Leitsatz (amtlich)
1. Die Gesellschaftsteuer erfaßt die Kapitalzuführung und lastet nicht auf den Erträgen der Gesellschaft.
2. Die Fiktion des § 8 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 KVStG 1934/1959 bedeutet, daß der höhere Wert der (neuen) Gesellschaftsrechte maßgebend ist, wenn und soweit dieser als meßbares Bild der Gegenleistung oder der durch diese bewirkten Kapitalzuführung angesehen werden kann; wenn und soweit dies nach dem gegebenen Sachverhalt ausgeschlossen ist, greift die Fiktion nicht ein.
2. Die Fiktion des § 8 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 KVStG 1934/1959 greift bei einer Kapitalerhöhung nicht ein, soweit der den Wert der Gegenleistung übersteigende Mehrwert der an die bisherigen Gesellschafter ausgegebenen neuen Gesellschaftsrechte ausschließlich darauf beruht, daß schon vor der Kapitalerhöhung das Vermögen der Gesellschaft deren Stammkapital (Grundkapital) überstiegen hatte.
Normenkette
KVStG 1934/1959 § 2 Nr. 1, § 8 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, hat in der Gesellschafterversammlung vom 26. September 1964 beschlossen, ihr Stammkapital von bisher 135 000 DM auf 9 045 000 DM zu erhöhen. Die neuen Stammanteile sollten den bisherigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zustehen. Die neuen Stammeinlagen von 8 910 000 DM waren von den Gesellschaftern dadurch zu erbringen, daß sie eine abgetretene und fällige Kaufpreisforderung gegen die Gesellschaft in Höhe von 8 865 000 DM und eine abgetretene und fällige Darlehnsforderung gegen diese in Höhe von 45 000 DM in die Klägerin einbrachten. Diese Kapitalerhöhung ist am 8. Februar 1965 in das Handelsregister eingetragen worden.
Das FA (Beklagter) hat gegen die Klägerin vorläufig 350 000 DM Gesellschaftsteuer festgesetzt und deren Einspruch zurückgewiesen. Zugrunde liegt die Annahme eines Wertes der neuen Gesellschaftsrechte von 14 000 000 DM. Das FG hat die Steuer auf 222 750 DM herabgesetzt. Es geht davon aus, daß bei der Besteuerungsgrundlage nur der Wert der eingebrachten Forderungen von 8 910 000 DM angesetzt werden dürfe. Die Entscheidungsgründe entsprechen denen des Urteils des FG Düsseldorf VI 25/65 vom 28. September 1967 (EFG 1968, 273).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Beklagten ist im Ergebnis unbegründet (§ 126 Abs. 4 FGO).
Die Besteuerung beruht dem Grunde nach auf § 2 Nr. 1 KVStG 1934 (RGBl I 1934, 1058), unverändert in der Fassung vom 24. Juli 1959 (BGBl I 1959, 530) - KVStG 1959 -, neuerdings geltend als § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG. Nach dieser Vorschrift unterliegt der Gesellschaftsteuer der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt (§ 55 Abs. 3 GmbHG).
Über den - umstrittenen - Steuermaßstab beim ersten Erwerb von Gesellschaftsrechten verfügt § 8 Nr. 1 KVStG, hier noch geltend auf Grund des Gesetzes vom 16. Oktober 1934 in der unveränderten Fassung vom 24. Juli 1959. Nach dieser Vorschrift wird die Steuer vom Geldbetrag berechnet, wenn die Gegenleistung in Geld besteht (Buchst. a), wenn sie nicht in Geld besteht (Sacheinlagen) dagegen vom Wert der Gegenleistung, wobei als Wert der Gegenleistung mindestens der Wert der Gesellschaftsrechte gilt (Buchst. b). Falls eine Gegenleistung nicht zu bewirken ist, ist die Steuer vom Wert der Gesellschaftsrechte zu berechnen (§ 8 Nr. 1 Buchst. c KVStG 1934/1959).
