Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Die Anwendung des § 20 ErbStG hat zur Voraussetzung, daß für den ersten übergang des Vermögens eine Erbschaftsteuer festgesetzt worden ist.
Normenkette
ErbStG §§ 20-21
Tatbestand
Die - minderjährige - Bfin. ist Alleinerbin ihrer am 8. März 1957 verstorbenen Mutter (Erblasserin). Das Finanzamt hat die Bfin. durch vorläufigen Steuerbescheid vom 5. März 1958 nach einem Reinerwerb von 305.922 DM unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 30.000 DM zu einer Erbschaftsteuer von 16.554 DM herangezogen. Hiergegen hat die Bfin. Einspruch eingelegt und Anwendung des § 20 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) beansprucht. Die Erblasserin habe das auf ihre Tochter übergegangene Vermögen seinerzeit von ihrem am 29. Oktober 1954 verstorbenen Ehemann geerbt, dieser Erwerb sei nur mit Rücksicht auf den Freibetrag von 250.000 DM erbschaftsteuerfrei gewesen. Der Einspruch hat keinen Erfolg gehabt. Das Finanzgericht hat auch die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Rb. wird wiederum Anwendung des § 20 ErbStG begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Der Reichsfinanzhof hat in seinem Urteil III e A 12/33 vom 26. Juli 1934 (RStBl 1934 S. 1203) ausgesprochen, daß im Sinne des § 20 ErbStG ein Vermögen der Besteuerung dann unterlegen hat, wenn der Erwerb dieses Vermögens erbschaftsteuerpflichtig gewesen und für ihn endgültig eine Erbschaftsteuer festgesetzt worden ist. Dieser Auffassung tritt der erkennende Senat bei. Unzutreffend ist die mit den Ausführungen von Kapp, Das Erbschaftsteuergesetz, 3. Aufl. - Stand 1. Januar 1960 -, Anm. 3 zu § 21 auf S. 240 übereinstimmende Ansicht der Bfin., daß das erwähnte Urteil des Reichsfinanzhofs vom 26. Juli 1934 durch das Urteil des Reichsfinanzhofs III e 71/39 vom 19. September 1940 (RStBl 1940 S. 954) überholt sei. Dieses letztgenannte Urteil hat den Standpunkt nicht aufgegeben, daß im Sinne des § 20 ErbStG ein Vermögen nur dann der Besteuerung nach dem ErbStG unterlegen hat, wenn für den Erwerb dieses Vermögens eine Erbschaftsteuer festgesetzt worden ist. Es folgt dies entgegen der Auffassung der Bfin. aus den von ihr angeführten Sätzen des Urteils vom 19. September 1940: "Das Gesetz verlangt lediglich, daß für den ersten Vermögensübergang überhaupt eine Erbschaftsbesteuerung vorgenommen worden ist. Auf die Höhe der damals festgesetzten Steuer kommt es nicht an." Gerade diese Sätze lassen erkennen, daß der Reichsfinanzhof auch in dem Urteil vom 19. September 1940 die Festsetzung einer Erbschaftsteuer für den ersten Vermögensübergang als Voraussetzung zur Anwendung des § 20 ErbStG angesehen hat. Von der "Vornahme einer Erbschaftsbesteuerung" kann man, ohne dieser Ausdrucksweise des Urteils vom 19. September 1940 Gewalt anzutun, nicht sprechen, wenn eine Erbschaftsteuer überhaupt nicht festgesetzt worden ist, zumal das Urteil im folgenden Satz auch ausdrücklich von der (Höhe der) festgesetzten Steuer spricht. Ganz ungewöhnlich wäre es im übrigen, wenn das Urteil vom 19. September 1940 ein beabsichtigtes Abgehen von der grundsätzlichen Auffassung des Urteils vom 26. Juli 1934 nicht ersichtlich gemacht hätte. Wenn die Rb. ausführt, die Erbschaftsteuer könne auch mit 0 DM festgesetzt sein, so ist das rein formalistisch. Sollte tatsächlich für den Erwerb des Vermögens seitens der Mutter der Bfin. die Erbschaftsteuer "auf 0,- DM festgesetzt" und die Mutter der Bfin. nicht (- etwa durch das Wort "frei" oder "erbschaftsteuerfrei" im Steuerbescheid -) als steuerfrei bezeichnet worden sein, so läge trotzdem keine Festsetzung einer Steuer vor. Dagegen, daß es auf die Festsetzung eines Steuerbetrags für den ersten Erwerb ankommt, führt die Bfin. noch aus, es würde dann schon eine Erbschaftsteuer von 1 DM ausreichen; es sei nicht ersichtlich, wo (- bei welchem Steuerbetrag -) die Grenze gezogen werden sollte (- bei deren überschreitung eine zu berücksichtigende Erbschaftsteuerfestsetzung anzunehmen sei -). Einer solchen besonderen Grenzziehung (- durch die Rechtsprechung -) bedarf es aber gar nicht, weil sie sich schon aus dem Gesetz selbst durch die Anwendung insbesondere der Vorschriften der §§ 10, 17a, 17b, 18, 18a und 32 ErbStG ergibt. Der Bfin. kann schließlich nicht zugegeben werden, daß es sich bei der Auslegung der Worte im § 20 ErbStG "der Besteuerung unterlegen hat" im Sinne von "eine Steuer festgesetzt worden ist" um eine solche gegen den klaren Wortlaut handelt. Gerade weil der Wortlaut des § 20 ErbStG insoweit nicht völlig eindeutig ist, bedarf es wie auch sonst einer Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Eine solche Sinnauslegung kann aber nur für die hier vertretene Auffassung ausfallen. Es würde schlechthin jedes vernünftigen Sinns entbehren, eine Steuerentlastung bei einem zweiten Steuerfall dann zuzubilligen, wenn der erste Steuerfall gar nicht zu einer Steuerfestsetzung geführt hatte, eine doppelte steuerliche Belastung, die § 20 ErbStG mildern will, also gar nicht eintreten kann. Im übrigen ist die Auslegung des § 20 ErbStG in der hier dargelegten Weise auch mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar. Mithin liegt im vorliegenden Fall keine steuerliche Belastung der Bfin. über das Gesetz hinaus vor, vielmehr erstrebt die Bfin. ihrerseits eine ungerechtfertigte steuerliche Vergünstigung. Auch die Ausführungen von Felix in der Finanz-Rundschau 1959 S. 130 können nicht zu einer abweichenden Rechtsauffassung führen. Es ist zwar richtig, daß (vgl. die von Felix gebildeten Beispiele) die Anwendung des § 20 ErbStG in dem hier vertretenen Sinn bei zweimaligem übergang eines niedrigeren Vermögens insgesamt zu einer höheren Erbschaftsteuer führen kann, als der zweimalige übergang eines höheren Vermögens. Das ergibt sich aber zwangsläufig aus der gesetzlichen Verknüpfung der Steuer für den Zweiterwerb mit der Besteuerung des Ersterwerbs. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes bzw. den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (ß 1 Abs. 1 AO) ist hierin nicht zu erblicken, da jedenfalls nicht Fälle, die gleichliegen, ungleich behandelt werden.
Hiernach hat das Finanzgericht zutreffend die Anwendbarkeit des § 20 ErbStG verneint.
Fundstellen
Haufe-Index 409969 |
BStBl III 1961, 135 |
BFHE 1961, 362 |
BFHE 72, 362 |