Entscheidungsstichwort (Thema)
Probenahme ist keine freiberufliche Tätigkeit
Leitsatz (NV)
1. Das Probenehmen von Erzen, Mineralien und Kohle ist weder eine wissenschaftliche Tätigkeit noch ein ,,ähnlicher Beruf" i. S. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
2. Die Probenahme und die in Analysen bestehende (freiberufliche) Tätigkeit eines Handelschemikers sind grundsätzlich trennbar.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie betreibt ein chemisches Laboratorium und befaßt sich überwiegend mit der Begutachtung von Bergbauprodukten (Erze, Mineralien, Kohle). Ihre Gesellschafter sind zwei Diplomchemiker.
Die Tätigkeit der Klägerin besteht darin, daß sie ihr übersandtes Material analysiert oder daß sie Material begutachtet. Im letzteren Fall umfaßt die Leistung der Klägerin die Entnahme von Proben, Gewichtskontrolle, Gewichtsberechnung, Aufbereitung der chemischen Analyse durch Vermischen und Verschmelzen des Materials, chemische Analyse sowie Fertigung eines aus Attesten bestehenden Protokolls, das durch ein Gutachten ergänzt wird. Das Gutachten gibt Auskunft über die Verwendbarkeit und den Wert des untersuchten Materials.
Gutachtenaufträge führt die Klägerin nur aus, wenn sie die erforderlichen Proben selbst entnehmen kann. Dadurch wird die Klägerin nicht nur in ihrem Labor, sondern weltweit tätig. Das Entgelt für ein Gutachten besteht in der Regel zu 50 v. H. aus Fahrtkosten- und Spesenersatz.
In dem Labor der Klägerin arbeiteten im Streitjahr (1973) ein chemischer Ingenieur und zwei bis drei Laboranten. Für die Probeentnahmen waren durchschnittlich drei Hilfskräfte eingesetzt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah in der Tätigkeit der Klägerin eine gewerbliche. Er erließ für das Streitjahr einen vorläufigen Gewerbesteuermeßbescheid. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es hob den angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheid und die Einspruchsentscheidung auf.
Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Klägerin war im Streitjahr gewerbesteuerpflichtig, weil sie im Inland einen Gewerbebetrieb unterhielt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -).
Entgegen der Ansicht des FG stellt sich die Tätigkeit der Klägerin nicht als Ausübung eines freien Berufs dar.
1. Zwar ist die Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin und damit auch die Tätigkeit der Klägerin insofern freiberuflich, als sie als Handelschemiker im Labor chemische Analysen durchführen; denn nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist die Tätigkeit eines Handelschemikers eine freiberufliche.
2. Die von der Klägerin neben der Labortätigkeit durchgeführte Probenahme ist jedoch - wenn man sie isoliert betrachtet - keine freiberufliche Tätigkeit, sondern eine gewerbliche; denn die Ausübung des Berufs als Probenehmer und damit auch die - isoliert betrachtete - Tätigkeit des Probenehmens kann weder als wissenschaftliche Tätigkeit im engeren Sinne (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) noch als ein ähnlicher Beruf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen werden. Das hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 14. November 1972 VIII R 18/67 (BFHE 108, 26, BStBl II 1973, 183) hinsichtlich eines Probenehmens für Erze, Metalle und Hüttenerzeugnisse entschieden. Der I. Senat ist dieser Auffassung in seinem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 18. Juni 1980 I R 103/77 hinsichtlich eines Handelschemikers für Futtermittel, Lebensmittel und Hüttenerzeugnisse gefolgt. Zu einer anderen Beurteilung kann man nach Auffassung des erkennenden Senats nicht kommen, wenn sich die Tätigkeit der Probenahme nicht nur, wie in dem Fall des Urteils in BFHE 108, 26, BStBl