Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Mehraufwendungen für Verpflegung können auch bei ledigen Arbeitnehmern, die ausschließlich aus beruflichen Gründen regelmäßig mehr als 12 Stunden von ihrer Wohnung abwesend sind, Werbungskosten sein; dabei ist nicht Voraussetzung, daß der Arbeitnehmer mit Angehörigen in einem gemeinsamen Haushalt lebt.
Normenkette
EStG §§ 9, 12 Nr. 1; LStR Abschn. 24/3
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) ist als kaufmännische Angestellte in einem Betrieb beschäftigt, der sich zwar in der politischen Gemeinde ihres Wohnorts, aber in einer Entfernung von mindestens 15 km von ihrer Wohnung befindet. Die Bgin. ist ledig und führt mit ihrer 75jährigen Mutter einen gemeinsamen Haushalt. Sie benutzt zur Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte außer der Straßenbahn auch die Bundesbahn. Es ist unstreitig, daß sie bereits bei normaler Arbeitszeit an fünf Tagen jeder Woche mindestens 12 1/2 Stunden unterwegs wäre. Bei überstunden, die nach den Feststellungen des Finanzgerichts täglich mit mindestens einer Stunde zu leisten sind, ergibt sich für fünf Wochentage eine tatsächliche Abwesenheit von der Wohnung von 13 1/2 bis 14 Stunden. Das Finanzamt hat es abgelehnt, den von der Bgin. geltend gemachten Mehraufwand für Verpflegung in Höhe von 390 DM ( für 260 Arbeitstage je 1,50 DM) als Werbungskosten anzuerkennen. Ihr Einspruch wurde ebenfalls abgewiesen.
Die Berufung der Bgin. hatte Erfolg. Das Finanzgericht hat es nicht als wesentlich angesehen, daß die Bgin. in der gleichen politischen Gemeinde wohnt, in der sich auch ihre Arbeitsstätte befindet. Es komme lediglich darauf an, ob die Bgin. länger als 12 Stunden von ihrer Wohnung abwesend sei. Die Anerkennung der Mehrkosten für Verpflegung könne auch nicht deshalb versagt werden, weil die Bgin. ledig sei. Da sie mit ihrer Mutter in einem gemeinsamen Haushalt lebe, entständen Mehrkosten, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Es bestehe auch kein Anlaß, die Höhe der Mehrkosten anders als mit 1,50 DM täglich anzunehmen.
Der Vorsteher des Finanzamts hat gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt und zur Begründung darauf hingewiesen, daß nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 119/53 U vom 17. September 1953 (Slg. Bd. 58 S. 81, Bundessteuerblatt 1953 III S. 322, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen 1953 S. 812) die Mehraufwendungen für Verpflegung nur dann als Werbungskosten anzusehen seien, wenn sich die Wohnung und die Arbeitsstätte des Arbeitnehmers in verschiedenen politischen Gemeinden befänden. Da nach dem angeführten Urteil die Anerkennung der Mehraufwendungen für Verpflegung auf Ausnahmefälle beschränkt sei, gehe es nicht an, die zu dieser Rechtsfrage vom Bundesfinanzhof aufgestellten Grundsätze erweiternd auszulegen. Im übrigen kämen Mehraufwendungen für Verpflegung nicht an 260 Tagen, sondern bei Berücksichtigung der Urlaubs- und Feiertage höchstens für 240 Arbeitstage in Betracht. Schließlich dürfe auch nicht unbeachtet bleiben, daß der Betrieb, in dem die Bgin. beschäftigt sei, eine Kantine habe, in der Mittagessen für 0,60 DM und 1,10 DM abgegeben werde.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falles zugelassene Rb. führt nur zu einer geringfügigen änderung der Vorentscheidung.
Der Anerkennung des Mehraufwands für Verpflegung als Werbungskosten steht es nicht entgegen, daß die Bgin. in der gleichen politischen Gemeinde wohnt, in der sich auch ihre Arbeitsstätte befindet. Auf das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats IV 393/54 U vom 3. Februar 1955 wird Bezug genommen.
Auch daß die Bgin. ledig ist, hindert eine Zurechnung des Mehraufwands zu den Werbungskosten nicht. Der Familienstand eines Arbeitnehmers ist für die Entstehung des ausschließlich beruflich bedingten Mehraufwands für Verpflegung ohne Bedeutung. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Bgin. mit ihrer Mutter einen eigenen Haushalt führt, oder ob sie in deren Haushalt lebt. Selbst wenn sie einen eigenen Hausstand für sich allein hätte, wäre die Frage nicht anders zu beurteilen. Entscheidend ist lediglich, ob ein Arbeitnehmer einen ausschließlich beruflich bedingten Mehraufwand für Verpflegung hat. Es ist möglich, daß die Höhe des Mehraufwands durch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers beeinflußt wird. Unterschiede in der Höhe können aber nicht nur durch die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zu einem Haushalt, sondern ebenso auch durch die Art der Berufstätigkeit, seine Konstitution usw. bedingt sein. Eine genaue Feststellung dieser Mehraufwendungen unter Berücksichtigung aller Umstände wird in der Praxis kaum möglich sein. Der erkennende Senat ist deshalb in dem angeführten Urteil vom 17. September 1953 davon ausgegangen, daß es im allgemeinen nicht zu beanstanden sein wird, wenn der Mehraufwand für zusätzliche Ernährung bei allen Arbeitnehmern, die regelmäßig aus beruflichen Gründen länger als 12 Stunden von ihrer Wohnung abwesend sind, im Durchschnitt auf 1,50 DM täglich geschätzt wird. Die Bgin. kann zwar ein etwas verbilligtes Mittagessen in der Kantine des Betriebs einnehmen. Angesichts der vom Finanzgericht festgestellten ungewöhnlich langen Arbeitszeit bestehen aber keine rechtlichen Bedenken gegen die von der Vorentscheidung vorgenommene Schätzung des Mehraufwandes auf den im allgemeinen zutreffenden Betrag von 1,50 DM täglich.
Die Rb. kann danach in der Hauptsache keinen Erfolg haben. Sie führt jedoch insoweit zu einer änderung der Vorentscheidung, als das Finanzgericht den Mehraufwand für Verpflegung für 260 Arbeitstage anerkannt hat. Das Finanzamt hält den Ansatz von 240 Arbeitstagen für angemessen. Da ein Mehraufwand an den Samstagen, den Sonn- und Feiertagen sowie während der Urlaubszeit im vorliegenden Falle nicht in Betracht kommt, ist ein berücksichtigungsfähiger Mehraufwand äußerstenfalls für 240 Tage im Jahr möglich. Der vom Finanzgericht anerkannte Werbungskostenbetrag ermäßigt sich daher um 30 DM. Der Jahresfreibetrag der Bgin. für 1953 ist infolgedessen auf 2.521 DM festzusetzen.
Da diese änderung keine steuerliche Auswirkung hat (gleiche Steuerstufe) ist eine Kostenverteilung nicht veranlaßt.
Fundstellen
Haufe-Index 408123 |
BStBl III 1955, 110 |
BFHE 1955, 287 |
BFHE 60, 287 |