Leitsatz (amtlich)
Ein Damnum, das gemäß den Vereinbarungen der Vertragsparteien bei Auszahlung eines Tilgungsdarlehens einbehalten wird, ist nur im Rahmen des § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO vom 26. Januar 1937 (RGBl I 1937, 99, RStBl 1937, 161) abzugsfähig, wenn das Damnum nach der Bezugsfertigkeit des Einfamilienhauses einbehalten wird.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 2; EinfHaus-VO § 2 Abs. 2
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) hat ein Einfamilienhaus errichtet. Das Haus ist am 1. Mai 1964 bezugsfertig geworden und von dem Steuerpflichtigen am 22. Mai 1964 bezogen worden.
Zur Finanzierung nahm der Steuerpflichtige bei der Bank ein hypothekarisch gesichertes Darlehen von 60 000 DM auf. Die Bank bewilligte das Darlehen mit Schreiben vom 3. April 1964 unter bestimmten Bedingungen, mit denen sich der Steuerpflichtige am 7. April 1964 schriftlich einverstanden erklärte. Die Darlehnsvaluta stellte die Bank am 27. Mai 1964 zur Verfügung. Es wurden jedoch nur 57 766,67 DM überwiesen. Die Darlehnsvaluta wurde um folgende Beträge gekürzt:
a) 2 v. H. Kursabschlag 1 200,- DM
b) Bereitstellungszinsen ab
1. April 1964 (56 Tage) 280,- DM
c) Darlehnszinsen vom 27. Mai
bis 30. Juni 1964 (34 Tage) 368,33 DM
d) Prüfungs- und Bearbeitungsgebühr 385,- DM
Summe 2 233,33 DM
Der Steuerpflichtige machte 2 983,33 DM Schuldzinsen (einschließlich Bereitstellungszinsen und Bearbeitungsgebühr) und den Kursabschlag von 1 200 DM, zusammen also 4 183,33 DM, als Einkommensminderung geltend. Hiervon setzte er 2 667 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und 1 516 DM als Sonderausgaben an. Das beklagte FA ließ außer den Schuldzinsen in Höhe des Grundbetrages nach § 2 Abs. 1 EinfHaus-VO vom 26. Januar 1937 (RGBl I 1967 S. 99, RStBl 1937, 161), nämlich 434 DM ab 1. Juni 1964, lediglich die oben unter b) bis d) aufgeführten Zinsen und die Gebühren zum Abzug zu; außerdem von dem als Damnum angesehenen Kursabschlag einen Teilbetrag von 25 DM. Der Einspruch des Revisionsklägers blieb erfolglos. Das FA machte in der Einspruchsentscheidung den im Veranlagungsverfahren zugelassenen Abzug des Damnum-Teilbetrages in Höhe von 25 DM wieder rückgängig, ohne daß sich das auf die Höhe des Steuerbetrages auswirkte.
Mit der Klage machte der Steuerpflichtige außer den bisher beanspruchten Abzugsbeträgen erstmalig die Berücksichtigung von 150,38 DM Notargebühren, die am 7. April 1964 für die Beurkundung der Schuldurkunde zur hypothekarischen Sicherung des vorbezeichneten Darlehens entstanden und ihm am 15. Mai 1964 in Rechnung gestellt waren, geltend.
Die Klage blieb erfolglos. Das FG führte in dem in den EFG 1967 S. 510 veröffentlichten Urteil aus:
Soweit im Jahr der Bezugsfertigkeit Zinsen auf Zeiträume vor der Bezugsfertigkeit entfielen, könnten sie nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil IV 238/53 U vom 29. Oktober 1953, BFH 58, 162, BStBl III 1953, 353) unbeschränkt berücksichtigt werden. Für die Zuordnung der Schuldzinsen auf die Zeit vor und nach der Bezugsfertigkeit eines Einfamilienhauses komme es darauf an, auf welche Kalendermonate sie entfielen, nicht aber, wann sie gezahlt worden seien (BFH-Urteil IV 622/53 U vom 25. November 1954, BFH 60, 67, BStBl III 1955, 26). Entsprechendes habe für ein wie Schuldzinsen zu behandelndes Damnum zu gelten. Dieses entfalle auf die Zeit nach der Bezugsfertigkeit des Einfamilienhauses, weil das Darlehen, zu dem es gehöre, erst nach diesem Zeitpunkt ausbezahlt worden sei. Zinsen hierfür könnten sich deshalb nur auf die Zukunft erstrecken. Ohne Bedeutung für die Bezugsfertigkeit sei der Ansatz des Grundbetrages durch das FA erst ab 1. Juni 1964. Die Anordnung, bei der Anwendung der EinfHaus-VO nur von vollen Kalendermonaten auszugehen, sei eine von der Finanzverwaltung zugelassene Vereinfachung, die die Steuergerichte nicht binde. Entfalle ein Damnum nach alledem auf die Zeit nach der Bezugsfertigkeit des Hauses, so unterliege es grundsätzlich dem begrenzten Abzug nach § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO. Da hier der Grundbetrag jedoch durch die vom Steuerpflichtigen bezahlten Schuldzinsen bereits ausgeschöpft sei, wirke es sich nicht einkommensmindernd aus. Darauf, daß der Steuerpflichtige bereits vor der Bezugsfertigkeit des Hauses mit der Zahlung des Damnums einverstanden gewesen sei, komme es nicht an.
