Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblicher Wertpapierhandel
Leitsatz (NV)
1. Die von der Rechtsprechung für den gewerblichen Grundstückshandel entwickelten Grundsätze zum Merkmal der Nachhaltigkeit gelten auch für die Abgrenzung des gewerblichen Wertpapierhandels.
2. Die Grenze privater Vermögensverwaltung wird beim Wertpapierhandel jedenfalls dann überschritten, wenn jemand bei den Wertpapiergeschäften kein eigenes Vermögen einsetzt, sondern durch Inanspruchnahme von Krediten lediglich Kursdifferenzen aus An- und Verkaufspreisen realisiert und dabei berufliche Kenntnisse als Bankangestellter ausnutzt. Mit einem solchen Wertpapierhandel sind (unter Umständen) steuerfreie Devisentermingeschäfte, bei denen sowohl der Ankauf als auch der Verkauf der Devisen gegenüber demselben Vertragspartner (derselben Bank) betrieben werden, nicht vergleichbar.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2; GewStDV a.F. § 1 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die im Streitjahr (1975) zusammen mit dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) zur Einkommensteuer veranlagt worden ist, war von Anfang 1974 bis Ende 1978 für die K-Bank als angestellte Rentenhändlerin tätig. Marktkenntnisse, die Mitarbeiter der K-Bank im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses erlangt haben, sollen nicht für private spekulative Zwecke ausgenutzt werden.
Den größten Teil des vor- und nachbörslichen Handels mit öffentlichen Anleihen führte die K-Bank im Streitjahr über die Maklerfirma M durch. Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung gegen die Makler M wurde festgestellt, daß die Klägerin am 11. November 1975 nominal 5 Mio.DM einer 10%igen Anleihe von 1973 zum Kurs von 106,8 gekauft hatte. In unmittelbarem Zusammenhang damit - Schlußtag lt. Maklerhandbögen ist der 13. November 1975 - hatte die Klägerin den Wertpapierbestand zum Kurs von 108 verkauft und dadurch einen Gewinn in Höhe von ... DM erzielt.
Das Wertpapiergeschäft war über ein von der Klägerin beim Bankhaus B extra eingerichtetes Wertpapierkonto abgewickelt worden. Dabei hatte die Maklerfirma M der Klägerin einen Kredit über den Abschlußwert gewährt, bis die Klägerin einen Käufer für den Wertpapierbestand zu einem höheren Kurs gefunden hatte.
Im Zeitraum zwischen dem 25. November 1975 und dem 13. März 1978 tätigte die Klägerin über ihr Wertpapierkonto beim Bankhaus B 21 weitere Wertpapiergeschäfte mit festverzinslichen Wertpapieren, wobei sie ihre Marktkenntnisse zum eigenen Vorteil ausnutzte. Die Klägerin erzielte dabei durch Abschluß von Kauf- und Verkaufsgeschäften über denselben Wertpapierbestand innerhalb kürzester Fristen (manchmal taggleich) unter Ausnutzung relativ geringer Kursdifferenzen im Jahre 1976 Einnahmen in Höhe von ... DM und im Jahre 1977 Einnahmen in Höhe von ... DM. Diesen Einnahmen standen nach Angaben der Klägerin Aufwendungen für Zinsen in Höhe von etwa ... DM und für Spesen in Höhe von etwa ... DM gegenüber. Die Höhe der einzelnen Verkaufsgeschäfte lag zwischen 250000 DM und 5 Mio.DM.
Die ohne Wissen der K-Bank durchgeführten Wertpapiergeschäfte führten zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin. Mit Schreiben vom 22. Januar 1979 beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für einen Antrag auf Erteilung einer Gewerbeerlaubnis gemäß § 34c der Gewerbeordnung (GewO) als Makler an der Wertpapierbörse.
Auf Grund der Erkenntnisse aus der Steuerfahndungsprüfung erließ das FA unter dem Datum des 24. Juni 1981 den angegriffenen Änderungsbescheid für die Einkommensteuer des Streitjahres. Darin wurden Einkünfte aus Spekulationsgeschäften und -leistungen in Höhe von ... DM zusätzlich der Einkommensteuer unterworfen. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos.
