Leitsatz (amtlich)
Tritt eine Kapitalgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin in eine Kommanditgesellschaft ein, entsteht die Gesellschaftsteuer (BFH 98, 369, BStBl II 1970, 335) aus dem Wert der Kommanditanteile auch dann, wenn die Kapitalgesellschaft keine Einlage leistet und am Gewinn nicht beteiligt ist, und wenn neben ihr noch eine natürliche Person Komplementär der Kommanditgesellschaft ist.
Normenkette
KVStG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Nr. 1 Buchst. c
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist als persönlich haftende Gesellschafterin ohne Kapitaleinlage in eine bereits bestehende Kommanditgesellschaft eingetreten; ihre Gewinnbeteiligung wurde ausgeschlossen. Der Kommanditgesellschaft gehören ein weiterer persönlich haftender Gesellschafter (der zugleich Geschäftsführer der Klägerin ist) und drei Kommanditisten an.
Das FA hat gegen die Klägerin aus dem Nennwert der Kommanditanteile von 1 000 DM, 333 DM und 333 DM eine Gesellschaftsteuer von 41,65 DM festgesetzt. Das FG hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG unterliegt der Gesellschaftsteuer der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber. Als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften gelten für die Gesellschaftsteuer auch Anteile der Kommanditisten an einer Kommanditgesellschaft, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört. Das Gesetz fordert somit nicht, daß die Kapitalgesellschaft der einzige persönlich haftende Gesellschafter der Kommanditgesellschaft sei.
Die Merkmale des Besteuerungstatbestandes (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG) sind demnach erfüllt. Denn mit dem Eintritt der Klägerin in die Kommanditgesellschaft erlangten die Kommanditanteile erstmals die Qualität als Gesellschaftsrechte im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG, die Kommanditisten erstmals im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne die Qualität als Gesellschafter der Kapitalgesellschaft (§ 6 Abs. 2 KVStG). Mit dieser erstmaligen Zuordnung haben sie die Gesellschaftsrechte als solche an einer Kapitalgesellschaft "erworben" (Urteil des BFH II 196/65 vom 11. November 1969, BFH 98, 369, BStBl II 1970, 335).
Diese Beurteilung kann durch Erwägungen bürgerlichrechtlicher Art nicht erschüttert werden. Denn dem bürgerlichen Recht gegenüber ist die Zuordnung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG ohnehin eine Fiktion. Zwangsläufig kann deshalb auch der Erwerb solcher Rechte ebenfalls nur ein fiktiver sein. Auch beim Eintreten eines Kommanditisten in eine bereits bestehende Kommanditgesellschaft der in § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG beschriebenen Art erwirbt der Kommanditist bürgerlich-rechtlich nur einen Anteil an der Kommanditgesellschaft selbst, und nur gesellschaftsteuerrechtlich ist dieser Anteil zugleich Anteil an der Kapitalgesellschaft.
Die Besonderheiten des vorliegenden Falles erlauben keine abweichende Entscheidung. Zwar hat der Beschluß des BVerfG vom 2. Oktober 1968 - 1 BvF 3/65 - (BVerfGE 24, 174) für den Fall einer Kommanditgesellschaft, die nur eine Kapitalgesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter hat, entscheidend darauf abgehoben, daß keine natürliche Person unbeschränkt haftet (vgl. dazu auch BFH-Urteil II R 98/69 vom 5. Mai 1970, BFH 99, 550, BStBl II 1970, 757). Das BVerfG hat aber nicht verkannt, daß Wortlaut und Wortsinn des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG weiter reichen; sie decken auch den Fall, daß neben der Kapitalgesellschaft noch natürliche Personen Komplementäre der Kommanditgesellschaft sind. Auch bezüglich dieser Fälle hatte das BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Darauf kommt es indessen nicht an. Maßgebend ist allein die Gesetzeskraft seines Entscheidungssatzes (Art. 94 Abs. 2 GG, § 31 Abs. 2 Satz 1, § 13 Nr. 6 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht). Der eindeutige Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG steht einer Eingrenzung auf die Fälle, in denen keine natürliche Person unbeschränkt haftet, entgegen. Er begnügt sich damit, daß "zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört", und fordert nicht, daß die Kapitalgesellschaft alleiniger oder nur neben einer anderen Kapitalgesellschaft persönlich haftender Gesellschafter sei.
Vom Zweck des Gesetzes her kann § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG nicht einschränkend ausgelegt werden. Da das Einbringen eines Kommanditisten in keinem Falle die Kapitalkraft des persönlich haftenden Gesellschafters stärkt, sondern nur die der Kommanditgesellschaft (BFH-Urteil II R 22/70 vom 16. Juni 1970, BFH 99, 423, BStBl II 1970, 668), verbietet es die Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), eine Verstärkung der Kapitalkraft der Kapitalgesellschaft als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG zu fordern (BFH-Urteil II R 21/70 vom 10. November 1970, BFH 100, 472, BStBl II 1971, 105). Damit muß aber auch der Versuch scheitern, etwa auf die - vorhandene oder fehlende - Kapitalbeteiligung oder Gewinnbeteiligung der Kapitalgesellschaft abzustellen. Das Vermögen der Kommanditgesellschaft ist notwendig gemeinschaftliches Vermögen aller Gesellschafter (§§ 161, 105 Abs. 2 HGB, § 718 Abs. 1 BGB), also auch derer, denen kein Kapitalanteil zugerechnet wird und denen im Fall der Auseinandersetzung kein Anspruch zusteht. Da gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG die Steuerpflicht nicht davon abhängt, in welchem Umfang die Kapitalgesellschaft an den Gewinnen der Kommanditgesellschaft beteiligt ist, entfällt die Steuer auch nicht in dem Grenzfall, daß die Kapitalgesellschaft an den Gewinnen der Kommanditgesellschaft überhaupt nicht beteiligt ist.
Steuerschuldner ist die Kapitalgesellschaft (§ 10 Abs. 1 KVStG), somit die Klägerin. Der Berechnung der Steuer hätte allerdings nicht der Nennwert der Kommanditanteile zugrunde gelegt werden dürfen. Da die Kommanditisten beim Eintreten der Klägerin keine Gegenleistung zu bewirken hatten, war die Steuer vom Wert der Gesellschaftsrechte zu berechnen (§ 8 Nr. 1 Buchst. c KVStG). Durch diesen Irrtum ist die Klägerin aber nicht beschwert.
Fundstellen
Haufe-Index 413002 |
BStBl II 1972, 61 |
BFHE 1972, 447 |