Leitsatz (amtlich)
Der Wohnwagen eines Schaustellerunternehmers kann zum Betriebsvermögen gehören.
Normenkette
EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 12 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Wohnwagen eines Schaustellerunternehmers dem Betriebsvermögen oder dem notwendigen Privatvermögen zuzurechnen ist.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein Schaustellerunternehmen mit Autoscootern. Er befindet sich jeweils von März bis November eines jeden Jahres auf Schaustellerreise. Im August 1966 erwarb er einen Wohnwagen zum Preise von 76 540,25 DM, den er auf seinen Reisen mitführte. Der Wohnwagen ist in einen Aufenthaltsraum und ein Schlafabteil unterteilt. Er dient dem Kläger und seiner Ehefrau als Wohngelegenheit während der Schaustellerreisen, aber auch als Raum für geschäftliche Besprechungen und sonstige mit dem Betrieb zusammenhängende Verrichtungen (wie Schreibarbeiten, Kassenangelegenheiten, Lohnzahlungen usw.) Das Essen wird im Küchenwagen oder auf der anzuhängenden Veranda des Wohnwagens eingenommen. Der Kläger unterhält in M. eine feste Wohnung, zu der er nach Beendigung seiner Schaustellerreisen sowie im Falle der Unterbrechung von Tourneen zurückkehrt.
Der Kläger, der seinen Gewinn nach § 5 EStG ermittelt, behandelte den Wohnwagen als Betriebsvermögen und nahm für die Streitjahre (1967 bis 1969) Absetzungen für Abnutzung in Höhe von 20 v. H. des jeweiligen Buchwerts in Anspruch. Eine im Jahre 1971 durchgeführte Betriebsprüfung führte zur Berichtigung der Veranlagungen (für die Streitjahre 1967 und 1968 gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO, für das Streitjahr 1969 gemäß § 225 AO). Dabei nahm der Beklagte und Revisionskläger (FA) hinsichtlich des Wohnwagens notwendiges Privatvermögen des Klägers an. Die wegen der Steuerbescheide vom 4. Juli 1972 gemäß § 45 FGO unmittelbar zum FG erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus:
Der Kläger sei angesichts seiner Pflicht zur Gewinnermittlung nach § 5 EStG berechtigt, bei Anschaffung aus betrieblichem Anlaß auch solche Wirtschaftsgüter als Betriebsvermögen zu behandeln, die zwar nicht schon nach ihrer Wesensart dem Betrieb zugehörten, die aber in einer objektiven Beziehung zum Betrieb stünden und nicht ihrer Zweckbestimmung nach ungeeignet seien, dem Betrieb zu dienen (Urteil des BFH vom 10. Dezember 1964 IV 167/64 U, BFHE 82, 356, BStBl III 1965, 377). Der Kläger habe glaubhaft dargelegt, daß er - was auch im Hinblick auf die Art seiner gewerblichen Tätigkeit allgemein bekannt sei - während der meisten Zeit des Jahres auf Schaustellerreise sei und den Wohnwagen aus betrieblichem Anlaß erworben habe. Zur Befriedigung seines privaten Wohnbedarfs stehe ihm seine Wohnung in M zur Verfügung, so daß er auf den Wohnwagen nicht angewiesen sei, wenn nicht aus betrieblichen Gründen. Daß der Wagen auch privaten Wohnzwecken diene, sei nicht festzustellen und auch vom FA nicht behauptet worden. Die Ausführungen im BFH-Urteil vom 17. Mai 1968 VI R 196/67 (BFHE 92, 380, BStBl II 1968, 566) über die auch private Verwendbarkeit des Wohnwagenanhängers eines Handelsvertreters, die im Zweifel seine Zurechnung zum notwendigen Privatvermögen begründe, kämen hier nicht zum Zuge. Das FG folge dem Kläger darin, daß bei der Art seines Unternehmens eine ordnungsmäßige Betriebsführung nur gegeben sei, wenn er selbst persönlich intensiv am Betriebsgeschehen teilnehme, sei es vor, während oder nach den offiziellen Geschäftszeiten. Darüber hinaus müsse dem Schaustellerunternehmer auf seinen Reisen auch die Möglichkeit gegeben sein, geschäftliche Besprechungen oder Schreibarbeiten zu erledigen; hierzu diene ihm mangels anderer Gelegenheiten der mitgeführte Wohnwagen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Zur Begründung trägt es vor:
