Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstand des Erwerbsvorgangs beim Erwerb eines Miteigentumsanteils, der anschließend auf eine GbR übertragen wird
Leitsatz (NV)
Wird ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück erworben und dieses anschließend - wie von Anfang an geplant - auf eine GbR übertragen und besteht eine Bindung hinsichtlich der Bebauung allenfalls im Verhältnis zwischen Grundstücksveräußerer/Initiator einerseits und GbR andererseits, nicht aber im Verhältnis zum Miteigentumsanteil-Erwerber, so ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs über den Miteigentumsanteil das unbebaute Grundstück.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 6. Dezember 1984 erwarb die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) einen Miteigentumsanteil in Höhe von 4,43 v.H. an einem mit einem alten Mietshaus bebauten Grundstück. Bei Abschluß des Kaufvertrags trat die Klägerin zugleich als Vertreterin ohne Vertretungsmacht für die Grundstücksveräußerin auf. Durch notariell beurkundete Erklärung genehmigte ein Bevollmächtigter der Grundstücksveräußerin die in dem Grundstückskaufvertrag für diese abgegebenen Erklärungen. Der Kaufpreis betrug . . . DM. Ebenfalls am 6. Dezember 1984 schloß die Klägerin einen Treuhand- und Geschäftsbesorgungsvertrag mit der A-GmbH (Treuhänder). Für den Treuhänder handelte bei Vertragsabschluß der jetzige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin. In dem Vertrag wurde bekundet, daß der Treugeber beabsichtige, das Grundstück mit den anderen Miteigentümern in eine noch zu gründende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einzubringen, deren Gesellschaftszweck der Erwerb, die Modernisierung gemäß § 14a und § 14b des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) und die Verwaltung des vorgenannten Grundstücks bzw. Gebäudes sei. Der Treuhand- und Geschäftsbesorgungsvertrag werde zur Durchführung dieses Projekts geschlossen. Der Treuhänder wurde verpflichtet, für den Treugeber alle Aufgaben wahrzunehmen, die diesem im Rahmen des Modernisierungsbauvorhabens obliegen. Zu den Aufgaben des Treuhänders sollte insbesondere der Abschluß des Gesellschaftsvertrags der BGB-Gesellschaft gehören. Dabei habe der Treuhänder zu beachten, daß jeder Gesellschafter seine Gesellschafterbeiträge in der Weise zu leisten habe, daß jeder von ihnen seinen Bruchteil am Grundstück einbringe und jeder von ihnen seine Zahlungsverpflichtungen über den Treuhänder gegenüber den einzelnen Vertragspartnern der geplanten Baumaßnahme aufgrund der mit diesen abzuschließenden Verträge erfülle. Das gesamte Investitionsvolumen sei mit . . . DM kalkuliert. Dieser Gesamtaufwand wurde in einer Anlage zum Vertrag im einzelnen dargestellt. Der Anteil eines Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen richte sich nach dessen Miteigentumsanteil am eingebrachten Grundstück; im gleichen Verhältnis habe der Gesellschafter die tatsächlich anfallenden Bau- und Baunebenkosten zu tragen. Darüber hinaus wurden weitere Verträge angeführt, die der Treuhänder abzuschließen habe (z.B. wirtschaftliche Baubetreuung, Finanzierung). Die Ausgestaltung des Gebäudes habe sich nach den in der Anlage zu der Vertragsurkunde enthaltenen Plänen zu richten, wobei den Gesellschaftern das Recht vorbehalten bleibe, vor Baubeginn auf die Planung und später auf die Ausführung der Modernisierungsmaßnahmen Einfluß zu nehmen bzw. über diese in der Bauherrenversammlung zu beschließen. Der Treuhänder hatte darauf zu achten, daß die in den Gesamtaufwendungen enthaltenen Kosten und Kalkulationen nicht überschritten werden. Gleichzeitig erteilte die Klägerin dem Treuhänder eine umfassende Vollmacht, sie uneingeschränkt in allen Angelegenheiten zu vertreten, die mit der Abwicklung und Durchführung der für das Projekt geplanten Modernisierungsmaßnahmen zusammenhingen, und weitere Verträge abzuschließen.
