Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bedeutung des Begriffes "Einvernehmen" in § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG.
2. Will ein Pächter sein Wirtschaftsjahr auf das vom Kalenderjahr abweichende Pachtjahr umstellen, weil dieses in mehrfacher Beziehung für die Abrechnung mit dem Verpächter maßgebend ist, so darf das FA das Einvernehmen zur Umstellung des Wirtschaftsjahres im allgemeinen nicht versagen.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 5 Nr. 2 S. 2
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) betreibt in einer Großstadt als Pächter eine Gaststätte. Er beantragte im Jahre 1965 das Einvernehmen des Revisionsklägers (FA) zur Umstellung des Wirtschaftsjahrs auf die Zeit vom 1. Oktober bis 30. September. Der erste Abschlußstichtag nach Umstellung des Wirtschaftsjahrs sollte der 30. September 1965 sein. Zur Begründung seines Antrags wies der Steuerpflichtige auf die Besonderheiten seines Pachtvertrags mit der Brauerei hin. Nach diesem Vertrag beginnt das Pachtjahr am 1. Oktober und endet am 30. September. Der Pachtzins beträgt 10 v. H. des erzielten Bruttoumsatzes, mindestens aber 120 000 DM jährlich. Der Verbrauch an Export- und Spezialbier darf 650 hl jährlich nicht unterschreiten. Für den Fall des Unterschreitens hat der Steuerpflichtige an den Verpächter eine Ausfallentschädigung in Höhe von 20 DM je nicht bezogenen hl zu entrichten. Der Verpächter rechnet mit dem Steuerpflichtigen über die Mindestpacht, die Bierausfallentschädigung, den Wasserverbrauch und den Wärmeverbrauch entsprechend dem Braujahr, das dem Pachtjahr entspricht, jeweils also zum 30. September ab. Daher wollte der Steuerpflichtige auch sein Wirtschaftsjahr auf das Braujahr umstellen. Denn die endgültige Abrechnung könne derzeit jeweils erst neun Monate nach Ablauf des Kalenderjahres erfolgen. Für die Monate Oktober bis Dezember ergäben sich regelmäßig Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Verpächter, die durch Rückstellungen berücksichtigt werden müßten. Deren Schätzung der Höhe nach gewährleiste nicht mehr den Ausweis des periodengerechten Gewinns.
Der Steuerpflichtige berief sich weiter darauf, daß die Bestandsaufnahme zum 31. Dezember immer schwieriger werde, weil der Geschäftsgang gerade in der Zeit des Jahreswechsels die Bestandsaufnahme erschwere.
Das FA verweigerte durch Verfügung vom 7. September 1965 das Einvernehmen zur Umstellung des Wirtschaftsjahres. Die Beschwerde des Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. Die OFD führte in der Beschwerdeentscheidung vom 1. Dezember 1965 aus, die in der Schätzung der Rückstellungen für die zu erwartenden Nachzahlungen des Steuerpflichtigen liegende Unsicherheit müsse vom FA und vom Steuerpflichtigen hingenommen werden. Die Anforderungen an eine periodengerechte Erfassung der Gewinne dürfe nicht überspannt werden. Die entsprechende Rückstellung zum 31. Dezember 1963 zeige überdies, daß der Gesamtgewinn durch die Rückstellung nicht wesentlich beeinflußt werde. Auch die angegebenen Schwierigkeiten bei der Warenbestandsaufnahme rechtfertigten die Umstellung des Wirtschaftsjahrs nicht.
Auf die Klage hin hob das FG, dessen Entscheidung in EFG 1967, 113 veröffentlicht ist, die Verfügung des FA vom 7. September 1965 und die Beschwerdeentscheidung der OFD vom 1. Dezember 1965 auf und verurteilte das FA, ab 1965 die Umstellung des Wirtschaftsjahrs vom Kalenderjahr auf den Zeitraum vom 1. Oktober bis 30. September als steuerlich wirksam zu behandeln. Diese Entscheidung hat das FG damit begründet, daß das Wort "Einvernehmen" in § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG entgegen der Auffassung des Urteils des BFH IV 46/62 S vom 24. Januar 1963 (BFH 76, 385, BStBl III 1963, 142) etwas anderes bedeute als das Wort "Zustimmung", das der Gesetzgeber in § 2 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 EStG gebrauche. Das FA könne dem im Handelsregister eingetragenen Gewerbetreibenden das Einvernehmen zur Umstellung des Wirtschaftsjahres nicht verweigern, wenn - wie im Streitfall - keine zwingenden Gründe gegen die Umstellung sprächen. Der Steuerpflichtige habe außerdem, obwohl dies vom Rechtsstandpunkt des FG aus nicht erforderlich sei, für die Umstellung des Wirtschaftsjahres vernünftige betriebliche Gründe vorgetragen.
