Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Ordnungsmäßigkeit der kaufmännischen Buchführung (Führung des Kassenbuches, Anwendung der Pauschsätze im Sinne des Abschnitts 121 EStR II/1948 und 1949 bei Aufwendungen für Geschäftsreisen).

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 10 Abs. 1 Ziff. 3

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt Auto-Nah- und Fernverkehr. Strittig ist, ob ihm für II/1948 und 1949 die Steuervergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes nach § 10 Abs. I Ziff. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1948 zusteht. Er hat seit 21. Juni 1948 eine Durchschreibebuchführung eingerichtet. Neben dem Hauptjournal werden Nebenbücher über die Rechnungsausgänge und den Kassenverkehr geführt, wobei das Kassenbuch nach Ausgabearten aufgeteilt ist. Die Belege und die Kontenkarten (Sach- und Personenkonten) werden ordnungsmäßig aufbewahrt. Auf Grund einer Betriebsprüfung wurde seine Buchführung in folgenden Punkten beanstandet:

Für 1949 seien die Spesen nicht ordnungsgemäß belegt. Die auf den Betriebsinhaber entfallenden Spesen seien in Pauschbeträgen verbucht, deren Höhe nicht nachweisbar sei.

Die Spesen werden in der Buchführung auf einem Spesenkonto erfaßt. Hierbei sind die Spesen der Fahrer und des Steuerpflichtigen (Stpfl.) zusammengefaßt verbucht worden. Die Unterlagen für diese Verbuchungen ergeben sich vermutlich aus Hilfsbüchern und Belegen. Soweit es sich um die Belege für Spesenaufwendungen der Fahrer handelt, sind diese ordnungsmäßig ausgestellt und von den Empfängern unterschrieben. Soweit es sich um die Ausgaben für den Stpfl. selbst handelt, sind die Belege selbst angefertigt. Der Stpfl. hat für seine eigenen Spesen nicht die tatsächlichen Ausgaben, sondern Pauschsätze im Sinne des Abschn. 121 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) II/1948 und 1949 eingesetzt. Als Pauschsatz wurde je Tag 11 bzw. 15 DM angesetzt.

Die Führung des Kassenbuches sei nicht ordnungsgemäß. In II/1948 seien an drei Tagen und in 1949 an 16 Tagen Kassenfehlbeträge bis zu 2.449,70 DM (Dezember 1949) festgestellt worden. Diese Fehlbeträge (Kassenminusbestände) habe der Bf. durch nicht datumsgetreue Buchungen aufzuklären versucht. Für einzelne Fehlbeträge (Mai 1949) sei angegeben worden, daß Ausgaben durch den Betriebsinhaber bzw. Arbeiter der Firma nach Art eines Vorschusses beglichen worden seien, wobei allerdings zu beanstanden sei, daß die chronologische Folge hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben nicht beachtet worden sei. Eine restlose Aufklärung der Minusbestände habe bei der Betriebsprüfung nicht herbeigeführt werden können.

Nach Darstellung des Stpfl. sind die Minusbeträge dadurch entstanden, daß bei der wöchentlichen Abrechnung der Fahrer die von ihnen im Laufe der Woche geleisteten Ausgaben unter dem tatsächlichen Datum verbucht worden seien, während die von den Fahrern mitgebrachten Einnahmeentgelte erst unter dem Tag der Abrechnung verbucht worden seien. Außerdem soll eine Einnahme an einem späteren Tag als dem Vereinnahmungstag verbucht worden sein.

Die Vorbehörden lehnten die Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes ab. Das Finanzgericht begründete es unter anderem wie folgt: Der Bf. könne sich nicht auf Abschn. 121 EStR berufen. Nach Abs. 3 Ziff. 5 dieser Bestimmung seien die tatsächlichen Ausgaben im einzelnen nachzuweisen, falls die Anwendung der Pauschbeträge offensichtlich zu einer unzutreffenden Besteuerung führen würde. Wenn der Bf. in vier Monaten gegenüber den Pauschbeträgen einen Betrag von 2.250 DM eingespart habe, so sei damit erwiesen, daß die Anwendung der Pauschbeträge zu einer unrichtigen Besteuerung führen würde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, des Obersten Finanzgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs, wie sie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 356/51 U vom 27. März 1952, Bundessteuerblatt (BStBl) III S. 122, im einzelnen dargestellt ist, kann buchführenden Kaufleuten die Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1948 nur dann versagt werden.

wenn die Buchführung sachlich nicht ordnungsmäßig geführt wird, und das Jahresergebnis deshalb geschätzt werden muß, oder

wenn die Buchführung nicht den Charakter der kaufmännischen Buchführung besitzt.

