Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Nichtbuchführende Wanderschäfer haben keinen Anspruch auf den Freibetrag von 1.000 DM, der nichtbuchführenden Landwirten unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 EStG 1949 zusteht.

EStG 1949 § 13 Abs. 3; Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung

 

Normenkette

EStG § 13 Abs. 3, § 13/1/2; VOL Abs. 3; VOL § 8

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Wanderschäfer. am 11. November 1949 hat er eine landwirtschaftliche Fläche von 1,14 ha gepachtet. Er führt Aufzeichnungen über die Betriebseinnahmen, nicht aber über die Betriebsausgaben. Das Finanzamt hat seinen Gewinn aus einem unbestrittenen Umsatz von 5.000 DM auf 1.250 DM (= 25 v. H.) geschätzt und diesen Betrag der Besteuerung zugrunde gelegt. Der Bf. hat eingewendet, daß ein Reingewinnhundertsatz von 20 % allgemein üblich und angemessen sei, und daß ihm als nichtbuchführendem Landwirt ein Freibetrag von 1.000 DM gemäß § 13 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 zustehe.

 

Entscheidungsgründe

Einspruch und Berufung waren erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nur hinsichtlich der Schätzung begründet.

I. Nach § 13 Abs. 3 EStG 1949 steht der für Einkommen bis 6.000 DM geltende Freibetrag von 1.000 DM nichtbuchführenden Land- und Forstwirten zu, deren Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen ermittelt werden. Durchschnittsätze für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft sind auf Grund des § 29 EStG in der Verordnung vom 2. Juni 1949, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen S. 195 (Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft - VOL -) aufgestellt. Diese Verordnung ist anwendbar auf Betriebe, die bei der Einheitsbewertung als landwirtschaftliche Betriebe bewertet sind, nicht aber auf solche Betriebe, die zwar unter den Oberbegriff "Land- und Forstwirtschaft" fallen, aber bei der Einheitsbewertung nicht als landwirtschaftliche Betriebe behandelt sind (ß 8 Abs. 1 und 3 VOL). Hierzu gehört neben Forstwirtschaft, Weinbau und Gartenbau das "übrige land- und forstwirtschaftliche Vermögen" (ß 28 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Dieses umfaßt auch die Wanderschäfereien (ß 30 Nr. 3 der Durchführungsbestimmungen zum Reichsbewertungsgesetz - RBewDB - vom 2. Februar 1935, Reichssteuerblatt S. 189). Der Gewinn aus einer Wanderschäferei wird also nicht nach der VOL ermittelt.

Auch bei Pachtung einer landwirtschaftlich genutzten Fläche von weniger als 2 ha durch einen Wanderschäfer wirkt sich die VOL nicht aus. Nach § 3 Abs. 2 VOL führt die Hinzupachtung solcher Flächen nicht zu einer Erhöhung des Einheitswertes des eigenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Danach ist auch beim Pächter, der nur Pachtland besitzt, der Einheitswert nicht anzusetzen, wenn die Fläche die im § 3 Abs. 2 Satz 3 VOL genannte Größe nicht erreicht. Da demnach der Gewinn eines solchen Pächters aus der Bewirtschaftung seiner landwirtschaftlichen Fläche nicht ermittelt wird, ist auch kein Raum für die Gewährung eines Freibetrages nach § 13 Abs. 3 EStG (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs IV 69/52 U vom 23. Oktober 1952, Bundessteuerblatt III S. 307). Es ist dabei ohne Bedeutung, ob er noch einen anderen Betrieb oder Betriebsteil hat, bei dem der Gewinn nicht nach der VOL zu ermitteln ist.

Demnach entfällt der Freibetrag von 1.000 DM, da die Einkünfte des Bf. nicht nach Durchschnittsätzen auf Grund der VOL ermittelt werden (vgl. auch Einkommensteuer-Richtlinien II 1948/1949 Abschnitt 129 Abs. 1). Seine Ansicht, daß die von der Oberfinanzdirektion für die Ermittlung des Gewinns von Wanderschäfereien aufgestellten Sätze entgegen den Einkommensteuer-Richtlinien auch Durchschnittsätze im Sinne des § 13 Abs. 3 EStG seien, ist irrig. Unter den Begriff "Durchschnittsätze" fallen nur die auf Grund des § 29 EStG im Verordnungswege aufgestellten Sätze; sie sind Rechtsnormen, von denen ein Abweichen nicht zulässig ist. Dagegen sind die auf Grund des § 8 VOL von der Oberfinanzdirektion aufgestellten Richtsätze Verwaltungsrichtlinien für die Veranlagung derjenigen Steuerpflichtigen, die keine ordnungsmäßigen Aufzeichnungen führen. Sie binden weder den Steuerpflichtigen noch die Steuergerichte. Auch die Finanzämter können von diesen Richtsätzen abweichen, wenn triftige Gründe gegeben sind. Nach dem Sinn und klaren Wortlaut des § 13 Abs. 3 EStG ist es ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber den Kreis der Begünstigten so weit ziehen wollte, daß allen Steuerpflichtigen, deren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach Richtsätzen geschätzt wird, ein Freibetrag zusteht. Es sollte nur der der VOL unterliegende landwirtschaftliche Besitz begünstigt werden. In diesem Sinn hat der Bundesfinanzhof bereits in dem oben angeführten Urteil vom 23. Oktober 1952 entschieden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407718

BStBl III 1953, 268

BFHE 1954, 703

BFHE 57, 703

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge