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BFH Urteil vom 10.03.1992 - VII R 34/91

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollwert und Einfuhrumsatzsteuerwert bei der Einfuhr von Übersetzungen auf Disketten und von schriftlichen Übersetzungen - Kaufgeschäft i.S. des Art. 3 ZWVO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Bemessung des Zollwerts und des Einfuhrumsatzsteuerwerts bei eingeführten Disketten, auf denen ein in eine andere Sprache übersetzter Text gespeichert ist, ist der gesamte für die Diskette mit der Übersetzung gezahlte Preis zugrunde zu legen.

2. Bei der Einfuhr schriftlicher Übersetzungen ist für die Bemessung des Einfuhrumsatzsteuerwerts das für den Erwerb der Übersetzung gezahlte Entgelt zugrunde zu legen.

 

Orientierungssatz

Der dem Art. 3 ZWVO zugrunde liegende Begriff des Kaufgeschäfts ist im weitesten Sinne des Wortes zu verstehen, um der Grundtendenz der ZWVO folgend den Transaktionswert in größtmöglichem Umfang für Bewertungszwecke heranzuziehen (vgl. Literatur).

 

Normenkette

UStG 1980 § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1; AZO § 78 Abs. 2; EWGV 1224/80 Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 8a

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) führte aus der Schweiz

- eine Diskette, bespielt mit vier Übersetzungen und

- schriftliche Übersetzungen

ein. Das Hauptzollamt (HZA) forderte mit Steuerbescheid 531,50 DM an Eingangsabgaben (36,30 DM Zoll und 495,20 DM Einfuhrumsatzsteuer) an. Dabei legte es zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Eingangsabgaben den für die Diskette mit Übersetzung gezahlten Preis von 712,80 DM und den für die schriftlichen Übersetzungen gezahlten Preis von 2 788 DM zugrunde. Die schriftlichen Übersetzungen sah das HZA als tariflich zollfrei an und erhob insoweit nur die Einfuhrumsatzsteuer.

Die gegen den Steuerbescheid erhobene Sprungklage war erfolgreich.

Das Finanzgericht (FG) entschied, daß keine Eingangsabgaben zu erheben seien, weil diese unterhalb der Kleinbetragsgrenze nach § 78 Abs.2 der Allgemeinen Zollordnung (AZO) lägen.

Für die Diskette, die der Tarifnr.92.12 B II b 2 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zuzuordnen sei, sei kein Kaufpreis i.S. von Art.2 Abs.1, Art.3 der Verordnung (EWG) Nr.1224/80 des Rates vom 28.Mai 1980 über den Zollwert der Waren --ZWVO-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1980 L 134/1) gezahlt worden, sondern nur ein Entgelt für die Übersetzung, mit der die Diskette zum Zeitpunkt der Einfuhr besprochen gewesen sei. Die Übersetzung sei als solche keine Ware und unterliege deshalb bei der Einfuhr keinem Zoll. Die Übersetzung sei kein wertbestimmender Bestandteil der Diskette; etwas anderes würde nur gelten, wenn Diskette und Übersetzung "schallplattengleich" miteinander verbunden wären, was hier aber nicht der Fall sei. Da der Zollwert der Diskette nicht nach Art.3 ZWVO ermittelt werden könne, sei er nach Art.2 Abs.3 ZWVO zu schätzen. Die Schätzung ergebe für die Diskette einen Zollwert von 1 DM. Der Einfuhrumsatzsteuerwert betrage nach Hinzurechnung des anfallenden Zolls 1,05 DM. Die Eingangsabgaben für die Diskette beliefen sich demnach auf 0,05 DM Zoll und 0,15 DM Einfuhrumsatzsteuer.

Entsprechendes ergebe sich für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer hinsichtlich der tariflich zollfreien schriftlichen Übersetzungen. Auch insoweit gehöre zum Einfuhrumsatzsteuerwert nicht der Wert der Übersetzung. Der Materialwert beschriebenen Papiers sei zu vernachlässigen bzw. auf nahezu 0 zu schätzen. Demnach fielen insoweit keine Eingangsabgaben an.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das HZA im Ergebnis geltend, bei der Diskette und den schriftlichen Übersetzungen handele es sich um Waren, bei denen die Übersetzung ein wertbestimmender Bestandteil sei. Das gelte auch für die Bestimmung des Einfuhrumsatzsteuerwertes nach § 11 Abs.1 Satz 1, 1.Halbsatz des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980), die Waren seien auch "Gegenstände" im Sinne dieser Vorschrift.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des HZA ist begründet.

Das Urteil des FG beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es ist daher aufzuheben, und die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO).

Das FG hat rechtsfehlerhaft erkannt, daß die Eingangsabgaben für die Diskette unterhalb der Grenze liegen, bis zu der nach § 78 Abs.2 AZO keine Eingangsabgaben erhoben werden, und daß für die schriftlichen Übersetzungen keine Einfuhrumsatzsteuer anfällt, weil das beschriebene Papier keinen Wert hat. Zu diesem Ergebnis ist es auf Grund einer unrichtigen Anwendung der ZWVO und des § 11 Abs.1 UStG 1980 gelangt.

