Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen des Widerrufs bei Ausfuhrerstattungen, insbesondere dem Verantwortungsbereich des Begünstigten.
Normenkette
EWGV Art. 177; EWGV 13/64 Art. 14; ErstVOMilch § 1 Abs. 2; AHStatDV 1964 § 10 Abs. 6-7, § 11 Abs. 2; AO § 94 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin erhielt auf Grund entsprechender Erstattungszusagen für die Ausfuhr von Magermilchpulver in der Zeit vom 29. April bis 26. Mai 1966 in 15 Teilsendungen Ausfuhrerstattung. Die Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette (EVSt Fette) widerrief die Erstattungsbescheide und forderte die gezahlten Beträge mit Bescheid vom 4. April 1967 zurück, weil die Ware nicht in das angegebene Verbrauchsland Schweiz, sondern auf Umwegen nach Italien verbracht worden sei. Im Einspruchsbescheid begründete dies die EVSt Fette auch damit, daß die Klägerin von Anfang an davon Kenntnis gehabt habe.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) ist Verbrauchsland das dem Ausführer im Zeitpunkt der Ausfuhr bekannte Ziel der Ausfuhr. Sei dem Ausführer, wie im Streitfall, ein außerhalb des Zollgebiets liegender Zielort für die ausgeführte Ware nicht bekannt, so greife die gesetzliche Fiktion des § 11, Abs. 2 letzter Satz der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Statistik des grenzüberschreitenden Warenverkehrs (AHStatDV) ein, wonach das letzte bekannte Land, nach dem die Waren abgesandt werden, als Empfangsland und damit als Verbrauchsland gelte. Bei sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen über das Verbrauchsland müsse deshalb in einem solchen Fall von der Kenntnis des Exporteurs abgesehen werden. Entscheidend sei das Land, nach dem die Ware im Zeitpunkt des Übergangs über die Zollgrenze objektiv versendet werde. Liefere der Ausführer die Ware frei Grenze und überlasse den Transport über die Grenze nach erfolgter Ausgangsabfertigung dem Abnehmer, wie im Streitfalle, so müsse sich die Klägerin die von der Käuferfirma im Zeitpunkt des Grenzübergangs bestimmte Zielrichtung der Ausfuhr entgegenhalten lassen. Die Klägerin habe das Milchpulver an die Schweizer Firma A. verkauft. Die ausgeführte Ware sei im Anschluß an die von dem deutschen Zollamt (ZA) Z bescheinigte Ausfuhr im Zollgutversand auf ein deutsches Zollgutlager in X verbracht worden. Von dort aus sei sie nach unterschiedlicher Lagerdauer in Bundesbahnwaggons verladen und in direktem Transit durch die Schweiz nach Italien verbracht worden. Der unmittelbar an die Ausfuhr anschließende Rücktransport der Ware auf ein deutsches Zollgutlager sei bereits im Zeitpunkt der Ausfuhr von der Käuferfirma vorgesehen gewesen. Da der Weg der Ware in allen 15 Ausfuhrfällen völlig gleich verlaufen sei, spreche dies dafür, daß die Einlagerung in das Zollgutlager einem für alle Ausfuhrsendungen einheitlich gefaßten Entschluß entspreche, der bereits vor Durchführung der einzelnen Ausfuhrsendungen festgestanden habe. Als Empfangsland komme daher in erster Linie die Bundesrepublik in Betracht. Der Aufenthalt auf dem Zollgutlager könne nicht als rein beförderungsbedingter Aufenthalt angesehen werden, da der Rücktransport der auszuführenden Ware über die Grenze nicht aus Beförderungsgründen erklärlich sei. Sollte aber die Lagerung doch mit der Beförderung der Ware zusammenhängen, so sei Empfangsland der Waren ebenfalls nicht die Schweiz, da die Ware von dem Zollgutlager bestimmungsgemäß in direktem Transport nach Italien gehen habe sollen.
Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen die Auslegung des Begriffs „Ausfuhr nach dritten Ländern” durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) in seinem Urteil vom 27. Oktober 1971 in der Rechtssache 6/71. Nach den Gepflogenheiten des Getreidewelthandels habe der Verkäufer keinen Einfluß darauf, was der Käufer mit der Ware mache. Auch sei der Preis ein Weltmarktpreis, und zwar ein Transitpreis, dar mit keinem Marktpreis übereinstimme, der sich in irgendeinem Erzeuger- oder Verbraucherland im freien Verkehr bilde. Ein Verkäufer werde keiner entsprechenden Verwendungs- oder Nachweisbestimmung unterworfen. Der vom EGH geforderte Nachweis, daß die ausgeführte Ware in einem Drittland in den freien Verkehr überführt wurde oder werden würde, könne daher dem Ausführer nicht zugemutet werden und werde auch nicht in der Verordnung (EWG) Nr. 1041/67 vom 21. Dezember 1967 – VO (EWG) 1041/67 – (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. 314 vom 23. Dezember 1967) verlangt. Den Mitgliedstaaten habe es auch nicht freigestanden, von der Gewährung von Erstattungen gänzlich abzusehen oder deren Mindestvoraussetzungen weitere hinzuzufügen. Die Erstattungen seien nicht dazu bestimmt, die Preisunterschiede zwischen den beteiligten Märkten auszugleichen, sondern entsprechend der Präambel (Abs. 11) der VO (EWG) 19/62, den Ausfuhrpreis dem Weltmarktpreis anzupassen. Der Einführer eines Niedrigpreislandes, der die Ware aus einem Hochpreisland bezogen habe, habe auch dann, wenn eine ausreichende Mitgliedslanderstattung nicht gewährt wurde, keine größeren Vorteile erlangen können, als er sie bei der Gewährung der Mitgliedserstattung gezogen hätte. Der Ausführer könne die „Zielrichtung” seiner Ausfuhr je nach der Art der Beförderung und nach der Verwendung der Warenverkehrsbescheinigung nach dem Muster D.D. 4 (WVB D.D. 4) bestimmen. § 10 Abs. 6 und § 11 Abs. 2 AHStatDV setze nicht die „Kenntnis”, also ein Wissen des Ausführers, darüber voraus, welches Land das Verbrauchsland oder Empfangsland sei. Nach dem „Soll” in den Formulierungen genüge die subjektive Vorstellung des Ausführers und nicht etwa des ausländischen Abnehmers über das Verbrauchs- oder Empfangsland. Ein Irrtum des Ausfühlers ändere an der Tatsache seiner subjektiven Vorstellung nichts. Sie sei maßgebend, auch wenn das objektiv falsch sei.
Das FG habe den tatsächlichen Ablauf der Ausfuhrvorgänge nicht aufgeklärt, soweit es annehme, daß die Klägerin die Ware überhaupt nicht ausgeführt, sondern ohne irgendeine Zielrichtung ihrem Käufer bereits auf deutschem Hoheitsgebiet übergeben habe. Der Ausfuhrvorgang, für den die Klägerin verantwortlich gewesen sei, sei mit dem Verbringen der Ware auf Schweizer Hoheitsgebiet zollrechtlich und außenwirtschaftlich abgeschlossen gewesen. Da die Schweizer Käuferin die Ware noch vor einer zollamtlichen Abfertigung in das Schweizer Zollinland einlagern wollte, habe sich die Firma B. bereit erklärt, die Ware auf ihr privates Zollgutlager zu nehmen. Diese Firma habe deshalb im Auftrag der Firma A. veranlaßt, daß die Ware in das deutsche Hoheitsgebiet zurückgebracht wurde, und sie damit zu einem Einfuhrzollgut gemacht. Sie habe die Versanderklärungen im eigenen Namen beantragt, um die Ware auf das ihr genehmigte private Zollgutlager zu nehmen. Damit sei ein neuer selbständiger zollrechtlicher und außenwirtschaftlicher Tatbestand eingeleitet worden, der mit dem abgeschlossenen Ausfuhrvorgang, für den die Klägerin verantwortlich zeichne, nichts zu tun gehabt habe und von ihm zu trennen gewesen sei. Das FG hätte zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die Klägerin das Milchpulver mit der Zielrichtung Schweiz ausgeführt habe. Nicht aufgeklärt sei auch, ob überhaupt Milchpulver nach Italien verbracht worden sei, ohne das Zollinland der Schweiz zu berühren. Hierüber lägen widersprechende Urkunden Schweizer Dienststellen vor.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Erstattungsrückforderungsbescheid der EVSt Fette und ihren Einspruchsbescheid aufzuheben.
