Entscheidungsstichwort (Thema)
Gruppenreise eines Lehrers in die DDR
Leitsatz (NV)
Aufwendungen eines Lehrers für eine Gruppenreise in die DDR, an der ausschließlich Lehrer teilgenommen haben, sind dann keine Werbungskosten, wenn zu Beginn und am Ende der Reise auch allgemein touristische Bedürfnisse befriedigt worden sind.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Lehrer und unterrichtete im Streitjahr 1982 die Fächer Deutsch, Geschichte und Gemeinschaftskunde. Die bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für eine . . . 1982 durchgeführte (einwöchige) Studienreise nach Karl-Marx-Stadt in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nicht. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte im einzelnen aus: Die Anwendung der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelten Kriterien für die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen für eine Auslandsgruppenreise zu Informationszwecken ergebe, daß die Reise im ganzen beruflich veranlaßt gewesen und eine etwaige private Mitveranlassung von ganz untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Es habe ein besonders enger und konkreter Bezug zu der beruflichen Tätigkeit des Klägers bestanden. Nach dem Lehrplan habe er in seiner Schulklasse die Themen ,,Wirtschaft und Wirtschaftsordnungen", ,,Die politische Ordnung der DDR" und ,,Friedenssicherung und internationale Beziehungen" zu erörtern gehabt. Der Besuch eines volkseigenen Betriebs sowie die Informationsgespräche zu Problemen der Rolle der Gewerkschaften im sozialistischen Staat, der Erhaltung und Sicherung des Friedens, der Entspannung und Abrüstung hätten zu dieser Unterrichtstätigkeit einen konkreten Bezug gehabt. Die in den Herbstferien durchgeführte Reise sei von der Lehrerfortbildungsstätte veranstaltet worden. Der Teilnehmerkreis sei homogen (nur Lehrer) gewesen. Die Besichtigungen in Karl-Marx-Stadt und der Besuch von Weimar könnten nicht als privat gewertet werden, weil sie den Erholungsabschnitten zuzuordnen seien. Sie seien nicht in das Programm eingeschoben gewesen, sondern hätten am Anreise- und Abreisetag stattgefunden. Der danach allein als privat zu bewertende Besuch Buchenwalds habe bei zeitlicher Betrachtung einen Anteil von 5 % der Gesamtreise eingenommen und sei deshalb von untergeordneter Bedeutung. Die Abende, einschließlich des Besuchs eines Schauspiels, könnten nicht als privat genutzte Zeit in Ansatz gebracht werden. Diese Zeiten hätten der notwendigen Entspannung gedient. Der berufliche Bezug verliere nicht dadurch an Gewicht, daß die Veranstaltungen in unterschiedlich starkem Maße eine private Komponente (allgemeines politisches Interesse) enthalten hätten.
Das FA macht mit seiner vom FG zugelassenen Revision eine fehlerhafte Anwendung der §§ 9, 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend und trägt vor: Bei der zeitbezogenen Aufteilung der Gesamtreise in einen privaten und einen beruflichen Teil habe das FG die Besichtigungen in Karl-Marx-Stadt und den Besuch von Weimar zu Unrecht nicht dem privaten Anteil zugerechnet. Es finde in der Rechtsprechung keine Stütze, daß das FG die auch von ihm als privat veranlaßt angesehenen Reiseteile als unschädliche Erholungsabschnitte angesehen und damit neutralisiert habe. Hätte es diese Veranstaltungen als privat veranlaßt berücksichtigt, so wäre es bei einer zeitlichen Aufteilung nach seinen eigenen Berechnungen zu einer privaten Mitveranlassung von 16 % gekommen. Dies sei auch nach der eigenen Auffassung des FG nicht mehr von untergeordneter Bedeutung. Im übrigen könne der Zuordnung des FG auch insoweit nicht gefolgt werden, als es den Theaterabend nicht berücksichtigt habe. Danach ergäbe sich sogar ein Privatanteil von 19,80 %.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Vorentscheidung ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die von der Rechtsprechung des BFH zu Auslandsgruppenreisen festgelegten Grundsätze (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) auch für Reisen gelten, die im Inland oder vor der Wiedervereinigung in die damalige DDR durchgeführt worden sind (vgl. das die Reise einer Lehrerin in die DDR betreffende Senatsurteil vom 1. Dezember 1989 VI R 135/86, BFH / NV 1990, 558, 559). Nach diesen Grundsätzen können zu den als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) abziehbaren Aufwendungen auch die Kosten für die Teilnahme an einer Gruppenreise zählen. Keine Werbungskosten, sondern Aufwendungen für die Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 EStG liegen nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 aber vor, wenn derartige Kosten nicht objektiv durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlaßt worden sind, insbesondere mit der Reise programmgemäß auch ein allgemein touristisches Interesse befriedigt wird, das nicht von untergeordneter Bedeutung ist.