Dem Erwerb der Klägerin lag ein Prospekt zugrunde, der von der B-GmbH im Oktober 1984 herausgegeben wurde. Danach sollte das Gebäude modernisiert und das Dachgeschoß ausgebaut werden. Von der Investition in Höhe von . . . Mio DM sollten . . . DM durch Eigenkapital aufgebracht werden, und zwar durch eine GbR. Vorgesehen als Architekt war der Diplom-Ingenieur C. Der Bauantrag wurde am 20. November 1984 gestellt, Antragsteller war die D-GmbH, z.Hd. Herrn Diplom-Ingenieur C.
Die restlichen Miteigentumsanteile in Höhe von 95,57 v.H. wurden von weiteren 29 Miterwerbern übernommen.
Aufgrund der erteilten Vollmacht schloß der Treuhänder am 21. Dezember 1984 im Namen der Klägerin und der anderen Miterwerber einen Vertrag über den Zusammenschluß dieser Beteiligten zu einer GbR, vereinbarte die Einbringung der jeweiligen Miteigentumsanteile und erklärte die Auflassung an die Gesellschaft.
In einer konstituierenden Gesellschafterversammlung am 21. Dezember 1984, an der rund 53 v.H. der Gesellschafter, darunter die Klägerin, persönlich teilnahmen, beauftragten die Gesellschafter den Treuhänder mit dem rechtsverbindlichen Abschluß der sieben dort einzeln aufgeführten, im Rahmen von Bauherrenmodellen üblichen Dienstleistungsverträgen (u.a. mit dem Architekten C) sowie des Vertrags über die Vergabe der Bauleistungen an die C-GmbH. Diese Verträge schloß der Treuhänder im Namen der Gesellschafter am 27. Dezember 1984.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah die Kauf- und Treuhandverträge als einen einheitlichen, auf den Grundstückskauf und die Durchführung des geplanten Modernisierungsvorhabens gerichteten Rechtsvorgang an. Er setzte zuletzt in der Einspruchsentscheidung gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage ging er dabei von dem Gesamtaufwand für das Modernisierungsvorhaben in Höhe von . . .Mio DM aus. Von diesem zog er die Beträge für Mietvermittlungs- und Mietgarantiegebühr, Kosten der Steuerberatung, Gebühr für Vermittlung der Endfinanzierung und die Notarkosten ab. Von dem verbleibenden Betrag rechnete er der Klägerin 4,43 v.H. als anteilige Gegenleistung zu.
Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machte die Klägerin geltend, daß kein einheitliches Vertragswerk vorliege.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und die Grunderwerbsteuer auf . . . DM festgesetzt. Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemäß § 1 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 sei im Streitfall der Miteigentumsanteil an dem Grundstück mit dem nicht modernisierten und nicht ausgebauten Altbau. Die Gegenleistung nach § 9 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 sei daher nur dem Kaufvertrag über das Grundstück zu entnehmen. Ein ,,Vertragsbündel", das Grundlage für die Modernisierung und für den Ausbau des Gebäudes gewesen sei und von einem Initiator verbindlich vorformuliert worden sei, könne jedenfalls nicht der Klägerin als Erwerberin eines Miteigentumsanteils anteilig zugerechnet werden.
Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten FA. Es rügt die unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr.1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Das FG hat im Ergebnis zu Recht als Gegenleistung i.S. von § 9 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 nur den von der Klägerin zu entrichtenden Kaufpreis für den Miteigentumsanteil am Grundstück angesehen.
