Leitsatz (amtlich)
Verwaltungsgebühren, die Siedlungsträger, welche nicht öffentlich-rechtliche Körperschaften sind, für die weitere Verwaltung der Kleinsiedlungen und Heimstätten von den Siedlern vereinnahmen, fallen nicht unter die Befreiungsbestimmungen des § 44 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 UStDB 1938 (§ 49 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 UStDB 1951).
Normenkette
RSiedlG § 29; Vierter Teil der Dritten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6. Oktober 1931 (RGBl I S. 537, 557); Reichsheimstättengesetz § 34; UStDB 1938 § 44 Abs. 1 Ziff. 2; UStDB 1938 § 44 Abs. 1 Ziff. 3; UStDB 1951 § 49 Abs. 1 Ziff. 2; UStDB 1951 § 49 Abs. 1 Ziff. 3
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) führt Siedlungsverfahren nach dem Reichssiedlungsgesetz in Verbindung mit den Kleinsiedlungsbestimmungen und nach dem Reichsheimstättengesetz durch. Sie ist als Organ der Staatlichen Wohnungs- und Siedlungspolitik anerkannt. Streitig ist, ob als Verwaltungsgebühren bezeichnete Beträge, die die Bfin. im Jahre 1949 von den Siedlern vereinnahmt hat, umsatzsteuerpflichtig sind. Das Finanzamt hat die Beträge zur Umsatzsteuer herangezogen. Die Tätigkeit der Bfin., für die die Verwaltungsgebühren entrichtet werden, besteht darin, daß sie entsprechend den ihr nach den gesetzlichen Bestimmungen übertragenen Aufgaben die Siedler nach Errichtung der Siedlerstellen laufend betreut, die von den Siedlern geschuldeten Zins- und Tilgungsbeträge und während der Probezeit der Siedler die Miet- und Pachtzinsen einzieht und die Siedler hinsichtlich der Einhaltung der Verträge überwacht. Die hierfür zu entrichtenden Gebühren betragen jährlich bei nicht aufgelassenen (übereigneten) Kleinsiedlungen 25 DM, bei aufgelassenen (übereigneten) Kleinsiedlungen 18 DM und bei Reichsheimstätten 6 DM. Die Bfin. ist der Auffassung, daß diese Gebühren nach § 44 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1938 steuerfrei seien. Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht trat der Auffassung des Finanzamts bei, daß die Steuervergünstigung nach diesen Bestimmungen nur bis zum Zeitpunkt der Errichtung und Übertragung der Siedlerstellen und Heimstätten in Betracht käme. Die Verwaltungsgebühren würden aber für Leistungen der Bfin. entrichtet, die nach diesen Zeitpunkten lägen.
Entscheidungsgründe
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird Verletzung des geltenden Rechts gerügt. Ihre Prüfung ergibt folgendes:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs enthält § 44 UStDB 1938 (§ 49 UStDB 1951) keine selbständigen Befreiungsvorschriften. Diese sind vielmehr in den Gesetzen und Verordnungen des Siedlungsrechts enthalten. Für den Inhalt der Befreiungsvorschriften sind deshalb alle Rechtsnormen des Siedlungsrechts maßgebend (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs V 31/53 S vom 26. November 1953 -- Slg. Bd. 58 S. 341, Bundessteuerblatt (BStBl) 1954 III S. 43 --, V 218/53 U vom 21. Dezember 1954 -- Slg. Bd. 60 S. 204, BStBl 1955 III S. 78 --).
Für die hier in Betracht kommende Steuerbefreiung bei Kleinsiedlungen (§ 44 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB 1938) ist die rechtliche Grundlage § 20 Kap. II der Dritten Verordnung des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931 (Reichsgesetzblatt I S. 537, 551) in Verbindung mit § 29 des Reichssiedlungsgesetzes. Hiernach sind alle Geschäfte und Verhandlungen, die zur Durchführung von Siedlungsverfahren dienen, soweit sie nicht im Wege des ordentlichen Rechtsstreits vorgenommen werden, von allen Gebühren, Stempelabgaben und Steuern des Reichs, der Bundesstaaten und sonstiger öffentlicher Körperschaften befreit. Die Befreiung erstreckt sich insbesondere auch auf die Umsatzsteuer. Diese Befreiungsvorschrift ist in die Ziff. 39 der noch geltenden Bestimmungen über die Förderung der Kleinsiedlung vom 14. September 1937 -- KSB -- (Deutscher Reichsanzeiger Nr. 214) inhaltlich übernommen worden, wobei es keinen rechtlichen Unterschied ausmachen kann, daß an Stelle des Wortes "Siedlungsverfahren" im § 29 des Reichssiedlungsgesetzes hier das Wort "Siedlungsvorhaben" verwendet wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 218/53 U vom 21. Dezember 1954, Slg.Bd. 60 S. 204, BStBl 1955 III S. 78). Für die Beurteilung der Steuerpflicht der hier streitigen Verwaltungsgebühren bei Kleinsiedlungen kommt es somit darauf an, was unter "Durchführung" von Siedlungsverfahren (Siedlungsvorhaben) zu verstehen ist. Die Bfin. ist der Auffassung, daß die Durchführung des Siedlungsverfahrens weder mit dem Bezug der Siedlerstelle noch mit der Übereignung (Auflassung) nach Ablauf der Probezeit abgeschlossen sei, sondern solange weiterlaufe, als die Siedlerstelle bestehe, und daß deshalb die vom Träger während dieser Zeit erbrachten Verwaltungsleistungen der vorliegenden Art ebenfalls der "Durchführung" des Siedlungsverfahrens (Siedlungsvorhabens) dienten. Dieser Auffassung kann sich der erkennende Senat nicht anschließen.
