Leitsatz (amtlich)
Ein mehrjähriges Praktikum bei einem FA als Finanzschüler steht einer Lehrzeit im steuerberatenden Beruf im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. nicht gleich.
Normenkette
StBerG a.F. § 6 Abs. 1
Tatbestand
Der 1947 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) trat nach erfolgreich abgeschlossenem Mittelschulbesuch am 1. April 1965 als Finanzschüler in die Finanzverwaltung ein und durchlief zunächst ein zweijähriges Praktikum bei einem FA. Während dieser Zeit nahm er am Unterricht der kaufmännischen Berufsschule, an einem einmonatigen Einführungslehrgang für Verwaltungslehrlinge und später an einem zweimonatigen Abschlußlehrgang an einer Gemeindeverwaltungs- und Sparkassenschule teil. Am 1. April 1967 begann er seine Ausbildung als Finanzanwärter und bestand am 30. Juni 1967 die Zwischenprüfung und am 28. November 1969 die Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst. Im Anschluß hieran war der Kläger als Sachbearbeiter beim FA tätig. Am 1. April 1970 wurde er zum Steuerinspektor z. A. ernannt. Mit Wirkung vom 31. Juli 1970 schied der Kläger auf eigenen Wunsch aus dem Dienst der Finanzverwaltung aus und trat am 1. August 1970 als Gehilfe in die Praxis eines Steuerbevollmächtigten ein. Ab. 1. Januar 1971 ist er in einem Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsbüro tätig.
Am 28. Februar 1971 beantragte der Kläger die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter. Der Zulassungsausschuß der Beklagten und Revisionsbeklagten (OFD) wies diesen Antrag in seiner Entscheidung vom 15. April 1971 mit der Begründung zurück, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG. Nach der Rechtsprechung sei zwar eine mit der Steuerinspektorenprüfung abgeschlossene dreijährige Ausbildung als Finanzanwärter der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG vorgesehenen Lehrzeit im steuerberatenden Beruf einschließlich der erfolgreichen Gehilfenprüfung gleichzuachten. § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG verlange aber, daß der Bewerber nach Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr 2 StBerG eine mindestens vierjährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens nachweisen könne. Da der Kläger seine Inspektorenprüfung am 28. November 1969 abgelegt habe, würde die vierjährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiete des Steuerwesens erst am 28. November 1973 enden. Die Tätigkeit des Klägers als Finanzschüler könne nicht als Lehrzeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG gewertet werden. Diese Praktikantenausbildung solle nur der Angleichung der allgemeinen Vorbildung an die der Abiturienten dienen. Sie habe somit keine steuerliche Ausbildung zum Ziel.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren, die Praktikantenausbildung als Lehrzeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG anzusehen, weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das Steuerberatungsgesetz ist zwar inzwischen durch das 2. StBerändG vom 11. August 1972 (BGBl I, 1401, BStBl I, 432) umfassend geändert worden. Als der Zulassungsausschuß der OFD über den Antrag des Klägers zu befinden hatte, galt aber noch der alte Rechtszustand. Zu entscheiden ist daher, ob der Kläger die Vorbildungsvoraussetzungen erfüllte, die in § 6 StBerG in seiner bis zum Änderungsgesetz geltenden Fassung für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung verlangt wurden.
Der Kläger hat die mittlere Reife und besitzt somit die für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung geforderte Allgemeinbildung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG a. F.). Der Senat muß aber der Auffassung der Vorinstanz zustimmen, daß der Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses noch nicht die anderen, hier insbesondere die beruflichen Vorbildungsvoraussetzungen erfüllte, die in § 6 Abs. 1 StBerG a. F. weiterhin verlangt werden. Seine am 28. November 1969 mit der Inspektorenprüfung abgeschlossene Finanzanwärterausbildung ist zwar nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 8. März 1966 VII 141/65 (BFHE 85, 61, BStBl III 1966, 234) der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. angeführten, mit der Gehilfenprüfung abgeschlossenen Lehrzeit im steuerberatenden Beruf gleichzuachten. Dieser Ausbildungszeit muß aber nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG a. F. eine vier Jahre lang dauernde hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens folgen. Diese Voraussetzung kann, wie die OFD in ihrer Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, frühestens am 28. November 1973 - vorausgesetzt, der Kläger bleibt bis dahin ununterbrochen auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig - erfüllt sein.