Mit ihrer Klage machten die Kläger ebenso wie im Einspruchsverfahren geltend, daß es sich bei dem Wertpapiergeschäft im Streitjahr um ein Spekulationsgeschäft mit festverzinslichen Wertpapieren gehandelt habe, aus dem der Gewinn nach § 23 Abs. 2 Ziff.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sei. Das FA vertrat dagegen im Klageverfahren erstmals die Auffassung, daß das streitige Wertpapiergeschäft des Streitjahres im Hinblick auf die getroffenen Maßnahmen der Klägerin und im Zusammenhang mit den weieren Wertpapiergeschäften der Jahre 1975 bis 1978 gewerblich gewesen sei. Die Einnahmen daraus seien daher als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es vertrat ebenso wie das FA die Auffassung, daß die Klägerin aus dem streitigen Wertpapiergeschäft des Streitjahres Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Die Klägerin habe durch dieses Wertpapiergeschäft im Zusammenhang mit den 21 weiteren Wertpapiergeschäften bis zum Jahre 1978 alle Merkmale eines Gewerbebetriebs erfüllt. Sie habe selbständig und in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Die Tätigkeit sei auch nachhaltig gewesen, wie die insgesamt 22 Wertpapiergeschäfte der Klägerin zeigten. Durch die Einschaltung von Banken und Maklern und den Verkauf der Wertpapiere zu den jeweiligen Börsenkursen habe die Klägerin auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung sei überschritten worden. Dies ergebe sich daraus, daß die Klägerin die Wertpapiergeschäfte mit Kredit unter Ausnutzung eines bestimmten Marktes und unter Einsatz ihrer beruflichen Erfahrungen sowie der geschäftlichen Verbindungen ihres Arbeitgebers durchgeführt habe. Von besonderer Bedeutung sei dabei die Einrichtung eines Wertpapierkontos bei der Bank B durch die Klägerin. Damit habe die Klägerin zu erkennen gegeben, daß sie auch in den Folgejahren Wertpapiergeschäfte der Art habe durchführen wollen, wie sie es bei dem ersten Wertpapiergeschäft im Streitjahr getan habe.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung des § 15 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) a.F.
Nach Ansicht der Kläger war das Wertpapiergeschäft des Streitjahres noch nicht nachhaltig. Der Einrichtung eines Wertpapierkontos komme in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu. Ohne die Einrichtung eines Wertpapierkontos seien weder private noch gewerbliche Wertpapiergeschäfte möglich. Auch aus den 21 weiteren Wertpapiergeschäften bis zum Jahre 1978 könne nicht der Schluß gezogen werden, daß die Klägerin schon bei dem ersten Wertpapiergeschäft im Jahre 1975 eine Wiederholung beabsichtigt habe. Bei Wertpapiergeschäften handele es sich nämlich im Gegensatz zu Grundstücksgeschäften regelmäßig um spekulative und deshalb mit erheblichem Risiko verbundene Geschäfte. Es wäre daher vielleicht zu keinen weiteren Wertpapiergeschäften gekommen, wenn das erste Wertpapiergeschäft im Jahre 1975 zu einem Verlust geführt hätte.
Die Klägerin habe auch nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Dazu wäre erforderlich gewesen, daß sie selbst die Wertpapiere am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten hätte. Der Verkauf von Wertpapieren über einen Makler oder über eine Bank für eigene Rechnung des Kunden begründe nicht die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
Schließlich sei auch nicht der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten worden. Maßgebend für die Überschreitung der Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zur gewerblichen Tätigkeit sei, daß die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung, insbesondere die Ausnutzung von Substanzwertsteigerungen zwecks Vermögensvermehrung im Vordergrund stehe. Die Klägerin habe aber kein umschichtbares Vermögen gehabt, sondern die Wertpapiergeschäfte ausschließlich mit Krediten finanziert. Sehe man eine solche Tätigkeit als gewerblich an, müsse auch die Durchführung von Devisentermingeschäften, bei denen allein auf Kursdifferenzen spekuliert werde, stets die Grenze privater Vermögensverwaltung überschreiten. Dies stehe aber im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin durch das Wertpapiergeschäft des Jahres 1975 Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit erzielt hat.
