Leitsatz (amtlich)
Über die steuerliche Anerkennung einer typisch stillen Unterbeteiligung an dem Anteil eines Gesellschafters an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft ist seit dem 1.Januar 1977 in dem Gewinnfeststellungsverfahren der Personengesellschaft zu entscheiden.
Orientierungssatz
1. Werden in einem Verfahren gegen einen Einkommensteuerbescheid (Folgebescheid) Einwendungen erhoben, über die in einem gesonderten Grundlagenverfahren zu entscheiden ist, so muß das FG regelmäßig das den Folgebescheid betreffende Verfahren gemäß § 74 FGO solange aussetzen, bis eine abschließende Entscheidung in dem Grundlagenverfahren herbeigeführt worden ist (vgl. BFH-Rechtsprechung). Das FG kann ausnahmsweise von einer Aussetzung des Verfahrens absehen, wenn eine Entscheidung in einem besonderen Grundlagenverfahren nicht zu erwarten ist.
2. Zu den gewerblichen Einkünften des Gesellschafters einer Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören alle Einnahmen und Betriebsausgaben, die ihre Veranlassung in der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der gewerblich tätigen Personengesellschaft haben (vgl. BFH-Rechtsprechung). Sie sind bei ihm als Sonderbetriebseinnahmen oder Sonderbetriebsausgaben zu erfassen und müssen auch Eingang in die einheitliche Gewinnfeststellung für die Gesellschafter finden. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn die Sonderbetriebsausgaben aus Aufwendungen gegenüber einem Unterbeteiligten bestehen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
FGO §§ 42, 74; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a, § 182 Abs. 1, § 174 Abs. 3, § 351 Abs. 2; EStG 1971 § 15 Abs. 1 Nr. 2; EStG 1975 § 15 Abs. 1 Nr. 2; EStG 1971 § 20 Abs. 1 Nr. 2; EStG 1975 § 20 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1974 bis 1977 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war als persönlich haftender Gesellschafter an der B-OHG zu 50 v.H. beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 13.Oktober 1966 räumte er seinem Sohn, dem Beigeladenen, an seinem Geschäftsanteil eine Unterbeteiligung von 50 v.H. am Gewinn und Verlust ein. Nach § 2 des Vertrages konnte der Beigeladene die Innengesellschaft bis zum Tode der Kläger nicht kündigen. Nach § 3 des Vertrages durfte er über seinen Kapital- und Gewinnanteil nur mit Zustimmung des Klägers verfügen. Im Falle des Todes des Beigeladenen sollte die stille Beteiligung auf den Kläger bzw. die Klägerin übergehen.
In einer Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) fest, daß die Vertragspartner keine Aufzeichnungen über die Entwicklung der Beteiligung des Beigeladenen geführt hatten. Die auf den Gewinnanteil des Beigeladenen entfallenden persönlichen Steuern waren von dem Kapitalkonto des Klägers abgebucht worden. Andere Entnahmen waren nicht getätigt worden. Das FA sah deshalb den Beigeladenen weder als Mitunternehmer noch als Kapitalgeber an und rechnete den Gewinnanteil in voller Höhe dem Kläger zu.
Gegen die entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide 1974 bis 1977 legten die Kläger ohne Erfolg Einspruch ein. Das Finanzgericht (FG) wies die sich anschließende Klage als unbegründet ab.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung der §§ 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Grundsätze von Treu und Glauben.
Sie beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA gemäß § 175 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Einkommensteuerbescheide 1974 und 1975 erlassen. Die Kläger haben die geänderten Bescheide in das Revisionsverfahren übergeleitet (§ 123 Satz 2, § 68 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO). Die Kläger verfolgen ihr Begehren nicht im richtigen Verfahren. Aus Gründen des § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs.2 AO 1977 kann nur der Kläger die steuerliche Anerkennung der typisch stillen Unterbeteiligung durch Änderung der gegen die B-OHG gerichteten Gewinnfeststellungsbescheide begehren.