Im vorliegenden Fall wurde der Veranlagung das Ergebnis der Buchführung zugrunde gelegt. Der Unterschied zu dem Ergebnis der Buchführung rührt im wesentlichen daher, daß der Prüfer auf Grund abweichender rechtlicher Beurteilung in der Buchführung ausgewiesene Beträge aktiviert hat, die der Stpfl. über Unkosten verbucht hat. Der Buchprüfer hat nicht geschätzt, sondern die Buchführung seiner Gewinnerrechnung zugrunde gelegt.

Des weiteren ist zu prüfen, ob Mängel der Buchführung vorliegen, die ihr den Charakter der kaufmännischen Buchführung nehmen. Die Vorbehörden sehen Mängel in zweierlei Hinsicht als vorliegend:

Die Kassenbuchführung weise wiederholt Kassenminusbestände auf.

Hinsichtlich der Spesen des Bf. fehlten die notwendigen Belege.

Die kaufmännische Buchführung verlangt, daß die Kasseneingänge und Kassenausgänge laufend mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalles in einem Kassenbuch aufgezeichnet werden, so daß es jederzeit möglich ist, den Sollbestand nach dem Kassenbuch mit dem inventurmäßigen Istbestand der Kasse auf die Richtigkeit nachzuprüfen (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 597/37 vom 24. November 1937, Reichssteuerblatt 1938 S. 355). Ein Kassenbuch, das grundsätzlich auf diese Vergleichsmöglichkeit verzichtet, das also die Geschäftsvorfälle nicht laufend verbucht und deshalb keine Kontrolle ermöglicht, kann nicht mehr als eine kaufmännische Buchführung in diesem Sinne angesehen werden. Es ist denkbar, daß Kassendifferenzen durch Buchungsfehler vorkommen. über derartige Mängel kann hinweggesehen werden, wenn sie das Prinzip der Kassenführung nicht berühren. Wird aber allgemein bei der Buchführung in den Grundbüchern der oben dargestellte Grundsatz verlassen, so kann die Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinns nicht gewährt werden. Es mag im Einzelfall zweifelhaft sein, ob man eine Kassenbuchführung formell betrachtet noch als eine kaufmännische Buchführung ansehen kann. Man wird den Charakter der kaufmännischen Buchführung einer Buchführung dann nicht absprechen können, wenn der Kaufmann die Mängel innerhalb einer angemessenen Frist beseitigen kann und auch tatsächlich beseitigt.

Den Vorbehörden muß darin beigepflichtet werden, daß die Bestimmungen des Abschn. 121 EStR II/1948 und 1949 den Kaufmann nicht davon entbinden, seine Aufwendungen auf Geschäftsreisen ordnungsmäßig im Kassenbuch und gegebenenfalls auf den Konten einer doppelten Buchführung zu verbuchen. Die Richtlinien befreien lediglich davon, einen Einzelnachweis für die Richtigkeit der geltend gemachten Betriebsausgaben durch Belege zu erbringen, wenn die Ausgaben bestimmte Pauschbeträge nicht übersteigen. Es sollen auf diese Weise keine steuerfreien Aufwandsentschädigungen, wie sie bei Zahlungen aus öffentlichen Kassen anerkannt werden, geschaffen werden.

Allein aus dem Umstande heraus, daß ein Steuerpflichtiger Beträge ansetzt, die wesentlich unter den Pauschsätzen liegen, kann eine Verpflichtung zum Einzelnachweis nach Abschn. 121 Abs. 3 Ziff. 5 EStR nicht gefolgert werden. Eine derartige Anforderung wäre mit den Grundsätzen von Treu und Glauben schwer zu vereinbaren. Es müssen Gründe gleicher Art geltend gemacht werden, wie sie als Beispiele in den Richtlinien dargestellt sind. Es mag zutreffen, daß die Buchung hinsichtlich der 2.250 DM zu Bedenken Anlaß geben kann. Man wird aber dem Stpfl. die Möglichkeit geben müssen, den Tatbestand aufzuklären. Der Stpfl. hat dies im Rechtsbeschwerdeverfahren versucht. Inwieweit die Aufklärung ausreichend ist, bedarf der tatsächlichen Würdigung. Erforderlich ist insbesondere auch eine Klärung der Frage, ob die in Abschn. 121 Abs. 2 der Richtlinien geforderten Angaben gemacht werden können.

Die Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407502

BStBl III 1954, 71

BFHE 1954, 414

BFHE 58, 414

BB 1954, 216

DB 1952, 963

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