Für die Begriffsbestimmung des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung war § 1 Abs. 1 GewStDV a.F. maßgebend (vgl. u.a. Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, vgl. nunmehr § 15 Abs. 2 EStG). Danach ist ein Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, die mit Gewinnabsicht unternommen wird. Diese darf weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft, noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Tätigkeit anzusehen sein; ferner darf sich die Betätigung nicht als private Vermögensverwaltung darstellen. Die letztbezeichnete Einschränkung steht zwar nicht ausdrücklich im Gesetz. Sie wird jedoch in ständiger Rechtsprechung vom BFH aus dem Gesetz abgeleitet (z.B. Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).
Das Wertpapiergeschäft der Klägerin im Streitjahr erfüllt im Zusammenhang mit den weiteren Wertpapiergeschäften in den Folgejahren diese Voraussetzungen für einen Gewerbebetrieb.
1. Kein Streit kann darüber bestehen, daß die Klägerin bei dem Wertpapiergeschäft des Streitjahres selbständig und in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat.
2. Die Klägerin war bei diesem Wertpapiergeschäft bereits nachhaltig tätig. Nachhaltig ist eine Tätigkeit, wenn sie von der Absicht getragen ist, sie zu wiederholen und daraus eine ständige Erwerbsquelle zu machen, und wenn sie sich objektiv - in der Regel durch Wiederholung - als nachhaltig darstellt (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 21. August 1985 I R 60/80, BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88; vom 3. Juni 1987 III R 209/83, BFHE 150, 418, BStBl II 1988, 277). Da die Wiederholungsabsicht ebenso wie die Gewinnerzielungsabsicht eine innere Tatsache ist, die nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden kann, kommt den tatsächlichen Umständen für die Beurteilung besondere Bedeutung zu. Das Merkmal der Nachhaltigkeit ist folglich in der Regel zu bejahen bei einer Mehrzahl von Handlungen im Gegensatz zu einer einmaligen Handlung (Urteile des BFH vom 8. August 1979 I R 186/78, BFHE 129, 177, BStBl II 1980, 106, vom 9. Dezember 1986 VIII R 317/82, BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244; Urteile des erkennenden Senats vom 23. Oktober 1987 III R 275/83, BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293; vom 26. Februar 1988 III R 321/84, BFH/NV 1988, 561, und in BFHE 156, 476, BStBl II 1989, 621).
Diese zum gewerblichen Grundstückshandel entwickelten Grundsätze müssen auch für den Wertpapierhandel gelten. Aus dem Vortrag der Kläger, daß es sich bei Wertpapiergeschäften im Gegensatz zu Grundstücksgeschäften regelmäßig um spekulative und deshalb mit erheblichem Risiko verbundene Geschäfte handele, ergibt sich nichts anderes. Auch Grundstücksgeschäfte, die einen Gewerbebetrieb begründen, können einen erheblichen spekulativen Charakter haben. Außerdem spricht die Möglichkeit, daß die Tätigkeit bei einem Verlust aus dem ersten Geschäft vielleicht nicht fortgesetzt worden wäre, noch nicht gegen die Wiederholungsabsicht. Entscheidend ist, daß die Tätigkeit jedenfalls dann fortgesetzt und zu einer ständigen Erwerbsquelle gemacht werden sollte, wenn sie gewinnbringend war.
Zutreffend ist allerdings, daß aus den Wertpapiergeschäften der Klägerin in den Folgejahren bis 1978 nicht unter allen Umständen auf eine Wiederholungsabsicht bereits beim ersten Wertpapiergeschäft im Streitjahr geschlossen werden kann (vgl. das von der Klägerin zitierte BFH-Urteil vom 28. Juni 1984 IV R 156/81, BFHE 141, 513, BStBl II 1984, 798). Die Mehrzahl von Handlungen ist nur ein Beweisanzeichen für die Wiederholungsabsicht bereits bei der ersten Handlung. Dieses Beweisanzeichen kann durch andere Sachverhaltsmerkmale erschüttert werden. Es muß sich aber um objektive Tatsachen handeln, die Anhaltspunkte dafür bieten, daß das Wertpapiergeschäft der Klägerin im Streitjahr nicht von einer Wiederholungsabsicht getragen war (vgl. zu dem entsprechenden Problem der Wiederverkaufsabsicht beim Kauf von Grundstücken Urteil des erkennenden Senats vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143, und BFH-Urteil vom 19. Dezember 1990 X R 165/87, BFH/NV 1991, 381). Solche objektiven Tatsachen, die das durch die insgesamt 22 Wertpapiergeschäfte der Klägerin gegebene Beweisanzeichen der Wiederholungsabsicht bereits beim ersten Wertpapiergeschäft erschüttern könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Die bloße Behauptung, das erstmalige Wertpapiergeschäft im Streitjahr sei nicht von einer Wiederholungsabsicht getragen gewesen, reicht nicht aus.