Der Senat vermag dem FG nicht darin beizupflichten, daß bei Anwendung dieser Kriterien im Streitfall eine nahezu ausschließlich berufliche Veranlassung der Aufwendungen anzunehmen ist. Zwar ist eine berufliche Mitveranlassung der Reise deshalb zu bejahen, weil sie nach fachlichen Gesichtspunkten organisiert, der Teilnehmerkreis homogen im Sinne gleichgerichteter fachlicher Interessen war und die Informationsgespräche und die Besichtigung verschiedener Einrichtungen (Kinderkombination, Einrichtungen der polytechnischen und außerschulischen Bildung, Erholungsheim des FDGB) für die Unterrichtstätigkeit des Klägers von Vorteil waren. Selbst wenn deshalb das berufliche Interesse des Klägers an der Reise überwogen haben sollte, könnte gleichwohl nicht davon ausgegangen werden, daß - wie es die Rechtsprechung des BFH fordert - die Belange der Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 EStG ganz in den Hintergrund getreten sind und die Verfolgung privater Interessen sowohl nach dem Programm als auch nach der tatsächlichen Gestaltung der Reise nahezu ausgeschlossen waren.
Denn die Besichtigungen in Karl-Marx-Stadt, der Besuch von Buchenwald und der Rundgang in Weimar befriedigten ein allgemeines touristisches Interesse. Es wurde dadurch und auch durch die Informationsgespräche, die teilweise Themen von allgemeinem Interesse betrafen, sowie durch die Besichtigung der verschiedenen schulischen und außerschulischen Einrichtungen die Allgemeinbildung gefördert und ein beachtlicher Erlebniswert vermittelt. Dieser Erlebniswert wurde nicht dadurch in seiner Bedeutung gemindert, daß die Programmpunkte von besonderem touristischem Interesse nicht ,,zwischengeschoben" waren, sondern am Beginn und Ende der Reise gelegen haben. Es kann deshalb der Auffassung der Vorinstanz, daß diese auf einen privaten Charakter der Reise hinweisenden Gesichtspunkte durch das fachliche Interesse so stark überlagert gewesen seien, daß sie nicht mehr ins Gewicht fielen, nicht gefolgt werden (vgl. hierzu auch die einen Professor für Geographie betreffenden Urteile des Senats vom 23. Oktober 1981 VI R 71/78, BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69, und vom 27. März 1991 VI R 51/88, BFHE 164, 75, BStBl II 1991, 575, sowie das die Reise einer Lehrerin in die DDR betreffende Urteil in BFH / NV 1990, 558).
Führt eine Gruppenreise zu touristisch attraktiven Stätten, deren Besuch auch für jeden anderen, nicht dem Berufskreis der ,,Fachkreis"-Teilnehmer angehörenden Touristen reizvoll oder interessant wäre, so müssen die Aufwendungen grundsätzlich unabhängig von speziellen Berufsinteressen gleichbehandelt werden. Sie können, wie der Große Senat in dem genannten Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 unter Hinweis auf seine Entscheidung vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 172) nochmals hervorgehoben hat, bei einem Steuerpflichtigen nicht deshalb zum Abzug als Werbungskosten zugelassen werden, weil dieser die zufällig entstandene oder bewußt herbeigeführte Möglichkeit hat, zu den Reisezielen, ohne daß diese aus einem konkreten beruflichen Anlaß erreicht werden müßten, eine berufliche Verbindung herzustellen. § 12 Nr. 1 EStG verbietet es, bei Gruppenreisen, die für jeden interessierten Reisenden eine Förderung der Allgemeinbildung bewirken und einen Erlebniswert vermitteln, die Reisekosten bei demjenigen, der auch eine berufliche Beziehung herzustellen vermag, zum Abzug zuzulassen. Da hier das berufliche Interesse und das touristische Erlebnis sich nicht trennen lassen, handelt es sich um Vorgänge, die jedenfalls auch dann die Lebensführung betreffen, wenn sie daneben geeignet sind, den Beruf zu fördern.
Fundstellen
Haufe-Index 417951 |
BFH/NV 1992, 100 |