1. Die Frage, ob der Beigeladene atypisch still an dem Anteil des Klägers an der B-OHG beteiligt war und ob er aus einer solchen Mitunternehmerschaft in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte, ist nicht Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits. Über die Frage ist mit bindender Wirkung für das anhängige Einkommensteuerverfahren der Kläger (§ 182 Abs.1 AO 1977) entweder in dem Verfahren über die einheitliche Gewinnfeststellung der B-OHG oder aber in einem gesonderten Verfahren über die einheitliche Gewinnfeststellung gemäß § 180 Abs.1 Nr.2 Buchst.a AO 1977 einer möglicherweise zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen bestehenden Mitunternehmerschaft zu entscheiden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14.Februar 1984 VIII R 126/82, BFHE 141, 124, BStBl II 1984, 580; vom 11.Oktober 1984 IV R 179/82, BFHE 142, 437, BStBl II 1985, 247; vom 10.November 1987 VIII R 53/84, BFHE 151, 434, BStBl II 1988, 186).
Werden in einem Verfahren gegen einen Einkommensteuerbescheid (Folgebescheid) Einwendungen erhoben, über die in einem gesonderten Grundlagenverfahren zu entscheiden ist, so muß das FG regelmäßig das den Folgebescheid betreffende Verfahren gemäß § 74 FGO solange aussetzen, bis eine abschließende Entscheidung in dem Grundlagenverfahren herbeigeführt worden ist (vgl. BFH-Urteile vom 24.April 1979 VIII R 57/76, BFHE 128, 136, BStBl II 1979, 678; in BFHE 141, 124, BStBl II 1984, 580; vom 9.Mai 1984 I R 25/81, BFHE 141, 252, BStBl II 1984, 726). Im Streitfall konnte das FG ausnahmsweise von einer Aussetzung des Verfahrens absehen, weil die Kläger ihren Klageantrag ausdrücklich auf die steuerliche Anerkennung einer typisch stillen Unterbeteiligung beschränkt hatten. Bei dieser Sachlage war eine Entscheidung über das Bestehen einer atypisch stillen Unterbeteiligung (Mitunternehmerschaft) in einem besonderen Grundlagenverfahren nicht zu erwarten.
2. Über die steuerliche Anerkennung einer typisch stillen Unterbeteiligung an dem Anteil eines Gesellschafters an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft ist nicht in einem gesonderten Feststellungsverfahren gemäß § 180 Abs.1 Nr.2 Buchst.a AO 1977 zu entscheiden, das nur für den Gesellschafter (Hauptbeteiligten) und den Unterbeteiligten durchzuführen ist. Es fehlt insoweit an einer Beteiligung des Haupt- und des Unterbeteiligten an denselben Einkünften (vgl. BFH in BFHE 151, 434, BStBl II 1988, 186). Der Kläger erzielte in den Streitjahren als Gesellschafter der B-OHG gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 Abs.1 Nr.2 EStG. Dabei erstrebte er wirtschaftliche Vorteile u.a. durch den Einsatz des von dem Unterbeteiligten für Zwecke der OHG zur Verfügung gestellten Kapitals. Ein gemeinschaftliches Gesellschaftsvermögen zwischen dem Haupt- und dem Unterbeteiligten bestand jedoch nicht (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S.1409 m.w.Nachw.). Soweit der Kläger aus der typisch stillen Unterbeteiligung verpflichtet worden sein sollte, bilden die Aufwendungen für ihn Sonderbetriebsausgaben bei seinen gewerblichen Einkünften i.S. des § 15 Abs.1 Nr.2 EStG. Der vom FG beigeladene Sohn der Kläger erzielte dagegen --das Bestehen einer typisch stillen Unterbeteiligung auch insoweit unterstellt-- Einkünfte i.S. des § 20 Abs.1 Nr.2 EStG 1971/75 aus der Zurverfügungstellung von Kapital. Damit erzielten Haupt- und Unterbeteiligter Einkünfte aus verschiedenen Sachverhalten.
