Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Sachlieferungsverpflichtungen aus schwebenden Verträgen, bei denen die Kunden ihre Zahlungsverpflichtungen bereits in der RM-Zeit erfüllt haben, sind in der DM-Eröffnungsbilanz mit ihrem Teilwert anzusetzen.
Ist die zu liefernde Ware bereits am Bilanzstichtag vorrätig, so bestimmt sich der Teilwert der Lieferungsverpflichtung nach dem Ansatz der Ware auf der Aktivseite der Bilanz, muß sie erst hergestellt werden, nach der Höhe der Gestehungskosten in der DM-Zeit.
Normenkette
DMBG § 5; DMBG § 30/2; EStG §§ 5, 6/3
Tatbestand
über das Vermögen des Steuerpflichtigen (Stpfl.), des Inhabers einer Stahlmöbelfabrik und galvanischen Anstalt, ist am 25. Februar 1950 das Konkursverfahren eröffnet worden. In den Jahren 1949 und 1950 wurden in dem Betriebe des Stpfl. Betriebsprüfungen durchgeführt. Der Konkursverwalter hat gegen die für II/1948 und 1949 auf Grund der Ergebnisse der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide Sprungberufung eingelegt.
Die Umsätze des Unternehmens sind im RM-Abschnitt des Monats Juni 1948 (1. bis 20. Juni) ungewöhnlich gestiegen. Die höchste Steigerung ist in den letzten Tagen vor der Währungsumstellung zu verzeichnen. Allein auf die drei Tage vom 17. bis 19. Juni entfallen rund 192 700 RM Umsätze. Verkäufe über rund 112 000 RM sind unter dem 19. Juni 1948, also dem Tage nach der Bekanntgabe der Währungsumstellung im Rundfunk, verbucht worden. Die Firma begründet dies unter anderem damit, sie habe in Unkenntnis der Auswirkungen der Währungsreform RM-Beträge hereinbringen wollen, um die erheblichen Bankschulden herabzudrücken. Es habe sich bei den verkauften Waren um Erzeugnisse gehandelt, die in dieser Qualität zu diesen Preisen nach der Währungsumstellung nicht mehr abzusetzen gewesen seien.
Das Finanzamt hat einen Teil der RM-Beträge nur als Vorauszahlung der Kunden angesehen, während in den Büchern und Bilanzen der Firma die gesamten Zahlungen als Gewinne der RM-Periode behandelt wurden und mit den nach dem 20. Juni 1948 getätigten Lieferungen die DM-Periode belastet wurde. Nach Auffassung des Finanzamts waren die Kundenvorauszahlungen als Kreditoren in der Bilanz auszuweisen. Es hat infolgedessen die Kreditoren in der Bilanz zum 20. Juni 1948 um die von ihm geschätzten Vorauszahlungen in Höhe von 93 440 RM erhöht. Dadurch trat für I/1948 eine Gewinnminderung von 93 440 RM ein. In der DM-Eröffnungsbilanz zum 21. Juni 1948 hat das Finanzamt diese Kreditoren ebenfalls mit 93 440 DM angesetzt. § 18 des Umstellungsgesetzes - UmstG - (Gesetz Nr. 63 der Militärregierung) bestimme, daß Verpflichtungen aus Kaufverträgen, soweit die Gegenleistung vor dem 21. Juni 1948 noch nicht bewirkt sei, und alle am 19. und 20. Juni 1948 eingegangenen RM-Verbindlichkeiten im Verhältnis 1:1 in die DM-Eröffnungsbilanz übernommen werden müßten. Auf diese Weise erhöhte es das Ergebnis des II/1948 entsprechend.
Andererseits hat das Finanzamt die Warenbestände am 20. Juni 1948 um den von ihm geschätzten Schwarzlagerbestand von 81 773 DM und damit den Gewinn I/1948 um den gleichen Betrag erhöht. In die DM-Eröffnungsbilanz zum 21. Juni 1948 wurden diese Warenbestände ebenfalls mit 81 773 DM übernommen. In der handelsrechtlichen DM-Eröffnungsbilanz sind die Beträge von 81 773 DM für Schwarzmarktbestände und 93 440 DM Warenlieferungsverpflichtungen auf Grund von Vorauszahlungen nicht enthalten. Des weiteren nahm das Finanzamt an, daß der Erlös aus diesen Schwarzbeständen in Höhe von 83 751 DM nicht in die Geschäftskasse geflossen, also entnommen sei.