1. Entgegen der Auffassung des FG hat das HZA in seinem Steuerbescheid der Berechnung der Eingangsabgaben für die Diskette zutreffend den dafür gezahlten Preis (einschließlich Übersetzung) als Zollwert zugrunde gelegt.

a) Bei der Diskette --einer Ware im Sinne des Zollgesetzes-- bemißt sich der Zollwert nach Art.2 Abs.1 ZWVO gemäß Art.3 der genannten Verordnung. Zollwert ist danach der Transaktionswert der eingeführten Ware, d.h. der für die Ware bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis.

Es mag einzuräumen sein, daß im vorliegenden Fall ein Kaufvertrag im Sinne des deutschen Rechts über den Erwerb der Diskette mit Übersetzung nicht vorlag, sondern eher ein Werklieferungsvertrag (§ 651 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--), oder daß gar ein Vertrag sui generis angenommen werden muß, weil es dem Erwerber insbesondere auf den Erwerb der Übersetzung ankam. Dies bedeutet jedoch nicht, daß in diesem Fall Art.3 ZWVO nicht angewendet werden kann. Der dem Art.3 ZWVO zugrunde liegende Begriff des Kaufgeschäfts ist vielmehr im weitesten Sinne des Wortes zu verstehen, um der Grundtendenz der ZWVO folgend den Transaktionswert in größtmöglichem Umfang für Bewertungszwecke heranzuziehen (Zepf, Wertverzollung, Art.3 ZWVO Anm.A 2.4.3 Abs.3). Danach ist der Transaktionswert auch in diesem Fall als Bewertungsmaßstab anzuwenden.

Dabei ist nicht nur von dem Materialwert der Diskette auszugehen, sondern deren Wert einschließlich der darauf enthaltenen Übersetzung zugrunde zu legen. Bei der Übersetzung handelt es sich zwar um ein immaterielles Gut. Dieses ist jedoch in der Ware verkörpert und demnach Bestandteil der eingeführten Ware, selbst wenn die Übersetzung auch anders hätte übermittelt werden können.

Der EuGH hat in diesem Sinne --auf einen entsprechenden Vorlagebeschluß des Senats vom 13.Februar 1989 VII R 167, 168/85 (BFHE 156, 295) hin-- in seinem Urteil vom 18.April 1991 Rs.C-79/89 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1991, 439) für den Fall einer auf Datenträger gespeicherten Anwendersoftware entschieden. Für die hier vorliegende Übersetzung ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht anders zu entscheiden, weil es sich in beiden Fällen um ein immaterielles Gut handelt, das jedenfalls auch im vorliegenden Fall in dem für die Festsetzung des Zollwerts maßgebenden Zeitpunkt auf der Diskette verkörpert war (vgl. Urteil des EuGH, a.a.O., Tz.22), ohne daß es "schallplattengleich" mit dem Trägermedium Diskette verbunden war.

Der vom EuGH entschiedene Fall unterscheidet sich insoweit nicht von dem vorliegenden. Ebenso wie im Streitfall die Übersetzung wurde auch in dem vom EuGH entschiedenen Fall die Software nicht als Ware angesehen, die als solche dem GZT unterliegt. Das immaterielle Wirtschaftsgut (Übersetzung, Anwendersoftware) wurde in beiden Fällen erst durch seine Verkörperung auf dem Trägermedium im Zeitpunkt der Einfuhr dessen Bestandteil und fließt damit in dessen Wert ein, und zwar unabhängig davon, was anschließend mit ihm geschieht oder wie es verwendet wird.

Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird auch dadurch deutlich, daß die Diskette nicht um ihrer selbst willen, sondern nur deshalb eingeführt wurde, weil darauf die Übersetzungen gespeichert waren. Im übrigen wird dieses Ergebnis auch durch Art.109 Buchst.h der Verordnung (EWG) Nr.918/83 des Rates vom 28.März 1983 (ABlEG 1983 L 105/1) gestützt, wonach für Informationsträger unter bestimmten Voraussetzungen eine außertarifliche Zollfreiheit eingeräumt wird. Diese Vorschrift wäre nicht notwendig gewesen, wenn der Verordnungsgeber davon ausgegangen wäre, daß nur der Materialwert des Informationsträgers Grundlage für die Bemessung des Zolls wäre.

b) Hinsichtlich der Bestimmung des Einfuhrumsatzsteuerwertes für die Diskette gilt gemäß § 11 Abs.1 Satz 1 UStG 1980 entsprechendes, weil danach der Umsatz bei der Einfuhr nach dem Wert des eingeführten Gegenstandes nach den jeweiligen Vorschriften über den Zollwert bemessen wird.