Im vorliegenden Fall war die auf das erhöhte Stammkapital zu erbringende Einlage (§ 55 Abs. 1 GmbHG) gemäß ausdrücklicher Bestimmung des Beschlusses über die Kapitalerhöhung (§ 56 Abs. 1 GmbHG) nicht in barem Gelde zu leisten, sondern durch Einbringen einer Forderung gegen die Klägerin. War diese auch eine Geldforderung, so stellte doch deren Einbringen (Erlaß; § 397 Abs. 1 BGB) im Sinne der §§ 56, 19 Abs. 3 GmbHG eine Sacheinlage dar (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 141 S. 204). Auf diesen Begriff der Sacheinlage nimmt § 8 Nr. 1 Buchst. b KVStG 1934/1959 Bezug (Urteil des BFH II 159/65 vom 29. Oktober 1968, BFH 94, 148 [153]).
Der Steuermaßstab folgt somit nicht - wie das FG angenommen hat - aus § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1934/1959, sondern aus § 8 Nr. 1 Buchst. b KVStG 1934/1959. Entgegen der Revision ist dem FG aber darin beizutreten, daß die Steuer gleichwohl nur aus dem Wert der Gegenleistung zu errechnen ist. Denn die Anordnung des § 8 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 KVStG, daß als Wert der Gegenleistung mindestens der Wert der Gesellschaftsrechte gilt, hat nur Sinn, wenn und soweit der Wert der neuen Gesellschaftsrechte in gleicher Weise - wenn auch nicht in gleicher Höhe - wie die Gegenleistung den Wert der Kapitalzuführung repräsentiert. Seinem Sinn und Zweck nach greift § 8 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 KVStG nicht ein, wenn und soweit bei einer Kapitalerhöhung der den Wert der Gegenleistung übersteigende Mehrwert der an die bisherigen Gesellschafter ausgegebenen neuen Gesellschaftsrechte ausschließlich darauf beruht, daß schon vor der Kapitalerhöhung das Vermögen der Gesellschaft deren Stammkapital (Grundkapital) überstiegen hatte. An dem bislang vertretenen gegenteiligen Standpunkt kann bei erneuter Prüfung nicht festgehalten werden.
Zutreffend vermerkt allerdings die Revision, daß Wortlaut und Wortsinn des § 8 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 KVStG 1934/1959 eindeutig für eine Fiktion sprechen. Eine solche war auch gewollt. Während § 11 KVStG 1922 (RGBl I 1922, 335, 354) die Berechnung der Steuer von dem Werte der Gesellschaftsrechte, die das Entgelt für eine nicht in Geld bestehende Leistung bilden, nur zuließ, wenn deren Wert nicht festgestellt oder berechnet werden kann und der Schätzung unverhältnismäßige Schwierigkeiten entgegenstehen, hat die zweite Steuernotverordnung vom 19. Dezember 1923 (RGBl I 1923, 1205, 1221) § 11 Buchst. b Halbsatz 2 KVStG 1922 dahin gefaßt, daß als Wert der Leistung mindestens der Wert der Gesellschaftsrechte gelte, die das Entgelt für die Leistung bilden. Diese Fiktion ist in § 8 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 KVStG 1934 übernommen worden.
Soweit die Fiktion reicht, ist demzufolge der Gegenbeweis, daß der wahre Sachverhalt dem Fiktiven nicht entspreche, ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil II R 27/71 vom 8. Oktober 1971, BFH 103, 447 [448], BStBl II 1972, 61). Der Wirkungsbereich einer gesetzlichen Vorschrift wird aber nicht nur durch Wortlaut und Wortsinn des Einzelsatzes bestimmt (vgl. BFH-Urteil II 162/65 vom 3. Dezember 1969, BFH 98, 59 [64], BStBl II 1970, 279), sondern auch durch dessen Sinnzusammenhang (Entscheidungen des BVerfG - BVerfGE 10, 234 [244] -; 11, 126 [130]) und den diesem zu entnehmenden Gesetzeszweck (BFH-Urteile II 109/65 vom 28. April 1970, BFH 99, 250 [252 f.], BStBl II 1970, 600 und II 232/65 vom 9. Mai 1967, BFH 88, 572 [574], BStBl III 1967, 507).