3. Die Klägerin hat mit dem Wertpapiergeschäft im Streitjahr ferner am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert, daß sich der Verkäufer mit seiner Verkaufsabsicht an den allgemeinen Markt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1963 VI 313/62 U, BFHE 78, 352, BStBl III 1964, 137), d.h. an einen nicht abgeschlossenen Kreis von Personen (BFH-Urteil vom 10. August 1983 I R 120/80, BFHE 139, 386, BStBl II 1984, 137), wendet. Dabei genügt es, wenn die Verkaufsabsicht nur einem kleinen Kreis von Personen - unter Umständen auch nur einer einzigen Person - bekannt wird und der Verkäufer damit rechnet, die Verkaufsabsicht werde sich herumsprechen. Entscheidend ist, daß der Verkäufer sich insofern an den allgemeinen Markt wendet, als er an jeden, der die Kaufbedingungen erfüllt, verkaufen will (Urteile des erkennenden Senats in BFH/NV 1988, 561, und in BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143). In diesem Sinne hat sich die Klägerin mit ihrem Wertpapiergeschäft im Streitjahr an den allgemeinen Markt gewendet. Nach den Feststellungen des FG hat sie die Wertpapiere zum Kurs von 106,8 gekauft, unmittelbar danach Käufer zu einem höheren Kurs gesucht und dann zu einem Kurs von 108 verkauft. Die Klägerin ist mit den Wertpapieren daher an den allgemeinen Käufermarkt für solche Papiere herangetreten.
Unerheblich ist dabei, daß sich die Klägerin nicht selbst an den allgemeinen Käufermarkt gewendet, sondern Makler und Banken eingeschaltet hat. Die Tätigkeit der Makler und Banken muß sich die Klägerin zurechnen lassen (BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66). Die Klägerin hat die Makler und Banken nämlich nicht wie ein Bankkunde, der die Bank mit dem Verkauf einzelner Wertpapiere aus einem Wertpapierdepot betraut, zum Verkauf der von ihr erworbenen Wertpapiere herangezogen. Sie hat vielmehr für 5 Mio.DM Wertpapiere gekauft, um sie im Zusammenhang damit insgesamt unter Einschaltung von Maklern und Banken wieder zu verkaufen. Wer so verfährt, dessen Tätigkeit wird sowohl beim An- als auch beim Verkauf von der Allgemeinheit als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Leistungsaustausch beurteilt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66).
4. Die Klägerin hat mit dem streitigen Wertpapiergeschäft schließlich auch die Grenze privater Vermögensverwaltung überschritten. Zwar gehören Wertpapiergeschäfte selbst in erheblichem Umfang im allgemeinen noch zur privaten Vermögensverwaltung (BFH-Urteil vom 4. März 1980 VIII R 150/76, BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 389, m.w.N.). Auch Angehörige der Bankbranche können Wertpapiergeschäfte tätigen, die in ihrer Gesamtheit dem von der Verkehrsauffassung geprägten Bild einer privaten Vermögensverwaltung entsprechen (vgl. BFH-Urteile vom 15. Februar 1966 I 95/63, BFHE 85, 171, BStBl III 1966, 274; vom 11. Juli 1968 IV 139/63, BFHE 93, 281, BStBl II 1968, 775). Nicht jede Nutzbarmachung beruflicher Erfahrungen, Kenntnisse und Verbindungen macht private Geschäfte zu gewerblichen (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1969 IV R 139/68, BFHE 98, 494, BStBl II 1970, 411). Entscheidend ist aber immer, ob Ankauf und Veräußerung der Wertpapiere lediglich den Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen. Tritt dagegen die Umschichtung von Vermögenswerten und die Verwertung der Vermögenssubstanz entscheidend in den Vordergrund, so handelt es sich nicht mehr um private Vermögensverwaltung, sondern um gewerbliche Tätigkeit (BFH-Urteile in BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 389; in BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66; Urteil des BFH vom 6. März 1991 X R 39/88, BFHE 164, 53, BStBl II 1991, 631).
