Leitsatz (amtlich)
Ob ein „Einfamilienhaus, Zweifamilienhaus oder eine Eigentumswohnung” i. S. von § 7 b EStG in der vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassung zur rechtlichen Dauernutzung zu Wohnzwecken geeignet war, bestimmt sich regelmäßig nach dem Baurecht, das im Zeitpunkt der Herstellung oder des Erwerbs des Wohnobjekts galt.
Normenkette
EStG § 7b in der vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassung
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1978 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Sie erwarben 1975 zu je ½ Miteigentumsanteil ein mit Wohnhaus und Garage bebautes Grundstück. Das Wohngebäude war durch Bescheid der Gemeinde an die Rechtsvorgängerin als steuerbegünstigt anerkannt worden. Aus diesem Bescheid ergab sich, daß das Gebäude aufgrund einer Genehmigung vom April 1969 errichtet und im Juli 1971 bezugsfertig geworden war.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA –) billigte den Klägern antragsgemäß für die Zeit von August 1975 bis einschließlich 1977 die erhöhten Absetzungen gemäß § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu, nicht für den Veranlagungszeitraum 1978. Der Dauernutzung zu Wohnzwecken stehe die eingeschränkte baurechtliche Genehmigung, nämlich Nutzung als Ferienhaus, entgegen. Im Bebauungsplan sei das Grundstück als „Sondergebiet (Ferienhäuser)” ausgewiesen. Zumindest gelte die Nutzungsbeschränkung seit dem Inkrafttreten der Änderung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) am 1. Oktober 1977.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1982, 74).
Es wich von der Rechtsprechung des erkennenden Senats ab, begründete seine Entscheidung jedoch zusätzlich mit folgenden Erwägungen: Auch wenn man der Rechtsprechung des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) folgen wollte, könnte der vorliegende Rechtsstreit nicht anders entschieden werden. Bei Würdigung aller Umstände des Falles könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß die dauernde wohnliche Nutzung des hier in Rede stehenden Einfamilienhauses im Streitjahr rechtlich unzulässig gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der beantragt wird, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das FA weist darauf hin, daß nach der Begründung des am 17. Februar 1973 in Kraft getretenen Bebauungsplans das von den Klägern erworbene Haus in einem Feriengebiet liege.
Eine ständige Nutzung sei schon nach der BauNVO vom 26. November 1968 untersagt gewesen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie tragen u. a. vor, das Haus, in dem die Kläger wohnten, sei bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans errichtet gewesen. Die Baugenehmigung habe keine Einschränkung in der Nutzungsmöglichkeit vorgesehen.
Die BauNVO vom 15. September 1977 sei erst allen Flächennutzungsplänen zugrunde zu legen, die nach dem 1. Oktober 1977 gemäß § 2 a Abs. 6 des Bundesbaugesetzes (BBauG) öffentlich ausgelegt werden. Sie habe nicht rückwirkend die Rechtslage ändern können.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Der Senat vermag mangels tatsächlicher Feststellungen nicht in der Sache selbst zu erkennen.
1. Der Senat hat in seinem Urteil vom 18. Juli 1978 VIII R 94/77 (BFHE 125, 454, BStBl II 1978, 593) für Recht erkannt, daß § 7 b EStG in den für die Veranlagungszeiträume vor dem 1. Januar 1977 maßgebenden Fassungen (damals für den Veranlagungszeitraum 1976) nicht „Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen” in Wochenendgebieten (§ 10 BauNVO vom 26. Juni 1962, BGBl I 1962, 429) begünstigt. Der Senat hat im Urteil vom 8. März 1983 VIII R 111/81 (BFHE 138, 215) an der Entscheidung VIII R 94/77 festgehalten. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Gründe in dieser Entscheidung.
Danach hätten die Kläger, da sie das Gebäude im Jahr 1975 erworben haben, keinen Anspruch auf erhöhte Absetzung gemäß § 7 b EStG, wenn nach dem Baurecht, das im Zeitpunkt des Erwerbs des Wohnhauses durch die Kläger gegolten hat, eine ganzjährige Nutzung zu Wohnzwecken nicht zulässig sein sollte.
2. Das FG hat keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, welche Nutzungsmöglichkeit nach dem Baurecht bestand, das im Zeitpunkt des Erwerbs des Wohnobjekts durch die Kläger galt, ob also das in diesem Zeitpunkt geltende Ortsbaurecht eine ganzjährige Nutzung zuließ, wie die Kläger vortragen, oder nicht zuließ, wie das FA behauptet.
Regelmäßig ist für das Vorliegen des Begünstigungsmerkmals der rechtlichen Eignung zur Dauernutzung der Zeitpunkt der Herstellung oder des Erwerbs des Gebäudes (Einfamilienhaus, Zweifamilienhaus, Eigentumswohnung) maßgebend. Spätere, nicht den Steuergesetzen zu entnehmende Änderungen der Rechtslage für dieses Merkmal haben außer Betracht zu bleiben, es sei denn, daß gesetzlich etwas anderes angeordnet worden ist. Denn anders als bei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, bei denen die Veränderungen im Machtbereich des Steuerpflichtigen liegen, und Veränderungen der jeweiligen steuerrechtlichen Gesetzeslage, bei der der Gesetzgeber eine Änderung der steuerrechtlichen Auswirkungen für die Zukunft angeordnet hat, kann bei Änderungen der Rechtslage durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Ortssatzungnichtsteuerlicher Art nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß auch eine Änderung des ursprünglich erfüllten Auslegungsmerkmals der rechtlichen Dauernutzung mitsteuerrechtlicher Wirkung für die Zukunft beabsichtigt gewesen sein sollte.
