Leitsatz (amtlich)
Erhält eine Molkereigenossenschaft, die ihr gesamtes Anlagevermögen an einen Dritten verpachtet hat, von diesem ein nach der von den Genossen bei dem Dritten angelieferten Milchmenge bestimmtes Lokalgeld, so entscheidet es sich allein nach den zwischen der Genossenschaft und dem Dritten getroffenen Vereinbarungen, ob das Lokalgeld in vollem Umfang als Pachtzins oder zum Teil als Berichtigung der vom Pächter an die Genossen für die Anlieferung von Milch gezahlten Kaufpreise anzusehen ist.
Normenkette
KStG § 23; KStDV § 35
Tatbestand
Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Warenrückvergütungen.
Gegenstand der Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), einer eGmbH, ist der Betrieb einer Molkereigenossenschaft zur gemeinsamen Verwertung der in den Landwirtschaftsbetrieben ihrer Mitglieder gewonnenen Milch. Die Steuerpflichtige hat ihr gesamtes Anlagevermögen seit Jahren an die Milchhof M. GmbH (im folgenden GmbH) verpachtet. Nach dem für das Streitjahr geltenden Milchkauf- und Pachtvertrag vom 1. Januar 1964 verpflichtete sich die Steuerpflichtige, den gesamten Milchanfall an die GmbH zum jeweiligen Frischmilchpreis von M je Kilo Milch zuzüglich eines Verwertungszuschlages von 0,25 Pf zu liefern. Die GmbH zahlte unmittelbar an die Milcherzeuger (Mitglieder der Steuerpflichtigen). Gleichzeitig stellte die Steuerpflichtige nach § 9 des Vertrages das Molkereigebäude und Wohnungen samt vorhandenen Räumen und Einrichtungen zur Verfügung der GmbH gegen ein Lokalgeld von 1,0 Pf je kg der angelieferten Milchmenge.
Der Revisionsbeklagte (FA) behandelte die Steuerpflichtige bis 31. Dezember 1963 als steuerfrei. Dagegen vertrat das FA für 1964 die Auffassung, daß die umfangreichen Investitionen der Steuerpflichtigen und der Erwerb eines Milcheinzugsgebiets die volle Körperschaftsteuerpflicht auslöse. Im Einspruchsverfahren legte die Steuerpflichtige mit der Körperschaftsteuererklärung 1964 einen berichtigten Jahresabschluß 1964 mit Geschäftsbericht vor. Der Jahresabschluß weist einen Verlust in Höhe von 17 547,69 DM aus. Dieser Betrag errechnet sich unter Berücksichtigung einer "Warenrückvergütung" in Höhe von 31 113,76 DM, die den Guthaben der Genossen gutgeschrieben wurde. Die Steuerpflichtige vertrat die Auffassung, daß in dem vereinnahmten Lokalgeld von 1,0 Pf je kg angelieferter Milch ein Betrag von 0,25 Pf nachträgliche Milchkaufpreisberichtigung enthalten sei.
Das FA ging in der Einspruchsentscheidung von folgenden Einkommen der Steuerpflichtigen aus:
Verlust Handelsbilanz ./. 17 547,14 DM
+ vom FA nicht anerkannte
Abschreibung auf
einen Geschäftswert 11 386,52 DM
Milchgeldnachzahlung 31 113,76 DM + 42 500,28 DM
+ 24 953,14 DM
2/3 Vermögensabgabe 905,73 DM
Spenden 200,00 DM
26 058,87 DM
Die beanspruchte Warenrückvergütung anerkannte das FA nicht.
