Leitsatz (amtlich)
1. Die Umdeutung der in die äußere Form eines Arbeitsverhältnisses gekleideten geschäftlichen Beziehungen zweier Steuerpflichtiger in ein Gesellschaftsverhältnis ist nicht nur unter Anwendung des § 6 StAnpG zulässig. Sie kann auch durch die wirtschaftliche Betrachtungsweise nach Maßgabe des § 1 Abs. 2, 3 StAnpG geboten sein.
2. Für die Frage, ob eine Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Nr. 2 EStG anzunehmen ist, ist das Vorhandensein eines Unternehmerrisikos bedeutsam. Beteiligungen am Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens im Fall der Liquidation hingegen sind keine unabdingbaren Voraussetzungen. Es kommt auf die Gesamtumstände und auf das Gesamtbild der wirtschaftlichen Beziehungen der Beteiligten untereinander an.
Normenkette
StAnpG §§ 1, 6; EStG § 15 Nr. 2, § 19
Tatbestand
Streitig ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung 1961, ob zwischen der Steuerpflichtigen und der Beteiligten X für das Streitjahr ein Arbeitsverhältnis oder ein Gesellschaftsverhältnis bestand.
Die Steuerpflichtige erwarb durch Kaufvertrag vom 27. Januar 1960 die im Handelsregister eingetragene Firma Y. Der Kaufpreis betrug 25 000 DM.
Bei Übernahme des Unternehmens am 1. April 1960 schloß sie zwei Verträge mit X ab. In der einen mit "Anstellungsvertrag" überschriebenen Vereinbarung wurde wörtlich bestimmt: "X hat Anspruch auf ein monatlich nachträglich auszuzahlendes Gehalt von mindestens 500 DM. Ihre Bezüge erhöhen sich auf insgesamt 50 % des durch die Bilanz der Firma am Ende des Wirtschaftsjahres zu errechnenden Gewinns." Der Vertrag wurde auf zehn Jahre geschlossen. Er verlängert sich bei Ausbleiben einer Kündigung um jeweils weitere fünf Jahre.
In einem weiteren Vertrag "zur Sicherung der gegenseitigen, aus dem kommenden Vertragsverhältnis folgenden Rechte und Pflichten" verpflichteten sich die Steuerpflichtige und X gegenseitig, ihre gesamte Arbeitskraft in den Dienst und zum Wohl der vorgenannten Firma zu stellen und sich jeder Nebenbeschäftigung zu enthalten (§ 1). In den §§ 2 bis 5 des Vertrages vereinbarten sie, daß die Vertragspartner zu einer großen Anzahl von betrieblichen und privaten Rechtsgeschäften sich gegenseitig ihre Zustimmung erteilen müßten. In § 6 des Vertrages wird festgelegt, daß die Steuerpflichtige in der Firma ein Kapital von 12 500 DM habe, während X den gleichen Betrag als Darlehen zur Verfügung zu stellen habe. Eine Sicherung des Darlehens wurde ausgeschlossen, es war für die Dauer des Vertragsverhältnisses der X unkündbar. § 8 des Vertrages bestimmt sodann die Rechte der X für den Fall, daß das Vertragsverhältnis zur Steuerpflichtigen endet. Hiernach hat X im wesentlichen Anspruch auf Auszahlung ihres Darlehens einschließlich der bis zum Tage des Ausscheidens aus dem vorgenannten Angestelltenvertrag zu errechnenden Mehrbezüge. Die Ansprüche sind in einer zum Ausscheidungstag durch den von der Firma beschäftigten Steuerberater aufzustellenden Bilanz auszuweisen. Hierbei bleibt der Ansatz eines Firmenwerts, des Werts der Kundschaft oder dergleichen, die Auflösung etwa vorhandener stiller Reserven im Anlage- oder Umlaufvermögen der Firma unberücksichtigt. Liquidator der Firma ist nach § 12 die Steuerpflichtige, bei deren nicht mehr Vorhandensein X. Nach § 13 des Vertrages werden Darlehen, von denen im Vertrag die Rede ist, jeweils zu Lasten des Erfolgs der Firma mit 1 % über Bundesbankwechseldiskont verzinst; hierbei gilt auch das Kapitalkonto der Steuerpflichtigen als Darlehen.
Unter Berücksichtigung dieser Vereinbarungen lehnte das FA für das Jahr 1961 ein Arbeitsverhältnis zwischen der Steuerpflichtigen und X ab, nahm vielmehr ein Gesellschaftsverhältnis an, bei dem die Beteiligten als Mitunternehmer anzusehen seien.