Zwar spricht § 11 UStG 1980 nicht von einer Ware, sondern stattdessen --wie das gesamte UStG 1980-- von einem Gegenstand. Hieraus läßt sich für den Fall der Diskette als Träger eines in eine andere Sprache übersetzten Textes nicht entnehmen, daß nur die Diskette selbst als "Gegenstand" anzusehen ist. Denn beide Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, daß unter "Waren" im Sinne des Zollrechts nur bewegliche Sachen, unter dem Begriff "Gegenstand" darüber hinaus auch nichtkörperliche Güter --z.B. elektrische Energie, Wärme--, die Handels- und Wirtschaftsgüter darstellen, erfaßt werden (Rau/Dürrwächter/Flick/ Koch, Umsatzsteuergesetz, § 1 Anm.767).

Eine andere Frage ist, ob der Umsatz, der den Erwerb der Diskette mit Übersetzung zum Gegenstand hat, eine Lieferung oder eine sonstige Leistung ist. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in Fällen des Erwerbs eines verkörperten immateriellen Gutes, bei dem das Gegenständliche hinter dem geistigen Inhalt wesentlich zurücktritt, entschieden, daß insoweit nicht eine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung vorliegt (BFH-Urteile vom 18.Mai 1956 V 276/55 U, BFHE 63, 14, BStBl III 1956, 198; vom 14.Februar 1974 V R 129/70, BFHE 111, 379, BStBl II 1974, 261; vgl. auch Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, §§ 1 bis 3 Rdnrn.439/2, 850 - 850/2; Sontheimer, Die Besteuerung von Software, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1983, 350, 355 ff.). Hieraus kann jedoch für den Fall der Einfuhr derartiger Gegenstände nicht gefolgert werden, daß sich ihr Einfuhrumsatzsteuerwert nach anderen Gesichtspunkten als der Zollwert bemißt (vgl. Bail/Schädel/Hutter, Kommentar Zollrecht, E I/10, 11 Rz.13). Denn der Gesetzgeber hat in § 11 Abs.1 Satz 1 letzter Halbsatz UStG 1980 für die Anwendung der Zollwertvorschriften ausdrücklich die in diesen für die "Software" (einschließlich der vom EuGH als immaterielles Wirtschaftsgut angesehenen Anwendersoftware) gemachte Ausnahme aufgehoben (vgl. dazu im einzelnen Bail/Schädel/Hutter, a.a.O., E I/10, 11 Rz.12). Daraus ergibt sich, daß jedenfalls der Wert dieses in einem Gegenstand verkörperten immateriellen Gutes bei der Berechnung des Einfuhrumsatzsteuerwertes zu berücksichtigen ist, gleichgültig ob der Umsatz, wäre er im Inland durchgeführt worden, als Lieferung oder sonstige Leistung anzusehen wäre.

Entsprechendes muß demnach auch für andere in einem Gegenstand verkörperte immaterielle Güter gelten. Insoweit ergibt sich für eine unterschiedliche Behandlung kein Grund. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der Gesetzgeber für die Einfuhr von Gegenständen generell auch den darin möglicherweise verkörperten immateriellen Wert der Einfuhrumsatzsteuer unterwerfen wollte (vgl. im Ergebnis FG Hamburg, Urteil vom 10.Juni 1988 IV 326/85 N, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1989, 37). Wie oben unter 1. a) dargestellt, ist daher für die Bestimmung des Einfuhrumsatzsteuerwertes der Diskette ebenfalls der für die Diskette mit den darauf enthaltenen Übersetzungen gezahlte Preis (Zollwert) zuzüglich des gezahlten Zolls zugrunde zu legen.

2. Das HZA hat in seinem Steuerbescheid die Einfuhrumsatzsteuer auch für die schriftlichen Übersetzungen auf Grund des zutreffenden Einfuhrumsatzsteuerwertes festgesetzt, indem es den für die schriftlichen Übersetzungen gezahlten Preis zugrunde legte.

Da die schriftlichen Übersetzungen tariflich zollfrei waren, unterlagen sie nicht dem Wertzoll, so daß nach § 11 Abs.1 Satz 2 UStG 1980 der Umsatz bei der Einfuhr nach dem Entgelt dieser Gegenstände bemessen wird. Entgelt ist nach § 10 Abs.1 Satz 2 UStG 1980 alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Dieser Aufwand bestand im vorliegenden Fall in dem gezahlten Preis für die durch die Schriftstücke verkörperte Übersetzung; insoweit gelten die oben zu 1. b) gemachten Ausführungen entsprechend.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 38

BFHE 167, 240

BFHE 1992, 240

BB 1992, 914 (L)

HFR 1992, 421 (LT)

StE 1992, 279 (K)

UVR 1992, 209 (L)

RIW/AWD 1992, 506 (KT)

ZfZ 1992, 177 (KT)

CR 1992, 540-541 (LT)

DuD 1993, 649 (S)

Jur-PC 1992, 1870-1872 (LT)

NJW-CoR 1993, Nr 3, 28 (L)

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