Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse ausnahmsweise möglich
Leitsatz (amtlich)
Das Ergebnis einer Gesamtwürdigung, ob eine Zuwendung an den Arbeitnehmer --z.B. in Form einer Auslandsreise-- im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers erfolgt ist oder Arbeitslohn darstellt, ist grundsätzlich ein einheitliches im Sinne einer dieser beiden Möglichkeiten. Ausnahmsweise kann eine Aufteilung zwischen Arbeitslohn und Zuwendungen im betrieblichen Eigeninteresse in Betracht kommen, wenn die Kosten rein betriebsfunktionaler Elemente sich leicht und eindeutig von sonstigen Zuwendungen mit Entlohnungscharakter abgrenzen lassen.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 10.09.1993; Aktenzeichen 3 K 2571/92) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Vertreter bei der X-GmbH (im folgenden: Arbeitgeberin) beschäftigt. Diese führte vom 19. bis zum 26. Mai 1990 für ihre Außendienst-Mitarbeiter eine Tagung auf Kreta durch. Von den sechs Tagen des Aufenthalts waren vier mit betrieblichen Veranstaltungen ausgefüllt, während zwei Tage den Mitarbeitern zur freien Verfügung standen. Die Arbeitgeberin trug die Reisekosten, ohne sie der Lohnsteuer zu unterwerfen. Gleichartige Tagungen veranstaltet die Arbeitgeberin jedes Jahr an einem anderen Ort in ausländischen Urlaubsregionen.
Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Arbeitgeberin sah der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Wert der dem Kläger zugewendeten Reise als zusätzlichen Arbeitslohn an. Er erließ deshalb gegen die Kläger einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1990, in dem der Reisekostenanteil des Klägers von 1 362 DM den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit hinzugerechnet wurde.
Die Klage, mit der die Kläger geltend machten, die Reise sei ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen, hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Ein Auftrag i.S. einer Dienstreise sei mit einem Reiseteil i.S. einer Zuwendung kombiniert worden. Da die Aufwendungen diesen Reiseteilen nicht durch genaue Ermittlung zugeordnet werden könnten, sei es geboten, eine Aufteilung durch Schätzung vorzunehmen. Der als Arbeitslohn zu qualifizierende Kostenanteil sei auf ein Drittel (454 DM) zu schätzen. § 12 des Einkommensteuergesetz (EStG) stehe der Aufteilung nicht entgegen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 245 veröffentlicht.
Das FA stützt seine Revision auf eine Verletzung des § 19 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 8 Abs.1 und 2 EStG. Es trägt vor, die Veranstaltung sei zwar betrieblich veranlaßt gewesen, sie habe jedoch nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Arbeitgeberin stattgefunden. Das Eigeninteresse des Klägers an der Reise sei nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen, da die Insel Kreta insbesondere im Frühjahr ein beliebtes Touristenziel sei und der Kläger bei einer Reisedauer von sechs Tagen zwei volle Tage zur freien Verfügung gehabt habe. Dies spreche für eine Zuwendung an den Kläger, die insgesamt als zusätzlicher Arbeitslohn zu erfassen sei.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen unter Hinweis auf die Gründe der Vorentscheidung, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Übernahme der Reisekosten des Klägers durch die Arbeitgeberin stellt entgegen der Auffassung des FG in voller Höhe Arbeitslohn dar.
1. Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, daß dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die "für" seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs.1 Nr.1 EStG). Diesem Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, daß ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muß, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen, daß der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann, so wird dieses Ergebnis zusammenfassend dahin umschrieben, daß der Vorteil im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt sei (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juni 1993 VI R 95/92, BFHE 171, 74, 79, BStBl II 1993, 687, 689, m.w.N., und vom 5. Mai 1994 VI R 55-56/92, BFHE 174, 425, BStBl II 1994, 771). Die Zuwendung ist dann zwar durch den Betrieb, nicht aber durch das individuelle Dienstverhältnis veranlaßt und deshalb keine Gegenleistung "für" Dienste des Arbeitnehmers.
Das Ergebnis der durchzuführenden Gesamtwürdigung ist regelmäßig ein einheitliches in dem Sinne, daß die Zuwendung im ganzen entweder Arbeitslohn darstellt oder im betrieblichen Eigeninteresse erfolgt ist. Eine Aufteilung dahingehend, daß nur ein Teil als Arbeitslohn zu werten ist, kommt daher im Regelfall nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 4. August 1994 VI R 24/94, BFHE 175, 280, BStBl II 1994, 954 unter 2; Thomas, Steuerberater-Jahrbuch --StbJb-- 1990/1991, 183, 190). Dies folgt nicht etwa aus dem Aufteilungsverbot des § 12 EStG, da diese Vorschrift nur für die Ausgaben- und nicht für die Einnahmeseite gilt, sondern ergibt sich aus dem Umstand, daß bei einer einheitlichen Zuwendung grundsätzlich kein Maßstab für eine quantitative Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und Nicht-Arbeitslohn vorhanden ist (Thomas, StbJb 1990/1991, 183, 190).
