Juli 1942 von den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Restschulden - 17.902,30 RM bzw. 23.404,35 RM - zu errechnen sind. Danach ergaben sich Jahresleistungen von 895,10 RM bzw. 1.170,20 RM, die in dieser Höhe noch am 31. März 1948 zu erbringen waren.

Bei der Veranlagung zur Hypothekengewinnabgabe wurden die Hypotheken unter Berücksichtigung des § 99 Abs. 2 LAG zur Hypothekengewinnabgabe herangezogen. Bei der durch § 99 Abs. 2 Satz 2 LAG gebotenen Minderung des errechneten Kapitalbetrages zur Ermittlung des fiktiven Schuldenstandes legte das Finanzamt als Ausgangskapital nicht die ursprünglichen Schuldbeträge zugrunde (22.500,- RM bzw. 29.600,- RM) sondern die Restschulden am 1. Juli 1942 (17.902,70 RM bzw. 23.404,35 RM). Es berief sich für diese Handhabung auf einen Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 9. Februar 1955 IV C/5 LA 2541 - 51/54, der folgenden Wortlaut (auszugsweise) hat:

"Ist während der Laufzeit der ursprünglichen Tilgungshypothek vereinbart worden, daß die Leistungen fortan nach dem Restkapital errechnet werden, so ist das ursprüngliche Kapital für den rechtlichen Gehalt der geänderten Verpflichtung und ihr wirtschaftliches Gewicht nicht mehr von Bedeutung. Es war nur noch eine Verpflichtung in Höhe des erwähnten Restkapitals abzuwickeln. Nur für dieses wurde auch die - zur Ermittlung des fiktiven Ausgangskapitals nach § 99 Abs. 2 LAG mit 20 zu vervielfachende - Jahresleistung vom 31. 3. 1948 erbracht. Hiermit kann es für die Ermittlung des fiktiven Schuldenstandes vom 20. 6. 1948 ebenfalls nur auf den Hundertsatz ankommen, zu dem dieses Restkapital bis dahin getilgt worden war. Ich bemerke, daß ggf. auch die Mindestjahresleistung, wenn eine solche nach § 99 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 der Berechnung der Abgabeschuld zugrunde zu legen wäre, 1 1/2 v. H. vom Restkapital betragen würde."

Die Abgabepflichtige trägt vor, das Finanzamt habe § 99 Abs. 2 LAG unrichtig angewendet, indem es die Restschuldbeträge am 1. Juli 1942 als Ausgangskapitalien angesetzt habe. Ausgangskapitalien im Sinne dieser Sonderregelung seien die Ursprungsbeträge der Hypotheken, also 22.500,- RM bzw. 29.600,- RM. Der Runderlaß des Reichsarbeitsministers vom 25. September 1942 habe keine anderen Ausgangskapitalien vorgeschrieben. Seine Bedeutung liege darin, daß die bisherigen Annuitäten von 5 % und 1 %, die bis dahin nur von Jahr zu Jahr nach Maßgabe des Mietaufkommens gesenkt worden seien, mit Wirkung vom 1. Juli 1942 an allgemein eine Herabsetzung auf 4 % und 1 % erfahren hätten. In Wahrheit ergäbe die Umstellung der Berechnung der Jahresleistungen nach dem Stande der Restschulden am 1. Juli 1942 - gemessen an den Ursprungskapitalien - eine Herabsetzung der Zins- und Tilgungssätze unter 4 % und 1 %.

Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen, die Berufung hatte dagegen Erfolg.

Mit der Rb. macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, in den Fällen, in denen während der Laufzeit des ursprünglichen Tilgungsdarlehens die Annuität zur Erreichung einer sozial tragbaren Miete gesenkt und gleichzeitig entweder vereinbart oder durch den Darlehnsgeber bestimmt worden sei, daß die neuen Jahresleistungen von der zu diesem Zeitpunkte noch bestehenden Restschuld zu berechnen waren, sei das Tilgungsdarlehen auf eine völlig neue Berechnungsgrundlage gestellt gewesen. Das ursprüngliche Kapital habe damit für den rechtlichen Gehalt der geänderten Verpflichtung die wirtschaftliche Bedeutung verloren. Bei der vom Finanzgericht vorgenommenen Kappungsberechnung würden ein Ausgangskapital und eine Annuität miteinander in Verbindung gebracht, die tatsächlich niemals in Beziehung zueinander gestanden hätten. Mit der Berechnung der neuen Jahresleistung (4 % + 1 %) auf die Restschuld vom 1. Juli 1942 habe aber ein völlig neuer Tilgungsplan begonnen, der mit dem bisher laufenden alten Tilgungsplan nichts gemeinsam habe. Man könne deshalb auch nicht das alte Kapital mit den neuen Jahresleistungen koppeln und der neuen Berechnungsgrundlage deshalb nur technische Bedeutung zuschreiben.