Das Finanzamt kam für II/1948 zu einem Gewinn von 142 534 DM. Im einzelnen ergibt sich die Ableitung dieses Betrages entsprechend den Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht vom 15. Juni 1950 durch folgende Abweichungen von dem handelsrechtlich ausgewiesenen Gewinn in Höhe von 37 376 DM,
1. Zurechnungen: a) verschiedene Entnahmen (nicht streitig) -------- 22.940 DM, b) zusätzliche Entnahmen: Erlös aus dem Verkauf des Schwarzlagerbestandes --- 83.751 DM, c) Wegfall des Postens Kundenvorauszahlungen in der Schlußbilanz II/1948 ---------------------- 93.440 DM, -------------------------------------------------- 237.507 DM 2. Abrechnungen: a) Wegfall des Postens Schwarzlagerbestand in der Schlußbilanz ------------------------------------- 81.773 DM b) Erhöhung der Gewerbesteuerrückstellung --------- 13.200 DM, --------------------------------------------------- 94.973 DM. Gewinn II/1948 ----------------------------------- 142.534 DM.Gegen diese Berechnung wandte der Konkursverwalter ein, den Lieferungsverpflichtungen auf Grund der Vorauszahlungen stünden die vom Finanzamt geschätzten Schwarzbestände gegenüber und bestritt auf diese Weise den privaten Verkauf der Schwarzbestände. Es ergebe sich dann ein um den in der DM-Eröffnungsbilanz aktivierten Schwarzbestand verminderter Gewinn.
Das Finanzgericht nahm wie folgt Stellung: Das Finanzamt sei davon ausgegangen, daß sich der Gewinn II/1948 wegen des Schwarzlagers um den Wert der Privatentnahmen von 83 751 DM (Verkaufswert der Schwarzbestände) abzüglich ihres Anschaffungswertes von 81 773 DM, also um den geschätzten Verkaufsgewinn erhöht habe. Des weiteren habe sich der Gewinn um die 93 440 RM Kundenvorauszahlungen erhöht. Grundsätzlich müsse dem Finanzamt darin beigepflichtet werden, daß die Lieferungsverpflichtung zu passivieren sei. Nach den allgemeinen Grundsätzen über die Gewinnrealisierung bei schwebenden Geschäften sei bei Vorauszahlung auf der Passivseite ein entsprechender Gegenposten einzusetzen, der sich nach der Höhe der Vorauszahlungen bestimme. Die Vorauszahlungen der Kunden seien aber in der DM-Eröffnungsbilanz neu bewertungsfähig. Der Konkursverwalter schlage einer Anregung der früheren Steuerbevollmächtigten folgend vor, von einem Betrag von 37 221 DM auszugehen. Hierbei habe der Steuerbevollmächtigte wesentlich niedrigere Verkaufswerte als das Finanzamt unterstellt. Der Ansatz von 37 221 DM erscheine dem Finanzgericht zu niedrig. Aber auch der Wertansatz des Finanzamts erscheine nach Lage der Verhältnisse überhöht und nicht genügend begründet. Mangels brauchbarer buchmäßiger Unterlagen sei das Finanzgericht auf griffweise Schätzung angewiesen. Bei der hierfür notwendigen Schätzung des Zeitwertes der Kundenvorauszahlungen sei davon auszugehen, daß die DM-Verkaufswerte der gelieferten Waren unstreitig niedriger seien als die RM-Erlöse. Das Finanzgericht sehe als eine für den Steuergläubiger und dem Stpfl. tragbare Lösung einen Zeitwert an, der das Mittel zwischen dem Vorschlag des Stpfl. und dem Ansatz des Betriebsprüfers darstelle, also
37 220 + 93 440 : 2 = 65 330 DM. Der steuerpflichtige Gewinn für II/1948 mindere sich auf diese Weise von 142 534,17 DM um 28 110 DM auf 114 424,17 DM.
Im Kalenderjahre 1949 hat der Stpfl. nach den Berechnungen der Vorbehörden einen Verlust von 131 202 DM erzielt.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Konkursverwalters führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Bei den umstrittenen Vorgängen handelt es sich um schwebende Geschäfte, bei denen die Kunden ihren Verpflichtungen in der RM-Zeit voll nachgekommen sind. Es entspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, daß bei Vorauszahlungen im allgemeinen die Gewinnrealisierung noch nicht angenommen wird. Dies wird bilanzierungsmäßig dadurch herbeigeführt, daß den vorausgezahlten Beträgen auf der Aktivseite der Bilanz ein gleich hoher Gegenposten (Lieferungsverpflichtung) auf der Passivseite gegenübergestellt wird, der im Ergebnis den Aktivposten ausgleicht und erfolgsneutral macht. Die Gewinnrealisierung gilt erst als in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Lieferant gleichfalls seinen Verpflichtungen nachgekommen ist, die Ware also geliefert hat. Lediglich in besonders gelagerten Fällen wird bereits bei Vorauszahlungen eine Gewinnrealisierung als Wahlrecht für den Kaufmann anerkannt, so wenn die zu liefernde Ware versandbereit zur Verfügung steht und die Lieferung mit keinem Risiko belastet ist (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 935/30 vom 22. Oktober 1931, Slg. Bd. 29 S. 276, 287; VI A 610/32 vom 10. Januar 1934, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1934 Nr. 210; Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 62/49 U vom 13. Januar 1950, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl. - 1950 S. 83).
Im vorliegenden Falle ist zu prüfen, ob und inwieweit diese Grundsätze auch auf die Bilanzierung in der DM-Eröffnungsbilanz anzuwenden sind, und welche Bedeutung die Währungsumstellung für die Bilanzierung gehabt hat.
