Leitsatz (amtlich)
§ 14 Abs.2 UStG 1973 ist auf die Fälle des gesonderten Steuerausweises durch Nichtunternehmer, die sich rechtsirrtümlich für Unternehmer halten, nicht entsprechend anzuwenden.
Orientierungssatz
1. Gestaltungen von Leistungsbeziehungen zwischen Ehegatten, die damit (auch) bestimmte umsatzsteuerrechtliche Folgen herbeiführen wollen, setzen klare Vereinbarung und deren erkennbare Durchführung voraus, wie dies für andere Steuerrechtsgebiete gleichfalls gilt (vgl. BFH-Urteil vom 26.11.1987 V R 85/83). Hier: Verneinung der Unternehmereigenschaft der Ehefrau als Vermieterin gewerblich genutzter Räume, weil der mit ihrem Ehemann abgeschlossene Mietvertrag tatsächlich nicht durchgeführt worden ist.
2. Bei Rechnungsausstellung durch einen Nichtunternehmer führt auch "guter Glaube" des Leistungsempfängers oder sogar beider Beteiligter des Leistungsaustauschs an die Unternehmereigenschaft nicht zum Vorsteuerabzug (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
UStG 1973 § 14 Abs. 2-3, § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) errichtete im Jahre 1978 auf ihrem Grundstück ein Geschäftsgebäude. Mit schriftlichem Vertrag vom 31.August 1978 überließ sie ab 1.November 1978 Räume im Keller- und Erdgeschoß ihrem Ehemann zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts. Als Mietzins waren monatlich 2 100 DM zuzüglich 252 DM Umsatzsteuer vereinbart, die auf ein Konto der Klägerin gezahlt werden sollten. Die Klägerin erklärte gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) den Verzicht auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze (§§ 9 und 4 Nr.12 des Umsatzsteuergesetzes 1973 --UStG 1973--).
Für 1978 gab die Klägerin steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 4 200 DM und 504 DM Umsatzsteuer sowie abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 28 004,59 DM, für 1979 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 25 685 DM und 3 210,16 DM Umsatzsteuer sowie abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 7 322,51 DM an. Das FA setzte die Umsatzsteuer erklärungsgemäß fest (1978: ./. 27 500,59 DM; 1979: ./. 4 112,35 DM).
Eine beim Ehemann der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung ergab, daß dieser im Jahre 1978 keine und im Jahre 1979 lediglich fünf Monatsmieten (am 30.April, 1.Mai, 1.Juni, 1.November und 1.Dezember) bar an die Klägerin gezahlt hatte. Darauf vertrat das FA die Auffassung, der Mietvertrag sei nicht durchgeführt worden und deshalb steuerlich nicht anzuerkennen. Es setzte durch Änderungsbescheide vom 26.Februar 1982 die Umsatzsteuer für 1978 und 1979 jeweils auf null DM fest. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Vielmehr zog das FA die Klägerin durch die Einspruchsentscheidung (vom 20.Juli 1982) gemäß § 14 Abs.3 UStG 1973 zur Umsatzsteuer in Höhe von 504 DM (1978) und 3 210 DM (1979) mit der Begründung heran, sie habe als Nichtunternehmerin diese Umsatzsteuerbeträge in Rechnungen offen ausgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zum Teil statt. Es bestätigte zum einen die Auffassung des FA, die Klägerin sei nicht Unternehmerin geworden, weil der Mietvertrag mit ihrem Ehemann tatsächlich nicht wie vereinbart durchgeführt worden sei. Jedoch verneinte das FG die Anwendbarkeit des § 14 Abs.3 UStG 1973 auf die von der Klägerin gesondert in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge. Zwar lägen, so führte das FG aus, die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 14 Abs.3 UStG 1973 dem Wortlaut nach vor. Da aber eine mißbräuchliche Inrechnungstellung von Umsatzsteuer durch die Klägerin nicht erkennbar sei, zumal sie die ordnungsgemäßen Folgerungen daraus in der Umsatzsteuererklärung gezogen habe, seien die Rechtsfolgen der Vorschrift nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 7.Mai 1981 V R 126/75, BFHE 133, 127, BStBl II 1981, 547) nicht anzuwenden. Einer Berichtigung der von der Klägerin erteilten Rechnungen bedürfe es nicht, weil bei ihrem Ehemann der Vorsteuerabzug rückgängig gemacht worden sei (dazu Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1980, 125).