Daß "Durchführung des Siedlungsverfahrens (Siedlungsvorhabens)" und die laufende weitere Verwaltung der Siedlung zwei verschiedene Begriffe sind, ergibt sich aus dem für das Siedlungsverfahren maßgebenden KSB. Hier werden in einer Reihe von Bestimmungen diese beiden Begriffe unterschiedlich angeführt, so insbesondere in Ziff. 25 Abs. 3, in der die hier in Betracht kommende Entschädigung privatrechtlicher Träger geregelt ist. Sie sieht eine Vergütung des Trägers vor einerseits für die Vorbereitung und Durchführung des Siedlungsvorhabens (Bauvorhabens) einschließlich der Stellenübertragung, Ausgabe als Reichsheimstätte usw. und andererseits eine Vergütung für die laufende weitere Verwaltung der Siedlung. Nach Ziff. 40 KSB ist über jedes durchgeführte Siedlungsvorhaben von dem Träger des Verfahrens spätestens bis zum Ablaufe von sechs Monaten nach der Bezugsfertigkeit eine Schlußabrechnung aufzustellen. Auch Ziff. 32 a. a. O. unterscheidet zwischen "Durchführung" und "Verwaltung". Hieraus ergibt sich, daß im Sinne des Kleinsiedlungsrechts unter "Durchführung des Siedlungsvorhabens" jedenfalls nicht die Maßnahmen zu verstehen sind, die der "weiteren Verwaltung" der Siedlung nach Fertigstellung dienen. Um diese handelt es sich aber im vorliegenden Falle, wie sich aus Ziff. 25 Abs. 2b und Abs. 3b KSB und dem Runderlaß des Reichsarbeitsministers vom 31. März 1940 IV a 4 Nr. 3156 -- 17/39 betreffend Kleinsiedlung -- Vergütung der Verfahrensträger -- (Reichsarbeitsblatt 1940 I S. 174 ff.) unter I b ergibt. Wenn deshalb in Ziff. 39 Abs. 1 KSB die Steuerbefreiung für alle Geschäfte, die "zur Durchführung des Siedlungsvorhabens" dienen, ausgesprochen ist, so kann die Ausdrucksweise "Durchführung des Siedlungsvorhabens" nur in dem Sinne verstanden werden, in dem sie auch sonst in den KSB verwendet wird und nach dem sie die weitere Verwaltung der Siedlung nach Fertigstellung nicht umfaßt. Daß Finanzierungsmaßnahmen, die, worauf die Bfin. hinweist, manchmal erst nach dem Bezug der Stelle durch den Siedler erfolgen, trotzdem unter den Begriff der Durchführung des Siedlungsvorhabens fallen, ergibt sich daraus, daß sie notwendig sind, um eine Siedlung im Sinne des Gesetzes zu schaffen (§ 1 Reichssiedlungsgesetz) und keine Verwaltungsmaßnahmen im oben dargelegten Sinne sind. Der Bfin. ist deshalb insoweit zuzustimmen, daß mit dem Bezug des Hauses durch den Siedler das Siedlungsverfahren nicht "durchgeführt" sein muß. Der hier vertretenen Auffassung, daß die streitigen Verwaltungsgebühren nicht der Durchführung des Siedlungsvorhabens im Sinne der KSB dienen, sondern für eine laufende weitere Verwaltungstätigkeit entrichtet werden, steht auch der noch geltende Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 11. Dezember 1940 S 4504 -- 355 III (Reichssteuerblatt 1940 S. 1026) nicht entgegen. Zu den dort angeführten Finanzierungsmaßnahmen, die der Durchführung des Siedlungsverfahrens dienen, kann das Inkasso der Zinsen und der Tilgungsraten nicht gerechnet werden, da das Inkasso auf Grund besonderer Vereinbarungen erfolgt und einen von der Darlehnsgewährung unabhängigen und besonderen Tatbestand erfüllt. Die streitigen Verwaltungsgebühren, die jährlich mit 25 und 18 DM von den Kleinsiedlern erhoben werden, sind somit als umsatzsteuerpflichtig bei der Bfin. anzusprechen.
