Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstückswert im Beitrittsgebiet ohne Genehmigung
Leitsatz (NV)
Bei genehmigungsbedürftigen Grundstückskaufverträgen war auch nach dem GrEStG DDR das Entstehen der Grunderwerbsteuer von der Erteilung der Genehmigung abhängig.
Normenkette
GrEStG DDR § 1 Abs. 1 Nr. 1; Grundstücksverkehrsverordnung § 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 2. November 1990 erwarb der Kläger zwei unbebaute und ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück im Beitrittsgebiet. Der Kaufpreis betrug insgesamt 100000 DM. Die Veräußerer ließen sich als Gesamtgläubiger ein dinglich zu sicherndes lebenslängliches Wohnrecht an dem Einfamilienhaus einräumen. Dessen Jahreswert wurde mit 6000 DM angegeben. Die erforderliche Genehmigung wurde (noch) nicht erteilt.
Mit Bescheid vom 15. Februar 1991 setzte das beklagte Finanzamt (FA) gegen den Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 7420 DM fest. Es wandte dabei einen Steuersatz von 7 v.H. an. Aus den FA-Akten war nicht ersichtlich, wann dieser Bescheid zur Post gegeben wurde. Nach den Angaben des Klägers ging ihm der Bescheid zwischen dem 4. und 10. März 1991 zu. Am 19. März 1991 legte der Kläger Einspruch ein. Er begehrte, unter Anwendung eines Steuersatzes von 2 v.H. die Steuer auf 2120 DM herabzusetzen. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser vertrat der Kläger die Auffassung, daß die Grunderwerbsteuer nach Maßgabe des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) festzusetzen sei. Lasten und Gefahren seien erst am 31. Januar 1991 auf ihn übergegangen. Im übrigen stehe die Grundstücksverkehrsgenehmigung noch aus. Die höhere Besteuerung des Grunderwerbs in den neuen Bundesländern sei mit Art. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht zu vereinbaren.
Das Bezirksgericht (BG) - Senat für Finanzen - hat der Klage stattgegeben und die Grunderwerbsteuer auf 2120 DM herabgesetzt. Der Kaufvertrag habe der Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsverordnung bedurft. Bedürfe ein Erwerbsvorgang einer behördlichen Genehmigung, so entstehe die Grunderwerbsteuer erst mit der Genehmigung. Dies sei nach dem Grunderwerbsteuerrecht der ehemaligen DDR (GrEStG DDR) auch ohne eine dem § 14 Nr. 2 GrEStG 1983 entsprechende ausdrückliche Regelung der Fall. Nach § 1 GrEStG DDR unterliege ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründe, der Grunderwerbsteuer. Dies zeige, daß nur ein (endgültig) wirksames Rechtsgeschäft gemeint sein könne, nicht aber ein schwebend unwirksames Geschäft, das zu seiner Wirksamkeit einer Genehmigung oder des Eintritts einer aufschiebenden Bedingung bedürfe. § 14 Nr. 2 GrEStG 1983 und seine Vorläuferbestimmungen hätten lediglich deklaratorische Bedeutung. Vor Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung hätte auch nach dem GrEStG DDR Grunderwerbsteuer nicht festgesetzt werden dürfen. Im Streitfall sei der Grunderwerbsteuerbescheid allerdings nicht vollständig aufzuheben, da der Kläger diesen Bescheid mit Einspruch und Klage lediglich insoweit angefochten habe, als die festgesetzte Steuer 2 v.H. der steuerpflichtigen Gegenleistung überschreite. Die Grunderwerbsteuer sei daher lediglich dem Klageantrag entsprechend herabzusetzen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Erwerbsvorgang sei mit Abschluß des Kaufvertrages am 2. Dezember 1990 verwirklicht. Somit sei das GrEStG DDR anzuwenden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet. Im Revisionsverfahren ist - aufgrund der alleinigen Revision des FA - lediglich darüber zu entscheiden, ob die vom BG vorgenommene Herabsetzung der Grunderwerbsteuer von 7420 DM auf 2120 DM rechtmäßig ist. Dies ist der Fall. Das BG hat im Ergebnis zutreffend angenommen, daß durch den zwar genehmigungsbedürftigen, aber nicht genehmigten Grundstückskaufvertrag Grunderwerbsteuer nach dem GrEStG DDR nicht entstanden ist.
1. Nach Art. 8 i.V.m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Abs. 1 des Einigungsvertrags ist im Beitrittsgebiet auf dem Gebiet des Rechts der Besitz- und Verkehrsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer bis zum 31. Dezember 1990 das bisher im Beitrittsgebiet geltende Recht weiter anzuwenden. Diese Regelung erstreckt sich auch auf das GrEStG DDR. Sie ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei dem GrEStG DDR handelt es sich um revisibles Recht i.S. des § 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), das zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages im Streitfall (noch) anwendbar war (vgl. II. 3. a und b des in BStBl II 1993, 630 veröffentlichten Senatsurteils vom 19. Mai 1993 II R 29/92).
2. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Ein wirksamer Anspruch des Klägers auf Eigentumsübertragung an einem Grundstück im Sinne dieser Vorschrift ist durch den Kaufvertrag jedoch nicht begründet worden. Der Kaufvertrag bedurfte nach § 2 der Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken (Grundstücksverkehrsverordnung) der ehemaligen DDR vom 15. Dezember 1977 (Gesetzblatt 1978 I Nr. 5, S. 73) der Genehmigung. Die Grundstücksverkehrsverordnung galt in der Fassung des Einigungsvertrags nach dem 3. Oktober 1990 fort (Anlage II Kapitel III Sachgebiet B Abschn. II Nr. 1 Einigungsvertrag). Genehmigungsbedürftig war nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Buchst. a der Grundstücksverkehrsverordnung in der damals geltenden Fassung die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück durch Vertrag. Mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist diese Formulierung dahin zu verstehen, daß sich die Genehmigungspflicht zumindest auch auf die schuldrechtliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bezieht. Ohne diese Genehmigung ist der Grundstückskaufvertrag (zumindest) schwebend unwirksam, d.h., die Parteien sind zwar gebunden, es bestehen aber keine Erfüllungsansprüche. Das Bestehen eines solchen Anspruchs (auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück) ist jedoch Voraussetzung für das Entstehen der Grunderwerbsteuer nach dem Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR. Das GrEStG besteuert grundsätzlich jede Änderung der eigentumsmäßigen Zuordnung des Grundstücks. Steuertechnisch wird dies dadurch verwirklicht, daß (als Haupttatbestand) bereits die entsprechende schuldrechtliche Verpflichtung die Steuer auslöst. Das spätere Schicksal dieser schuldrechtlichen Verpflichtung (Erfüllung oder Nichterfüllung, Aufhebung oder Weiterbestehen) ist für den einmal entstandenen Steueranspruch grundsätzlich ohne Bedeutung, notwendigerweise muß jedoch die schuldrechtliche Verpflichtung selbst rechtlich wirksam geworden sein. Es entspricht dem Sinn der Grunderwerbsteuer, nur rechtsgültige Verpflichtungen zur Steuer heranzuziehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. März 1960 II 247/58 U, BFHE 70, 468, BStBl III 1960, 175). Eine Besteuerung ohne Rücksicht auf eine von vornherein bestehende Unwirksamkeit des der Besteuerung unterliegenden Rechtsgeschäfts ist vom Sinn und Zweck des Gesetzes nicht gedeckt. Diese Auslegung wird durch die Systematik des Gesetzes bestätigt. Nach § 17 GrEStG DDR werden - unter bestimmten Voraussetzungen - steuerliche Härten beseitigt, die dadurch entstehen, daß das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft später nicht erfüllt, rückgängig gemacht wird oder das bereits übertragene Eigentum am Grundstück wieder rückübertragen wird. Diese Vorschrift greift jedoch nur Platz, wenn ursprünglich ein wirksames Rechtsgeschäft vorlag. Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß dann, wenn ursprünglich kein wirksames Rechtsgeschäft vorlag, bereits der zur Entstehung der Steuer führende Tatbestand nicht erfüllt sein kann und es deswegen keiner Korrektur der steuerlichen Folgen über eine dem § 17 GrEStG DDR entsprechende Vorschrift bedarf.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Anwendungsbereich des GrEStG 1983 bzw. des durch dieses abgelösten Bundes- und Landesrechts ist allerdings ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 bereits dann verwirklicht, wenn die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, eine erforderliche behördliche Genehmigung aber noch nicht erteilt ist (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 1989 II R 31/88, BFHE 159, 260, BStBl II 1990, 234, und vom 17. September 1986 II R 136/84, BFHE 147, 538, BStBl II 1987, 35). Diese Entscheidung knüpft an die ältere Rechtsprechung des Senats an, nach der grundsätzlich zwischen Erwerbsvorgang und Erwerb zu differenzieren ist. Diese Unterscheidung geht zurück auf das BFH-Urteil vom 21. Dezember 1961 II 146/61 U (BFHE 74, 431, BStBl III 1962, 162), sie wurde allerdings in der Folge nicht oder nicht in dieser Konsequenz von der Rechtsprechung beibehalten (vgl. BFH-Urteile vom 18. Mai 1966 II 114/64, BFHE 86, 262, BStBl III 1966, 399; vom 20. Juni 1968 II R 15/68, BFHE 93, 340, BStBl II 1968, 783, und vom 25. Juni 1980 II R 28/79, BFHE 132, 316, BStBl II 1981, 332). Die zu speziellen Übergangsproblemen entwickelte Rechtsprechung des erkennenden Senats steht der hier vertretenen Auffassung zur Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR nicht entgegen. Keiner dieser Senatsentscheidungen läßt sich entnehmen, daß eine Grunderwerbsteuer auch ohne eine erforderliche behördliche Genehmigung des schuldrechtlichen Geschäfts entstehen könnte. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR ist daher auch ohne Rückgriff auf eine ggf. durch Rechtsprechung zu schließende Regelungslücke dahingehend auszulegen, daß er nur erfüllt ist, wenn die zur Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrags erforderliche Genehmigung erteilt ist. Zur Entstehung der Steuer ist daher in einem derartigen Fall die Erteilung der Genehmigung erforderlich. Damit ist noch nicht entschieden, zu welchem Zeitpunkt in einem derartigen Fall die Steuer entsteht (zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung oder rückwirkend zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags). Darauf kommt es im Streitfall jedoch nicht an, da die Genehmigung ohnehin nicht erteilt wurde.
Die Auffassung, daß auch ohne eine dem § 14 GrEStG 1983 entsprechende Vorschrift die Grunderwerbsteuer ohne Erteilung der Genehmigung nicht entstehen kann, steht auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte des GrEStG DDR. Auch dessen Vorläufer war das GrEStG 1940. In der Begründung zu diesem Gesetz wurde seinerzeit darauf hingewiesen, daß mit der Regelung des § 3 des Steueranpassungsgesetzes die Entstehung der Steuerschuld in den Fällen klargestellt wird, in denen die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängt oder ein Erwerbsvorgang der Genehmigung einer Behörde bedarf (vgl. das Senatsurteil vom 19. Mai 1993 II R 23/92, BFHE 171, 357, BStBl II 1993, 628).
Fundstellen
Haufe-Index 419263 |
BFH/NV 1994, 402 |