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 14 Abs.3 UStG 1973. Es trägt dazu vor: Auch bei nicht mißbräuchlichem Steuerausweis in einer Rechnung durch einen Nichtunternehmer und bei Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs beim Rechnungsempfänger werde § 14 Abs.3 UStG 1973 lediglich durch sinngemäße Anwendung des § 14 Abs.2 i.V.m. § 17 Abs.1 UStG 1973 ersetzt. Daraus folge, daß die unberechtigt in Rechnung gestellte Umsatzsteuer solange geschuldet werde, wie der Steuerausweis in der Rechnung bestehe. Ein Rückforderungsanspruch gemäß § 17 Abs.1 UStG 1973 ergebe sich frühestens für den Monat der Rechnungsberichtigung. Es könne somit offenbleiben, ob auf die Steuererhebung gemäß § 14 Abs.3 UStG 1973 aus Vereinfachungsgründen verzichtet werden könne, weil im vorliegenden Fall eine Rechnungsberichtigung offenbar noch nicht durchgeführt worden und deshalb ein Rückforderungsanspruch noch nicht entstanden sei.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil war im Hinblick auf die Auslegung des § 14 Abs.3 UStG 1973 seitens des FG aufzuheben. Der Senat kann aber nicht durcherkennen, weil Feststellungen dazu fehlen, ob das FA die Voraussetzungen des § 367 Abs.2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) im Einspruchsverfahren beachtet hat.
1. Die Würdigung des FG, die Klägerin sei in den Streitjahren nicht Unternehmerin gewesen, weil der mit ihrem Ehemann geschlossene Mietvertrag tatsächlich nicht durchgeführt worden sei, ist in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
Unternehmer i.S. des § 2 Abs.1 UStG 1973 ist, wer sich nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen betätigt, d.h., wer nachhaltig Leistungen gegen Entgelt ausführt (vgl. BFH-Urteil vom 18.März 1988 V R 178/83, BFHE 153, 166, BStBl II 1988, 646, mit Nachweisen). Die bloße Absicht, sich nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen zu betätigen, begründet Unternehmereigenschaft nicht.
Der Senat geht ferner --wie das FG-- davon aus, daß Gestaltungen von Leistungsbeziehungen zwischen Ehegatten, die damit (auch) bestimmte umsatzsteuerrechtliche Folgen herbeiführen wollen, klare Vereinbarung und deren erkennbare Durchführung voraussetzen, wie dies für andere Steuerrechtsgebiete gleichfalls gilt (BFH-Urteil vom 26.November 1987 V R 85/83, BFHE 151, 479, BStBl II 1988, 151).
Auch die tatsächliche Würdigung des FG, die Klägerin und ihr Ehemann hätten den Mietvertrag nicht wie vereinbart durchgeführt, weshalb Unternehmereigenschaft der Klägerin fehle, ist für das vorliegende Revisionsverfahren bindend. Die Würdigung beruht auf den tatsächlichen Feststellungen, daß die Klägerin zwar --wie im Mietvertrag vom 31.August 1978 vereinbart-- Räume ihres Hauses zur Nutzung überlassen hat, daß aber die Vereinbarung monatlicher Mietüberweisungen auf ihr Konto nicht durchgeführt wurde. Nur für 1979 erhielt sie unregelmäßig fünf Monatsmieten in bar ausgezahlt. Die von der Klägerin behauptete mündliche Zusatzvereinbarung, daß sie Mieteinnahmen aus der Vereinbarung, soweit möglich, dem Ehemann wieder schenkweise zur Verfügung stellen solle, beurteilte das FG als nicht nachgewiesen und als zwischen Dritten jedenfalls unüblich. Bei Mietverträgen zwischen Fremden hätte ein Vermieter solche abredewidrigen sporadischen Mietzahlungen nicht hingenommen. Die daraus vom FG abgeleitete Folge, ernstlich durchgeführte, entgeltliche Vermietungsleistungen lägen nicht vor und die Klägerin habe die Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft (§ 2 Abs.1 UStG 1973) nicht erfüllt, ist nicht angreifbar; sie ist nicht in sich widersprüchlich und für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs.2 FGO).
2. Das Urteil des FG war jedoch wegen Verletzung von § 14 Abs.3 --zweite Alternative-- UStG 1973 aufzuheben.
Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet diesen Betrag, auch wenn er nicht Unternehmer ist, gemäß § 14 Abs.3 --zweite Alternative-- UStG 1973. Die Vorschrift enthält einen Gefährdungstatbestand besonderer Art. Er soll die unberechtigte Begebung von Rechnungen mit Steuerausweis durch Nichtunternehmer und Kleinunternehmer verhindern, die eine Gefährdung des Steueraufkommens dadurch herbeiführt, daß der Rechnungsempfänger in den Stand versetzt wird, sich unberechtigt Vorsteuer erstatten zu lassen (vgl. Urteil in BFHE 133, 127, BStBl II 1981, 547).
Die Klägerin hat die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt; denn sie hat als Nichtunternehmerin (die sie nach den Feststellungen des FG war) 1978 eine Rechnung über eine Mietzahlung (die darüber hinaus nicht einging) und 1979 Rechnungen über fünf Mietzahlungen mit Umsatzsteuerausweis erteilt.