Es sei zweifelhaft, ob die Notargebühren Schuldzinsen und daher absetzbar seien; sie könnten allenfalls dann abgesetzt werden, wenn sie vor der Bezugsfertigkeit bezahlt worden wären. Diese Frage könne indes auf sich beruhen, weil ein etwaiger Abzug sich ohnehin nicht auswirken würde. Das FA habe nämlich zu Unrecht die Darlehnszinsen in Höhe von 368,33 DM für die Zeit vom 27. Mai bis 30. Juni 1964 zum Abzug zugelassen.
Ein Abzug der nach § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO nicht berücksichtigungsfähigen Schuldzinsen als Sonderausgaben sei ebenfalls nicht möglich. Der Senat bejahe aus den vom BFH in den Urteilen VI 23/55 S vom 25. Januar 1957 (BFH 64, 345, BStBl III 1957, 131) und VI 251/65 vom 4. März 1966 (BFH 86, 78, BStBl III 1966, 350) und dem BVerfG in dem Beschluß 1 BvR 488/57 vom 3. Dezember 1958 (BVerfGE 9, 3, BStBl I 1959, 68 ff.) angeführten Gründen die Verfassungsmäßigkeit der EinfHaus-VO. Das BVerfG habe sich zwar mit der Frage der Zulässigkeit des Abzugs der Schuldzinsen als Sonderausgaben nicht ausdrücklich befaßt. Dessen habe es aber auch nicht bedurft, weil die nach § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO nicht berücksichtigungsfähigen Schuldzinsen ihren Charakter als Werbungskosten nicht einbüßten und deshalb keine Sonderausgaben seien (§ 10 Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Erwägungen, aus denen der BFH im Urteil VI 26/62 S vom 27. November 1964 (BFH 81, 452, BStBl III 1965, 164) die Schuldzinsen für Kredite zum Erwerb von Wertpapieren über deren Erträge hinaus als Sonderausgaben zugelassen habe, träfen für den Schuldzinsenabzug bei eigengenutzten Einfamilienhäusern nicht zu.
Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige die Verletzung von Bundesrecht. Er beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Damnum bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für 1964 in voller Höhe als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen. Das Damnum entfalle auf die Zeit vor der Bezugsfertigkeit des Hauses, so daß es gleichermaßen wie die Bereitstellungszinsen und die Prüfungs- und Bearbeitungsgebühr zum vollen Abzug zuzulassen sei. Zweifelsfrei sei eine Einigung zwischen ihm und der Bank über das Darlehen und die Bedingungen durch die Bewilligung der Bank vom 3. April 1964 und die Einverständniserklärung des Revisionsklägers vom 7. April 1965 erfolgt. Dadurch seien gegenseitige Pflichten - so beispielsweise für die Bank die Beschaffung und Bereitstellung des Darlehens und für ihn die Bestellung der Hypothek, die am 24. April 1964, also vor Bezugsfertigkeit grundbuchlich eingetragen worden sei - begründet, die von beiden Seiten erfüllt worden seien. Das Damnum sei auch vor Bezugsfertigkeit des Hauses entstanden. Ein Damnum enthalte vorwiegend Aufwendungen, die die Bank ihrerseits mit der Beschaffung des Darlehnsbetrages gehabt habe; mit dem Damnum würden die Vorkosten der Bank für die Beschaffung der Darlehnsmittel abgegolten. Diese Geldbeschaffungskosten der Bank seien aber bereits mit der Bereitstellung des Darlehens, die vor Bezugsfertigkeit des Hauses erfolgt sei und für die er Bereitstellungszinsen ab 1. April 1964 bezahlt habe, angefallen; es sei mit ihm vor der Bezugsfertigkeit vereinbart worden, daß von ihm diese Darlehnsvorkosten als Damnum zu tragen seien. Das Damnum entfalle daher in doppeltem Sinne auf die Zeit vor Bezugsfertigkeit des Hauses, nämlich einmal deshalb, weil die entsprechenden Vorkosten tatsächlich bereits entstanden seien als das Darlehen zu seiner Verfügung bereitgehalten worden sei, und zum anderen, weil er sich bereits der Bank gegenüber verpflichtet habe, das Damnum zu bezahlen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus wird nach der EinfHaus-VO ermittelt. Danach sind Schuldzinsen nur bis zur Höhe des Grundbetrages absetzbar. Besonderheiten gelten aber für das Kalenderjahr, in dem das Einfamilienhaus bezugsfertig wird: Schuldzinsen, die auf die Zeit bis zur Bezugsfertigkeit entfallen - sog. Bauzinsen -, sind in voller Höhe abzugsfähig (BFH-Urteil IV 238/53 U, a. a. O.).