Ob und ggf. welche Nutzungsänderungen baurechtlich für bereits errichtete Gebäude eingeführt oder für nach der Errichtung erworbene Gebäude getroffen wurden, wird demgemäß regelmäßig erst für Erwerber von Bedeutung werden, deren Erwerb nach der rechtlichen Nutzungsänderung liegt.
a) Das FA hat vorgetragen, das Wohngebäude der Kläger liege in einem Gebiet, das bereits nach der BauNVO vom 26. November 1968 als „Sondergebiet” ausgewiesen gewesen sei. Sollte dies zutreffen, hat sich aufgrund der BauNVO vom 15. September 1977 möglicherweise rechtlich nichts geändert (vgl. auch die Berufung des FA auf die §§ 3 und 4 BauNVO vom 26. November 1968).
Es könnte sein, daß die Einfügung der Begriffe „Ferienhausgebiete” und „Ferienhäuser” durch die BauNVO vom 15. September 1977, am 1. Oktober 1977 in Kraft getreten (vgl. § 10 Abs. 4 BauNVO 1977), insoweit keine Einschränkung gegenüber den bisher als „Wochenendhausgebieten” ausgewiesenen Baugebieten und den in ihnen als zulässig vorgesehenen „Wochenendhäusern” (§ 10 BauNVO 1968) mit sich gebracht hat.
In diesem Fall wäre das FG unzutreffend davon ausgegangen, es komme darauf an, daß die zuständigen Verwaltungsbehörden eine planungsrechtlich unzulässige dauernde Benutzung zu Wohnzwecken gekannt und hingenommen hätten, daß sie eine für „Ferienzwecke unnötige und unerklärlich intensive ganzjährige verkehrsmäßige Erschließung und Versorgung – sogar durch öffentliche Schulbusse–” vorgenommen und die Gebäude als steuerbegünstigt nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) anerkannt hätten.
Die Einwendungen der Kläger griffen dann nicht durch.
aa) Ist nach dem verbindlichen Ortsbaurecht der Gemeinde eine Wohnung nicht dazu bestimmt, ununterbrochen durch dieselben Bewohner bewohnt zu werden, ist das Merkmal der rechtlichen Zulässigkeit der (ganzjährigen) Dauernutzung selbst dann nicht erfüllt, wenn die Kläger die Absicht hatten, in diesem Haus dauernd zu wohnen (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 14. November 1968 VIII C 65.65, BVerwGE 31, 50, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1969, 307, und vom 27. März 1974 VIII C 21.73, BVerwGE 45, 120) und tatsächlich auch dauernd darin gelebt haben, weil es ihre einzige Wohnung war. Ein nach der rechtlichen Begriffsbestimmung der BauNVO vom 15. September 1977 (BGBl I 1977, 1763) als Ferienhaus beschriebenes Objekt (§ 10 Abs. 4 BauNVO) konnte nach der Gesetzeslage des § 7 b EStG in der vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassung ebensowenig wie ein Wochenendhaus als steuerbegünstigt i. S. von § 7 b EStG anerkannt werden.
Einen bestandskräftigen Verwaltungsakt mit dem Inhalt, daß für die Kläger abweichend vom Bauplanungsrecht eine ganzjährige Nutzung genehmigt worden wäre, haben die Kläger nach den derzeitigen Erkenntnissen nicht erwirkt und beigebracht.
bb) Die Kläger konnten aus den Prospekten der A-GmbH & Co. KG keine Rechte auf ganzjährige Nutzbarkeit herleiten. Denn die Erklärungen der A-GmbH & Co. KG oder ihre Prospekte konnten das Ortsbaurecht nicht verändern.
cc) Selbst wenn von der Gemeinde fehlerhafte Auskünfte über die steuerrechtliche Abziehbarkeit von erhöhten Absetzungen gemäß § 7 b EStG erteilt worden wären, hätten diese keinen Anspruch auf erhöhte Absetzungen gemäß § 7 b EStG auslösen können (vgl. Urteil in BFHE 125, 454, BStBl II 1978, 593, dort unter 2. a.).
dd) Unerheblich wäre auch, daß das FA in den vorausgegangenen Veranlagungszeiträumen die Abschreibung gemäß § 7 b EStG anerkannt hat. Denn daraus konnte kein Vertrauen auf die Beibehaltung der rechtsfehlerhaften Beurteilung erwachsen. Mangels Vorliegens einer verbindlichen Zusage bedarf es auch keines Eingehens darauf, ob vermögensrechtliche Verfügungen der Kläger vorliegen, die eine solche Zusage zur Voraussetzung gehabt hätten.
b) Bestand dagegen im Zeitpunkt der Genehmigung des Bauvorhabens keine Nutzungseinschränkung, wie die Kläger vortragen, muß festgestellt werden, ob und ggf. welche Bestimmungen spätere Planungsvorschriften für bereits errichtete Gebäude getroffen hatten, wie also die Rechtslage im Zeitpunkt des Erwerbs des Gebäudes durch die Kläger hinsichtlich der Dauernutzbarkeit war.
Fundstellen
Haufe-Index 510463 |
BFHE 1983, 220 |