Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird ein zum Betriebsvermögen gehörender Personenkraftwagen auch zu Privatfahrten benutzt, so hat eine Aufteilung der Gesamtaufwendungen - einschließlich der sogenannten festen Kosten - nach dem Verhältnis der betrieblichen oder beruflichen und privaten Nutzung stattzufinden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, §§ 5, 6/4, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der als Augenarzt tätige Steuerpflichtige (Stpfl.) benutzte im Steuerabschnitt 1950 einen am 1. November 1950 angeschafften, als berufsnotwendig anerkannten Personenkraftwagen, den er auch privat in Anspruch nahm. Insgesamt wurden mit ihm im Jahre 1950 1562 km gefahren, von denen das Finanzgericht 671 km = 43 % als auf Privatfahrten entfallend angesehen hat; die vom Finanzamt beantragte Hinzurechnung von weiteren 128 km hat es abgelehnt. Es handelt sich hierbei um vom Stpfl. als "allgemein dienstlich" bezeichnete Fahrten von insgesamt 257 km, die nach der Auffassung des Finanzamts zur Hälfte als privat behandelt werden müßten.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts wendet sich außer hiergegen ferner gegen den vom Finanzgericht zugelassenen Abzug der sogenannten festen Kosten im Betrage von 656 DM (Haftpflichtversicherung, Kraftfahrzeugsteuer und Schonbezüge) in voller Höhe.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung des Rechtsmittels ergibt folgendes:
Bei den streitigen 257 km handelt es sich nach Angabe des Stpfl. um Fahrten zur Durchsicht des Wagens, zum Lackierer, zum Buchbinder zum Einbinden von Fachliteratur, zum Vortrag nach A. und zum Abholen eines Benzinscheins. Die Fahrten zum Buchbinder und zum Vortrag nach A. mit zusammen 87 km haben zweifelsfrei ausschließlich beruflichen Charakter; die Aufwendungen hierfür sind daher Betriebsausgaben. Daß bei den übrigen Fahrten persönliche Angelegenheiten erledigt worden sind, steht zwar nicht fest, es ist aber dem Finanzamt zuzugeben, daß sie sowohl im betrieblichen wie privaten Interesse gelegen haben. Um bei der Aufteilung der, wie nachstehend ausgeführt wird, zugrunde zu legenden Gesamtaufwendungen der privaten Benutzung Rechnung zu tragen, ist bei der Berechnung des Anteilsverhältnisses die Zahl dieser Kilometer (257 - 87) = 170 km aus der Gesamtzahl der gefahrenen Kilometer auszuscheiden. Die verbleibenden 1392 km (1562 - 170) sind nach beruflicher und privater Inanspruchnahme aufzuteilen. Bei 721 beruflich gefahrenen Kilometern ergibt sich ein Anteilsverhältnis von rund 52 % beruflicher und 48 % privater Benutzung; in diesem Verhältnis sind die Gesamtaufwendungen aufzuteilen; damit finden auch die beiden Zwecken dienenden Fahrten eine entsprechende aufwandsmäßige Berücksichtigung.