Der Bundesminister der Finanzen hat seinen Beitritt zu dem Verfahren erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet. Das Finanzgericht ist zutreffend und in übereinstimmung mit dem Schrifttum (Kühne-Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, § 99 Anm. 9) davon ausgegangen, daß §§ 99 Abs. 2 und 106 Abs. 4 LAG anzuwenden sind. Streitig ist aber, ob zur Ermittlung des Hundertsatzes, um den der fiktive Kapitalbetrag zu kürzen ist, von dem ursprünglichen Kapitalbetrage oder von dem Restschuldbetrage am 1. Juli 1942 auszugehen ist. Bei den hier in Rede stehenden zinsverbilligten Darlehen richtet sich die Abgabeschuld nicht nach dem Nennbetrage der RM-Verbindlichkeit, sondern nach einer angenommenen Schuldhöhe (20facher Nennbetrag der Jahresleistung von Zinsen und Tilgung). Dieser Betrag muß aber - um eine richtige Schuldhöhe am Tage der Währungsreform zu bekommen - in dem Verhältnis gemindert werden, in dem die ursprüngliche Schuld am 20. Juni 1948 bereits getilgt war.

Es kann dem Bf. nicht darin beigetreten werden, daß das ursprüngliche Kapital nach der erfolgten Herabsetzung der Zinsleistungen durch den Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 25. September 1942 für den rechtlichen Gehalt der Verpflichtung keine Bedeutung mehr habe. Dieser Erlaß hatte nach seinem Wortlaut den Zweck, den Zinssatz dem allgemeinen Kapitalmarkt anzupassen und herabzusetzen; es kann seinem Inhalte aber nicht entnommen werden, daß mit der Herabsetzung des Zinssatzes eine neue, von der alten Schuld losgelöste Verbindlichkeit entstanden wäre. Dagegen spricht auch der Text der neuen Tilgungspläne, der sich nach dem Vorbringen der Abgabepflichtigen auf die im Jahre 1928 gewährten Baudarlehen von 22.500,- RM bzw. 29.600,- RM bezieht. Dieses Vorbringen ist vom Finanzamt ausdrücklich als richtig anerkannt worden. Das Finanzgericht hat daher mit Recht angenommen, daß der Erlaß des Reichsarbeitsministers nicht zu einer Novation des ursprünglichen Darlehens geführt hat.

Richtig ist, daß die neue Annuität von der am 1. Juli 1942 noch nicht getilgten Restschuld zu berechnen war und ein neuer Tilgungsplan aufgestellt wurde. Hierdurch wurde aber die neue Jahresleistung von dem alten Kapital nicht vollkommen losgelöst. Dem Finanzgericht ist vielmehr darin zuzustimmen, daß die neuen Jahresleistungen nur rechnerisch auf die Restschuld bezogen wurden; die Zinsverbilligung ging dadurch praktisch unter den Zinssatz von 4 v. H. herunter, so daß die beabsichtigte Wirkung des Erlasses erhöht wurde. Die zu leistenden Zahlungen blieben aber Zins- und Tilgungsleistungen auf die alte Schuld.

Hiernach kann als Ausgangskapital nur die ursprüngliche Schuld vom Jahre 1927/1928 angesehen werden. Es ist dann auch richtig, daß für die Minderung dieser Schuld sowohl die Tilgungsbeträge von 1927 bis 1942 wie auch die ab 1942 geleisteten berücksichtigt werden, denn sie sind alle auf das gleiche Schuldkapital erbracht worden.

Man wird dem Bf. darin zustimmen können, daß der Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 9. Februar 1955 a. a. O. sowohl bei zweiseitigen Vereinbarungen wie bei einseitigen Festsetzungen anwendbar ist. Es kann aber stets nur Anwendung finden, wenn durch die Vereinbarung (Festsetzung) eine neue, von der alten losgelöste Schuld entstanden ist, nach der "nur noch eine Verpflichtung in Höhe des Restkapitals abzuwickeln" war. Wollte sich der Erlaß eine weitergehende Bedeutung zumessen, stände er mit dem Gesetz nicht mehr in übereinstimmung. Das Entstehen einer neuen, von der alten losgelösten Schuld durch den Zinsverbilligungserlaß des Reichsarbeitsministers hat aber das Finanzgericht mit Recht abgelehnt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409587

BStBl III 1960, 141

BFHE 1960, 377

BFHE 70, 377

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