Die Rechtsprechung des BFH hat daher dann bei Wertpapiergeschäften Einkünfte aus Gewerbebetrieb angenommen, wenn besondere Umstände vorliegen, die für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnlich sind (BFH-Urteile vom 2. April 1971 VI R 149/67, BFHE 102, 261, BStBl II 1971, 620; vom 6. Dezember 1983 VIII R 172/83, BFHE 140, 82, BStBl II 1984, 132; vom 22. September 1987 IX R 162/83, BFH/NV 1988, 230, und in BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 389; in BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66; in BFHE 164, 53, BStBl II 1991, 631). Solche besonderen Umstände hat die Rechtsprechung z.B. dann als gegeben angesehen, wenn bei den Wertpapiergeschäften kein eigenes Vermögen eingesetzt, sondern durch Inanspruchnahme von Krediten lediglich Kursdifferenzen aus An- und Verkaufspreisen realisiert worden sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 102, 261, BStBl II 1971, 620; in BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66; in BFHE 164, 53, BStBl II 1991, 631). Obwohl hier kein eigenes Vermögen eingesetzt wird, geht es ausschließlich um die Umschichtung des mit den Krediten erworbenen Vermögens. Kommt in solchen Fällen wie im Streitfall sogar noch hinzu, daß der Steuerpflichtige als Bankangestellter dabei berufliche Kenntnisse ausnutzt und sich daher bankentypisch verhält, so entsprechen jedenfalls die Gesamtumstände einem Bild, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 164, 53, BStBl II 1991, 631).
Die Klägerin hat folglich die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschritten, weil sie ohne Einsatz eigenen Vermögens unter Ausnutzung ihrer beruflichen Marktkenntnisse relativ geringe Kursdifferenzen zur eigenen Gewinnerzielung ausnutzte. Daß sie den Ankauf der Wertpapiere nur mit Krediten finanzierte und daher kein eigenes umschichtbares Vermögen vorhanden war, spricht entgegen ihrer Auffassung nicht für, sondern gegen eine private Vermögensverwaltung.
Die Klägerin beruft sich zu Unrecht darauf, daß ihr Wertpapiergeschäft des Streitjahres mit privaten Devisentermingeschäften vergleichbar sei, bei denen der Wille der Vertragsparteien auf einen Gewinn in Form der Kursdifferenz gerichtet ist und bei denen der BFH in dem Urteil in BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248 Steuerfreiheit angenommen hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Oktober 1988 IV R 220/85, BFHE 154, 532, BStBl II 1989, 39). Die von der Klägerin angesprochenen Devisentermingeschäfte (sog. Differenzgeschäfte) unterscheiden sich von den Wertpapiergeschäften der Klägerin grundlegend dadurch, daß die Differenzgeschäfte sowohl beim Ankauf als auch beim Verkauf der Devisen mit demselben Vertragspartner (derselben Bank) betrieben werden. Es werden von diesem Vertragspartner nicht wirklich Devisen gekauft und dann an ihn wieder verkauft, sondern das Ankaufsgeschäft ist im Zusammenhang mit dem Verkaufsgeschäft von vornherein nur auf die Verwirklichung der Kursdifferenz gerichtet. Aus diesem Grund hat der BFH in dem genannten Urteil Einkünfte aus Spekulationsgeschäften i.S. von § 22 Nr. 2 und § 23 EStG und Einkünfte aus Leistungen i.S. von § 22 Nr. 3 EStG verneint. Damit ist im übrigen noch nicht gesagt, daß die Einkünfte aus den Differenzgeschäften unter bestimmten Voraussetzungen nicht trotzdem gewerblicher Art sein können. Diese Frage kann der Senat jedoch offenlassen. Denn im Gegensatz zu den Differenzgeschäften standen der Klägerin beim Kauf und beim Verkauf der Wertpapiere jeweils andere Vertragspartner gegenüber. Sie hat die Wertpapiere tatsächlich gekauft und dann an eine andere oder mehrere andere Personen weiterverkauft. Folglich hat sie einen Wertpapierhandel betrieben, der nach obigen Ausführungen gewerblich war.
Fundstellen
Haufe-Index 64038 |
BFH/NV 1994, 80 |