Wenn das Finanzgericht die sogenannten festen Kosten voll als Betriebsausgaben behandelt, so kann dem nicht gefolgt werden. Es beruft sich auf die nicht näher bezeichnete Rechtsprechung, nach der bei der Haltung eines Kraftfahrzeugs, das sowohl beruflichen wie privaten Zwecken dient, in jedem Fall die sogenannten festen Kosten in vollem Umfange Betriebskosten darstellen. Mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung ist offenbar das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf I 114/51 E vom 13. Februar 1952 (Der Betrieb 1952 S. 220) gemeint, das der Senat durch die nichtveröffentlichte Entscheidung IV 245/52 vom 23. Oktober 1952 (Der Betrieb 1952 S. 982) bestätigt hat. In dem Urteil vom 13. Februar 1952 ist das Finanzgericht von dem Grundsatz ausgegangen, daß die Aufwendungen, die bereits im vollen Umfange durch die betriebliche oder berufliche Benutzung des Kraftfahrzeugs hervorgerufen sind, durch die private Inanspruchnahme keine Mehrkosten für den Betrieb darstellen; das gelte für die Kosten der Garage, der Kraftfahrzeugsteuern und der Versicherungsgebühren. Die Ausgaben hierfür erhöhten sich durch die private Nutzung nicht. Mehraufwendungen entstünden nur durch den Brennstoffverbrauch, die Absetzung für Abnutzung, Reparaturen und dergleichen. Der Senat hat in dem bezeichneten Urteil IV 245/52 zu dieser Frage nicht ausdrücklich Stellung genommen, vielmehr wegen der geringen privaten Benutzung nur die beweglichen Kosten als Entnahmen angesehen. Wenn hieraus geschlossen worden ist (so Blattei-Kommentar, Einkommensteuerrecht von Hartmann - Böttcher, Einkommensteuer D 14 II B 7a, II. Sammelnachtrag), der Bundesfinanzhof habe die Auffassung des Finanzgerichts im Grundsatz gebilligt, so trifft das nicht zu. Die Prüfung der Rb. führt in diesem Punkte vielmehr zu dem Ergebnis, daß bei Benutzung eines dem Betriebsvermögen zuzurechnenden Kraftfahrzeugs sowohl zu betrieblichen oder beruflichen wie privaten Zwecken die Gesamtaufwendungen nach dem für den Einzelfall festzustellenden Anteilsverhältnis aufzuteilen sind, und zwar in Abweichung von der Entscheidung IV 245/52 und der entsprechenden Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs auch in den Fällen, in denen die private Benutzung nur gelegentlich und in geringem Umfange stattfindet. In der Auffassung des Finanzgerichts, daß bezüglich der Aufwendungen, die infolge der betrieblichen Nutzungen in jedem Fall entstehen, insoweit in der privaten Inanspruchnahme keine Entnahme zu erblicken sei, liegt eine Verkennung dieses Begriffs. Unter Entnahme ist die Wertabgabe aus dem Betrieb zu betriebsfremden Zwecken zu verstehen. Alles, was aus dem Betriebsvermögen in die außerbetriebliche Sphäre entführt wird, stellt eine Entnahme dar. Dazu gehören nicht nur das Herausnehmen von Geld, Waren und Erzeugnissen, sondern auch die Nutzung betrieblicher Gegenstände und Einrichtungen, sowie die Inanspruchnahme betrieblicher Leistungen. Die außerbetriebliche Verwendung und Verwertung aller Wirtschaftsgüter, die, wenn sie veräußert oder Dritten gegen Entgelt gewährt oder in anderer Weise für den Betrieb verwendet worden wären, die Betriebseinnahmen erhöhen, oder die Betriebsausgaben vermindern, sind Entnahmen. Es kommt nicht darauf an, ob Wirtschaftsgüter für betriebliche Zwecke auch ohne private Benutzung und Nutzung den gleichen Aufwand verursachen würden, sondern allein darauf, ob und in welcher Höhe durch die nicht betriebliche Inanspruchnahme der Betrieb Werte abgibt. Es muß hier von betriebswirtschaftlichen Erwägungen ausgegangen werden. Ein Unternehmer wird grundsätzlich keine betrieblichen Leistungen unter den Selbstkosten abgeben. Darauf beruht auch die Bewertung der Entnahme mit dem Teilwert nach § 6 Ziff. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG), d. h. regelmäßig mit den Wiederbeschaffungskosten. Wollte man nur die bei außerbetrieblicher Verwendung entstehenden Mehrkosten berücksichtigen, so bräuchte z. B. der Bäcker für die entnommenen Backwaren nur den Wert des verwendeten Mehls und der Zutaten als Eigenverbrauch zu versteuern, da die für die Bäckereinrichtung, das Personal usw. entstehenden Aufwendungen in jedem Fall zu leisten sind. Das gleiche würde auch bei der Entnahme von gekauften Waren usw. gelten müssen. Der Betrieb gibt aber in diesen Fällen nicht nur den reinen Substanzwert des Erzeugnisses oder der Ware ab, sondern auch den auf dieses Erzeugnis usw. entfallenden Anteil des in dem Betriebe investierten Kapitals, der sonst für die Erzeugung oder für den Handel notwendigen Einrichtungen, der Personalkosten usw. Eine betriebswirtschaftliche Behandlung erfordert eine ordnungsmäßige Scheidung der betrieblichen und privaten Kosten; sie verlangt weiter, daß die Entnahmen mit den vollen Selbstkosten vergütet werden. Dieses Ergebnis deckt sich mit der vom EStG geforderten Entnahme mit den Wiederbeschaffungskosten. Es ist keine Grund ersichtlich, bei der Bewertung der Entnahme durch private Benutzung eines Kraftwagens von anderen Gesichtspunkten auszugehen. Bei der vom Finanzgericht vertretenen Auffassung würde z. B. die Verwendung eines im Geschäftsbetrieb angestellten Arbeiters für die Instandhaltung des Privatgartens des Stpfl. keine Entnahme darstellen, weil der Lohn dieses Arbeiters in jedem Falle bei dem Betrieb entstehen würde. Dieser Beurteilung kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Inanspruchnahme eines betrieblich erforderlichen Personenkraftwagens für private Zwecke ist eine Entnahme, sie ist nicht nur einer solchen gleichzusetzen (siehe Urteil des Reichsfinanzhofs IV 41/39 vom 26. April 1939, Steuer und Wirtschaft 1939 Nr. 317 und Spalte 1040, Mrozek-Kartei, EinkStG 1938/39 § 5 Rechtsspruch 65). Es müssen daher mindestens die Selbstkosten zugrundegelegt werden. Hierzu rechnen aber nicht nur die Ausgaben für Benzin und öl usw., sondern auch die sogenannten festen Kosten, wie Garagenmiete, Versicherungsgebühren, Kraftfahrzeugsteuer usw.
Bei der Aufteilung der Kosten auf Privat und Betrieb ist daher von den Gesamtaufwendungen auszugehen. Diese Regelung entspricht auch der - allerdings nicht immer einheitlichen - Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, wie er sie jedenfalls zuletzt zum Ausdruck gebracht hat. Während den Urteilen VI A 69/26 vom 3. März 1926 - Steuer und Wirtschaft 1926 Nr. 366, Mrozek-Kartei, EinkStG 1925 § 28 Rechtsspruch 5 -, VI A 106/35 vom 26. September 1935 - Reichssteuerblatt (RStBl.) 1936 S. 61, Mrozek-Kartei, EinkStG 1934 § 41 Abs. 1 Ziff. 1 Rechtsspruch 1 -, VI 516/38 vom 24. August 1938 - RStBl. 1938 S. 988, Slg. Bd. 44 S. 349, Mrozek-Kartei, EinkStG 1938 § 6 Ziff. 1 Satz 4 Rechtsspruch 2 - und IV 62/42 vom 13. August 1942 - RStBl. 1942 S. 923, Grundwerk zur Steuerrechtsprechung in Karteiform II 73 - eine eindeutige Stellungnahme nicht entnommen werden kann, hat der Reichsfinanzhof in den Entscheidungen IV 121/37 vom 11. November 1937 - Slg. Bd. 42 S. 247, RStBl. 1938 S. 84, Mrozek-Kartei, EinkStG 1934 § 18 Abs. 1 Ziff. 1 Rechtsspruch 28 - und IV 207/38 vom 3. November 1938 - RStBl. 