Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten eines Fernsprechanschlusses in der Wohnung gehören bei dem Gesellschafter einer OHG im allgemeinen zu den Kosten der Lebensführung.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1; AO § 217
Tatbestand
Streitig ist, ob die Ausgaben für die Fernsprechanschlüsse in den Wohnungen der beiden Gesellschafter der Beschwerdeführerin (Bfin.), einer OHG, zu den Betriebsausgaben rechnen.
Die Bfin. verbuchte folgende Kosten (Grundgebühr und Gebühr für Ortsgespräche) als Betriebsausgaben:
1948/49 1949/50 1950/51 1951/52 1952/53 329,40 446,20 474,25 421,85 416,95 DM.Das Finanzamt behandelte die Beträge als Privatentnahmen und erhöhte die Gewinne entsprechend.
Das Finanzgericht trat der Auffassung des Finanzamts bei und führte aus, die Gesellschafter lebten in so guten wirtschaftlichen Verhältnissen, daß die Anlage eines Fernsprechanschlusses in der Wohnung bei ihnen zur Lebenshaltung rechne. Unerheblich sei, ob sie von der Wohnung aus auch gelegentlich Gespräche mit dem Betrieb führten. Auch soweit sie von der Wohnung aus Ortsgespräche mit Geschäftsfreunden geführt hätten, müßten die Kosten in vollem Umfange zur Lebenshaltung gerechnet werden. Die Kosten ließen sich nicht leicht und einwandfrei von den Gesamtkosten der Fernsprechanschlüsse trennen. Objektiv sei zwar die Trennung möglich. Sie würde aber die Verwaltung und die Steuerpflichtigen ungebührlich belasten, weil dann die Steuerpflichtigen eingehende Aufzeichnungen führen müßten und die Verwaltung zur Nachprüfung tief in die persönlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen einzudringen gezwungen sei, ohne auf der anderen Seite sichere Feststellungen treffen zu können. Nach § 12 Ziff. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) müßte der Gesamtaufwand als außerbetrieblich behandelt werden. Selbst wenn man aber einen Teil der Aufwendungen als betrieblich veranlaßt ansehen wollte, müßten umgekehrt die Kosten für die vom Betriebsanschluß geführten Privatgespräche als Privatentnahmen angesetzt werden. Der Aufwand für betriebliche Gespräche vom Hausanschluß und für private Gespräche vom Betriebsanschluß gleiche sich aber mindestens aus.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) erstrebt die Bfin. weiterhin die Anerkennung der streitigen Aufwendungen als Betriebsausgaben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Nach § 12 Ziff. 1 Satz 2 EStG gehören die Aufwendungen für die Privatwohnung, wie Miete, Ausstattung, Licht und Heizung usw., grundsätzlich zu den Kosten der Lebensführung, auch wenn die Wohnung gelegentlich und nebenher für berufliche Zwecke mitbenutzt wird. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung z. B. abgelehnt, die Miete für einen Raum, der gleichzeitig für Wohnzwecke und berufliche Zwecke benutzt wird, teilweise als Betriebsausgaben (Werbungskosten) anzuerkennen, solange eine einwandfreie Trennung zwischen privater und beruflicher Nutzung nicht leicht und einwandfrei durchgeführt werden kann (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 91/50 U vom 24. November 1950 Slg. Bd. 55 S. 59, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1951 III S. 22; IV 164/50 U vom 2. Februar 1951, Slg. Bd. 55 S. 133, BStBl. III S. 51). Ein Fernsprechanschluß gehört bei gehobener Lebenshaltung, wie sie den beiden Gesellschaftern bei der Höhe ihres Einkommens möglich ist, zur Einrichtung einer modernen Wohnung. Es widerspricht der Lebenserfahrung, daß, wie die Bfin. behauptet, Fernsprechanschlüsse in Wohnungen von Gewerbetreibenden nur aus betrieblichen Erwägungen gehalten würden. Auch viele Steuerpflichtige, die nicht Gewerbetreibende sind, machen sich die Annehmlichkeiten, die ein Fernsprechanschluß in der Wohnung bietet, zunutze. Sie können die Ausgaben als Kosten der Lebensführung steuerlich nicht absetzen. Es würde zu einer Bevorzugung und damit zu einer Verletzung des Grundsatzes der steuerlichen Gleichmäßigkeit führen, wenn Steuerpflichtige, die als Einkünfte den Gewinn versteuern (§§ 4, 5 EStG), ohne weiteres die Kosten eines Fernsprechanschlusses in der Wohnung als Betriebsausgaben verrechnen könnten.
