Leitsatz (amtlich)
Eine verdeckte Gewinnausschüttung setzt voraus, daß eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie - unter sonst gleichen Umständen - bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Dabei ist zu beachten, daß einem Geschäftsleiter ein gewisser Spielraum kaufmännischen Ermessens einzuräumen ist.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, gewährte ihren beiden Gesellschafter-Geschäftsführern für den nicht verbrauchten Urlaub des Streitjahres 1963 Abfindungen in Geld. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) rechnete die für die Urlaubsabgeltung gebildeten Rückstellungen als verdeckte Gewinnausschüttungen bei der Ermittlung des Einkommens hinzu.
Das FG hat im ersten Rechtsgang die Klage abgewiesen. Der Senat hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (Urteil des BFH vom 8. Januar 1969 I R 21/68, BFHE 95, 89, BStBl II 1969, 327). Er hat ausgeführt, keine verdeckte Gewinnausschüttung liege vor, wenn im Streitfall das arbeitsrechtliche Verbot der Abgeltung des Urlaubs in Geld ausnahmsweise nicht gelte, weil der Umfang der von den Geschäftsführern geleisteten Arbeit und ihre Verantwortung für das Unternehmen die Gewährung von Freizeit im Urlaubsjahr ausgeschlossen habe und eine Übertragung des Urlaubs auf das neue Kalenderjahr rechtlich oder tatsächlich nicht möglich gewesen sei (Urteil des BGH vom 3. Dezember 1962 II ZR 201/61, NJW 1963 S. 535, Der Betriebs-Berater 1963 S. 55). In diesem Fall habe sich, wie der BGH in dem angeführten Urteil bemerkt habe, der Anspruch auf bezahlte Freizeit in einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs in Geld umgewandelt. Der Senat hat dem FG aufgegeben, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt seien und ob gegen die Höhe der gewährten Abgeltung in Geld Bedenken bestünden.
Das FG hat im zweiten Rechtsgang den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid aufgehoben und in den Gründen ausgeführt, die Körperschaftsteuer sei antragsgemäß auf 4 274 DM festzusetzen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung des § 126 Abs. 5 FGO und unrichtige Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG gerügt werden. Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den berichtigten Körperschaftsteuerbescheid 1963 wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Urlaubsabgeltung in Geld, die die Klägerin ihren beiden Gesellschafter-Geschäftsführern für das Streitjahr gewährt hat, stellt keine verdeckte Gewinnausschüttung dar (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG).
1. Wie im Urteil des Senats im ersten Rechtsgang I R 21/68 ausgeführt ist, setzt eine verdeckte Gewinnausschüttung voraus, daß eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie - unter sonst gleichen Umständen - bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Das bedeutet, daß nicht die mehr oder weniger große Sorgfalt des Geschäftsführers im Streitfall, sondern die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters den Maßstab liefert. Deshalb ist weder die Absicht der Kapitalgesellschaft, den Gewinn verdeckt zu verteilen, noch die Einigung der Parteien darüber, daß die Zuwendung mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis erfolgt, erforderlich (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1969 I R 107/69, BFHE 97, 524, BStBl II 1970, 229). Andererseits genügt bei einem Geschäft zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung für sich allein nicht, um eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen. Hinzukommen muß, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter dieses Mißverhältnis erkannt und keinen rechtlichen oder betrieblichen Anlaß gesehen hätte, das Geschäft dennoch abzuschließen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß einem Geschäftsleiter ein gewisser Spielraum kaufmännischen Ermessens einzuräumen ist. Sein Handeln muß freilich an den Gegebenheiten des Unternehmens ausgerichtet sein.
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die Angriffe der Revision auf das Urteil des FG als unbegründet.
a) Das FG hat § 126 Abs. 5 FGO nicht verletzt. Es hat geprüft, ob der Umfang der von den beiden Geschäftsführern der Klägerin geleisteten Arbeit und ihre Verantwortung für das Unternehmen die Gewährung von Freizeit im Urlaubsjahr ausgeschlossen haben und ob eine Übertragung auf das neue Kalenderjahr tatsächlich und rechtlich möglich war. Damit hat es sich an die Rechtsausführungen im Urteil des Senats im ersten Rechtsgang gehalten. Das FG hat durch Schreiben vom 9. Mai 1969 und 18. September 1969 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 1970 den Sachverhalt erforscht. Die Klägerin hat näher begründet, warum sich ihre beiden Geschäftsführer im Streitjahr nicht in der Lage sahen, Urlaub zu nehmen. Das FA hat die Angaben der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten, sondern sie nur dahin gewürdigt, daß die Klägerin trotz der geschilderten Hindernisse die Möglichkeit gehabt habe, ihren Geschäftsführern den zustehenden Urlaub zu gewähren. Darauf allein kommt es indes, wie sich aus der einleitenden Begriffsbestimmung für die verdeckte Gewinnausschüttung ergibt, nicht an.
3. Das FG hat entgegen den Ausführungen des FA nicht die Meinung vertreten, die subjektive Beurteilung der Geschäftsleitung allein sei maßgebend für die Frage, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege. Vielmehr heißt es im Urteil des FG, es komme nicht nur auf die objektive Notwendigkeit der ständigen Anwesenheit eines Geschäftsführers im Betrieb an, sondern auch auf das Pflichtgefühl einer solchen Person und deren Beurteilung über die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit. Selbst wenn das FG in den weiteren Ausführungen der subjektiven Entscheidungsfreiheit der Geschäftsführer in der Frage, ob sie sich als unabkömmlich betrachten durften, einen etwas zu breiten Spielraum eingeräumt haben sollte, wäre dieser Rechtsfehler nicht entscheidungserheblich. Denn die unbestrittenen Angaben der Klägerin über ihre Geschäftslage und den Einsatz der beiden Geschäftsführer rechtfertigen den Schluß, daß die Geschäftsführer die Grenzen eines angemessenen Spielraums für ihr kaufmännisches Ermessen nicht überschritten haben, wenn sie sich im Streitjahr keinen Urlaub in Gestalt von Freizeit gewährten.
4. Daher ist auch die Ablehnung des Beweisantrages des FA durch das FG rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Senat hat im Urteil des ersten Rechtsganges entscheidend auf die von den Geschäftsführern geleistete Arbeit und auf ihre Verantwortung für das Unternehmen abgestellt. Der Umfang der geleisteten Arbeit wird aus den unbestrittenen Angaben der Klägerin ersichtlich. Zu seiner Ermittlung bedurfte es daher keines Sachverständigengutachtens. Die Verantwortung für das Unternehmen beließ den Geschäftsführern, wie bereits bemerkt, einen gewissen Spielraum für ihr Handeln, den die Geschäftsführer, wie das FG auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens feststellen konnte, nicht überschritten haben.
5. Frei von Rechtsfehlern sind schließlich die Ausführungen des FG über die Höhe der gewährten Urlaubsabgeltungen in Geld.
Fundstellen
Haufe-Index 70352 |
BStBl II 1973, 322 |
BFHE 1973, 183 |