Das Begehren des Klägers geht aus diesem Grunde dahin, seine am 31. März 1967 beendete Praktikantenzeit als berufliche Vorbildung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. anzuerkennen. Da sich dieser Praktikantenzeit sofort seine Ausbildung als Finanzanwärter anschloß, die nach dem Urteil des Senats vom 16. November 1965 VII 17/65 U (BFHE 83, 660, BStBl III 1965, 739) gleichfalls eine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens darstellt, und der Kläger nach Beendigung seiner Finanzanwärterzeit weiterhin ununterbrochen auf diesem Gebiet tätig gewesen ist, könnte - wenn man der Auffassung des Klägers hinsichtlich der Praktikantenzeit folgt - das in § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG a. F. verlangte Erfordernis einer vierjährigen einschlägigen beruflichen Tätigkeit im Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses erfüllt gewesen sein. Es ist somit von ausschlaggebender Bedeutung, wie die vorausgehende Praktikantenzeit als Finanzschüler rechtlich zu beurteilen ist.
Hier muß der Senat der Auffassung der Vorinstanz zustimmen, daß die Praktikantenzeit als Finanzschüler die berufliche Vorbildungsvoraussetzung, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. von einem Prüfungsbewerber für die Steuerbevollmächtigtenprüfung verlangt wird, nicht erfüllt. Das Gesetz verlangt grundsätzlich eine mit der Gehilfenprüfung abgeschlossene Lehre im steuerberatenden, wirtschaftsberatenden oder kaufmännischen Beruf. Gleichgestellt ist der viersemestrige Besuch einer als geeignet anerkannten Verwaltungsakademie oder einer gleichwertigen Lehranstalt. Über den reinen Gesetzeswortlaut hinaus hat der Senat bislang nur die nach kaufmännischer Lehre mit Erfolg abgelegte Bilanzbuchhalterprüfung (Urteil vom 9. Mai 1967 VII 170/65, BFHE 88, 481, BStBl III 1967, 437) und die schon erwähnte, nach dreijähriger Fachausbildung abgelegte Inspektorenprüfung als Erfüllung der fachlichen Vorbildungsvoraussetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. angesehen. Hingegen hat es der Senat abgelehnt, diese Gleichsetzung auf die Ausbildung und Prüfung eines Anlernlings als Bürogehilfen auszudehnen (Urteil vom 22. Dezember 1970 VII R 111/69, BFHE 101, 340, BStBl II 1971, 311).
Die Bilanzbuchhalterprüfung ist der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. erwähnten Kaufmannsgehilfenprüfung schon deshalb mehr als gleichwertig, weil sie besonders erfahrenen Buchhaltern bestätigt, daß sie das betriebliche Rechnungswesen einschließlich der Bilanzierung beherrschen und die daraus zu gewinnenden Erkenntnisse auszuwerten verstehen (vgl. Urteil des BFH vom 9. Mai 1967 VII 174/65, BFHE 88, 485, BStBl III 1967, 438). Die Gleichstellung der Steuerinspektorenprüfung mit der Gehilfenprüfung im steuerberatenden Beruf erschien dem Senat deshalb unbedenklich, weil die vorausgehende etwa drei Jahre dauernde Finanzanwärterzeit eingehende und umfassende Kenntnisse auf dem Gebiet des gesamten Steuerrechts vermittelt.
Demgegenüber ist, wie die Vorentscheidung zu Recht ausführt, der Zweck einer Praktikantenausbildung ein ganz anderer. Das Praktikum soll nach § 19 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Steuerbeamten (APO) vom 30. April 1962 (BGBl I, 245, BStBl I, 809) die Unterschiede der Vorbildung und des Alters bis zum Beginn des Vorbereitungsdienstes ausgleichen. Die Praktikanten sollen in die Aufgaben der Finanzverwaltung eingeführt werden. Sie erhalten Unterricht über Fragen der Allgemeinbildung, der Verwaltungs- und Staatsbürgerkunde. Sie haben außerdem an dem gesetzlich vorgeschriebenen Berufsschulunterricht teilzunehmen.
Der Senat verkennt nicht, daß einem Finanzschüler während seines Praktikums steuerliche Kenntnisse vermittelt werden. Die während dieser Tätigkeit erworbenen Fachkenntnisse sind aber nicht annähernd so umfassend, wie z. B. die eines Finanzanwärters nach Beendigung seines Vorbereitungsdienstes. Die Ausbildung des Finanzschülers ist darauf abgestellt, ihn in den Aufgabenbereich der Finanzverwaltung einzuführen und ihm einen gewissen Überblick zu verschaffen, so daß er später in der Lage ist, den Vorbereitungsdienst für die von ihm gewählte Laufbahn eines Steuerbeamten zu beginnen. Die Ausbildung als Finanzschüler trägt damit ausschließlich den Belangen der Finanzverwaltung und nicht etwa einer späteren steuerberatenden Tätigkeit Rechnung. Das Gesetz stellt aber in § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. gerade auf die Belange des zu ergreifenden Berufs eines Steuerbevollmächtigten ab und sieht aus berechtigtem Grund einen Ersatz für die dort genannten abgeschlossenen Lehrzeiten oder den viersemestrigen Besuch einer Verwaltungsakademie oder gleichwertigen Lehranstalt nicht vor. Bei einer entsprechenden Anwendung oder erweiternden Auslegung dieser Bestimmung müssen daher die Gerichte zurückhaltend sein und dürfen den Sinn und Zweck des Gesetzes nicht aus den Augen verlieren. So hat es der Senat abgelehnt, den einjährigen Besuch von Finanzschulen und eine zweijährige Tätigkeit bei der Finanzverwaltung als Erfüllung der Voraussetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. anzusehen (Urteil vom 26. November 1963 VII 239/63 U, BFHE 78, 64, BStBl III 1964, 23). Wird nun vom Gesetz verständlicherweise auf eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung außerhalb der Finanzverwaltung abgestellt, kann eine Ausbildung innerhalb der Finanzverwaltung, die mit den in § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. genannten Ausbildungswegen nicht offensichtlich gleichwertig ist, nicht als Erfüllung der gesetzlich geforderten Vorbildungsvoraussetzungen für den Beruf eines Steuerbevollmächtigten angesehen werden.
Frei von Rechtsirrtum ist auch die Ansicht der Vorinstanz, der Besuch der Berufsschule und die Teilnahme an einem Einführungs- und Abschlußlehrgang an der Gemeideverwaltungs- und Sparkassenschule sei nicht dem Besuch einer in § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. genannten Verwaltungsakademie oder gleichwertigen Lehranstalt gleichzusetzen. Der Kläger geht ferner fehl mit seiner Ansicht, die Vorbildungsvoraussetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. müsse auch dann erfüllt sein, wenn er durch ein zweijähriges Praktikum als Finanzschüler ebenso wie ein Abiturient oder ein Absolvent einer höheren Handelsschule nach § 4 des Steuerbeamtenausbildungsgesetzes vom 16. Mai 1961 (BGBl I, 603, BStBl I, 398) die Befähigung erlangt, in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Dienst der Finanzverwaltung übernommen zu werden. Der Kläger hat jedenfalls eine höhere Handelsschule im Anschluß an die Erlangung der mittleren Reife nicht besucht. Es erübrigt sich daher, darauf einzugehen, ob ein nach Erlangung der mittleren Reife liegender mehrjähriger Besuch einer höheren Handelsschule dem Besuch einer als geeignet anerkannten Verwaltungsakademie oder gleichwertigen Lehranstalt im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. gleichzustellen ist. Das Steuerberatungsgesetz, das ebenso wie das Steuerbeamtenausbildungsgesetz im Jahre 1961 ergangen ist, hat für den Beruf des Steuerberaters und Steuerbevollmächtigten eigene Vorbildungsvoraussetzungen aufgestellt. Hätte der Gesetzgeber für die steuerberatenden Berufe und für die Steuerbeamten im wesentlichen gleiche Vorbildungsvoraussetzungen schaffen wollen, hätte das im Gesetz zum Ausdruck kommen müssen.
Da der Kläger in dem hier allein maßgebenden Zeitpunkt - der Entscheidung durch den Zulassungsausschuß - noch nicht alle Zulassungsvoraussetzung erfüllt hatte, das Gesetz aber verlangt, daß die Voraussetzungen aller drei Ziffern des § 6 Abs. 1 StBerG a. F. erfüllt sein müssen, ist sein Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zu Recht abgelehnt worden. Die Revision gegen das seine Klage abweisende Urteil des FG war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 70484 |
BStBl II 1973, 615 |
BFHE 1973, 412 |