Soweit der Senat (Urteil in BFHE 133, 127, BStBl II 1981, 547) den Anwendungsbereich des § 14 Abs.3 --zweite Alternative-- UStG 1973 (durch Auslegung) dahingehend eingeschränkt hat, daß Rechnungserteilung mit Umsatzsteuerausweis über nichtsteuerbare oder steuerfreie Leistungen dem Anwendungsbereich des § 14 Abs.2 UStG 1973 zuzuweisen sind, lassen sich daraus --entgegen der Ansicht des FG-- entsprechende Einschränkungen der Vorschrift für Gestaltungen der vorliegenden Art nicht herleiten.
Die erwähnte Rechtsprechung betraf Fälle, in denen der Leistende als Unternehmer Steuerbarkeit oder Steuerfreiheit einer ausgeführten Leistung unzutreffend beurteilte und die entsprechenden Abrechnungskonsequenzen zog. Der Leistungsempfänger kann die vom Leistenden in der Rechnung irrtümlich ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 15 Abs.1 UStG 1973 (soweit Abs.2 nicht eingreift) als abziehbaren Vorsteuerbetrag geltend machen. Steuerbarkeit oder Steuerpflicht der abgerechneten Leistung sind nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1973 nicht Tatbestandsvoraussetzung für den Vorsteuerabzugsanspruch des Leistungsempfängers. Die Vorschrift stellt nur auf den Umsatzsteuerausweis in einer Rechnung eines Unternehmers ab.
Wird die (versehentlich) unzutreffende Behandlung dieser Art durch den leistenden Unternehmer etwa bei einer Umsatzsteuerprüfung aufgedeckt, können in entsprechender Anwendung des § 14 Abs.2 i.V.m. § 17 Abs.1 UStG 1973 beim leistenden Unternehmer der irrtümlich für gegeben erachtete Steuerbetrag und beim Leistungsempfänger der (nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1973 mögliche) Vorsteuerabzug korrigiert werden, sobald eine Berichtigung der Rechnung erfolgt.
Erteilt hingegen ein Nichtunternehmer über eine steuerpflichtige Leistung eine Rechnung mit Steuerausweis, weil er sich irrtümlich als Unternehmer i.S. von § 2 UStG 1973 ansieht, fehlen die dargestellten Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 14 Abs.2 UStG 1973. Die Vorschrift gilt ausdrücklich nur für Unternehmer. Ferner läßt sich die von ihr bezweckte übereinstimmende Berichtigung von Steuerbetrag beim Leistenden und Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger (in der Unternehmerkette) schon aus dem Grund nicht erreichen, daß dem Leistungsempfänger aus Rechnungen eines Nichtunternehmers kein Vorsteuerabzug zusteht. § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1973 verlangt die "von anderen Unternehmern" gesondert in Rechnung gestellte Steuer. Bei Rechnungsausstellung durch einen Nichtunternehmer führt auch "guter Glaube" des Leistungsempfängers oder sogar beider Beteiligter des Leistungsaustauschs an die Unternehmereigenschaft des Leistenden nicht zum Vorsteuerabzug. Wie der Senat entschieden hat, sieht § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1973 einen Schutz guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vor (Urteile vom 24.April 1986 V R 110/76, BFH/NV 1987, 745 unter 1.; UR 1988, 188, mit Anmerkung von Weiß, und vom 19.Oktober 1978 V R 39/75, BFHE 127, 71, BStBl II 1979, 345 unter 1.b).
Soweit die Klägerin mit Klageantrag und Revisionserwiderung Billigkeitsmaßnahmen anstreben sollte (mit dem Ergebnis eines Erlasses der nach § 14 Abs.3 UStG 1973 entstandenen Steuer gemäß §§ 163, 227 AO 1977), kann darüber im vorliegenden Verfahren der Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide nicht entschieden werden.
3. Der Senat kann den Fall nicht abschließend entscheiden. Das FA hat in der Einspruchsentscheidung die angefochtenen, auf null DM lautenden Steuerfestsetzungen um die nach § 14 Abs.3 UStG 1973 anzusetzenden Beträge geändert und damit i.S. von § 367 Abs.2 Satz 2 AO 1977 "verbösert". Es liegen keinerlei Feststellungen oder Anhaltspunkte in den Akten dazu vor, ob das FA die Verböserungsvoraussetzungen der Vorschrift (Gelegenheit zur Äußerung) eingehalten hat und ob es sich etwa im Hinblick auf eine Änderungsvorschrift zur Verböserung befugt angesehen hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 11.März 1987 II R 206/83, BFHE 149, 136, BStBl II 1987, 417). Das FG brauchte aufgrund seiner Auffassung darauf nicht einzugehen. Die Sache war daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 62187 |
BFH/NV 1989, 12 |
BStBl II 1989, 250 |
BFHE 155, 427 |
BFHE 1989, 427 |
BB 1989, 973-974 (LT1) |
HFR 1989, 393 (LT) |