Die gewerblichen Einkünfte des Gesellschafters einer Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs.1 Nr.2 EStG beschränken sich nicht auf den Gewinnanteil und die Vergütungen. Vielmehr gehören dazu alle Einnahmen und Betriebsausgaben, die ihre Veranlassung in der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der gewerblich tätigen Personengesellschaft haben (vgl. BFH-Urteile vom 15.Oktober 1975 I R 16/73, BFHE 117, 164, BStBl II 1976, 188; vom 5.Dezember 1979 I R 184/76, BFHE 129, 169, BStBl II 1980, 119; vom 24.Januar 1985 IV R 123/82, BFH/NV 1986, 15). Deswegen sind Erträge und Aufwendungen des Gesellschafters, die auf seine Beteiligung an der Gesellschaft zurückgehen, bei ihm nicht nur als Sonderbetriebseinnahmen oder -betriebsausgaben zu erfassen (vgl. BFH in BFHE 117, 164, BStBl II 1976, 188), sondern sie müssen auch Eingang in die einheitliche Gewinnfeststellung für die Gesellschafter einer in § 15 Abs.1 Nr.2 EStG genannten Personengesellschaft finden (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 7.Aufl., § 15 Rdnr.99).
Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn die Sonderbetriebsausgaben aus Aufwendungen gegenüber einem Unterbeteiligten bestehen (vgl. BFH-Urteile vom 25.August 1961 VI 202/60 U, BFHE 73, 619, BStBl III 1961, 491; vom 30.Juni 1966 VI 273/65, BFHE 86, 576, BStBl III 1966, 582; vom 4.April 1968 IV R 5/67, BFHE 92, 465, BStBl II 1968, 669). Zwar hat der erkennende Senat in seinem Beschluß vom 28.Juni 1972 I R 206/67 (BFHE 106, 261, BStBl II 1972, 803) die Auffassung vertreten, verfahrensrechtlich seien atypisch stille und typisch stille Unterbeteiligungen gleichzubehandeln, weshalb die Möglichkeit offen gehalten werden müsse, die Unterbeteiligung auch im Veranlagungsverfahren des Hauptbeteiligten geltend zu machen (vgl. auch Reichsfinanzhof --RFH--, Urteil vom 15.Januar 1936 VI A 282/35, RStBl 1936, 554). Auch hat der Große Senat (Beschluß vom 5.November 1973 GrS 3/72, BFHE 112, 1, BStBl II 1974, 414) diese Auffassung insoweit bestätigt, als er ausgeführt hat, daß nach der Verneinung einer Mitunternehmerschaft "in irgendeiner Form der nachträglichen Geltendmachung einer typisch stillen Unterbeteiligung Rechnung getragen werden müsse". Ein solcher Sachverhalt ist jedoch im Streitfall nicht gegeben. Die Kläger hatten keine Mitunternehmerschaft zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen geltend gemacht. Der Kläger war deshalb nicht gehindert, seine Aufwendungen aus der Unterbeteiligung als Sonderbetriebsausgaben von vornherein in den Gewinnfeststellungsverfahren für die B-OHG geltend zu machen. Es kommt hinzu, daß die von dem erkennenden Senat in BFHE 106, 261, BStBl II 1972, 803, vertretene Auffassung für die Zeit seit dem 1.Januar 1977 durch die Regelung des § 174 Abs.3 Satz 1 AO 1977 überholt ist. Nach dieser Vorschrift kann der die Einkünfte aus der Hauptbeteiligung feststellende Feststellungsbescheid geändert werden, wenn in ihm Sonderbetriebsausgaben in der Annahme nicht berücksichtigt wurden, daß sie wegen einer zwischen dem Haupt- und dem Unterbeteiligten bestehenden Mitunternehmerschaft in einem anderen Feststellungsbescheid zu berücksichtigen seien, und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt. Entsprechend kann der Kläger als Folge der jetzt getroffenen Entscheidung die Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 1974 bis 1977 der B-OHG beantragen, wobei die Frist des § 174 Abs.3 Satz 2 AO 1977 i.V.m. Art.97 § 10 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) zu beachten ist. Sollte der Kläger einen entsprechenden Antrag stellen, wird das Betriebs-FA in dem sich anschließenden Verfahren über die steuerliche Anerkennung der typisch stillen Unterbeteiligung mit Bindungswirkung für die gegenüber den Klägern festzusetzenden Einkommensteuern zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 62002 |
BFH/NV 1989, 13 |
BStBl II 1989, 343 |
BFHE 155, 454 |
BFHE 1989, 454 |
BB 1989, 1814-1815 (LT1) |
DB 1989, 812 (LT) |
DStR 1989, 247 (KT) |
HFR 1989, 348 (LT) |