Der Wirkungsbereich der gesetzlichen Fiktion des § 8 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 KVStG 1934/1959 ist enger als die Wortaussage dieser Vorschrift. Sie sollte - ebenso wie der ihr vorangehende § 11 Buchst. b Halbsatz 2 KVStG 1922 in der Fassung der Notverordnung vom 19. Dezember 1923 (RGBl I 1923, 1205, 1221) - nicht einen für Sachgründungen und Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlagen oder Sachübernahmen prinzipiell abweichenden Steuermaßstab schaffen, sondern nur für die Berechnung der Steuer dem Umstand Rechnung tragen, daß Sacheinlagen nicht gleich einfach zu bewerten sind wie bare Einlagen. Dabei sind zwar periphere Abweichungen in der Besteuerungsgrundlage zwangsläufig in Kauf genommen, nicht aber solche, welche die Systematik der Gesellschaftsteuer als ganze erschüttern würden.
Die zweite Steuernotverordnung vom 19. Dezember 1923 (RGBl I 1923, 1205, 1221) hatte den Grundsatz des § 6 Buchst. a KVStG 1922 unberührt gelassen, daß der Gesellschaftsteuer die "Leistung" für den ersten Erwerb von Gesellschaftsrechten unterlag. Die Änderung des § 11 KVStG 1922 konnte also nur bedeuten, daß für die Bestimmung des Wertes dieser Leistung ein neuer, zusätzlicher Maßstab eingeführt wurde, um einen Streit darüber auszuschließen, ob der Wert der Sachleistungen festgestellt oder berechnet oder ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten geschätzt werden kann. Dagegen hätte es der Unterordnung des Steuermaßstabes unter den Steuertatbestand widersprochen, in der über den Steuermaßstab verfügenden Vorschrift einen Gegenstand der Besteuerung zu unterwerfen, der kraft des Besteuerungstatbestandes nicht der Steuer unterliegt.
Demnach muß man annehmen, daß die zweite Steuernotverordnung vor allem diejenigen Sachgründungen im Auge hatte, bei denen die Gründer einer Aktiengesellschaft einen - nur schwer zu bewertenden (vgl. BFH-Urteil II 95-96/64 vom 16. Juni 1970, BFH 99, 413 [421 ff.], BStBl II 1970, 690) - Betrieb in die Gesellschaft einbringen, während sich für die neu ausgegebenen Aktien alsbald ein fester Kurs bilden kann. In diesem Falle kann der Kurswert der Aktien als ein - wenn auch nicht genaues - Spiegelbild der Leistungen angesehen werden, welche die Gründer für den ersten Erwerb dieser Aktien erbracht haben. Dagegen hätte es dem Zweck der erstrebten Vereinfachung widersprochen, wenn etwa bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung außer dem klaren Wert eingebrachter Geldforderungen noch der - nicht aus Börsenkursen ableitbare - Wert der neuen Gesellschaftsrechte hätte ermittelt werden müssen. Dieser zweite Wert würde bei einer Sachgründung regelmäßig nicht weit von dem ersten abweichen, beim Einbringen von Geldforderungen wegen der Vorbelastung mit Gründungskosten sogar niedriger sein. Wesentlich höhere Werte hätten also nur bei einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen oder Sachübernahmen in Frage kommen können, wenn das Realvermögen der Gesellschaft den Nennwert der Anteile überstiegen hätte. In diesem Falle wäre aber die Erfassung der stillen Reserven, da diese keine "Leistung" des Gesellschafters darstellen, unter der Herrschaft des § 6 Buchst. a KVStG 1922 tatbestandswidrig gewesen.
Dieses Argument gilt nicht mehr für das KVStG 1934 (RGBl I 1934, 1058). Denn dessen § 2 Nr. 1 setzt im Besteuerungstatbestand keine "Leistung" mehr voraus, sondern unterwirft der Steuer den "Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber". Trotzdem kann nicht angenommen werden, daß dadurch § 8 Nr. 1 Buchst. b KVStG 1934 eine von § 11 Buchst. b KVStG 1922/1923 wesentlich abweichende Aussage erhalten hat. Denn jedenfalls blieb es bis zu dem - hier noch nicht maßgebenden - Gesetz zur Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23. Dezember 1971 (BGBl I 1971, 2134, Art. 1 Nr. 7) dabei, daß sowohl bei Gesellschaftsgründungen als auch bei Kapitalerhöhungen die Steuer ohne Rücksicht auf den Wert der erworbenen Gesellschaftsrechte vom Geldbetrag zu errechnen ist, wenn die Gegenleistung in Geld besteht (§ 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1934/1959). Bei sinnvoller Auslegung des § 8 Nr. 1 Buchst. b KVStG kann demnach dessen zweiter Satz außer der bereits erwähnten rechnerischen Vereinfachung nur bedeuten, daß Leistungen, welche über ihren eigenen Wert hinaus den Wert der Gesellschaftsrechte erhöhen, mit dem höheren Werte anzusetzen sind. Denn dieser Fall kann bei einer Sachgründung eintreten (vgl. z. B. § 11 Abs. 3 BewG - § 13 Abs. 3 a. F.), bei einer Bargründung dagegen nicht.
