Leitsatz (amtlich)
Das KontrRG Nr. 17 findet auf Schenkungsteuerfälle, die nach dem 31. Dezember 1945, aber vor Erlaß des KontrRG Nr. 17 eingetreten sind, Anwendung.
Normenkette
KontrRG Nr. 17 vom 28. Februar 1946 (StuZBl. 1946 S. 25); ErbStDB 1947 vom 30. September 1947 (StuZBl. 1947 S. 239)
Tatbestand
Streitig ist die Heranziehung der Beschwerdeführerin (Bfin.) zur Schenkungsteuer. Der Ehemann der Bfin. hat ihr in notarieller Verhandlung vom 2. Januar 1946 sein Hausgrundstück geschenkt. Gleichzeitig wurde das Grundstück an die Bfin. aufgelassen. Umschreibung im Grundbuch erfolgte am 8. März 1946. Das Finanzamt forderte von der Bfin. Schenkungsteuer in Höhe von 11 000 RM. Dieser Betrag errechnet sich nach dem Steuersatz von 22 v. H. von 50 000 RM (Einheitswert des Grundstücks 60 000 RM, wovon 10 000 RM Freibetrag abgehen). Die Bfin. beantragt Freistellung von der Schenkungsteuer im Hinblick auf § 17a des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1925 in der Fassung des Gesetzes vom 16. Oktober 1934. Das Kontrollratsgesetz (KontrRG) Nr. 17 über Änderung der Erbschaftsteuergesetze vom 28. Februar 1946 (Steuer- und Zollblatt -- StuZBl. -- 1946 S. 25) habe zwar den § 17a ErbStG aufgehoben und solle für alle Erwerbe gelten, bei denen die Erbschaftsteuerschuld nach dem 31. Dezember 1945 entstanden sei. Aus § 12 der Durchführungsbestimmungen zum KontrRG Nr. 17 vom 30. September 1947 (Erbschaftsteuerdurchführungsverordnung -- ErbStDVO -- 1947, abgedruckt in StuZBl. 1947 239) sowie aus Ziffer 1 Absatz 1 Satz 2 des Erlasses des Präsidenten der Finanzleitstelle betreffend Veranlagung der Erbschaftsteuer auf Grund des KontrRG Nr. 17 vom 30. September 1947 (StuZBl. 1947 S. 242) ergebe sich jedoch, daß das KontrRG Nr. 17 rückwirkend nur auf die nach dem 31. Dezember 1945 eingetretenen Erbfälle, nicht auch auf Schenkungen unter Lebenden anzuwenden sei. Dies müsse insbesondere dann gelten, wenn der Schenkungsvertrag bei Kenntnis der durch das KontrRG Nr. 17 geschaffenen Rechtslage nicht abgeschlossen worden wäre.
Einspruch und Berufung der Bfin. blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht läßt dahingestellt, ob ein Irrtum über die Höhe der zu entrichtenden Schenkungsteuer zur Anfechtung des Schenkungsvertrages berechtigen würde, da der Vertrag auch nach Erlaß des KontrRG Nr. 17 nicht angefochten, der Antrag auf Eintragung im Grundbuch nicht zurückgenommen und an dem durchgeführten Eigentumswechsel bisher nichts geändert worden sei. Im übrigen irre die Bfin., wenn sie annehme, daß sich die Bestimmungen des KontrRG Nr. 17 zwar auf Erbfälle, nicht aber auf Schenkungen unter Lebenden bezögen, die in der Zeit vom 1. Januar 1946 bis zur Verkündung des KontrRG Nr. 17 ausgeführt worden seien. Die Bfin. verbleibt in der Rechtsbeschwerde (Rb.) bei ihrem bisherigen Standpunkt. Sie erblickt einen wesentlichen Verfahrensmangel darin, daß das Finanzgericht die Schenkungsteuerpflicht bejaht habe, ohne den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, die im Vertrauen auf die Steuerfreiheit vereinbarte und durchgeführte Schenkung rückgängig zu machen. Im übrigen widerspreche die rückwirkende Anwendung des KontrRG Nr. 17 dem Rechtsdenken in einem geordneten Staatswesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann nicht zum Erfolg führen.
1. Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Es ist Sache der Parteien des Schenkungsvertrages, die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu beurteilende Möglichkeit der Rückforderung des Grundstücks zu prüfen. Ist ein solches Rückforderungsrecht zu bejahen und wird daraufhin das Geschenk herausgegeben, so besteht ein Erstattungsanspruch gemäß § 42 Ziffer 1 ErbStG. Im vorliegenden Rechtsmittelverfahren handelt es sich aber nicht um die Steuererstattung, deren Grundlagen -- Rückforderung und Herausgabe des Grundstücks -- unstrittig bisher nicht gegeben sind, sondern um die Berechtigung der Steuerforderung.