Der für den Umfang der Gegenleistung maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist im Streitfall das Grundstück mit dem nicht renovierten und nicht ausgebauten Altbau. Dies folgt aus dem den Tatbstand des § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 erfüllenden Kaufvertrag vom 6. Dezember 1984. Zwar ist für die Entscheidung dieser Frage nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats der von den Beteiligten gewählte Wortlaut des Vertrags oder der mehreren Verträge nicht allein ausschlaggebend, es ist vielmehr jeweils zu prüfen, ob die mehreren Verträge nicht gleichwohl darauf abzielen, dem Erwerber ein Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Maßgebend ist dafür der Gesamtinhalt der Verträge unter Berücksichtigung aller Begleitumstände. Dabei hat die Auslegung gemäß §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) je nach Art der Erklärung und der bestehenden Interessenlage auf den wahren Willen des Erklärenden abzustellen oder die objektive Erklärungsbedeutung seines Verhaltens zu ermitteln. Maßgebend ist dafür der Gesamtinhalt der Vereinbarungen unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 5. Februar 1992 II R 110/88, BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357 m.w.N.).
Zur Bestimmung des Gegenstands des Erwerbsvorgangs können auch außerhalb des tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts liegende Umstände (z.B. Gebäudeerrichtungsverträge, die in rechtlichem oder sachlichem Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag stehen), herangezogen werden. Dies hat zur Folge, daß ungeachet der zivilrechtlichen Gestaltung (z.B. Aufteilung in mehrere selbständige Verträge) der künftige tatsächliche Zustand des Grundstücks für die Besteuerung maßgeblich ist, wenn aufgrund der Gesamtheit der getroffenen zivilrechtlichen Vereinbarungen der Erwerber letztlich als Erfolg das Grundstück in bebautem Zustand erhält (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichs vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212). Beurteilt wird dabei jedoch notwendigerweise stets ein ganz bestimmtes (den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 erfüllendes) Rechtsgeschäft.
Im Streitfall liegt jedoch eine andere Konstellation vor. Die Klägerin erhält danach - wie von Anfang an geplant und dann durchgeführt - keinen Miteigentumsanteil am Grundstück mit renoviertem und ausgebautem Gebäude, und zwar auch nicht im ,,wirtschaftlichen Ergebnis". Die Renovierung vollzieht sich im Verhältnis zwischen Grundstücksveräußerer/Initiator einerseits und GbR andererseits, nicht aber in dem im Streitfall allein zu beurteilenden Verhältnis zwischen Grundstücksveräußerer/Initiator zur einen Miteigentumsanteil am Grundstück erwerbenden Klägerin. Auch die vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze zur Beurteilung von Bauherrenmodellen können nicht dazu führen, daß gleichsam aufgrund einer Gesamtschau über mehrere selbständige der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge der Erwerb eines Grundstücks in einem künftigen Zustand als für die Besteuerung maßgeblich betrachtet wird (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 9. August 1989 II B 74/89, BFH/NV 1990, 596). Aufgrund der grunderwerbsteuerrechtlichen Selbständigkeit der Gesamthandsgemeinschaft sind die Übertragung des Miteigentumsanteils am Grundstück auf die Klägerin und von dieser auf die GbR auch insoweit getrennt zu betrachten. Der im Streitfall allein zu beurteilenden Übertragung des Miteigentumsanteils auf die Klägerin kann jedoch die Renovierung des Gebäudes nicht zugerechnet werden, sondern allenfalls der Übertragung auf die GbR. Wie diese grunderwerbsteuerrechtlich zu beurteilen ist, insbesondere ob und inwieweit die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 GrEStG - ggf. unter Berücksichtigung von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) - zu gewähren ist, ist daher vom Senat nicht zu entscheiden.
Der Senat sieht das Entscheidungsergebnis bestätigt durch einen Vergleich mit der Rechtsprechung zu den früheren landesrechtlichen Steuerbefreiungen für den Erwerb unbebauter Grundstücke zur Bebauung. Auch bei diesen wurde, wenn zunächst ein Miteigentumsanteil an einem unbebauten Grundstück erworben wurde, dieser dann auf eine BGB-Gesellschaft übertragen wurde, die danach erfolgte Bebauung des Grundsstücks nicht dem ersten Grundstückserwerb (Miteigentumsanteil am Grundstück) zugerechnet.
Fundstellen
Haufe-Index 418578 |
BFH/NV 1993, 265 |