Mit der Revision, die das FG wegen der Abweichung seiner Entscheidung vom BFH-Urteil IV 46/62 S (a. a. O.) zugelassen hat, rügt das FA die Verletzung des § 2 Abs. 5 Nr. 2 EStG. Das FA ist der Auffassung, das Wort "Einvernehmen" bedeute nach der Praxis im Staats- und Verwaltungsrecht soviel wie Einwilligung, Zustimmung oder Einverständnis. Über den Antrag auf Zustimmung zur Umstellung des Wirtschaftsjahres sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei seien die betriebswirtschaftlichen Erwägungen des Steuerpflichtigen für die Umstellung und die Interessen der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen. Da die Rückstellungen, die sich aus den Vereinbarungen über die Mindestpacht und die Mindestbierabnahmeverpflichtung ergäben, unschwer zu ermitteln seien und Schwierigkeiten in der Warenbestandsaufnahme kein ausreichender Grund für die Umstellung des Wirtschaftsjahres seien, zumal § 39 Abs. 4 HGB n. F. die körperliche Bestandsaufnahme erleichtert habe, liege der einzige Grund des Steuerpflichtigen für die beantragte Umstellung des Wirtschaftsjahres in der Erreichung einer Steuerpause.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und zu entscheiden, daß die ablehnende Verfügung des FA nach pflichtgemäßem Ermessen ohne Rechtsverstoß erfolgt sei.
Der Steuerpflichtige beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Der Senat teilt allerdings nicht die Ansicht des FG, das Wort "Einvernehmen" in § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG bedeute etwas anderes als das Wort "Zustimmung" und das FA könne das Einvernehmen zur Umstellung des Wirtschaftsjahres nur verweigern, wenn zwingende Gründe gegen die Umstellung sprächen. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, wie sie das BFH-Urteil VI 109/64 U vom 12. März 1965 (BFH 82, 113, BStBl III 1965, 287) ausführlich dargestellt hat, ergibt sich, daß aus der Verwendung des Wortes "Einvernehmen" in § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG keine so weitgehenden Schlüsse gezogen werden dürfen, wie sie das FG für richtig gehalten hat. Denn das im Entwurf des Gesetzes vorgesehene Erfordernis der "Zustimmung des FA" wurde ebenso wie das später in das Gesetz aufgenommene Erfordernis des "Einvernehmens mit dem FA" damit begründet, daß Mißbräuche, nicht aber eine aus wirtschaftlichen Gründen erforderliche Umstellung des Wirtschaftsjahres verhindert werden sollten. Die Rechtsprechung des BFH hat daher bei der Auslegung des § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG die Worte "Einvernehmen" und "Zustimmung" und "Genehmigung" stets als gleichbedeutend benutzt (BFH-Urteile IV 46/62 S, a. a. O.; VI 303/65 vom 9. November 1966, BFH 87, 293, BStBl III 1967, 111; VI R 88/67 vom 7. Februar 1969, BFH 95, 158, BStBl II 1969, 337). Der Senat sieht keine Veranlassung, davon abzuweichen. Wenn eine rechtlich-erhebliche Handlung nur wirksam ist, wenn sie im Einvernehmen mit einem anderen oder mit Zustimmung oder mit der Genehmigung eines anderen vorgenommen wird, so heißt das zunächst nur, daß die Rechtshandlung ohne das Einvernehmen, die Zustimmung oder die Genehmigung nicht wirksam ist. Das bedeutet im Fall des § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG, daß im Fall der Verweigerung des Einvernehmens der zu versteuernde Gewinn nach dem vor der Umstellung des Wirtschaftsjahres maßgebenden Wirtschaftsjahr zu ermitteln ist (BFH-Urteil VI R 88/67, a. a. O.). Darüber, unter welchen Voraussetzungen