Die Klage der Steuerpflichtigen hatte keinen Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: Der Überschuß, den die Steuerpflichtige im Streitjahr vor Abzug der "Warenrückvergütung" erzielt habe, rühre nicht aus einem Zweckgeschäft mit Mitgliedern oder einem Gegengeschäft her, sondern allein aus dem Nebengeschäft Verpachtung des Anlagevermögens. Das Lokalgeld von 1,0 Pf je kg angelieferter Milch sei Pachtzins für die Überlassung des Anlagevermögens und könne auch nicht zu einem Teil als Entgelt für ein Zweckgeschäft mit Mitgliedern angesehen werden. Nach dem Milchkauf- und Pachtvertrag seien die Rechte und Pflichten der Vertragspartner klar abgegrenzt. Insbesondere sei deutlich unterschieden, wofür die GmbH welche Leistungen zu erbringen habe. Danach erschöpfe sich die Verpflichtung der GmbH für die Abnahme der Milch in der Zahlung des Frischmilchpreises von M zuzüglich eines Verwertungszuschlages von 0,25 Pf je kg angelieferter Milch. Von den sich mit der Lieferung und Abnahme von Milch befassenden Vertragsbestimmungen würden sich die Vereinbarungen über die Verpachtung des Molkereilokals deutlich abgrenzen. Aus der Verknüpfung der Beschreibung des Pachtgegenstandes und des Pachtzinses ergebe sich, daß das Lokalgeld ausschließlich die Gegenleistung für die Verpachtung des Genossenschaftslokals samt Einrichtung sei. Dem entspreche auch die tatsächliche Handhabung. Aus dem Jahresabschluß mit Verlust- und Gewinnrechnung und dem Geschäftsbericht sei nicht ersichtlich, welche Tätigkeit die Steuerpflichtige zur Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch Zweckgeschäfte mit diesen außer der als Nebengeschäft anzusehenden Verpachtung des Anlagevermögens entfaltet hätte. Die Steuerpflichtige habe von ihren Mitgliedern weder Milch aufgekauft noch Milch an die GmbH geliefert. Vielmehr sei die Milch unmittelbar von den Erzeugern bei der GmbH als dem Pächter des Molkereilokals angeliefert worden, die auch unmittelbar mit ihnen abgerechnet habe. Die Steuerpflichtige habe nur Milchlieferungs- und Abrechnungslisten erhalten. Dementsprechend habe die Steuerpflichtige auch keine Entgelte aus dem Verkauf von Milch in ihrer Umsatzsteuererklärung angegeben. Auch aus der vom FA vorgelegten, von der Steuerpflichtigen gefertigten Aufgliederung der Unkosten sei keine Position zu ersehen, die unmittelbar auf den Abschluß von Zweckgeschäften mit Mitgliedern hindeute.
Mit ihrer Revision wendet die Steuerpflichtige ein, das FG habe in dem von der GmbH an sie gezahlten Lokalgeld zu Unrecht in vollem Umfang einen Pachtzins erblickt. Die Steuerpflichtige beantragt, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die von ihr getätigte Milchgeldnachzahlung für das Jahr 1964 zum Abzug zuzulassen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Die Steuerpflichtige unterliegt als Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft nach § 1 Nr. 2 KStG der Körperschaftsteuer. Die Steuerbefreiung des § 23 Nr. 1 KStG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Nr. 2 KStDV greift nicht durch. Die Steuerpflichtige beschränkt sich nicht auf die Bearbeitung und Verwertung der von den Mitgliedern selbst gewonnenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Sie betreibt vielmehr in Form der Verpachtung ihres Anlagevermögens ein steuerschädliches Nebengeschäft (Urteil des BFH I 226/55 U vom 25. September 1956, BFH 63, 443, BStBl III 1956, 367). Die Steuerpflichtige erhebt gegen ihre Körperschaftsteuerpflicht auch keine Einwendungen.
II.
Das FG hat auch die Abzugsfähigkeit von Warenrückvergütungen als Betriebsausgaben zu Recht verneint.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 23 Nr. 2 KStG in der Fassung des Abschn. II Art. 4 Nr. 12 des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I 1954, 373), auf den § 35 KStDV vom 23. Dezember 1955 (BGBl I 1955, 853) - für den Streitfall § 35 KStDV in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 1965 (KStDV 1964), BGBl I 1965, 366 - zurückgeht, mit Art. 80 Abs. 1 GG vereinbar ist. Auch wenn dies zu bejahen ist, scheitert die Anerkennung von Warenrückvergütungen als Betriebsausgaben im Streitfall daran, daß die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 KStDV nicht erfüllt sind.