Im Streitfall ist nach den Feststellungen der Vorinstanz das Einfamilienhaus am 1. Mai 1964 bezugsfertig geworden und am 22. Mai 1964 von dem Steuerpflichtigen bezogen worden. Der 1. Mai 1964 ist also der maßgebende Zeitpunkt, nach dem die Abzugsfähigkeit zu beurteilen ist. Vereinfachende Verwaltungsregelungen, die eine abweichende Festsetzung des maßgeblichen Zeitpunkts vorsehen, sind - wie das FG zutreffend hervorhebt - für die rechtliche Beurteilung unerheblich.
Unstreitig ist die Darlehnsvaluta um einen "Kursabschlag" von 2 v. H. = 1 200 DM gekürzt worden. Der Würdigung des FG, daß hierin ein Damnum im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu sehen ist, ist zu folgen. Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 2/64 S vom 6. Dezember 1965 (BFH 84, 399, BStBl III 1966, 144) bedeutet das Damnum in der Regel eine neben der laufenden Verzinsung geleistete zusätzliche Vergütung für die Kapitalnutzung. Umstände, die im Streitfall für ein Abweichen von dieser Regel sprechen würden, sind nicht erkennbar.
Nach dem bezeichneten Beschluß richtete sich die Beurteilung, wann die Leistung des Damnums eine Ausgabe im Sinne des § 11 Abs. 2 EStG ist, nach den durchgeführten Vereinbarungen der Vertragsparteien. Maßgebend ist danach, wann das Damnum bei dem Steuerpflichtigen abgeflossen ist. Besteht zwischen Darlehnsgeber und Darlehnsnehmer Einigkeit darüber, daß der Darlehnsgeber bei Auszahlung des Darlehens einen Teil als Damnum einbehält, so ist darin nach der Auffassung des Großen Senats die Vereinbarung des Damnums und gleichzeitig die Abrede über die Tilgung des Damnums zu sehen (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats VI R 211/66 vom 28. Juni 1968, BFH 93, 276, BStBl II 1968, 816). Das Damnum ist nach dem bezeichneten Beschluß des Großen Senats des BFH in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem das um das Damnum gekürzte Kapital ausgezahlt worden ist, und innerhalb dieses Kalenderjahres in dem Zeitpunkt, in dem dem Darlehnsschuldner das Darlehnskapital zufließt. Der maßgebende Zeitpunkt der Leistung ist, wie Giesing in BB 1964, 591 zutreffend ausführt, nicht nur rechtlich-formal, sondern in erster Linie wirtschaftlich zu verstehen. Wirtschaftlich wird hiernach das Damnum vom Zeitpunkt der unter Abzug vorgenommenen Auszahlung des Darlehens an dem Gläubiger als Aktivposten (Forderung), dem Schuldner als Passivposten (Schuld) zugerechnet. Diese Auslegung entspricht auch allein der gemäß § 1 Abs. 2 StAnpG gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Erst vom Zeitpunkt der Auszahlung der Darlehnsvaluta an kommt der Schuldner in deren Genuß.
Den Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen diese Auslegung vermag der Senat nicht zu folgen. Die vorhergehende Bewilligung des Darlehens hat für den Darlehnsschuldner keine unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen, kann also nicht als Zeitpunkt des Abflusses des Damnums angesehen werden. Die vom Steuerpflichtigen bereits durch die Einverständniserklärung mit den Darlehnsbedingungen eingegangene Verpflichtung zur Leistung des Damnums ist für die Anwendung des § 11 EStG, auf die es hier allein ankommt, unwesentlich; denn sie führt noch nicht zum Zu- und Abfluß von Beträgen.
Es ist dem Steuerpflichtigen zuzustimmen, daß das Damnum in vielen Fällen vom Darlehnsgläubiger beansprucht wird, weil er damit Aufwendungen abdecken will, die ihm durch die Beschaffung der für die Darlehnsgewährung erforderlichen Mittel entstanden sind. Ob das auch im Streitfall das Motiv für die Vereinbarung des Damnums war, braucht jedoch nicht geprüft zu werden, weil es hierauf nicht ankommt. Von Bedeutung ist nicht, welche Aufwendungen das Damnum beim Darlehnsgläubiger abdecken soll, sondern allein, wann das Damnum beim Schuldner bei wirtschaftlicher Betrachtung abgeflossen ist. Das ist - wie ausgeführt wurde - der Zeitpunkt, in dem das Darlehen unter Kürzung um das Damnum ausgezahlt wurde. Da dieser Zeitpunkt, der 27. Mai 1964, nach der Bezugsfertigkeit des Einfamilienhauses liegt, kann eine Berücksichtigung des Damnums nicht in Betracht kommen.
Fundstellen
Haufe-Index 68989 |
BStBl II 1970, 453 |
BFHE 1970, 490 |