1939 S. 155, Mrozek-Kartei, EinkStG 1938 § 9 Abs. 1 und 2 Rechtsspruch 9 - die Berücksichtigung der sogenannten festen Kosten - ohne nähere Begründung - nicht für erforderlich gehalten. In den Erkenntnissen IV A 78/37 vom 14. Oktober 1937 - RStBl. 1937 S. 1243, Mrozek-Kartei, EinkStG 1934 § 18 Abs. 1 Ziff 1 Rechtsspruch 26 -, IV 129/38 vom 24. Oktober 1938 - RStBl. 1939 S. 193, Grundwerk zur Steuerrechtsprechung in Karteiform II 33 - und vor allem in IV 41/39 vom 26. April 1939 - Steuer und Wirtschaft 1939 Nr. 317, Mrozek-Kartei, EinkStG 1938/39 § 5 Rechtsspruch 65 - ist ausgesprochen, daß bei betrieblicher und privater Benutzung von den Gesamtaufwendungen auszugehen ist; in dem letztgenannten Urteil ist ferner auch darauf hingewiesen, daß regelmäßig die Selbstkosten maßgebend sind (siehe hierzu Becker in Steuer und Wirtschaft 1939 Spalte 1040). Diese Aufteilung der Gesamtaufwendungen muß ohne Rücksicht darauf vorgenommen werden, ob die private Inanspruchnahme mit einer gewissen Regelmäßigkeit geschieht oder nicht (so Blümich-Falk, EStG. 6. Auflage. Anm. 24 zu § 4 S. 103), und ohne Rücksicht auf den Umfang der Nutzung. Die wohl aus praktischen Gründen vom Reichsfinanzhof in den Fällen zugelassene Außerachtlassung der sogenannten festen Kosten, in denen bei einer ganz gelegentlichen privaten Benutzung die hierfür in Betracht kommenden Kosten auf die Betriebsausgaben keinen nennenswerten Einfluß haben, hat zu Zweifeln und Streitfällen nach der Richtung hin Anlaß gegeben, wann eine solche gelegentliche Benutzung geringen Ausmaßes vorliegt. Der Bundesfinanzhof hat in dem Urteil IV 245/52 die Grenze bei 10 % gezogen, dem Niedersächsischen Finanzgericht ist das zu weitgehend, das Finanzgericht Karlsruhe sieht sie bei 20 % (Der Betriebs-Berater 1953 S. 440), in der Beilage zu Nr. 45 "Der Betrieb" vom 7. November 1951 werden 15 % angegeben, das Finanzgericht Düsseldorf will nach dem Urteil I 114/51 nur dann eine geringere Benutzung als gegeben ansehen, wenn die auf die private Benutzung entfallenden Beträge auf die Steuer ohne Einfluß sind. Im Interesse einer einheitlichen einfachen und klaren Handhabung und angesichts der dem Bundesfinanzhof grundsätzlich nur obliegenden rechtlichen Beurteilung hält der Senat es für besser, überhaupt keine Ausnahmen zuzulassen; es sind stets die Gesamtaufwendungen zugrunde zu legen, die nach der anteiligen privaten und betrieblichen Benutzung aufzuteilen sind. Dieser Regelung wird auch vom Schrifttum zugestimmt (Finanz-Rundschau 1951 S. 366, Neue Wirtschafts-Briefe Fach 3 S. 927; Information 1950 S. 337 a. A., Der Betrieb 1952 S. 220, 319), auch die süddeutschen Finanzverwaltungen und einige Finanzgerichte (Niedersachsen, München, Nürnberg) sehen hierin die zutreffende Lösung der Streitfrage (Deutsche Steuerzeitung A 1953 S. 80, 185, Deutsche Steuerzeitung B 1953 S. 337).
Hiernach waren die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Gesamtaufwendungen einschließlich Absetzung für Abnutzung betragen 849 + 184 = 1.033 DM; der private Anteil von 48 % = rund 496 DM muß dem Gewinn hinzugerechnet werden. Da bei der Veranlagung 414 DM bereits berücksichtigt sind, war das bisher versteuerte Einkommen von 20.478 DM um 82 DM auf 20.560 DM zu erhöhen. Der Steuerbescheid vom 20. April 1951 war daher entsprechend zu berichtigen und die Einkommensteuer (Steuerklasse I) 1950 endgültig - ohne Berücksichtigung der Steuerabzugsbeträge - auf 7.465 DM festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 407774 |
BStBl III 1953, 337 |
BFHE 1954, 120 |
BFHE 58, 120 |
BB 1953, 966 |
DB 1953, 1006 |