II 1973, 183, auf Erze und Mineralien beschränkt, sondern zusätzlich auch - wie im Streitfall - die Probenahme von Kohle umfaßt; denn auch die Probenahme von Kohle ist weder eine wissenschaftliche Tätigkeit im engeren Sinne noch ein ähnlicher Beruf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Die vom FG getroffene Feststellung, auch für eine Probenahme seien wissenschaftliche Kenntnisse (mathematische Kenntnisse sowie Kenntnisse der Grundlage der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der Geometrie) erforderlich, kann an dem Ergebnis, daß das Probenehmen keine freiberufliche, sondern eine gewerbliche Tätigkeit ist, nichts ändern; denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteile vom 17. Dezember 1964 IV 53/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 267, und in BFHE 108, 26, BStBl II 1973, 183) gilt eine Tätigkeit nur dann als wissenschaftlich, wenn für ihre Ausübung wissenschaftliche Kenntnisse Voraussetzung sind ,,und des weiteren eine hochstehende qualifizierte Tätigkeit entfaltet wird, die der Forschertätigkeit vergleichbar ist". Dies kann von der Tätigkeit der Probenahme nicht gesagt werden, weil diese Tätigkeit nur aus einem Entnehmen von Proben, einer Gewichtskontrolle und der Aufbereitung von Analysen besteht, was zwar mathematische Kenntnisse (Wahrscheinlichkeitsrechnung, Geometrie von Schüttgütern), aber keine umfassenden wissenschaftlichen Kenntnisse erfordert.
Soweit die Klägerin meint, das FG habe es offengelassen, ob die Tätigkeit der Probenahme für sich betrachtet gewerblicher oder freiberuflicher Art sei, kommt es darauf nicht an, weil diese Frage nach den vom FG getroffenen Feststellungen, daß das Probenehmen lediglich in der Entnahme einer Probe, einer Gewichtskontrolle und der Aufbereitung von Analysen besteht, vom erkennenden Senat - wie vorstehend geschehen - selbst beurteilt werden kann.
3. Nach dem nicht zur Veröffentlichung bestimmten BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 103/77 ändert sich der Charakter der Probenahme als gewerbliche Tätigkeit auch nicht deshalb, weil sie im Betrieb von Handelschemikern durchgeführt wurde. Zu Unrecht meint die Klägerin, ihre Tätigkeit unterscheide sich von der Tätigkeit, die der I. Senat zu beurteilen gehabt habe, dadurch, daß bei ihr das Probenehmen eine unabdingbare Voraussetzung für die Analyse sei. Der I. Senat weist ausdrücklich darauf hin, daß die Tätigkeit des Probenehmers selbst dann getrennt von der Labortätigkeit eines Handelschemikers als gewerblich zu charakterisieren ist, wenn man davon ausgeht, daß gegenüber den Auftraggebern eine einheitliche Leistung geschuldet werde und der Zusammenhang beider Tätigkeiten so intensiv und umfassend sei, daß sie als einheitliche Tätigkeit angesehen werden müßte.
Der erkennende Senat schließt sich dem an und sieht keinen Anlaß, zum Zwecke der Abweichung von dem Urteil des I. Senats den Großen Senat anzurufen (§ 11 Abs. 3 FGO). Das Vorhandensein des Berufs eines Probenehmers zeigt, daß Probenahme und die in Analysen bestehende Tätigkeit eines Handelschemikers - entgegen der Ansicht des FG - grundsätzlich trennbar sind und nicht typisch und notwendig nur in Verbindung miteinander erscheinen. Hinzu kommt, daß die Probenahme, wie sich aus der Zusammensetzung der Erlöse für die Gesamttätigkeit der Klägerin ergibt, nicht als untergeordnete Hilfstätigkeit bezeichnet werden kann.
4. Da - wie ausgeführt - die Probenahme durch den Zusammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin als Handelschemiker nicht ihren gewerblichen Charakter verliert, gilt die gesamte Tätigkeit der Klägerin als gewerbliche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG).
Fundstellen
Haufe-Index 414909 |
BFH/NV 1987, 156 |