Leitsatz (amtlich)
Die Kosten einer Bürgschaft, die als Sicherheit zur Erlangung eines Vollstreckungsaufschubs im Hinblick auf ein schwebendes Vollziehungsaussetzungsverfahren dient, sind Aufwendungen des Vollziehungsaussetzungsverfahrens.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, § 139 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte Ende 1973 wegen der Nichtgewährung einer Investitionsprämie nach § 32 des Kohlegesetzes (KoG) für ein Bauvorhaben gegen den Einkommensteuerbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) für 1970 bei dem Finanzgericht (FG) Klage erhoben und die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt. Das FG gab dem Vollziehungsaussetzungsantrag mit Beschluß vom 8. November 1974 größtenteils statt; es bejahte ernstliche Zweifel an der Versagung der Investitionsprämie, soweit das Bauvorhaben betrieblich zu nutzende Gebäudeteile betraf. Die Klage erledigte sich in der Hauptsache, nachdem der Kläger seinen Klagantrag auf die betrieblich genutzten Gebäudeteile beschränkt hatte und das FA sich zur Erteilung eines Änderungsbescheids bereiterklärt hatte. Die Verfahrenskosten wurden gemäß § 138 Abs. 2 FGO in voller Höhe dem FA auferlegt.
Der Kläger hatte das FA nach Einreichung des Vollziehungsaussetzungsantrags gebeten, von Vollstrekkungsmaßnahmen abzusehen. Gleichwohl mahnte das FA den Rückstand an. Der Kläger stellte am 11. März 1974 eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft über 30 000 DM. Das FA sprach daraufhin am 26. März 1974 einen Vollstreckungsaufschub gemäß § 333 der Reichsabgabenordnung (AO) aus, der mehrmals - zuletzt bis zum 30. November 1974 - verlängert wurde. Das FA gab die Bürgschaftsurkunde im Oktober 1975 zurück. Die Bank berechnete dem Kläger eine Avalprovision von 475,84 DM. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des FG lehnte es ab, diese Auslagen im Kostenerstattungsverfahren betreffend Hauptsachestreit Einkommensteuer 1970 gegenüber dem FA festzusetzen. Er berief sich hierfür auf den Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Februar 1972 VII B 170/69 (BFHE 104, 508, BStBl II 1972, 429).
Der Kläger beantragte daraufhin bei dem FA, ihm die Avalprovision zu erstatten. Das FA lehnte den Antrag ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG hat ausgeführt (Urteil vom 14. Dezember 1978 III 4582/77 AO, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1979, 317): Der Finanzrechtsweg sei gegeben, soweit der Erstattungsanspruch auf § 111 FGO bzw. § 4b des Steuersäumnisgesetzes (StSäumG) oder eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften gestützt werde oder als Folgenbeseitigungsanspruch geltend gemacht werde. Die insoweit zulässige Klage sei jedoch unbegründet. § 111 FGO bzw. § 4b StSäumG seien nicht anwendbar. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften scheide aus. Auch ein Folgenbeseitigungsanspruch entfalle. Soweit als Anspruchsgrundlage § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i. V. m. Art. 34 des Grundgesetzes (GG) in Betracht komme, sei der Zivilrechtsweg gegeben und die Klage unzulässig.
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts: § 111 FGO bzw. § 4b StSäumG seien anwendbar. Die Hingabe einer selbstschuldnerischen Bürgschaft sei "als Zahlung der Abgabenschuld" anzusehen. Zumindest seien § 111 FGO bzw. § 4 b StSäumG entsprechend anwendbar. Die Erstattung lasse sich auch aus dem Folgenbeseitigungsanspruch herleiten.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, den Ablehnungsbescheid des FA vom 28. September 1977 nebst Einspruchsentscheidung vom 8. November 1977 aufzuheben und das FA zu verurteilen, an ihn 475,84 DM nebst 6 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1977 zu zahlen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, daß die Klage unzulässig ist.
