Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinsame Veranlagung von Unternehmern bei Gesamtrechtsnachfolge; keine Umsatzkorrektur bei Wechsel der erleichterten Entgelt-Trennung

 

Leitsatz (NV)

1. Grundsätzlich ist jeder Unternehmer für sich zu veranlagen. Bei Gesamtrechtsnachfolge kann jedoch eine gemeinsame Veranlagung des Rechtsvorgängers und des Rechtsnachfolgers im Einzelfall nicht zu beanstanden sein, wenn kein Interesse erkennbar ist, daß die vom Adressaten des Steuerbescheids als Gesamtrechtsnachfolger geschuldete Umsatzsteuer und die in seiner eigenen Person entstandene Steuer gesondert festgesetzt werden.

2. Wenn das Gesetz Unternehmern, denen eine Trennung der Entgelte nach Steuersätzen in den Aufzeichnungen nicht zumutbar ist, Aufzeichnungserleichterungen einräumt, führt dies notwendig dazu, daß die den verschiedenen Steuersätzen unterliegenden Warenumsätze den Aufzeichnungen nicht exakt entnommen werden können und entsprechend geschätzt werden müssen. Entscheidend ist die Höhe der im Streitjahr (und nicht während der gesamten Dauer der Aufzeichnungserleichterungen) tatsächlich getätigten Warenumsätze.

 

Normenkette

AO 1977 § 162; UStG 1980 § 16 Abs. 1 S. 2, §§ 18, 22; UStDV 1980 § 63 Abs. 5

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) firmierte im Streitjahr (1987) unter dem Namen "G-Handelsgesellschaft m. b. H.". Bis November 1987 war sie alleinige Kommanditistin der L. G GmbH & Co KG (KG), die einen Lebensmittelhandel mit Filialen betrieb. Mit Ablauf des 14. November 1987 schieden die persönlich haftenden Gesellschafter der KG aus der Gesellschaft aus, so daß ihr Vermögen der Klägerin als einziger verbliebener Gesellschafterin anwuchs. Die Klägerin führte den Lebensmittelhandel weiter.

Die KG und die Klägerin tätigten in ihren Filialen Umsätze, die dem Regelsteuersatz und dem ermäßigten Steuersatz unterlagen. Sie entnahmen die entsprechenden Zahlen für ihre Steueranmeldungen jedoch nicht unmittelbar ihren Aufzeichnungen, sondern trennten die Entgelte wie folgt:

Die KG schätzte seit Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit im Juli 1978 die im jeweiligen Voranmeldungszeitraum von den Filialen getätigten Warenverkäufe, die dem Regelsteuersatz unterliegen, entsprechend dem Wareneingang bei den Filialen. Zu diesem Zweck bewertete sie die im entsprechenden Zeitraum von der Zentrale an die Filialbetriebe gelieferten, mit dem Regelsteuersatz zu besteuernden Waren mit den Verkaufspreisen und setzte diesen Betrag -- nach Herausrechnung der Umsatzsteuer -- den im Voranmeldungszeitraum mit dem Regelsteuersatz (14 v. H.) zu besteuernden Umsätzen gleich. Aus der Differenz zu den gesamten Verkaufserlösen der Filialen errechnete sie dann die dem ermäßigten Steuersatz (7 v. H.) unterliegenden Umsätze.

Die Klägerin ermittelte für beide Warengruppen die Filialbelieferungen und trennte in dem sich daraus ergebenden Verhältnis die tatsächlich erzielten Entgelte.

Nach einer Inventur der von der KG übernommenen Waren kam die Klägerin zur Überzeugung, daß die KG aufgrund der von ihr praktizierten Methode zur Trennung der Entgelte tatsächlich noch nicht verkaufte Ware mit dem Regelsteuersatz versteuert habe und die dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Umsätze zu niedrig angegeben habe.

Die Klägerin gab für 1987 zwei Umsatzsteuererklärungen ab. Die eine Umsatzsteuererklärung betraf die eigenen Umsätze, die zweite Umsatzsteuererklärung die von der KG bis zu ihrem Erlöschen getätigten Umsätze. Dort errechnete die Klägerin mit Rücksicht auf den geschilderten Sachverhalt eine um einen Korrekturbetrag von ... DM herabgesetzte Steuerschuld der KG.

Nach einer Außenprüfung faßte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Steuerschulden der Klägerin und der KG in einem an die Klägerin adressierten Bescheid zusammen, ohne die begehrte Korrektur vorzunehmen.

Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage. Während des Klageverfahrens wurde der Steuerbescheid erneut geändert. Die Klägerin machte den Änderungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, ließ aber gegen sein Urteil die Revision zu, da die Zulässigkeit von Umsatzkorrekturen bei erleichterter Aufteilung der Entgelte grundsätzliche Bedeutung habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1010 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung prozessualen und materiellen Rechts. Sie ist unter anderem der Ansicht, das FG habe aufgrund einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts eine unzulässige Doppelbesteuerung ihrer Umsätze verneint. Außerdem habe es die Vorschrift des § 18 Abs. 3 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes -- UStG 1980 -- ("Erfordernis der Schlußerklärung auf den Zeitpunkt des Erlöschens der KG") i. V. m. § 18 Abs. 4 Satz 2 UStG 1980 ("Vergütungsanspruch") verletzt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer um den Korrekturbetrag von ... DM herabzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Der angefochtene Steuerbescheid verstößt nicht deshalb gegen § 18 UStG 1980, weil in ihm die Umsatzsteuer der Unternehmen der Klägerin und der KG zusammengefaßt sind. Nach dieser Vorschrift wird zwar grundsätzlich jeder Unternehmer für sich veranlagt. Dies gilt auch bei Gesamtrechtsnachfolge, da Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger verschiedene Unternehmer sind. So ist z. B. auch bei Gesamtrechtsnachfolge für den Rechsvorgänger und Rechtsnachfolger gesondert zu prüfen, ob er Kleinunternehmer und nach § 19 UStG 1980 zu veranlagen ist (vgl. Mößlang in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuer, § 19 Rz. 10 ff.). Gleichwohl ist es im Einzelfall nicht zu beanstanden, wenn das FA eine gemeinsame Veranlagung durchführt, weil kein Interesse erkennbar ist, daß die vom Adressaten des Steuerbescheids als Gesamtrechtsnachfolger geschuldete Umsatzsteuer und die in seiner eigenen Person entstandene Steuer gesondert festgesetzt werden (vgl. zur Umsatzsteuer Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 29. April 1965 V 46/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965, 522, und zur Gewerbesteuer BFH-Urteil vom 11. August 1993 III R 83/89, BFH/NV 1994, 263).

2. Die vom FG gebilligte Trennung der Entgelte beruht auf einer Schätzung und findet ihre Rechtsgrundlage in § 162 der Abgabenordnung (AO 1977). Wenn das Gesetz (§ 22 UStG 1980, § 63 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung -- UStDV 1980 --) Unternehmern, denen eine Trennung der Entgelte nach Steuersätzen in den Aufzeichnungen nicht zumutbar ist, Aufzeichnungserleichterungen einräumt, führt dies notwendig dazu, daß die den verschiedenen Steuersätzen unterliegenden Warenumsätze den Aufzeichnungen nicht exakt entnommen werden können und entsprechend geschätzt werden müssen.

Die von der KG selbst gewählte Schätzungsmethode entspricht der Regelung in Abschn. 259 Abs. 8 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1985 und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze.

Es ist zwar richtig, daß ein Unternehmer, der von Anfang an den dem Regelsteuersatz unterliegenden Warenverkauf mit dem Wareneinkauf gleichsetzt, den noch nicht umgesetzten Warenbstand am Ende des Unternehmens bereits versteuert hat. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 ist jedoch Besteuerungszeitraum das Kalenderjahr und nicht die Gesamtdauer des Unternehmens. Deshalb kommt es im Streitfall allein darauf an, ob der dem Regelsteuersatz unterliegende Warenverkauf der KG im Streitjahr 1987 hinter dem entsprechenden Wareneingang bei den Filialen zurückblieb. Eine derartige Differenz konnte das FG nicht feststellen.

Das Urteil des FG leidet auch nicht unter einem Rechtsfehler, wenn seine Annahme, daß die Waren binnen weniger Wochen umgesetzt werden, unzutreffend bleiben sollte. Entscheidend ist nicht die Umschlaggeschwindigkeit der Ware, sondern die Höhe der im Streitjahr tatsächlich getätigten Warenumsätze.

Nicht maßgebend ist weiter, ob die von der KG praktizierte Aufteilungsmethode zulässig war. Auch diese Frage hat keinen Einfluß auf die im Streitjahr tatsächlich ausgeführten Umsätze.

Schließlich kann der Grundsatz von Treu und Glauben nicht dazu führen, daß die im Streitjahr getätigten Umsätze entgegen den tatsächlichen Verhältnissen zugunsten der Klägerin korrigiert werden, weil die KG möglicherweise in den Vorjahren die Entgelte zu ihren Ungunsten getrennt hat; dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die möglichen Ungenauigkeiten gemessen am Gesamtumsatz geringfügig sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422242

BFH/NV 1997, 908

UR 1998, 238

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