Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine von den Eigentumsverhältnissen abweichende Zurechnung des Abzugsbetrags nach § 10 e EStG
Leitsatz (NV)
Die insoweit eindeutige Regelung des § 10 e Abs. 1 Satz 5 EStG 1987 (= § 10 e Abs. 1 Satz 6 i. d. F. ab 1990) begrenzt die Bemessungsgrundlage für die Wohnungsbauförderung bei einem Anteil an dem begünstigten Objekt zwingend auf den diesem Anteil entsprechenden Teil der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen.
Normenkette
EStG 1987 § 10e Abs. 1 S. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb von seiner Tochter aufgrund eines Überlassungsvertrags unentgeltlich den hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück. Auf diesem Grundstück errichtete er mit Zustimmung der Tochter auf eigene Kosten ein Einfamilienhaus, das er im Jahre 1988 allein bezog.
In den Einkommensteuerbescheiden 1988 und 1989 gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) dem Kläger entsprechend seinem Miteigentumsanteil den halben Abzugsbetrag gemäß § 10 e des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1987. Bemessungsgrundlage hierfür waren Herstellungskosten des Gebäudes sowie (die hälftigen) Anschaffungskosten für den Grund und Boden.
Mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1989 begehrte der Kläger -- ohne Erfolg -- einen Anteil am Abzugsbetrag in Höhe von 90 v. H., da er die Herstellungskosten des Gebäudes allein getragen habe. Außerdem beantragte er, den im Veranlagungszeitraum 1988 insoweit ebenfalls unterbliebenen Abzug gemäß § 10 e Abs. 3 Satz 1 EStG nachzuholen.
Während des Klageverfahrens erklärte das FA die Steuerfestsetzung 1989 bezüglich verschiedener Punkte für vorläufig.
Die Klage, die sich gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nunmehr gegen den Änderungsbescheid richtete, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war unter Berufung auf das zu § 7 b EStG ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Juni 1966 VI 249/65 (BFHE 86, 550, BStBl III 1966, 580) der Auffassung, eine von den Anteilen der Miteigentümer abweichende Beteiligung an der Baufinanzierung ermögliche auch eine abweichende Aufteilung des Abzugsbetrags nach § 10 e Abs. 1 EStG. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 149 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Der Abzugsbetrag des § 10 e EStG könne nicht abweichend von den Miteigentumsanteilen aufgeteilt werden. Der Abzugsbetrag sei nur und ausschließlich nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu gewähren. Wer von den Miteigentümern die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten getragen habe, sei unerheblich.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Entgegen der Vorentscheidung kann der Kläger lediglich einen Abzugsbetrag beanspruchen, der seinem Miteigentumsanteil entspricht.
1. a) Die Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 EStG steht Steuerpflichtigen zu, die eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im eigenen Haus oder eine eigene Eigentumswohnung hergestellt oder angeschafft haben. Bei einem Anteil an der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung kann der Steuerpflichtige nach § 10 e Abs. 1 Satz 5 EStG 1987 (= § 10 e Abs. 1 Satz 6 EStG i. d. F. ab 1990) den entsprechenden Teil des Abzugsbetrages wie Sonderausgaben abziehen. Der Begriff "eigen " bedeutet, daß der Steuerpflichtige Eigentümer des von ihm errichteten oder angeschafften Objekts sein muß.
In Fällen, in denen zivilrechtliches und "wirtschaftliches Eigentum" nicht übereinstimmen, ist der wirtschaftliche Eigentümer zur Inanspruchnahme des Abzugsbetrags nach § 10 e Abs. 1 EStG berechtigt (BFH-Urteil vom 21. Mai 1992 X R 61/91, BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944). Eine vom bürgerlichen Recht abweichende Zurechnung unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums kommt nur in Betracht, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft ausübt und den nach bürgerlichem Recht Berechtigten auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --), so daß der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat oder kein Herausgabeanspruch besteht (vgl. BFH-Urteile vom 21. Dezember 1978 III R 20/77, BFHE 127, 423, BStBl II 1979, 466; vom 27. Februar 1991 XI R 14/87, BFHE 163, 571, BStBl II 1991, 628 und vom 12. September 1991 III R 233/90, BFHE 166, 49, BStBl II 1992, 182, jeweils m. w. N.).
b) Der Kläger hat über seinen hälftigen Miteigentumsanteil hinaus weder zivilrechtliches noch wirtschaftliches Eigentum am Gebäude erworben. Er und seine Tochter sind nach dem Überlassungsvertrag je zur ideellen Hälfte Miteigentümer des Grundstücks. Da der Kläger das Gebäude nicht aufgrund eines dinglichen Rechts oder nur zu einem vorübergehenden Zweck (§ 95 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) errichtet hat, wurden er und seine Tochter entsprechend den Eigentumsverhältnissen am Grundstück zivilrechtlich Miteigentümer des Gebäudes (§§ 93, 94, 946 BGB).
