Leitsatz (amtlich)

Ob ein Grundstück im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStGemG NW unmittelbar für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke bestimmt ist, muß nach grunderwerbsteuerrechtlichen Grundsätzen beurteilt werden.

 

Normenkette

GrEStGemG Nordrhein-Westfalen vom 14. Juli 1964 § 1 Abs. 1 Nr. 2; StAnpG §§ 17-19; GemV § 9 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine röm.-kath. Kirchengemeinde, ist Eigentümerin eines Krankenhauses und Altenheims, welches nach der Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Zwecken dient. Zum Hospital gehört ein landwirtschaftlicher Betrieb mit rd. 12 ha Grundfläche, dessen Erzeugnisse ausnahmslos zur besseren und preiswerteren Versorgung der Anstaltspfleglinge in der Küche des Hospitals verbraucht werden.

Mit Vertrag vom 12. Februar 1965 erwarb die Klägerin von den Erben S für diesen Betrieb ein 3 473 qm großes, landwirtschaftlich genutztes Grundstück, das 250 m vom Hospital entfernt liegt und an die anderen Ländereien ihres landwirtschaftlichen Betriebs angrenzt, gegen Übertragung eines als Bauplatz geeigneten, 1 500 m vom Hospital entfernt liegenden, 810 qm großen Grundstücks an einen der Miterben und Zahlung eines Betrags von 1 040 DM an die Erben. Für den Grundstückserwerb der Klägerin forderte das beklagte FA von dieser mit Bescheid vom 20. Mai 1965 Grunderwerbsteuer an.

Mit dem Einspruch begehrt die Klägerin die Befreiung von der Grunderwerbsteuer aufgrund der §§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über Befreiung des Grunderwerbs zu gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Zwecken von der Grunderwerbsteuer Nordrhein-Westfalen - GrEStGemG - (BStBl II 1964, 130), § 4 Abs. 1 Nr. 3 b GrEStG 1940 und der Vorschriften nach dem Gesetz über Kosten- und Abgabefreiheit im Flurbereinigungsverfahren des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15. März 1955 (BStBl II 1955, 64), weil das erworbene Grundstück unmittelbar für die gemeinnützigen Zwecke des Hospitals genutzt werde, der Grundstücksaustausch außerdem zur besseren Bewirtschaftung zersplitterten landwirtschaftlichen Grundbesitzes, zur Aufstockung der Landwirtschaft und als Vorwegnahme einer Flurbereinigung erfolgt sei.

Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, daß das Grundstück nicht unmittelbar zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werde, kein Austausch unter gleichen Partnern vorläge und ein Flurbereinigungsverfahren noch nicht durchgeführt werde.

Auf die Klage, worin die Klägerin ihren Anspruch auf Grunderwerbsteuerbefreiung zusätzlich noch auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Siedlung Nordrhein-Westfalen (GrEStAgrG) vom 29. März 1966 (BStBl II 1966, 122) stützte, hob das FG den Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Das FG sah die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStGemG für gegeben an.

Mit der Revision des Beklagten wird die unrichtige Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStGemG vom 14. Juli 1964 gerügt und die Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts sowie die Wiederherstellung des Grunderwerbsteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet.

Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStGemG vom 14. Juli 1964 liegen nicht vor. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStGemG verlangt, daß das erworbene Grundstück unmittelbar für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke bestimmt ist. Die Klägerin hat das Grundstück des hier streitigen Erwerbsvorgangs nicht erworben, um darauf den unbestrittenen gemeinnützigen Altenheim- und Krankenhausbetrieb auszudehnen, sondern um es landwirtschaftlich zu nutzen. Daß die landwirtschaftlichen Produkte, die auf diesem Grundstück erzeugt werden, dem gemeinnützigen Hospitalbetrieb zugute kommen, kann nur als mittelbare Zweckbestimmung angesehen werden (vgl. die Urteile des BFH vom 11. November 1970 III R 64/67, BFHE 101, 408, BStBl II 1971, 372; vom 30. Januar 1974 II R 20/70, BFHE 112, 86, BStBl II 1974, 410; vom 8. Mai 1974 II R 157/66, BFHE 113, 67, BStBl II 1974, 663).

Aus den §§ 17 bis 19 StAnpG vom 16. Oktober 1934 und der Gemeinnützigkeitsverordnung (GemV) vom 24. Dezember 1953 kann nichts anderes gefolgert werden. § 1 Abs. 1 GrEStGemG enthält als Befreiungsvoraussetzung ein subjektives Tatbestandsmerkmal, nämlich die Angabe des privilegierten Personenkreises, und ein objektives Tatbestandsmerkmal, das sich auf die Zweckbestimmung des Grundstücks bezieht. Die Vorschriften der §§ 17 bis 19 StAnpG und der GemV behandeln die notwendigen Voraussetzungen, die bei den Personenvereinigungen, also dem Steuersubjekt, vorliegen, insbesondere welchem Zweck diese unmittelbar und ausschließlich dienen müssen, damit sie als gemeinnützig, mildtätig oder kirchlich anerkannt werden können. Die verwendeten Hilfsmittel brauchen dagegen nach den §§ 17 bis 19 StAnpG und der GemV nicht sämtlich unmittelbar dem begünstigten Zweck zu dienen, wie die vom FG zitierte Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GemV zeigt. § 1 GrEStGemG stellt dagegen an das Mittel, nämlich das Grundstück, derartige Anforderungen.

Hinsichtlich des von der Klägerin außerdem geltend gemachten Befreiungsanspruchs aus § 4 Abs. 1 Nr. 3 b GrEStG 1940 muß das FG noch tatsächliche Feststellungen bezüglich des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen treffen. Die Anwendung dieser Vorschrift ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil kein Austausch unter gleichen Partnern erfolgt ist, wie das FA angenommen hat. Ein Austausch liegt auch dann vor, wenn dem einen Vertragspartner zwei unterschiedliche Vertragspartner gegenüberstehen, die Parteien jedoch die übereinstimmende Absicht haben, sich im Tauschwege je ein Grundstück zu überlassen. Auf den zur Verwirklichung dieses Ergebnisses eingeschlagenen Weg kommt es nicht an (Beschluß des RG vom 15. Juni 1939 VIII 64/39, RGZ 161, 1; Urteil des BFH vom 8. Oktober 1958 II 182/56 U, BFHE 68, 15, BStBl III 1959, 7). Die Parteien des notariellen Vertrags vom 15. Februar 1965 haben nach dessen Inhalt einen Tausch beabsichtigt.

Die Tatsache, daß sich der Wert des von der Klägerin hingegebenen Grundstücks nicht mit dem Wert des empfangenden Grundstücks deckte, ist für die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3 b GrEStG nur hinsichtlich der von der Klägerin geleisteten Zuzahlung in Höhe von 1 040 DM schädlich, weil ein Grundstücksaustausch insoweit nicht vorliegt (Beschluß des BFH vom 17. Februar 1970 II B 58/69, BFHE 98, 17, BStBl II 1970, 333).

Das FG muß ferner nötigenfalls ermitteln, ob für die Klägerin eine Befreiung nach § 1 des Gesetzes über Kosten- und Abgabenfreiheit im Flurbereinigungsverfahren des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15. März 1955 in Betracht kommt. Aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStAgrG NW vom 29. März 1966 kann die Klägerin keinen Befreiungsanspruch herleiten, weil das Gesetz erst nach dem Erwerbsfall in Kraft getreten ist.

Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung gem. § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71715

BStBl II 1976, 129

BFHE 1976, 289

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