Die EVSt Fette beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Entgegen der Ansicht des FG sei nicht die Zielrichtung der Ware im Zeitpunkt der Verbringung über die Grenze maßgebend. Das FG unterscheide nicht zwischen dem objektiven Ausfuhrvorgang als solchem und seinem erstattungsrechtlichen Ziel, das allein durch die Vorschriften der AHStatDV bestimmt werde. Sinn und Zweck des Instituts der Drittlanderstattungen sei, Preis und Wettbewerbsnachteile der innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) produzierten Waren in den dritten Ländern auszugleichen. Dies erfordere, daß die mit einer Drittlanderstattung subventionierten Waren in den Wirtschaftsverkehr des betreffenden dritten Landes gelangen. Die Ansicht des FG hätte statt dessen zur Folge, daß die Ausführer sich so früh wie möglich der Verantwortung für die Ware entziehen, die Verfügungswelt über sie aufgeben und die Augen vor dem verschließen, was mit ihr geschehe. Eine solche Handhabung der Erstattungsbestimmungen würde Manipulationen Tür und Tor öffnen. Entgegen der Ansicht der Klägerin könne das Verbrauchsland im Sinne der Vorschriften über die Statistik des grenzüberschreitenden Warenverkehrs niemals subjektiv durch die Vorstellungen des Ausführers bestimmt werden. Es könne nicht im Ernst angenommen werden, daß die öffentliche Hand nach dem Willen des Gesetzgebers die Entscheidung über Millionen an Erstattungen von der bloßen Absicht oder Vorstellung von Antragstellern, die aus ihrer unkontrollierbaren subjektiven Einstellung riesige wirtschaftliche Vorteile ziehen möchten, abhängig machen könnte.
Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 26. Februar 1965 (Deutsche Außenwirtschaftsrundschau 1965 S. 225 – DAWR 1965, 225 –) stelle der Erstattungsanspruch die Kehrseite des öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruchs dar. Der Rückforderungsanspruch bestehe dann, wenn eine Subvention gewährt worden sei, ohne daß die Voraussetzungen hierfür vorlagen. In eine Verschuldensprüfung sei das BVerwG überhaupt nicht eingetreten. Sollte es entgegen der Ansicht der EVSt Fette auf den Vertrauensschutz ankommen, so sei das Vertrauen des Betroffenen dann nicht schutzwürdig, wenn er die Unrichtigkeit seiner Angaben, auf denen die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts beruht, verschuldet hat oder wenn sie auf Umständen beruht, die in seinen Verantwortungsbereich und nicht in den der Verwaltung fallen. Die Durchführung der Ausfuhrgeschäfte liege ausschließlich im Verantwortungs- und Schuldbereich des Ausführers, niemals aber in dem der Behörde.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der EGH hat in seinem Urteil vom 27. Oktober 1971 in der Rechtssache 6/71 (Sammlung der Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften Bd. XVII S. 823 – Slg. EGH XVII, 823 –, Bundeszollblatt 1971 S. 1502 – BZBl 1971, 1502 –) als Mindestvoraussetzung für das Vorliegen der „Ausfuhr nach dritten Ländern” im Sinn der VO (EWG) 19/62 angesehen, daß die Ware in einem Drittland in den freien Verkehr überführt worden war oder werden würde. Darüber hinaus konnten die Mitgliedstaaten nach Ansicht des EGH den Erstattungsanspruch von weiteren Bedingungen abhängig machen und selbständig bestimmen, welche Beweise für eine Ausfuhr nach dritten Ländern zu verlangen waren, wobei allerdings die Tatsache der Ausfuhr ohne WVB D. D. 4 oder ohne unmittelbare Verbringung der Ware von einem Mitgliedstaat in den anderen Mitgliedstaat nicht ausreiche. Dieser Vorabentscheidung schließt sich der erkennende Senat auch hinsichtlich des gleichlautenden Ausfuhrbegriffs in Art. 14 der VO (EWG) 13/64 vom 5. Februar 1964 (ABlEG S. 549, BZBl 1964 821) an. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, daß für die Frage der Gewährung der Ausfuhrerstattung der Begriff der Ausfuhr nach dritten Ländern einen anderen Inhalt haben sollte, weil es sich um Milch öder Milcherzeugnisse handelt. Mit der genannten Vorabentscheidung des EGH sind auch die Zweifel des Senats in dem Rechtsstreit über die Aussetzung der Vollziehung der streitigen Rückforderungsbescheide ausgeräumt worden. Die von der Klägerin dagegen vorgebrachten Hinweise, insbesondere auf die Handelsgepflogenheiten und die Preisbildung im internationalen Handel mit Getreide und Getreideerzeugnissen können dem erkennenden Senat keinen Anlaß geben, eine erneute Vorabentscheidung des EGH einzuholen. Da Erstattungen nach Art. 14 der VO (EWG) 13/64 bei Milch oder Milcherzeugnissen in unterschiedlicher