Zweck der Gesellschaftsteuer ist es, die von außen bewirkte Verstärkung der Kapitalkraft der Gesellschaft (vgl. die amtliche Begründung zum KVStG 1934, RStBl 1934, 1460 ff.), also die Eigenkapitalzuführung durch die Gesellschafter in allen ihren Formen zu erfassen (BFH-Urteil II 176/61 vom 8. November 1967, BFH 91, 172 [176], BStBl II 1968, 213); soweit der buchstäbliche Wortlaut der enumerierten Tatbestände darüber hinausreicht, ist er an diesem Zweck zu überprüfen (vgl. BFH-Urteil II 162/65 vom 3. Dezember 1969, BFH 98, 59 [64 f.], BStBl II 1970, 279). Die Ausnahme des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1934/1959 war allein wegen der Gesetzeskraft des Beschlusses des BVerfG 1 BvF 3/65 vom 2. Oktober 1968 (BVerfGE 24, 174) unausweichlich (BFH-Urteil II R 21/70 vom 10. November 1970, BFH 100, 472, BStBl II 1971, 105).
Die Gesellschaftsteuer lastet demnach - anders als die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer - nicht auf den Erträgen der Kapitalgesellschaft. Ebenso könnte, falls der Mehrwert der neuen Gesellschaftsrechte nicht durch Erträge, sondern durch frühere Kapitalzuführungen (§ 2 Nrn. 2 ff. KVStG 1934/1959) erzeugt wäre, die ununterbrochene Belassung desselben Kapitals nicht unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten der Kapitalzuführung - also doppelt - zur Gesellschaftsteuer herangezogen werden (BFH-Urteil II 47/63 vom 18. November 1971, BFH 104, 106, BStBl II 1972, 186).
Nicht zu verkennen ist allerdings, daß das KVStG 1934 (RGBl I 1934, 1058) in bewußter Abkehr von § 6 Buchst. a KVStG 1922 das Erfordernis einer "Leistung" nicht zum Tatbestandserfordernis des § 2 Nr. 1 KVStG 1934 gemacht hat. Damit wollte der Gesetzgeber, wie sich aus der amtlichen Begründung (RStBl 1934, 1460 [1463]) ergibt, die Besteuerung der Ausgabe sogenannter Freiaktien sicherstellen, welche zuvor von der Rechtsprechung nicht der Steuer unterworfen worden waren (Urteil II A 2/28 vom 14. Februar 1928, RFH 23, 53). Nach dem damaligen Stand des Handelsrechts hat der Gesetzgeber damit - wenn auch in einem sehr rechtsförmlichen Sinne - den Gedanken der Kapitalzuführung als maßgebendes Merkmal der Gesellschaftsteuer hervorgehoben. Denn neue Aktien und Geschäftsanteile konnten unter dem damaligen Recht nicht unmittelbar aus Rücklagen geschaffen werden; sie erforderten eine Verpflichtung der Übernehmer zur baren oder Sacheinlage mindestens im Nennwert der neuen Aktien oder Geschäftsanteile. Die sogenannten "Freiaktien" (Freianteile) konnten also nur in der Weise gewährt werden, daß der für ihren Erwerb erforderliche Geldbetrag als Dividende (Gewinnanteil) ausgeschüttet und gleichzeitig von den Aktionären (Gesellschaftern) als Zahlungen auf die neuen Aktien (Geschäftsanteile) der Gesellschaft zurückgewährt wurde (vgl. dagegen die spätere Dividendenabgabeverordnung vom 12. Juni 1941 - RGBl I 1941, 323 -, die durch Gesetz vom 15. Dezember 1952 - BGBl 1952, 804 - aufgehoben wurde).