Ein Anspruch auf Erstattung der Avalprovision hätte im Kostenfestsetzungsverfahren betreffend Aussetzung der Vollziehung verfolgt werden müssen. Hieraus ergibt sich, daß die vorliegende Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist. Auf die weiteren Erwägungen des FG und der Beteiligten kommt es nicht an.
Der VII. Senat des BFH hat in dem Beschluß in BFHE 104, 508, BStBl II 1972, 429 entschieden, daß Provisionen für Bürgschaften, durch die dem FA Sicherheit zur Abwendung der Vollziehung eines Abgabenbescheids geleistet worden ist, nicht als erstattungsfähige Aufwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden können. Er hat weiterhin in dem Beschluß vom 19. April 1972 VII B 123/70 (BFHE 105, 330, BStBl II 1972, 573) ausgeführt, daß solche Provisionen allenfalls als Aufwendungen für das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung angesehen werden könnten. Der Streitfall unterscheidet sich von den vom VII. Senat behandelten Fällen dadurch, daß die Sicherheitsleistung, der die Bürgschaft diente, nicht im Vollziehungsaussetzungsverfahren angeordnet worden war. Sie wurde vielmehr erbracht, um im Hinblick auf ein schwebendes Vollziehungsaussetzungsverfahren einen Vollstreckungsaufschub zu erreichen. Das FG setzte die Vollziehung späterhin ohne Sicherheitsleistung aus.
Wird die Bürgschaft in Erfüllung einer Sicherheitsauflage in einer Vollziehungsaussetzungsanordnung erbracht, dient sie nicht mehr der Rechtsverfolgung oder -verteidigung. Sie führt bereits den in einem abgeschlossenen selbständigen Nebenverfahren ergangenen Spruch aus. Insbesondere die gerichtlich angeordnete Vollziehungsaussetzung enthält eine abschließende Kostenentscheidung, die unter Berücksichtigung der Sicherheitsanordnung ergeht. Der Senat neigt daher dazu, die vom VII. Senat offengelassene Möglichkeit auszuschließen und die Aufwendungen für eine im Vollziehungsaussetzungsverfahren angeordnete Sicherheitsleistung außerhalb der Kostenfestsetzung dieses Verfahrens zu belassen. Ebenso wird im Zivilprozeß nur für vorläufige Sicherheitsleistungen - z. B. nach den §§ 709, 711, 712 der Zivilprozeßordnung (ZPO) - die Auffassung vertreten, daß die Kosten der als Sicherheit beigebrachten Bürgschaft erstattungsfähige Verfahrenskosten im weiteren Sinn seien (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 18. Dezember 1973 VI ZR 158/72, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1974, 573; Beschluß des Oberlandesgerichts - OLG - Karlsruhe vom 12. August 1977 15 W 23/77, Betriebs-Berater - BB - 1978, 381).
Im Streitfall ist die Bürgschaft hingegegen vor der FG-Entscheidung im Vollziehungsaussetzungsverfahren und im Hinblick auf diese Entscheidung erbracht worden. Der Kläger erstrebte eine Vollziehungsaussetzung durch das FG ohne Sicherheitsleistung. Insoweit - wenn auch nicht der Höhe nach - ist er späterhin mit seinem Antrag durchgedrungen. Da jedoch diese Entscheidung nicht sogleich zu erlangen war und Vollstreckung drohte, kamen die Beteiligten überein, daß dem Kläger ein Vollstreckungsaufschub gegen Sicherheitsleistung gewährt wurde. Die Aufwendungen für die Sicherheitsleistung wurden aus der Sicht des Klägers zur Rechtsverfolgung im Vollziehungsaussetzungsverfahren erbracht. Ob sie auch der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten und hierfür notwendig waren (§ 139 Abs. 1 FGO), braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden.
Fundstellen
Haufe-Index 74337 |
BStBl II 1982, 602 |
BFHE 1983, 65 |