Nur durch die Tatsache, daß der Kläger das Gebäude über seinen zivilrechtlichen Miteigentumsanteil hinaus allein nutzt, wird seine Tochter nicht an der Verfügung über ihren Anteil am gemeinschaftlichen Grundstück gehindert. Ihr Anspruch auf Einräumung des Mitbesitzes ist auch nicht aufgrund etwaiger Ansprüche des Klägers auf Aufwendungsersatz wirtschaftlich wertlos geworden (ständige Rechtsprechung: vgl. BFH-Urteil in BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944). Im übrigen ist insbesondere bei einander nahestehenden Personen wirtschaftliches Eigentum des Nutzenden nur dann anzunehmen, wenn ihm aufgrund eindeutiger, d. h. überprüfbarer und im voraus getroffener Abmachungen mit dem zivilrechtlichen Eigentümer eine Stellung eingeräumt wurde, aufgrund derer er diesen für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann (BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 140/87, BFHE 158, 361, BStBl II 1990, 368 sowie in BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944). Daran fehlt es hier.
2. Der Kläger kann die Wohnungsbauförderung nach § 10 e EStG nur für seinen Miteigentumsanteil beanspruchen.
a) § 10 e Abs. 1 Satz 5 EStG 1987 (= § 10 e Abs. 1 Satz 6 EStG i. d. F. ab 1990) bestimmt, daß bei einem Anteil an der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung der Steuerpflichtige nur den entsprechenden Teil der Abzugsbeträge nach Satz 1 wie Sonderausgaben abziehen kann. Die insoweit eindeutige Regelung begrenzt die Bemessungsgrundlage für die Wohnungsbauförderung bei einem Anteil an dem begünstigten Objekt zwingend auf den diesem Anteil entsprechenden Teil der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen.
b) Die hiervon abweichende Auffassung des FG, eine von den Anteilen der Miteigentümer abweichende Beteiligung an der Baufinanzierung ermögliche auch eine abweichende Aufteilung des Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 Satz 1 EStG, wird durch das Urteil des BFH in BFHE 86, 550, BStBl III 1966, 580 gestützt. Diese Entscheidung, nach der innerhalb einer Grundstücksgemeinschaft die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG a. F. abweichend von den Eigentumsanteilen verteilt werden können, wenn wirtschaftlich vernünftige Gründe dafür vorliegen, ist seit der Änderung des § 7 b EStG durch das Gesetz über steuerliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude vom 11. Juli 1977 (BGBl I 1977, 1213, BStBl I 1977, 360) überholt. Der BFH hat deshalb mit Urteil vom 25. August 1992 IX R 320/87 (BFHE 169, 95, BStBl II 1993, 105) entschieden, daß nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 7 b Abs. 1 Satz 3 EStG eine von den Miteigentumsanteilen abweichende Verteilung der erhöhten Absetzungen nicht mehr möglich ist.
c) Entsprechendes gilt nach § 10 e Abs. 1 Satz 5 EStG 1987 (= § 10 e Abs. 1 Satz 6 EStG i. d. F. ab 1990) auch für den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG. Eine Verteilung des Abzugsbetrages abweichend von den Miteigentumsanteilen ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht möglich. Allein die Tatsache, daß der Kläger die Herstellungskosten des Gebäudes allein getragen hat, berechtigt ihn nicht zur Inanspruchnahme der Grundförderung über den Anteil hinaus, der ihm am gemeinschaftlichen Eigentum zivilrechtlich oder wirtschaftlich zuzurechnen ist. Eine vom Wortlaut des § 10 e Abs. 1 Satz 1 EStG abweichende Auslegung des Begriffs "eigenes Haus" im Sinne von "auf eigene Kosten errichtetes Haus" läßt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte oder dem Zweck der Vorschrift herleiten (BFH-Urteil in BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944). Im übrigen hat das FG die in der Vorentscheidung vertretene Rechtsauffassung im Urteil vom 27. Oktober 1992 13 K 594/92, EFG 1993, 314 aufgegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 420013 |
BFH/NV 1995, 20 |