Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Ausstellung von Kontrollexemplaren
Leitsatz (NV)
1. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Kontrollexemplars bestimmen sich ausschließlich nach den versandrechtlichen Vorschriften.
2. Nach den Versandvorschriften kommt die nachträgliche Ausstellung eines Kontrollexemplars (1.) nicht in Betracht, wenn die Ausfuhr- oder Versendungsförmlichkeiten nicht erfüllt wurden (Anschluß an Rspr. EuGH).
Normenkette
EWGV 192/75 Art. 2 Abs. 1; EWGV 223/77 Art. 13b Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin beauftragte im Juni 1979 die Firma N, eine zur Ausfuhr nach Norwegen bestimmte Sendung Weißzucker an einen Spediteur auszuliefern und bei der zuständigen Versandzollstelle - dem Hauptzollamt (HZA) - die Versandabfertigung und die Ausstellung des von der Klägerin der Firma N übersandten, bereits ausgefüllten Kontrollexemplars (KE) T Nr. 5 zu besorgen.
Dem - ausländischen - Fahrer des Lastkraftwagens, auf den die Sendung verladen wurde, wurden nach dem Vortrag der Klägerin die Zollpapiere mit der Weisung übergeben, zur Versandzollstelle zu fahren, die Sendung zu gestellen und ein KE zu beantragen. Dies ist jedoch unterblieben. Die Sendung wurde am 10. Juni 1979 beim dänischen Ausgangszollamt zur Ausfuhr gestellt und am 20. Juni 1979 in Norwegen eingeführt. Das HZA lehnte die von der Klägerin für Zwecke der Ausfuhrerstattung beantragte nachträgliche Erteilung des KE ab.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Ablehnungsbescheids und die Verpflichtung des HZA begehrte, das KE nachträglich zu erteilen, wies das Finanzgericht - FG - mit der Begründung ab, das KE könne nicht mehr ausgestellt werden, weil die mit ihm nachzuweisenden Ausfuhrzollförmlichkeiten mangels einer entsprechenden Erklärung des Ausführers, ihrer Annahme durch die Zollstelle und der Unterstellung der Waren unter Zollkontrolle nicht erfüllt worden seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Klägerin insbesondere unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 6. Oktober 1982 Rs. 302/81 (EuGHE 1982, 3443) eingelegte Revision.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat mit Beschluß vom 25. November 1986 VII R 116/83 (BFHE 148, 192) dem EuGH Fragen zur Auslegung des im Streitfalle anzuwendenden Gemeinschaftsrechts vorgelegt. Der EuGH hat auf die Vorlage durch Urteil vom 8. März 1988 Rs. 321/86 entschieden.
Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat im Ergebnis zutreffend einen Anspruch der Klägerin auf nachträgliche Erteilung des KE verneint.
Allerdings läßt sich dies nicht mit der Erwägung begründen, es fehle im Streitfall an der Abgabe der auf Ausfuhr gerichteten Willenserklärung des Ausführers im Sinne der Vorschriften des Ausfuhrerstattungsrechts (hier maßgebend Art. 2 Abs. 1 der Verordnung [EWG] Nr. 192/75 der Kommission vom 17. Januar 1975 über Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 25/1). Denn die Voraussetzungen für die Erteilung des KE ergeben sich allein aus den versandrechtlichen Vorschriften - Verordnung (EWG) Nr. 223/77 der Kommission über Durchführungsbestimmungen und Vereinfachungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens vom 22. Dezember 1976 (ABlEG L 38/20 vom 9. Februar 1977) -, denen nicht zu entnehmen ist, daß die Erteilung eines KE die Abgabe der ausfuhrerstattungsrechtlichen Willenserklärung voraussetzt (vgl. Senatsurteil vom 4. Februar 1986 VII R 125/81, BFH/NV 1986, 774).
Indessen ergibt sich aus anderen Gründen, daß das von der Klägerin begehrte KE nicht nachträglich ausgestellt werden kann. Über die Auslegung der maßgebenden versandrechtlichen Vorschriften hat der EuGH durch das Urteil der Rechtssache 321/86 wie folgt entschieden:
,,Die im Juni 1979 für den gemeinschaftlichen Versand von Waren, für deren Ausfuhr Ausfuhrerstattungen in Betracht kamen, geltenden Bestimmungen, insbesondere die Artikel 10 und 12 der Verordnung Nr. 223/77 über Durchführungsbestimmungen und Vereinfachungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens, sind dahin auszulegen, daß eine nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars T Nr. 5 nicht möglich ist, wenn die Ausfuhr- oder Versendungsförmlichkeiten nicht erfüllt wurden."
Nach dieser Vorabentscheidung, die für den Senat bindend ist, ist davon auszugehen, daß es für die Erteilung des KE entscheidend auf die Erfüllung der Förmlichkeiten bei der Abgangszollstelle ankommt; werden sie nicht erfüllt, so fehlt es an einer Grundvoraussetzung für die nachträgliche Ausstellung des KE. Im Streitfalle sind bei der Abgangszollstelle - dem HZA - keinerlei Förmlichkeiten erfüllt worden. Auf die Gründe, die zu dieser Unterlassung geführt haben, kommt es - anders als bei einem einfachen Verfahrensmangel wie dem unterlassenen Antrag auf Erteilung eines KE im Rahmen einer zollamtlichen Behandlung (vgl. Urteil in EuGHE 1982, 3443, 3452; später auch Art. 13 b Abs. 1 der Verordnung Nr. 223/77) - nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 415819 |
BFH/NV 1989, 59 |