das Einvernehmen, die Zustimmung oder die Genehmigung zu erteilen oder zu versagen ist, enthalten diese Begriffe keine entscheidende Aussage. Vielmehr muß nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen gesetzlichen Vorschrift unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte geprüft werden, ob es sich um eine Ermessensentscheidung handelt und welche rechtlichen Grenzen der Ausübung des Ermessens gesetzt sind. Diese Prüfung hat nach der Rechtsprechung des BFH zu dem Ergebnis geführt, daß die Erteilung oder die Versagung des Einvernehmens nach § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG eine Ermessensentscheidung darstellt, bei der die betriebswirtschaftlichen Erwägungen des Steuerpflichtigen für die Umstellung des Wirtschaftsjahres und die gegen die Umstellung sprechenden öffentlichen Belange gegeneinander abzuwägen sind, und daß das Einvernehmen des FA trotz der eintretenden Steuerpause (vgl. BFH-Urteil I 47/64 vom 11. Oktober 1966, BFH 87, 153, BStBl III 1967, 86) nicht versagt werden darf, wenn der Steuerpflichtige für die Umstellung des Wirtschaftsjahres "einleuchtende" oder "ernsthafte" oder "beachtliche" wirtschaftliche Gründe vorbringt (BFH-Urteile IV 46/62 S, a. a. O.; IV 284/63 U vom 18. März 1964, BFH 79, 197, BStBl III 1964, 304; VI 109/64 U, a. a. O.; VI 303/65, a. a. O.; VI 244/65 vom 26. September 1968, BFH 94, 15, BStBl II 1969, 71). Der Senat folgt diesen Grundsätzen.
2. Sie führen aber im Streitfall zu dem Ergebnis, daß das FA und die OFD die beantragte Umstellung des Wirtschaftsjahres nicht versagen durften. Der Senat folgt hier der Auffassung des FG, der Steuerpflichtige habe vernünftige betriebswirtschaftliche Gründe für die Umstellung des Wirtschaftsjahres vorgetragen. Da für die Abrechnung des Steuerpflichtigen mit dem Verpächter in mehrfacher Beziehung das Braujahr vom 1. Oktober bis 30. September maßgebend ist, erscheint es wirtschaftlich sinnvoll, das Wirtschaftsjahr auf das Braujahr umzustellen. Freilich können die Verpflichtungen des Steuerpflichtigen gegenüber dem Verpächter auch bei einem Wirtschaftsjahr, das dem Kalenderjahr entspricht, in der Bilanz durch Rückstellungen erfaßt werden. Es ist auch richtig, daß Rückstellungen für ungewisse Schulden ihrer Natur nach auf Schätzungen beruhen und daß die Anforderungen an die Ermittlung des richtigen Periodengewinns nicht überspannt werden dürfen. Aber wenn der Steuerpflichtige, wie er im wesentlichen ohne Widerspruch vorgetragen hat, bei Umstellung des Wirtschaftsjahres auf das Braujahr zu einer genaueren Gewinnermittlung gelangt, weil die Unsicherheiten der Schätzung weitgehend vermieden werden, so darf ihm der Weg zu dieser Gewinnermittlung nicht verbaut werden. Die Auffassung des FA und der OFD läuft im Grunde darauf hinaus, daß nur zwingende wirtschaftliche Gründe die Umstellung des Wirtschaftsjahres rechtfertigen. Dieser Standpunkt ist zu eng und findet auch in der bisherigen Rechtsprechung des BFH keine Stütze.
Ob auch die Schwierigkeiten bei der Warenbestandsaufnahme zum 31. Dezember die Umstellung des Wirtschaftsjahres auf das Braujahr rechtfertigen, braucht bei dieser Sachlage nicht entschieden zu werden.
Da somit die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zwar eine Verletzung bestehenden Rechts ergeben, die Entscheidung sich aber aus anderen Gründen als richtig erweist, ist die Revision zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 68840 |
BStBl II 1970, 85 |
BFHE 1970, 257 |