§ 2 Nr. 1 KVStG 1934 ist demnach der bürgerlich-rechtlichen Beurteilung gefolgt, ohne das Prinzip aufzugeben, daß die Steuer um der Kapitalzuführung willen erhoben wird. Das wird dadurch bestätigt, daß gemäß § 2 Nr. 1, § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1934/1959 nicht der Gesamtwert der neuen Bareinlage, sondern nur die vor der Eintragung geleistete Zahlung (§ 36 Abs. 2 AktG = § 28 Abs. 2 a. F., § 7 Abs. 2 GmbHG) besteuert wird. während die später eingeforderten und geleisteten Zahlungen auf die Aktien oder Stammanteile der Besteuerung aus § 2 Nr. 2, § 8 Nr. 2 KVStG 1934/1959 unterliegen (BFH-Urteil II R 10/67 vom 2. Februar 1972). Der Umstand, daß § 8 Nr. 1 KVStG 1934/1959 in Buchst. c auch die Besteuerung des ersten Erwerbs eines Gesellschaftsrechts ohne Gegenleistung vorsieht, hat wegen der Besonderheiten der wenigen von dieser Vorschrift erfaßten Fälle (vgl. Egly, Gesellschaftsteuer, Kommentar, 2. Aufl. 1968, Teil II Abschn. 20 S. 100) kein Gewicht.
Bei der Auffassung der Revision wäre § 8 Nr. 1 KVStG 1934/1959 weder mit dem Grundsatz einer - in den Grenzen des Möglichen - gleichmäßigen Besteuerung noch mit dem Zweck und der Systematik der Gesellschaftsteuer zu vereinbaren.
Bei einer Sachgründung (§ 27 AktG = § 20 a. F.; § 5 Abs. 4 GmbHG) würden die beiden gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. b KVStG 1934/1959 zu vergleichenden Werte im allgemeinen nicht weit auseinander liegen. Die Leistung einer Sacheinlage, die erst nach Entstehen der Gesellschaft zu erbringen ist und erbracht wird, unterläge aber der Besteuerung aus § 2 Nr. 2, § 8 Nr. 2 KVStG 1934/1959 (vgl. BFH-Urteil II R 10/67 vom 2. Februar 1972). Bei einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 183 AktG = § 150 a. F.; § 56 GmbHG) kann der Wert der neuen Gesellschaftsrechte wesentlich höher sein als der Wert der auf diese erbrachten Gegenleistungen. Hatte vor der Kapitalerhöhung das Realkapital (Vermögen) der Gesellschaft deren Nennkapital erheblich überstiegen, und wird das Nennkapital genau um den Wert der neu zu erbringenden Einlagen erhöht, muß zwangsläufig der Wert der neu erworbenen Gesellschaftsrechte höher sein als der Wert der erbrachten Einlagen. Mit der Besteuerung des Mehrwerts würden von der Gesellschaftsteuer auf den ersten Erwerb von Gesellschaftsrechten (§ 2 Nr. 1 KVStG 1934/1959) auch solche Beträge erfaßt, welche bereits zuvor der Gesellschaft zustanden und im Wert der ursprünglichen Gesellschaftsrechte enthalten waren, also ein Kapital, das entweder bei seiner Zuführung an die Gesellschaft der Gesellschaftsteuer, oder später als Gewinn der Gesellschaft der Körperschaftsteuer unterlegen hatte, oder als ertragsteuerrechtlich noch nicht realisierter Gewinn künftig der Körperschaftsteuer unterliegen kann. Sind auch wegen der unterschiedlichen Systematik des Kapitalverkehrsteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes Überschneidungen möglicherweise nicht ganz zu vermeiden, so widerspräche es zumindest dem Zweck der Gesellschaftsteuer, die ununterbrochene Belassung desselben Kapitals doppelt zur Steuer heranzuziehen (BFH-Urteil II 47/63 vom 18. November 1971, BFH 104, 106 [108], BStBl II 1972, 186).