Es handelt sich nicht um eine Geldschuld, sondern um eine Warenschuld. Das Finanzamt hat deshalb zu Unrecht die Bestimmungen des § 18 UmstG seiner Bewertung zugrunde gelegt. Die Verpflichtung ist ausschließlich nach den Vorschriften des D-Markbilanzgesetzes anzusetzen, wobei insbesondere § 5 und § 30 Abs. 2 des D-Markbilanzgesetzes von Bedeutung sind. Die Sachlieferungsschuld muß nach dem Teilwert der Verpflichtung im Rahmen des Betriebes bemessen werden. Wie in der neueren Literatur zum D-Markbilanzgesetz, so in der Ergänzung des Kommentars zum D-Markbilanzgesetz von Beuck-Paret S. 59 zutreffend ausgeführt wird, muß bei der Sachleistungsverpflichtung unterschieden werden, ob die Sachgüter am 21. Juni 1948 bereits vorhanden waren oder erst in der DM-Zeit hergestellt werden müssen (siehe auch den Aufsatz von Eisenblätter-Wehr, Steuerwarte 1951 S. 110, 114). Waren sie bereits vorhanden, so ist die Verpflichtung entsprechend dem Ansatz der Güter auf der Aktivseite der Bilanz auf der Passivseite anzusetzen. Waren die Sachgüter noch nicht vorhanden, so ist ein Passivposten in der Höhe in die DM-Eröffnungsbilanz einzusetzen, wie er dem Betrag der geschätzten Herstellungskosten in der DM-Zeit entspricht. Ein Gewinn und Verlust kann somit für die DM-Zeit auf Grund derartiger einseitig erfüllter schwebender Verträge nicht entstehen.
Auf diese Weise tritt eine Gewinn- und Verlustrealisierung aus derartigen schwebenden Geschäften weder in der RM- noch in der DM-Zeit ein. Dies ist eine Folge der Durchbrechung der Bilanzkontinuität auf Grund des D-Markbilanzgesetzes. Es können hier die sonst in der Buchführung gültigen Grundsätze über die Bilanzierung von Vorauszahlungen und den hiermit verbundenen Ausweis der Gewinnrealisierung nicht angewandt werden. Die Lieferungsverpflichtung muß in der DM-Eröffnungsbilanz nach ihrem Teilwert eingesetzt werden, nicht nach der Höhe der erhaltenen Vorauszahlungsbeträge, wie sie auf der Aktivseite der Bilanz erscheinen. Diese Vorauszahlungsbeträge werden in der DM-Eröffnungsbilanz infolge der Währungsumstellung im allgemeinen nur noch mit einem Bruchteil der RM-Beträge anzusetzen sein. Der Unterschied der Bilanzierung in der DM-Eröffnungsbilanz gegenüber der sonst üblichen Bilanzierung (Trennung des Passivpostens vom Aktivansatz) ist darin begründet, daß nach dem D-Markbilanzgesetz nicht die Anschaffungskosten der Verpflichtung (Betrag der erhaltenen Vorauszahlungen) angesetzt werden können, wie dies nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes der Fall ist, sondern lediglich der Teilwert der Verpflichtungen angesetzt werden darf. Die Bilanzierung des Finanzgerichts ist insofern unzutreffend, als es den gemeinen Wert, d. h. den Verkaufswert, nicht den Herstellungswert der Waren seiner Bewertung zugrunde gelegt hat.
Die nach der Entwicklung der Verhältnisse des Stpfl. nicht erklärbare Höhe des Gewinnes für II/1948 ergibt sich nach der oben dargestellten zahlenmäßigen Entwicklung in der Hauptsache daraus, daß der geschätzte Verkaufserlös (83 751 DM), nicht lediglich, wie anscheinend die Vorbehörden annehmen, der Verkaufsgewinn (1978 DM) als Privatentnahme behandelt wurde. Der Konkursverwalter verweist darauf, daß den Kundenvorauszahlungen nach der Annahme des Finanzamts in erheblichem Umfang Schwarzbestände gegenübergestanden haben. Er bringt damit zum Ausdruck, daß die Lieferungsverpflichtungen vermutlich aus den Schwarzbeständen abgedeckt worden seien. Eine derart hohe Privatentnahme, wie sie die Vorbehörden angenommen haben, muß als auffällig bezeichnet werden, zumal auch sonst nicht bestrittene Entnahmen angesetzt worden sind. Dem Konkursverwalter ist darin beizutreten, daß vermutlich zumindest ein Teil der Schwarzbestände zur Tilgung der Sachleistungsverpflichtungen verwandt worden ist, zumal der Vorentscheidung jede Begründung für eine derart hohe Privatentnahme fehlt.
Die Vorentscheidung muß aufgehoben werden und die Sache zur nochmaligen Würdigung, insbesondere zur Feststellung des Teilwertes der Warenlieferungsverpflichtung an das Finanzgericht zurückverwiesen werden. Im Rahmen der erneuten Würdigung wird das Finanzgericht auch zur Frage des inneren Verhältnisses der Sachlieferungsverpflichtung zu den aktivierten Schwarzbeständen Stellung zu nehmen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 407421 |
BStBl III 1952, 173 |
BFHE 1953, 449 |
BFHE 56, 449 |
BB 1952, 513 |
DB 1952, 614 |