Hinsichtlich des Siedlungsverfahrens nach dem Reichsheimstättengesetz (§ 44 Abs. 1 Ziff. 2 UStDB 1938, § 49 Abs. 1 Ziff. 2 UStDB 1951) ist im § 34 Abs. 1 des Gesetzes bestimmt, daß alle zur Begründung und Vergrößerung von Heimstätten erforderlichen Geschäfte und Verhandlungen von allen Gebühren und Steuern des Reichs, der Länder und sonstiger öffentlicher Körperschaften befreit sind. Mit Recht hebt die Vorinstanz hervor, daß hier der Wortlaut der Befreiungsbestimmung eine eindeutige Auslegung ermöglicht. Die Worte "Begründung" und "Vergrößerung" stellen schon nach dem Sprachgebrauch fest umrissene Begriffe dar, die bei den Reichsheimstätten nur die Errichtung, Ausgabe und Vergrößerung der Heimstätte umfassen kann. Deshalb war es erforderlich, in § 49 der Verordnung zur Ausführung des Reichsheimstättengesetzes vom 19. Juli 1940 (Reichsgesetzblatt I S. 1027) ausdrücklich zu stimmen, daß zu den Geschäften und Verhandlungen im Sinne des § 34 des Gesetzes auch die zur Ausübung des Vorkaufsrechts und Heimfallanspruchs, zur Neuausgabe einer an den Ausgeber zurückgefallenen Heimstätte und zur Eintragung eines neuen Ausgebers erforderlichen Rechtshandlungen gehören, Vorgänge also, die nach der Begründung der Heimstätte sich ergeben können. Es hätte dieser Bestimmung nicht bedurft, wenn man, wie die Bfin., der Ansicht ist, daß unter "Begründung" der Heimstätte alle die Maßnahmen fallen, die während des Bestehens der Heimstätte überhaupt erfolgen. Es ergibt sich hieraus aber auch, daß die Verwaltungstätigkeit der Überwachung und Betreuung der Heimstätter nach Errichtung und Ausgabe der Stelle nicht unter den Begriff "Begründung der Heimstätte" fallen kann und daß die hierfür vereinnahmten Entgelte (6 DM je Heimstätte) deshalb nicht nach § 44 Abs. 1 Ziff. 2 UStDB 1938 mit § 34 Abs. 1 des Reichsheimstättengesetzes steuerfrei gestellt werden können.
Damit war der Entscheidung der Vorinstanz im vollen Umfange beizutreten. Die Bfin. wendet noch ein, daß die Verwaltungsgebühren in Höhe von 6 DM als Mitgliedsbeiträge anzusehen seien und aus diesem Grunde steuerfrei sein müßten. Das Finanzgericht hat zu dieser Frage, auf die die Bfin. unter Vorlage eines Urteils des Finanzgerichts ... hingewiesen hat, nicht Stellung genommen. Die Prüfung des Sachverhalts führt aber dazu, die Eigenschaft der Verwaltungsgebühr als Mitgliedsbeitrag abzulehnen. Nach den Ausführungen der Bfin. besteht ihre Tätigkeit in diesen Fällen, die nach Abwicklung der Finanzierungsmaßnahmen erfolgt, nur mehr in der Überwachung der Einhaltung der Pflichten und Auflagen des einzelnen Heimstätters, die ihm nach dem Heimstättengesetz auferlegt sind. Hieraus ergibt sich, daß die Tätigkeit der Bfin. gegenüber dem einzelnen Heimstätter erfolgt, und daß diese sich danach richten muß, wie der einzelne Heimstätter seine Heimstätte bewirtschaftet. Die Gebühr wird deshalb von dem Heimstätter entrichtet, nicht um der Bfin. die Erfüllung eines Gemeinschaftszweckes zu ermöglichen, sondern um die jedem einzelnen Heimstätter gegenüber erbrachte Leistung (Überwachung) abzugelten. Daß es sich hierbei um die Erfüllung von Aufgaben handelt, die auch im öffentlichen Interesse gelegen sind, ist für die Frage der Umsatzsteuerpflicht ohne Bedeutung. Auch für eine Tätigkeit, die der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben dient, ist nach § 18 Abs. 4 UStDB 1938 (§ 19 Abs. 4 UStDB 1951) die Umsatzsteuerpflicht gegeben, wenn sie nicht vom Träger der öffentlichen Gewalt selbst, sondern, wie hier, von einem Unternehmer ausgeübt wird.
Auch der weiter geltend gemachten Auffassung der Bfin. kann nicht zugestimmt werden, daß die Verwaltungsgebühren, soweit sie in der Probezeit, in der die Siedlerstelle dem Siedler miet- oder pachtweise überlassen wird (Ziff. 36 a bis b), entrichtet werden, als Miet- oder Pachtentgelt anzusehen und deshalb nach § 4 Ziff. 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1934 -- UStG 1951 -- steuerfrei seien. Die Verwaltungsgebühren stellen nach Angabe der Bfin. eine Vergütung zwar auch für die Einziehung der Miet- und Pachtzinsen dar, sie werden aber nicht für die Überlassung der Siedlerstelle zum Gebrauch (Miete) entrichtet. Damit kann auf sie die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 10 UStG nicht angewandt werden.
Die Vorinstanzen haben nach alledem mit Recht die Verwaltungsgebühren zur Umsatzsteuer herangezogen. Die Rb. war deshalb mit der Kostenfolge aus § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1957, 332 |
BFHE 1958, 260 |