Höhe gewährt werden konnten, je nachdem die Ware in einen Mitgliedstaat oder in ein Drittland ausgeführt wurde, würde ein Verzicht darauf, daß eine Ausfuhr in ein Land der betreffenden Kategorie, und zwar in dem obengenannten Sinne, stattgefunden hat, Manipulationen begünstigen und auch die vom Ausführer im Antrag auf Erstattungszusage, auf Erteilung der Ausfuhrbescheinigung und auf Gewährung der Erstattung gemachten Angaben über das Verbrauchs- bzw. Bestimmungsland jeder Kontrolle entziehen. Auch wenn der Ausführer keine WVB D. D. 4 vorlegt, bildet dies keine ausreichende Gewähr gegen Umgehungen, wie der EGH mit Recht ausgeführt hat. Ausschlaggebend ist aber, daß die WVB D. D. 4 allein dafür vorgesehen ist, die Herkunft, nicht jedoch die Bestimmung der ausgeführten Ware zu beweisen (s. zuletzt Entscheidung des Bundesfinanzhofs – BFH – VII R 40/68 vom 13. Oktober 1970, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 100 S. 279 – BFH 100, 279 –, BZBl 1971, 237). Schließlich kann auch nicht entgegen der „Kann”-Bestimmung in Art. 14 der VO (EWG) 13/64 eine Pflicht der Mitgliedstaaten oder der Bundesrepublik Deutschland (BRD) aus den von der Klägerin vorgetragenen Gründen hergeleitet werden, Erstattungen zu den in dieser VO geforderten Mindestvoraussetzungen zu gewähren. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung daran festgehalten, daß den Mitgliedstaaten in der Übergangszeit ein gewisser Regelungsbereich für die Gewährung von Erstattungen überlassen war, der lediglich durch die Rahmenbestimmungen der jeweiligen EWG-VO, insbesondere hinsichtlich der Höchstsätze und der Berechnungsweise begrenzt war (s. BFH-Urteil VII R 74/67 vom 13. Januar 1970, BFH 98, 105). Außer in der oben angeführten Rechtssache 6/71 hat der EGH dieselbe Auffassung unter anderem in den Urteilen Rs. 31/69 vom 17. Februar 1970 (Slg. EGH 1970, 25) und Rs. 85/71 vom 23. März 1972 (Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters 1972 S. 253 – AWD 1972, 253 –) vertreten.
Den Erstattungen liegen im Streitfall die genannte VO (EWG) 13/64 und die Verordnung über Erstattungen bei der Ausfuhr von Milcherzeugnissen (ErstVOMilch) vom 11. Dezember 1964 (Bundesanzeiger – BAnz – Nr. 234 vom 15. Dezember 1964, BZBl 1965, 6) in der Fassung der 6. Änderungsverordnung vom 3. Januar 1966 (BAnz. Nr. 2 vom 5. Januar 1966) zugrunde. Nach § 1 Abs. 2 dieser ErstVO lag eine Ausfuhr nach dritten Ländern vor, wenn das Verbrauchsland ein drittes Land war. Der Begriff des Verbrauchslandes bestimmte sich nach den Vorschriften über die Statistik des grenzüberschreitenden Warenverkehrs. Die Bestimmung in § 10 Abs. 6 AHStatDV in der Fassung vom 13. Januar 1964 (Bundesgesetzblatt I S. 9 – BGBl I, 9 –), nach der Verbrauchsland das Land ist, in dem die Waren gebraucht oder verbraucht, be- oder verarbeitet werden sollen, machte daher die Erstattungsgewährung von einer über die geforderten Überführung der Ware in den freien Verkehr zum Teil hinausgehenden Voraussetzung abhängig. Hierzu war die BRD befugt, wie der EGH in der oben angeführten Rechtssache 6/71 festgestellt hat. Entgegen der Ansicht des FG war dagegen die Alternativbestimmung in § 10 Abs. 7 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 AHStatDV nicht anzuwenden, da sie nur in Betracht kommt, wenn das Verbrauchsland nicht bekannt ist. Dann gilt als Verbrauchsland das Empfangsland, nämlich das Land, in das die Ware verbracht werden soll, ohne daß sie in Durchfuhrländern anderen als den mit der Beförderung zusammenhängenden Aufenthalten oder Rechtsgeschäften unterworfen werden soll, und, wenn dieses Land nicht bekannt ist, das letzte Land, nach dem die Ware abgesandt wird. Im Streitfall hat die Klägerin die Schweiz als Verbrauchsland angegeben. Mithin war das Verbrauchsland in dem Zeitpunkt bekannt, als die Klägerin die betreffenden Angaben in dem „Antrag auf Erstattungszusage” und in dem Formular der Ausgangsbescheinigung machte. Wurde die Ware später nicht in dieses Drittland als Verbrauchsland ausgeführt, so wurde die Voraussetzung für die Gewährung der Drittlandserstattung nach § 1 Abs. 2 ErstVO Milch nicht erfüllt. In einem solchen Fall kann aber nicht maßgebend sein, was der Erstattungsempfänger bei der Stellung seiner Anträge wollte oder glaubte, sondern nur das wirkliche Schicksal der Ware. Nachdem sich im Streitfalle herausgestellt hatte, daß nicht entsprechend den Angaben der Klägerin mit der Ware verfahren worden war, hatte die EVSt Fette zu prüfen, ob die Erstattung zu widerrufen war.
