Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen für Wiederherstellung kriegszerstörter Betriebsgebäude können nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 33; EStDV § 22; AO § 13

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat im Jahre 1947 für den Wiederaufbau seiner durch Kriegseinwirkung zerstörten Werkstatt 8 855, 74 RM aufgewandt und in seiner Bilanz zum 31. Dezember 1947 aktiviert. Weiter hat er im gleichen Jahre 357 RM für Möbelinstandsetzung aufwenden müssen. Unter Bezugnahme auf Abschnitt 151 Ziffer 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1946 (Steuer und Zollblatt - StuZBl. - 1947 S. 303 ff., 340) verlangt er die Anerkennung der auf fünf oder drei Jahre verteilten Absetzung für Abnutzung (AfA) für die Wiederaufbaukosten (1 771 RM bzw. 2 952 RM) und der Möbelinstandsetzungskosten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 22 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1947 (StuZBl. 1947 S. 277 ff., 282 f.) und eine entsprechende Ermäßigung der Einkommensteuer.

Das Finanzgericht hat den Antrag des Bf. abgelehnt und wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache die Rechtsbeschwerde (Rb.) zugelassen. Wie sich aus dem Beispiel am Schluß des Abschnitts 151 EStR 1946,

"Ein Steuerpflichtiger (Stpfl.), der als Ostflüchtling seine gesamte Habe verloren hat, ist gezwungen, aus eigenen Mitteln Anschaffungen an Kleidung und Haushaltsgegenständen zu machen. Soweit die Aufwendungen dafür die Mehrbelastungsgrenze übersteigen, sind sie nach § 33 EStG zu berücksichtigen"

ergebe, könnten aus den Bestimmungen des Abschnitts keine für den Bf. günstigen Folgerungen gezogen werden, weil sie praktisch nur auf Aufwendungen rein persönlicher und privater Art abgestellt seien. Das Verlustabzugsverbot des Artikels VIII des Kontrollratsgesetzes Nr. 12 (StuZBl. 1946 S. 2 ff., 4 f.), das für 1947 noch gelte, dürfe nicht über § 33 EStG umgangen werden. Davon abgesehen seien die Aufwendungen für den Wiederaufbau der Werkstatt Betriebsausgaben, auch wenn sich ihre Verteilung auf mehrere Jahre erstrecke; die AfA wirkten sich in den einzelnen Wirtschaftsjahren wie Betriebsausgaben aus (Blümich, EStG 5. Aufl., Berlin 1943, Anm. 31 d zu § 4, S. 121), und Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben gehörten, hätten nach § 22 Absatz 1 letzter Satz EStDV 1947 bei der Feststellung der außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 33 EStG außer Betracht zu bleiben. Der Betrag von 357 RM für Möbelinstandsetzung scheide für eine Steuervergünstigung nach § 33 EStG deshalb aus, weil er, wenn er allein übrig bleibe, unter der Mehrbelastungsgrenze des § 22 EStDV 1947 liege.

In seiner Rb. führt der Bf. u. a. aus, Wiederherstellungskosten als Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Absatz 4 EStG seien nicht auch Betriebsausgaben im Sinne des § 22 EStDV 1947. Die Volksanschauung und die Entwicklung der Verhältnisse seien nach § 1 Absatz 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) zu berücksichtigen. Die Aufwendungen für die Wiederherstellung eines kriegszerstörten Grundstücks seien zumindest in der Höhe als Erhaltungsaufwand zu betrachten, bis zu der sie den Grundstückswert vor der Zerstörung nicht überstiegen. Sonst liege eine unbillige Härte vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Was die Wiederaufbaukosten anlangt, so tritt der erkennende Senat den Gründen des Finanzgerichtsurteils, soweit sie oben wiedergegeben sind, in vollem Umfange bei. Insbesondere vermag der Senat nicht einzuräumen, daß Abschnitt 151 EStR 1946 einen sogenannten Milderungserlaß enthält, der von den Steuergerichten zu beachten wäre. Abschnitt 151 Ziffer 2 Absatz 2 EStR 1946 spricht nur Grundsätze aus, die bereits im Gesetz verankert sind, und bestimmt keine Steuermilderung. Die Zulässigkeit eines Milderungserlasses nach § 13 der Reichsabgabenordnung (AO) setzt voraus, daß bei bestimmten Arten von Fällen Unbilligkeiten und Härten gegenüber dem Normalfall, für den das Gesetz anzuwenden ist, auftreten. Für Artikel VIII des Kontrollratsgesetzes Nr. 12 ist aber der Kriegsverlust der Normalfall. Der Kriegsschaden selbst (Zerstörung der Werkstatt bzw. Abschreibung der Kriegsachschädenforderung) fällt unter das Verlustabzugsverbot des Artikels VIII Buchstabe c bzw. b des Kontrollratsgesetzes Nr. 12. Der Begriff "Betriebsausgaben" ist im Einkommensteuerrecht einheitlich; es gibt dort keine verschiedenen Begriffe "Betriebsausgaben" (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Bundesfinanzhofs IV 81/50 S vom 23. Februar 1951). Der Senat hat zwar in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil IV 44/50 S vom 2. Februar 1951 ausgesprochen, daß Verluste aus früheren Jahren bei der Verbrauchsbesteuerung nach § 48 EStG u. U. im Rahmen des § 33 EStG berücksichtigt werden können. Bei der Besteuerung des Einkommens nach dem Verbrauch ist die Rechtslage aber anders. Vom Verbrauch können Betriebsausgaben, Werbungskosten und Sonderausgaben nicht abgezogen werden, weil bei der Verbrauchsbesteuerung keine Berechnung des Gesamtbetrages der Einkünfte nach § 2 Absatz 2 EStG erfolgt. Eine Verteilung der AfA (ß 7 EStG) auf einen kürzeren Zeitraum, als der Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung entspricht, ist in Fällen der vorliegenden Art für 1947 auch nirgends vorgesehen. Es handelt sich weder um Schuttabräumungskosten noch um Aufwendungen kleineren Umfangs für die Instandsetzung von beschädigten Gebäuden (Abschnitte 37, 118 EStR 1946). Mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (ß 9 AO 1931) läßt sich die Rb. nicht begründen, auch nicht mit der Volksanschauung; es müssen die gesetzlichen Bestimmungen angewandt werden, die den Fall eindeutig regeln. Etwaigen Unbilligkeiten kann nur im Verwaltungswege nach § 131 AO Rechnung getragen werden. In diesem Hauptpunkt ist die Rb. also unbegründet.

Bei Berücksichtigung der 357 RM Aufwendungen für Möbelinstandsetzung wird die Mehrbelastungsgrenze um (357 - 223 =) 134 RM überschritten. In diesem Punkt ist die Rb. begründet.

Das zu versteuernde Einkommen beträgt ( 8 386 - 134 =) 8 252 RM, die Einkommensteuer (Steuerklasse III 2) ist auf 2 740 RM festzusetzen.

Der Senat sieht keine Veranlassung, dem Antrag, von der Erhebung von Kosten nach § 314 AO Abstand zu nehmen, zu entsprechen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407212

BStBl III 1951, 90

BFHE 1952, 241

BFHE 55, 241

BB 1951, 328

DB 1951, 379

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