2. Der Bfin. ist zuzugeben, daß die Rückwirkung, die sich das KontrRG Nr. 17 gemäß Artikel V für die Zeit ab 1. Januar 1946 beigelegt hat, eine schwere Belastung für die Betroffenen darstellt, und es ist auch glaubhaft, daß die Schenkung im Streitfall bei Kenntnis der Bestimmungen des KontrRG Nr. 17 unterblieben wäre. Es ist jedoch dem Gesetzgeber nicht verboten, einem Gesetz Rückwirkung beizulegen (vgl. das zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmte Urteil des Bundesfinanzhofs III 81/50 S vom 19. Juni 1951). Im übrigen wäre der Bundesfinanzhof auch nicht befugt, das KontrRG Nr. 17 wegen der Rückwirkung oder aus sonstigen Gründen als rechtsunwirksam zu erklären (Artikel 3 des Gesetzes Nr. 13 der Alliierten Hohen Kommission).
3. Die Bfin. meint schließlich, daß sich die Rückwirkung des KontrRG Nr. 17 in keinem Fall auf die nach dem 31. Dezember 1945 eingetretenen Schenkungen unter Lebenden erstrecke. Das KontrRG Nr. 17 bezieht sich auf alle Erwerbe im Sinn des Erbschaftsteuergesetzes, die nach dem 31. Dezember 1945 eingetreten sind. Der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerbe sind nicht nur Erwerbe von Todes wegen, sondern auch Schenkungen unter Lebenden und Zweckzuwendungen (§§ 1, 10, 23 Absatz 1, 25, 43 Absatz 1 ErbStG). § 12 Absatz 1 der Erbschaftsteuer-Durchführungsbestimmungen (ErbStDB) 1947 sagt zwar, das KontrRG Nr. 17 und die Durchführungsbestimmungen fänden auf alle Erbfälle Anwendung, bei denen die Steuerschuld nach dem 31. Dezember 1945 entsteht, unabhängig davon, wann der Erbfall bekannt geworden ist. Aus der Verwendung des Wortes "Erbfall" an dieser Stelle ist jedoch nicht zu folgern, daß die Rückwirkung des KontrRG Nr. 17 auf Erbfälle beschränkt, auf sonstige erbschaftsteuerpflichtige Erwerbe jedoch nicht anwendbar sein solle. Denn der übrige Inhalt der Erbschaftsteuer-Durchführungsbestimmungen 1947 läßt keinen Zweifel zu, daß sie für alle Erwerbe gelten (§§ 3, 4 a. a. O., wo allgemein von Erwerben gesprochen wird, § 6 a. a. O., wo zwar wieder von Erbfällen die Rede ist, hier jedoch mit dem in Klammern gesetzten Zusatz "Schenkungsfällen"). Zutreffend weist das Finanzgericht darauf hin, daß auch in § 1 ErbStDB 1947, der sich auf die Tarifbestimmung des Artikels I KontrRG Nr. 17 bezieht, nur von Erbfällen die Rede ist, obwohl mit Rücksicht auf § 1 ErbStG kein Zweifel darüber bestehen kann, daß der neue, durch das KontrRG Nr. 17 eingeführte Erbschaftsteuertarif auch auf Schenkungen anzuwenden ist. § 12 Absatz 1 ErbStDB 1947 enthält hiernach keine nur für Erbfälle geltende Bestimmung, sondern umfaßt alle unter das Erbschaftsteuergesetz fallenden Erwerbe. Zu einer das KontrRG Nr. 17 ändernden Bestimmung wäre übrigens der Verordnungsgeber, der Präsident der Finanzleitstelle, auch nicht befugt gewesen. Entsprechendes hat von dem Erlaß vom 30. September 1947 zu gelten, wo ebenfalls die Worte "Erwerbe" und "Erbfälle" gleichwertig gebraucht werden. Die schärferen Bestimmungen des KontrRG Nr. 17 (insbesondere der Wegfall des § 17a ErbStG und die neuen Tarifbestimmungen) müssen somit im Steuerfall zur Anwendung gelangen. Die Rb. war hiernach als unbegründet zurückzuweisen.
Über den Antrag der Bfin. vom 21. Januar 1948 auf Erlaß der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 307 Absatz 1 der Reichsabgabenordnung, die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes aus § 320 Absatz 1 a. a. O.
Fundstellen
Haufe-Index 407307 |
BStBl III 1951, 237 |
BFHE 1952, 590 |