Mit ihrer Sprungberufung hatte die Steuerpflichtige im Streitpunkt keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision der Steuerpflichtigen ist unbegründet.
1. Zutreffend würdigte das FG die beiden hier in Betracht kommenden Verträge nicht allein danach, daß der eine Vertrag als Anstellungsvertrag überschrieben war und X hiernach in erster Linie ein festes Gehalt bekommen sollte, sondern aufgrund des Gesamtbildes nach der wirtschaftlichen Tragweite der vertraglichen Beziehungen der Beteiligten untereinander vor allem im Innenverhältnis. Die Auffassung der Steuerpflichtigen, die Vorinstanz habe von der Annahme, es liege ein Arbeitsverhältnis vor, nur unter dem Gesichtspunkt des § 6 StAnpG abweichen dürfen, sie habe das Vorliegen der Merkmale dieser Vorschrift aber nicht dargetan, geht fehl. Die Auslegung der Vertragsbeziehungen der Beteiligten untereinander durch die Vorinstanz beruht auf der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Sinne des § 1 Abs. 2, 3 StAnpG. Gerade für die Abgrenzung zwischen Arbeitsverhältnissen und Gesellschaftsverhältnissen, sei es eine stille Gesellschaft oder eine Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Nr. 2 EStG, stellte die Rechtsprechung des BFH stets darauf ab, ob sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles aufgrund des Gesamtbildes auch wirtschaftlich die Annahme lediglich eines Arbeitsverhältnisses oder aber eines Gesellschaftsverhältnisses rechtfertigen lasse, vgl. insbesondere Urteile des BFH I 139/54 S vom 22. November 1955 (BFH 62, 9, BStBl III 1956, 4), IV 108/63 U vom 5. Juni 1964 (BFH 81, 143, BStBl III 1965, 51), IV 30/63 U vom 8. Juli 1965 (BFH 83, 158, BStBl III 1965, 558), IV 138/65 U vom 5. August 1965 (BFH 83, 163, BStBl III 1965, 560).
2. Die Vorinstanz ist allerdings von einem zu engen und schematischen Begriff der Mitunternehmerschaft ausgegangen. Richtig ist, daß für den Regelfall Voraussetzung einer Mitunternehmerschaft die Beteiligung am Gewinn und Verlust, an den Anlagewerten und an den stillen Reserven des Betriebsvermögens ist. Nicht richtig aber ist, daß eine Beteiligung nur am Gewinn unter Ausschluß der Verlustbeteiligung für die Annahme einer Mitunternehmerschaft stets nicht ausreiche. Selbst eine Beteiligung an den Anlagewerten des Betriebsvermögens sowie am Geschäftswert braucht nicht unter allen Umständen gegeben zu sein. Vgl. hierzu BFH-Urteil I 139/54 S, wonach insbesondere auch das Fehlen einer Verlustbeteiligung die Mitunternehmerschaft nicht schlechthin ausschließt, wenn es auch nach dem Urteil des BFH IV 574/63 U vom 9. September 1954 (BFH 59, 275, BStBl III 1954, 317) namentlich bei Familiengesellschaften ein sehr starkes Indiz gegen das Bestehen einer Mitunternehmerschaft darstellt. Nach dem BFH-Urteil I 84/55 U vom 14. Februar 1956 (BFH 62, 277, BStBl III 1956, 103) bedarf es zur Annahme einer Mitunternehmerschaft auch nicht der Beteiligung am Firmenwert. Das BFH-Urteil I 88/53 U vom 12. Januar 1954 (BFH 58, 496, BStBl III 1954, 101) spricht aus, auch ohne Beteiligung an den stillen Reserven im Falle der Liquidation könne eine Mitunternehmerschaft anerkannt werden. Dies ist auch schon deshalb richtig, weil sowohl bürgerlich-rechtlich als auch einkommensteuerrechtlich die Mitunternehmerschaft nicht voraussetzt, daß das dem Betrieb dienende Vermögen im Gesamthandsvermögen der Gesellschaft steht. Hier kann eine Beteiligung auch der Nichteigentümergesellschafter an den stillen Reserven und am Geschäftswert vereinbart werden, dies braucht aber nicht der Fall zu sein. Entscheidend ist allein, ob nach dem Gesamtbild ein Unternehmerrisiko besteht. Ein solches Unternehmerrisiko kann bereits dann bejaht werden, wenn der Steuerpflichtige typische unternehmerische Entscheidungen zu treffen, Entscheidungen der anderen Unternehmer durch Verweigerung der ihm vertraglich eingeräumten Zustimmung zu verhindern berechtigt ist, wobei Erfolg oder Mißerfolg ihn selbst entscheidend wirtschaftlich berühren. So wurde z. B. im Urteil I 139/54 S als Unternehmerrisiko auch angesehen, daß mit dem Gedeih und Verderb des Betriebs die Altersversorgung der Beteiligten stehe und falle.