2. Warenrückvergütungen an Mitglieder gelten nur insoweit als Betriebsausgaben, als die dafür verwendeten Beträge im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet sind. Zur Feststellung dieser (im Mitgliedergeschäft erwirtschafteten) Beträge ist bei Verwertungsgenossenschaften der Überschuß im Verhältnis des Wareneinkaufs bei Mitgliedern zum gesamten Wareneinkauf aufzuteilen. Überschuß in diesem Sinne ist das um den Gewinn aus Nebengeschäften geminderte Einkommen vor Abzug aller Warenrückvergütungen und vor Berücksichtigung eines Verlustabzugs (§ 35 Abs. 2 Satz 5 KStDV).
a) Zu Recht hat das FG ausgeführt, daß die von der GmbH gezahlten Lokalgelder aus Nebengeschäften der Steuerpflichtigen herrühren und die Steuerpflichtige unter Berücksichtigung dieses Umstandes keinen Überschuß erzielt hat.
Richtig ist, daß die Steuerpflichtige der GmbH gegenüber nach dem "Milchkauf- und Pachtvertrag" vom 1. Januar 1964 sowohl als Verpächterin ihres Anlagevermögens als auch als Milchverkäuferin aufgetreten ist. Welche bürgerlich-rechtliche oder genossenschaftsrechtliche Bedeutung dem Auftreten als Milchverkäuferin angesichts des Umstandes zukommt, daß im Jahresabschluß, in der Verlust- und Gewinnrechung und im Jahresbericht der Steuerpflichtigen insoweit weder Zweckgeschäfte mit Mitgliedern noch Gegengeschäfte mit dem Milchkäufer in Erscheinung treten und die Steuerpflichtige auch keine Umsätze aus Gegengeschäften zur Umsatzsteuer erklärt hat, mag dahinstehen. Selbst wenn man mit der Revision annimmt, daß dem Vertrag vom 1. Januar 1964 zugleich die Bedeutung eines echten Kaufvertrages zukommt, kann das Lokalgeld nur als Entgelt für die Verpachtung angesehen werden. Das Lokalgeld ist eine zweiseitig vereinbarte Gegenleistung für bestimmte Leistungen der Steuerpflichtigen. Wofür das Entgelt gezahlt worden ist, kann nur dem Willen beider Vertragspartner (GmbH und Steuerpflichtige) entnommen werden. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist derjenige Wille entscheidend, wie er im Wortlaut und Sinnzusammenhang des Vertrags erkennbar in Erscheinung tritt. Unbeachtlich ist, wie eine der vertragsschließenden Parteien - unabhängig von den vertraglichen Vereinbarungen - das Entgelt wirtschaftlich beurteilt.
b) Der Milchkauf- und Pachtvertrag ist schon äußerlich in einen den Kauf und in einen anderen die Pacht betreffenden Teil deutlich unterschieden. Die §§ 1 bis 8, 10 und 12 beziehen sich ausschließlich auf den Milchkauf. Für diesen Teil des Vertrags regelt § 2 ausschließlich und abschließend den Preis, den der Milchkäufer an die Lieferanten je Kilo Milch zu bezahlen hat ("der jeweilige Frischmilchpreis von M zuzüglich eines Verwertungszuschlages von 0,25 Pf"). Dagegen enthält § 9 des Vertrages schon nach seiner Überschrift die Bestimmungen über die Verpachtung. Das in Nr. 1 Abs. 2 des § 9 verabredete Lokalgeld kann sich nach der Stellung dieser Bestimmung im Vertragstext nur auf die Verpachtung beziehen.
c) Da sich allein nach dem Inhalt der zweiseitig zwischen der GmbH und der Steuerpflichtigen getroffenen Vereinbarungen entscheidet, welche Bedeutung dem Lokalgeld zukommt, sind kalkulatorische Überlegungen, die die Steuerpflichtige selbst bei der Bemessung des Pachtentgelts einseitig angestellt haben mag oder nachträglich anstellt, nicht von Belang. Es ist deshalb auch nicht von Bedeutung, ob das Lokalgeld der üblicherweise zu erwartenden Verzinsung der Gesamtinvestitionskosten entspricht oder - wie die Steuerpflichtige meint - diese überschreitet.
Fundstellen
Haufe-Index 413174 |
BStBl II 1972, 498 |
BFHE 1972, 23 |