Die Grenzen für die Zurechnung eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen seien zwar weit zu ziehen. Sie lägen aber doch etwa dort, wo eine Verbindung des in Rede stehenden Wirtschaftsguts mit dem Betrieb des Steuerpflichtigen nurmehr lose oder gar nicht mehr gegeben sei. Danach sei auch im Streitfalle die vom Kläger dargelegte betriebliche Nutzung des Wohnwagens nicht so wesentlich, daß sie eine Bilanzierung des Wagens rechtfertigen könne. Der Wohnwagen diene mit seiner Einrichtung in erster Linie der Lebensführung und damit den privaten Bedürfnissen des Klägers. Er solle vor allem dem Wohnen dienen und stelle während der Reisetätigkeit des Klägers dessen Zweitwohnung dar. Daß er daneben auch zu einem geringen Teil betrieblichen Zwecken diene, sei nicht entscheidend. Die Ausführungen des FG vermöchten gegenüber denen im BFH-Urteil VI R 196/67 nicht zu überzeugen.
Der Kläger hat keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FA hat hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen des FG keine begründeten Revisionsrügen vorgebracht (§ 118 Abs. 2 FGO). Es hält allein die vom FG aus diesen Feststellungen gezogenen Schlußfolgerungen für unvereinbar mit dem Gesetz, insbesondere den Vorschriften der §§ 5 und 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Der erkennende Senat kann ihm darin indes nicht beipflichten.
a) Das FA bestreitet dem Kläger grundsätzlich nicht das Recht, gewillkürtes Betriebsvermögen zu bilden (vgl. BFH-Urteil vom 3. November 1972 I R 208/70, BFHE 107, 498, BStBl II 1973, 194). Voraussetzung der Bildung gewillkürten Betriebsvermögen ist, daß das dem Betriebsvermögen zugewiesene Wirtschaftsgut in einem gewissen - objektiven - Zusammenhang mit dem Betrieb steht und diesem zu dienen bestimmt und geeignet ist, was nur nach den Umständen jedes einzelnen Falles beurteilt werden kann (BFH-Urteil vom 14. November 1972 VIII R 100/69, BFHE 108, 304, BStBl II 1973, 289). Dabei dürfen jedoch an das Bestehen dieses objektiven Zusammenhangs keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden (BFH-Urteil vom 28. April 1970 VI R 183/67, BFHE 99, 196, BStBl II 1970, 621).
b) Von diesen Grundsätzen ist das FG ausgegangen. Es ist dem Kläger in seiner Auffassung gefolgt, daß es nicht im Interesse einer ordnungsmäßigen Betriebsführung läge und einem reibungslosen Betriebsablauf abträglich wäre, wenn er sich während seiner Schaustellerreisen abseits vom Platz der Veranstaltung z. B. in einem Hotel einmietete. Gründe der Betriebssicherheit und der Organisation erforderten die ständige Anwesenheit des Klägers und die ständige Überwachung des Betriebsgeschehens durch ihn auch außerhalb der offiziellen Geschäftszeiten, in denen die Anlagen des Klägers von den Besuchern der Veranstaltungen benutzt werden.
Wenn das FG aus diesen Gründen zu der Überzeugung gelangt ist, daß die Anschaffung des Wohnwagens durch den Kläger betrieblich bedingt und seine Aufnahme in die Bilanz als gewillkürtes Betriebsvermögen vertretbar sei, so ist das nicht zu beanstanden. Der Senat läßt es offen, ob im gegebenen Falle nicht sogar notwendiges Betriebsvermögen anzunehmen ist. Nicht immer ist - wie der Streitfall zeigt - das Wohnen eine Sache der privaten Lebensführung; es kann auch überwiegend betriebsbedingt sein.
Fundstellen
Haufe-Index 71212 |
BStBl II 1975, 172 |
BFHE 1975, 202 |