Bei Zugrundelegung dieser rechtlichen Gesichtspunkte kann es der Senat dahingestellt sein lassen, ob die Auslegung einzelner Vertragsbestimmungen, insbesondere hinsichtlich der Frage der Beteiligung an den Anlagewerten im Falle der Liquidation des Betriebs der Steuerpflichtigen durch die Vorinstanz jeweils zutreffend ist. Denn auch wenn man der Steuerpflichtigen darin folgen würde, daß im Falle der Liquidation X nicht an den Anlagewerten und am Firmenwert des von der Steuerpflichtigen eingebrachten Geschäftes beteiligt sei, so braucht dies nach dem Dargelegten die Bejahung einer Mitunternehmerschaft nicht auszuschließen. Im übrigen ist offensichtlich auch die Vorinstanz davon ausgegangen, daß die beiden zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Verträge als eine Einheit und die Frage, wie die vertraglichen Beziehungen zwischen ihnen aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu beurteilen sind, nach dem Gesamtbild zu würdigen sind. Hiernach aber muß eine selbständige Unternehmerstellung der X schon deshalb bejaht werden, weil sie hinsichtlich der laufenden Unternehmensführung ganz offensichtlich jedenfalls im Innenverhältnis der Beteiligten untereinander die gleiche Stellung haben sollte, wie sie die Steuerpflichtige als Eigentümerin des Betriebsvermögens und selbständige Gewerbetreibende hatte. Das gesamte Vertragswerk des zweiten Vertrages ist auf eine deutliche Gleichstellung der beiden Beteiligten, die sich darin verschiedentlich auch ausdrücklich als Partner bezeichnen (vgl. z. B. §§ 2, 3, 4 des Vertrages), angelegt. Die große Einflußmöglichkeit von X, ihrerseits typische unternehmerische Entscheidungen zu treffen, andererseits solche unternehmerische Entscheidungen der Steuerpflichtigen zu verhindern, ergibt sich insbesondere aus § 2 des Vertrages über die Regelung der vorherigen ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Zustimmung des Partners für zahlreiche Angelegenheiten, die üblicherweise dem Unternehmer vorbehalten sind. Hierdurch hat X zweifellos einen erheblichen unternehmerischen Einfluß, der sich bei der hohen Gewinnbeteiligung, die ihr nach dem sogenannten Anstellungsvertrag zusteht, als Basis eines echten Unternehmerrisikos darstellt. Auch das in § 4 des Vertrages vereinbarte Wettbewerbsverbot für beide Beteiligte beinhaltet auch für X ein Unternehmerrisiko. Die Gleichstellung der beiden Beteiligten ergibt sich auch aus § 5 des Vertrages, wonach die Steuerpflichtige sich ihrer angeblichen Angestellten gegenüber verpflichtet, keine größeren Entnahmen und diese zu keinen anderen Zeitpunkten zu machen, als Bezüge tatsächlich an X ausbezahlt werden. Völlig ungewöhnlich für ein reines Angestelltenverhältnis ist sodann die volle persönliche Haftung der X mit ihrem gesamten Vermögen im Fall des Konkurses oder des Vergleichs über das Vermögen der Firma und der Steuerpflichtigen. Daß demgegenüber das Anstellungsverhältnis der beiden Beteiligten nur auf dem Papier stand, folgerte die Vorinstanz zu Recht auch aus der eigenen Einlassung der Steuerpflichtigen, wonach die Form des Anstellungsverhältnisses nur nach außen hin gewählt wurde, um der X einen Sozialversicherungsanspruch als Altersversorgung zu verschaffen. Hinzu kommt, daß das umfangreiche Gesamtvertragswerk, das sehr ins einzelne gehend die Gleichstellung der beiden Vertragschließenden regelt - in diesem Zusammenhang sei auch auf die, wenn auch in der äußeren Form einer Darlehnshingabe erfolgte Kapitalzuführung durch X und die hierzu ergangene mögliche Würdigung durch die Vorinstanz hingewiesen -, keinerlei nähere Bestimmungen zu Fragen enthält, die sonst in einem Arbeitsvertrag geregelt sind, wie insbesondere die Frage der Beurlaubung, der Einhaltung einer bestimmten Arbeitszeit und ggf. die Behandlung des Arbeitnehmers im Krankheitsfall.
Fundstellen
Haufe-Index 68932 |
BStBl II 1970, 320 |
BFHE 1970, 21 |