Den Widerruf der Erstattung durch die EVSt Fette hat das FG als nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 AO gerechtfertigt angesehen. Nach dem Urteil des erkennenden Senats VII R 52/57 vom 8. Mai 1970 (BFH 99, 281, 284) konnten jedoch Widerrufsbescheide der Marktordnungsstellen nach dem damals geltenden Recht nicht auf die AO, sondern nur auf das allgemeine Verwaltungsrecht gestützt werden. Nach den vom BVerwG für den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte aufgestellten Grundsätzen ist hierbei im Einzelfall zu prüfen, ob das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung oder das öffentliche Interesse an der Beseitigung des Verwaltungsaktes überwiegt (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 5 S. 312 – BVerwGE 5, 312 –). Gegenüber einem danach an sich zulässigen Widerruf kann der Begünstigte sich unter Umständen auf sein Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsakts berufen. Ein solcher Vertrauensschutz scheidet jedoch in der Regel dann aus, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt auf der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Begünstigten beruht und diesen ein, wenn auch nur leichtes Verschulden daran trifft (BVerwGE 6, 1, 7). Das gleiche gilt aber, wenn die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts durch Umstände verursacht worden ist, die im „Verantwortungsbereich” des Begünstigten liegen (BVerwGE 8, 261, 271). Darunter können auch Handlungen und Unterlassungen fallen, die dritte Personen mit seinem Wissen begangen haben oder die er sich nach Treu und Glauben – weil im Verhältnis zur Behörde in seiner Sphäre liegend – zurechnen lassen muß (BVerwGE 24, 295 299). In dieser Rechtsprechung des BVerwG ist auch zum Ausdruck gekommen, daß dem Rechtsgedanken des Vertrauensschutzes in den einzelnen Rechtsgebieten unterschiedliches Gewicht zukommen kann (BVerwGE 8, 261).
Auf das Gebiet der Ausfuhrerstattungen angewendet, bedeutet dies folgendes. Haben die Voraussetzungen dafür, daß eine Ausfuhrerstattung überhaupt oder in der festgesetzten Höhe gewährt wurde, nicht vorgelegen, so ist mit ihrer Rückforderung in erster Linie ein ungerechtfertigter Wettbewerbs- oder Marktvorteil des einzelnen gegenüber den übrigen Marktteilnehmern zu beseitigen. Das öffentliche Interesse daran, daß das geschieht und somit Erstattungen auch wirklich nur in den Fällen gewährt werden, für die sie vorgesehen sind, überwiegt in der Regel das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung der zugesagten Erstattung. Daher ist eine zu Unrecht gewährte Erstattung in der Regel widerruflich. Dem Widerruf steht insbesondere das zu schützende Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsaktes dann nicht entgegen, wenn der Erstattungsempfänger unrichtige oder unvollständige Angaben z. B. über das Land gemacht hat, in das die betreffende Ware ausgeführt werden sollte. Denn wer eine unrechtmäßige Erstattung erwirkt, kann nicht verlangen, daß ihm diese auch zu Unrecht verbleibt. Selbst wenn die Angaben über das Verbrauchsland zunächst nach der Kenntnis des Ausführers richtig waren und sich erst später eine Veränderung der Bestimmung der Ware ergab, kann ein Vertrauensschutz entfallen. Dies kommt dann in Betracht, wenn die Abnehmer des Erstattungsempfängers mit der Ware anders verfuhren, als es die Gewährung der Erstattung voraussetzte, z. B. die Ware nicht in dem als Verbrauchsland angegebenen Land verwendeten, sondern nur durchführten, und der Erstattungsempfänger sich deren Verhalten den Umständen nach als in seinen Verantwortungsbereich fallend anrechnen lassen muß.
Fundstellen
Haufe-Index 514727 |
BFHE 1972, 150 |