Eine solche Diskrepanz träte gerade bei einer rein wortlautgemäßen Auslegung des § 8 Nr. 1 KVStG 1934/1959 nur bei einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen (allenfalls noch Sachübernahmen; vgl. BFH-Urteil II 159/65 vom 29. Oktober 1968, BFH 94, 148 [153 f.]) auf, während zumindest vor Inkrafttreten des Art. 1 Nr. 7 des Änderungsgesetzes vom 23. Dezember 1971 (BGBl I 1971, 2134) bei einer baren Kapitalerhöhung der Wert der neuen Gesellschaftsrechte unerheblich war. Ein diese Unterscheidung rechtfertigender Grund ist nicht zu erkennen. Zwar werden Sacheinlagen (und Sachübernahmen) schon im Handelsrecht mit Vorsicht behandelt (§§ 27, 31, 32 ff., 183, 184 Abs. 2 AktG; §§ 56, 5 Abs. 4 GmbHG), und sie können auch steuerrechtlich zu Unsicherheiten bei der Bewertung führen. Beide Momente rechtfertigen, die Richtsätze für die Bewertung des Eingelegten zu verschärfen, nicht aber, eine schon vom Grundsatz her höhere Besteuerungsgrundlage einzuführen. Mit einer solchen würde sich - zumal unter dem früheren Steuersatz von 3 v. H. (§ 9 Abs. 1 KVStG 1955) - nur der Erfolg verbinden, daß die Gesellschaft von einer bei den gegebenen Verhältnissen naheliegenden Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen absehen und auf eine bare Kapitalerhöhung ausweichen würde, ohne daß das in jedem Falle handelsrechtlich unzulässig sein oder eine Umgehung des Steuergesetzes (§ 6 Abs. 1 StAnpG) darstellen müßte.
Die Ungereimtheit der wortlautgemäßen Unterscheidung wird offenbar, wenn (wie hier) die Kapitalerhöhung dadurch bewirkt wird, daß die Gesellschafter bei der Kapitalerhöhung ihren gegen die Gesellschaft zustehende vollwertige Geldforderungen erlassen. Braucht die Gesellschaft in solchen Fällen kein zusätzliches Kapital, könnte die Kapitalerhöhung zumeist als bare Kapitalerhöhung in der Weise durchgeführt werden, daß sich der Gesellschafter den zur Einzahlung erforderlichen Geldbetrag von einer Bank verschafft (ggf. unter Abtretung seines Anspruchs gegen die Gesellschaft) und nach Einzahlung alsbald die Gesellschaft durch Zahlung des gleichen Betrages die dem Gesellschafter gegen die Gesellschaft zustehende Forderung tilgt.
Einzelne Fälle dieser Art sind in der Rechtsprechung baren Kapitalerhöhungen gleichgestellt worden (vgl. RFH-Urteil II 3/43 vom 11. März 1943, RFH 53, 78; BFH-Urteile II 10/51 S vom 13. März 1951, BFH 55, 223, BStBl III 1951, 84; II 3/52 U vom 16. Juli 1952, BFH 56, 589, BStBl III 1952, 227; II 80/53 U vom 19. Mai 1954, BFH 59, 12, BStBl III 1954, 213). Das wirtschaftliche Postulat, daß die Forderung vollwertig, fällig und liquide sein müsse, um die Versteuerung entsprechend § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG herbeizuführen, ist aber - weil es die tatsächliche Anknüpfung an das Handelsrecht (BFH-Urteil II 159/65 vom 29. Oktober 1968, BFH 94, 148 [152 f.]) verläßt ("Sacheinlagen" in § 8 Nr. 1 Buchst. b KVStG 1934/1959; vgl. RGZ 141, 204) - in der tatsächlichen Würdigung kaum abgrenzbar. Vor allem löst es allenfalls einen Teil des maßgebenden steuerrechtlichen Problems und läßt die Widersprüchlichkeit des Ergebnisses bei anderen Sacheinlagen bestehen.
Selbst wenn die Fassung des § 2 Nr. 1 und des § 8 Nr. 1 Buchst. b KVStG 1934 ursprünglich die von der Revision verfochtene Auslegung gerechtfertigt haben sollte, kann diese für den hier maßgebenden Zeitraum der Jahre 1964/1965 nicht aufrechterhalten werden. Denn bereits §§ 1 ff., 12 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung vom 23. Dezember 1959 (BGBl I 1959, 789) hatten ein besonderes Verfahren für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vorgesehen. Im Anschluß daran hat § 2 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer (KapErhStG) vom 30. Dezember 1959 (BGBl I 1959, 834) die Ausgabe von Freiaktien unter den Voraussetzungen des § 1 dieses Gesetzes von der Gesellschaftsteuer ausgenommen. Der Wortlaut, daß in diesen Fällen der Erwerb der neuen Anteilsrechte der Steuer nicht "unterliegt", deutet darauf hin, daß mit § 2 KapErhStG nicht nur eine speziell veranlaßte Befreiung gewollt war, sondern daß in den Grenzen dieser Vorschrift eine als verfehlt erachtete Tendenz des § 2 Nr. 1 KVStG 1934 beseitigt werden sollte.
