Leitsatz (amtlich)
Ist im Besteuerungsverfahren bei der Ermittlung der fiktiven Ausgleichsforderung i. S. des § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen durch das FA das Anfangsvermögen der Ehegatten bei Begründung der Zugewinngemeinschaft ermittelt worden, so ist für eine Anwendung der Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB kein Raum.
Normenkette
ErbStG 1974 § 5 Abs. 1; BGB § 1377 Abs. 3; FGO § 155; ZPO § 292
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist testamentarischer Miterbe zur Hälfte nach seiner 1978 verstorbenen Ehefrau. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 21. April 1969 hatten die seit 1940 miteinander verheirateten Eheleute den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft vereinbart, ohne ein Verzeichnis des Anfangsvermögens aufzustellen.
Im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens reichte der Kläger auf Aufforderung des beklagten Finanzamts (FA) eine Aufstellung zur Errechnung der fiktiven Ausgleichsforderung i. S. des § 5 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 ein, aus der sich ein nicht unbeträchtliches Anfangsvermögen der Erblasserin ergab. Der Kläger vertrat in diesem Zusammenhang allerdings die Auffassung, daß wegen der Vermutung des § 1377 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) das Anfangsvermögen beider Ehegatten mit 0 DM anzusetzen sei. Daraus ergebe sich eine entsprechend höhere fiktive Ausgleichsforderung, die nicht als Erwerb von Todes wegen anzusetzen sei.
Das FA folgte dieser Auffassung nicht, sondern berechnete die fiktive Ausgleichsforderung auf der Grundlage des bei Vereinbarung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft vorhandenen Anfangsvermögens und setzte dementsprechend die Erbschaftsteuer unter Vorbehalt der Nachprüfung fest.
Der Kläger hat Klage erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides beantragt. Er hat sich darauf berufen, daß die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB vom FA nicht widerlegt werden dürfe.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat Revision eingelegt und seinen Klageantrag weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Seine Revision ist unbegründet. Bei der Errechnung der fiktiven Ausgleichsforderung i. S. des § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 hat das FA zu Recht die vom Kläger mitgeteilten nicht strittigen Anfangsvermögen beider Ehegatten angesetzt.
Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB), wie im vorliegenden Fall, durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst, ohne daß der Zugewinn nach § 1371 Abs. 2 BGB auszugleichen ist, so gilt gemäß § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 beim überlebenden Ehegatten der Betrag nicht als Erwerb im Sinne des ErbStG, den er im Falle des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung hätte geltend machen können. Hiernach ist das FA in seinem Bescheid verfahren. Es hat (unter Mitwirkung des Klägers) für jeden Ehegatten das Anfangsvermögen und das Endvermögen ermittelt, daraus den jeweiligen Zugewinn (§ 1373 BGB) und aus der Differenz zwischen dem Zugewinn der Erblasserin und dem Zugewinn des Klägers die fiktive Ausgleichsforderung i. S. des § 1378 Abs. 1 BGB errechnet. Die Berechnung des FA läßt keinen Fehler erkennen.
Die hiergegen von dem Kläger unter Berufung auf § 1377 Abs. 3 BGB erhobenen Einwendungen sind nicht begründet. Nach dieser Vorschrift wird vermutet, daß das Vermögen eines Ehegatten bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft seinem Zugewinn entspricht, wenn die Ehegatten nicht gemeinsam ein Verzeichnis über das Anfangsvermögen jedes Ehegatten aufgenommen haben. Im Streitfall ist ein solches Verzeichnis nicht vorhanden. Trotzdem kann unentschieden bleiben, ob die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB im Erbschaftsteuerrecht anzuwenden ist. Selbst wenn dies so sein sollte, wäre für diese Vermutung kein Raum, wenn der tatsächliche Zugewinn feststeht (§ 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 292 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
Die gesetzliche Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB kann im Zivilprozeß durch den beweispflichtigen Ehegatten oder seine Erben mit allen gesetzlichen Beweismitteln, ggf. auch durch eine Vernehmung des Ehegatten, der eine Ausgleichsforderung geltend macht (§ 292 Satz 2 i. V. m. § 445 ZPO), widerlegt werden. Der Senat kann deshalb der Auffassung des Klägers nicht zustimmen, er hätte es auch in einem gedachten Zivilprozeß allein in der Hand, über eine etwaige Widerlegung der Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB zu entscheiden. Die Widerlegung dieser Vermutung wäre vielmehr Sache der Erben des ausgleichspflichtigen Ehegatten, die durch den Beweis des Gegenteils eine Verringerung der geltend gemachten Ausgleichsforderung erreichen könnten.
Im Besteuerungsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren ist es nach dem Amtsermittlungsprinzip Sache des FA bzw. des FG, die fiktive Ausgleichsforderung i. S. des § 5 Abs. 1 ErbStG 1974 zu berechnen (vgl. § 88 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 76 FGO). Der Steuerpflichtige ist dabei zur Mitwirkung verpflichtet (§ 90 AO 1977, § 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO); dem entspricht im Zivilprozeß, daß der Ausgleichsberechtigte als Partei gemäß § 445 ZPO vernommen werden kann. Die etwa anwendbare Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB steht dem nicht entgegen. Erst wenn die Ermittlung des Anfangsvermögens mit zumutbaren Mitteln (vgl. § 88 Abs. 1 Satz 3, § 90 Abs. 1 Satz 3 AO 1977) ohne Erfolg bleibt, stellt sich die Frage nach der gesetzlichen Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB.
Das FA und das FG haben danach das Recht und die Pflicht, das richtige Anfangsvermögen zu ermitteln und ggf. die gesetzliche Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB zu widerlegen (so auch Meincke/Michel, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, § 5 Anm. 10; ferner FG Münster in Entscheidungen der Finanzgerichte 1981, 97). Die hiervon abweichende Auffassung des Klägers, wonach er allein darüber zu befinden habe, ob die gesetzliche Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB widerlegt werden solle, findet im Gesetz keine Stütze. Sie würde die widerlegbare Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB für das Besteuerungsverfahren - falls sie dort überhaupt gilt - faktisch zu einer unwiderlegbaren Vermutung machen, da der Steuerpflichtige durchweg kein Interesse an der Widerlegung dieser Vermutung haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 74980 |
BStBl II 1984, 438 |
BFHE 1984, 472 |