Benutzt ein Gewerbetreibender einen Fernsprechanschluß in der Wohnung zu beruflichen Zwecken, so sind die dadurch veranlaßten Aufwendungen Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG). Umgekehrt sind die durch Benutzung eines betrieblichen Fernsprechanschlusses für Privatzwecke entstehenden Kosten Privatentnahmen (§ 12 Ziff. 1 EStG). Zur Bestimmung der Höhe des betrieblichen bzw. privaten Nutzungsanteils müssen die gesamten Kosten (Grundgebühr und Gesprächsgebühr) verteilt werden. Die Grundgebühr kann nicht etwa als fester Kostenteil von der Verteilung ausgenommen werden. Es gelten die gleichen Grundsätze, wie sie im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 536/52 U vom 9. Oktober 1953 (Slg. Bd. 58 S. 120, BStBl. III S. 337) für die Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs entwickelt worden sind.
Können die Steuerpflichtigen, die gewöhnlich, den betrieblichen und privaten Nutzungsanteil eines Fernsprechers nicht einwandfrei nachweisen, so ist Schätzung geboten (§ 217 der Reichsabgabenordnung - AO - ). Bei der Schätzung sind die Grundsätze, die im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 352/53 U vom 14. Oktober 1954 (Slg. Bd. 59 S. 383, BStBl. III S. 358) für die Schätzung des privaten Nutzungsanteils betrieblicher Kraftwagen dargestellt worden sind, entsprechend anzuwenden. Behauptet ein Steuerpflichtiger, daß er den Anschluß in seiner Wohnung vorwiegend betrieblich und nur unerheblich privat nutze, so hat er im Rahmen des § 171 AO eine Nachweispflicht. An diese Nachweispflicht müssen bei Steuerpflichtigen mit gehobener Lebenshaltung strenge Anforderungen gestellt werden, da, wie dargelegt, ein Fernsprechanschluß in der Wohnung bei solchen Steuerpflichtigen heute weithin üblich geworden ist. Das gilt vor allem, wenn, wie im vorliegenden Falle, Wohnung und Betrieb räumlich getrennt sind und im Betrieb ein Fernsprechanschluß zur Verfügung steht.
Wenn das Finanzgericht annimmt, daß die Kosten eines Fernsprechanschlusses in der Wohnung nach typischer Betrachtung stets voll zur privaten Lebensführung rechneten, so ist diese Auffassung rechtlich bedenklich. Die Finanzbehörden können den Steuerpflichtigen nicht allgemein und ohne Einschränkung den Nachweis abschneiden, ob und in welchem Umfange ein Fernsprecher in der Wohnung für ausschließlich berufliche Zwecke benutzt worden ist. Die Auffassung des Finanzgerichts müßte vor allem dann zu unrichtigen Ergebnissen führen, wenn ein Gewerbetreibender keinen eigenen Büroraum oder in den Betriebsräumen keinen Fernsprechanschluß hat.
Gegenüber dem Einwand der Bfin., daß bei leitenden Angestellten der Ersatz der Kosten für einen Fernsprechanschluß in der Wohnung nicht zum Arbeitslohn rechne, sei darauf hingewiesen, daß die Behauptung in dieser Allgemeinheit rechtlich nicht zutrifft. Ersetzt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer höhere Kosten, als sie durch die berufliche Nutzung des Fernsprechers in der Wohnung entstanden sind, so liegt insoweit grundsätzlich Arbeitslohn vor.
Wenn demnach die Ausführungen des Finanzgerichts auch teilweise bedenklich sind, so braucht doch die Vorentscheidung nicht aufgehoben zu werden, da die Feststellungen des Finanzgerichts das Urteil tragen. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts kann angenommen werden, daß die beiden Gesellschafter der ihnen gemäß § 171 AO obliegenden Nachweispflicht für die betriebliche Benutzung der Fernsprechanschlüsse in der Wohnung nicht nachgekommen sind. Das Finanzgericht bleibt auch im Rahmen des ihm zustehenden Rechts der freien Tatsachen- und Beweisführung (§ 278 AO), wenn es auf Grund der Lebenserfahrung annimmt, daß sich die Kosten der betrieblichen Nutzung der Fernsprechanschlüsse in der Wohnung der Gesellschafter mindestens mit den Kosten für die private Nutzung des betrieblichen Fernsprechanschlusses ausglichen. Rechtlich ist diese Auffassung jedenfalls nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 408314 |
BStBl III 1955, 379 |
BFHE 1956, 466 |
BFHE 61, 466 |
BB 1955, 1124 |
DB 1955, 1210 |