Der BFH hat allerdings im Hinblick auf die steuerliche Abziehbarkeit von sogenannten gemischten Aufwendungen entschieden, daß der dort ebenfalls geltende Grundsatz der Einheitsbetrachtung den Abzug eindeutig abgrenzbarer betrieblich veranlaßter Aufwendungen nicht ausschließt (BFH-Urteil vom 23. April 1992 IV R 27/91, BFHE 168, 254, BStBl II 1992, 898, unter 2 b). Entsprechend diesem zu § 12 EStG entwickelten Grundgedanken kann auch auf der Einnahmeseite bei der Würdigung einer vom Arbeitgeber bezahlten Reise eine Aufteilung zwischen Arbeitslohn und Zuwendungen im betrieblichen Eigeninteresse ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die Kosten rein betriebsfunktionaler Elemente sich leicht und eindeutig von sonstigen Zuwendungen mit Entlohnungscharakter abgrenzen lassen.
2. Im Streitfall vermag der Senat dem FG nicht darin zu folgen, daß die auf den Kläger entfallenden Reisekosten durch Schätzung in Arbeitslohn und einen sonstigen, vom FG nicht näher qualifizierten Anteil aufzuteilen seien. Eine Abgrenzung ist insofern bereits deshalb nicht möglich, weil trotz des grundsätzlich betrieblich veranlaßten Erfahrungsaustauschs der Außendienst-Mitarbeiter keine betriebsfunktionalen Gründe dafür plausibel gemacht wurden, daß die innerbetriebliche Besprechung --wie in den Jahren zuvor-- in einem ausländischen Urlaubsgebiet stattfand. Die betriebliche Veranlassung für einen Teil der Reisekosten ist mangels hinreichender betriebsfunktionaler Gründe von dem Zweck geprägt, den Arbeitnehmern durch die Reise an sich einen (geldwerten) Vorteil zukommen zu lassen, so daß unterschiedliche Komponenten des Aufwands für die Reise nicht voneinander abgegrenzt werden können.
Darüber hinaus hatte dadurch, daß dem Kläger ein Drittel der Aufenthaltsdauer in Kreta zur freien Verfügung stand, die Reise für ihn nicht mehr einen ganz überwiegenden Arbeitscharakter, sondern gewann einen Erholungs- und Erlebniswert, der mit demjenigen einer privaten Urlaubsreise vergleichbar ist. Dieser Vorteil weist ein derartiges Eigengewicht auf, daß er gegenüber dem eigenbetrieblichen Interesse der Arbeitgeberin an der Durchführung der Arbeitstagung nicht in den Hintergrund tritt. Dann aber liegt die Gewährung des Vorteils nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Arbeitgeberin (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1990 VI R 15/86, BFHE 159, 513, BStBl II 1990, 472).
3. Die Übernahme der Reisekosten des Klägers durch die Arbeitgeberin ist nicht steuerbefreit. Nach der hierfür allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 3 Nr.16 EStG sind nur solche Reisekosten steuerfrei, die im Falle der Zahlung durch den Arbeitnehmer selbst bei diesem als Werbungskosten abziehbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 1991 VI R 36/89, BFHE 166, 456, BStBl II 1992, 492). Im Streitfall würde jedoch wegen der oben geschilderten Vermengung von betriebsfunktionalen und Zuwendungszielsetzungen § 12 Nr.1 EStG einem Werbungskostenabzug entgegenstehen.
4. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da sie auf einer anderen Rechtsauffassung beruht. Die Sache ist spruchreif. Da das FA in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid den Wert der Reise zutreffend als Arbeitslohn erfaßt hat, ist die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 65799 |
BFH/NV 1997, 19 |
BStBl II 1997, 97 |
BFHE 181, 76 |
BFHE 1997, 76 |
BB 1996, 2344 (Leitsatz) |
DB 1996, 2264-2265 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1996, 1768-1769 (Kurzwiedergabe) |
DStZ 1997, 379-380 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1997, 91-92 (Leitsatz) |
StE 1996, 716 (Kurzwiedergabe) |