Damit entfallen jedenfalls für den hier maßgebenden Zeitpunkt die Folgerungen, welche aus dem Wortlaut des § 2 Nr. 1 KVStG 1934/1959 abgeleitet werden könnten, und ist der auch für die Auslegung maßgebende Zweck der Gesellschaftsteuer darin zu sehen, die Eigenkapitalzuführung - bezüglich ihres Ersatzes vgl. BFH-Urteil II 162/65 vom 3. Dezember 1969 (BFH 98, 59 [65, 70], BStBl II 1970, 279) - an Kapitalgesellschaften zur Besteuerung heranzuziehen. Liegt darin der tatbestandliche Grund der Steuer, so kann der Steuermaßstab - als bloßes Hilfsmittel zur Errechnung der auf Grund des Tatbestandes geschuldeten Steuer -, der sonst grundsätzlich an den Wert dieser Kapitalzuführung anknüpft (§ 8 Nrn. 2 bis 4 KVStG 1934/1959), nicht in einem vom Besteuerungszweck her gesehen zufälligen Punkte über diesen hinausreichen. Vielmehr muß angenommen werden, daß der Gesetzgeber im Jahr 1934 das im vorliegenden Fall gegebene Problem, da es für die Vorschrift insgesamt nur ein Randproblem ist, ebensowenig erkannt hat wie der Notverordnungsgeber des Jahres 1923.
Damit ist der Weg für eine sinngemäße Eingrenzung der in § 8 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 KVStG 1934/1959 gegebenen Vorschrift frei, so daß diese sich in den Zusammenhang des Gesetzes und seiner Zwecke einordnet. Sie bewirkt, daß bei einer Kapitalerhöhung gegen Erlaß einer vollwertigen Geldforderung auch unter Anwendung des § 8 Nr. 1 Buchst. b KVStG 1934/1959 kein höherer Wert angesetzt werden kann als der Wert dieser Geldforderung, und daß Mehrwerte, die sich schon zuvor im Gesellschaftsvermögen befunden haben und allein deshalb einen höheren Wert der neuen Gesellschaftsrechte bewirken, außer Betracht bleiben. Die Fiktion des § 8 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 KVStG 1934/1959 bedeutet also, daß der höhere Wert der (neuen) Gesellschaftsrechte maßgebend ist, wenn und soweit dieser als meßbares Bild der Gegenleistung oder der durch diese bewirkten Kapitalzuführung angesehen werden kann. Wenn und soweit das nach dem gegebenen Sachverhalt ausgeschlossen ist, greift die Fiktion nicht ein.
Der Erlaß (§ 397 Abs. 1 BGB) der vollwertigen Forderungen von 8 910 000 DM als Gegenleistung für den Erwerb der neuen Gesellschaftsrechte hat das Vermögen der Klägerin um genau diesen Betrag (abzüglich der Gesellschaftsteuer) erhöht. Dieses eindeutig bestimmte Quantum der Kapitalzuführung läßt keine nähere Bestimmung durch den Wert der Gesellschaftsrechte zu. Deren höherer Wert beruht ausschließlich auf dem bereits vor der Kapitalzuführung vorhandenen Vermögen der Gesellschaft. Dieses ist nicht der Gesellschaftsteuer unterworfen. Die Abweichung des § 2 Nr. 1 KVStG 1959 von § 6 Buchst. a KVStG 1922 ändert nichts daran, daß der Tatbestand aus der Sicht der Gesellschaft und nicht aus der Sicht des Erwerbers zu sehen ist. Dieser haftet zwar für die Steuer (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 KVStG); deren Schuldnerin ist aber die Kapitalgesellschaft (§ 10 Abs. 1 KVStG).
Fundstellen
Haufe-Index 425943 |
BStBl II 1972, 629 |
BFHE 1972, 519 |