Leitsatz (amtlich)
Der ernstlich vereinbarte Kaufpreis (§ 433 Abs. 2 BGB) ist auch dann Besteuerungsgrundlage, wenn sein niedriger Ansatz sich als ein für eine Beschäftigung im privaten Dienst gewährter Vorteil darstellt, auf den kein Rechtsanspruch bestand. Künftige Leistungen sind Teil der Gegenleistung nur, wenn sich der Erwerber zu ihnen verpflichtet hat oder sie erbringt, um den Kaufpreis aufzubessern.
Normenkette
GrEStG § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin hat ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück an einen langjährigen leitenden Angestellten verkauft. Der Verkehrswert des Grundstücks übersteigt nach Ansicht des FA (Beklagten) den vereinbarten Kaufpreis bei weitem. In der Differenz sieht der Beklagte eine verdeckte Gegenleistung für frühere oder künftige Dienstleistungen. Er hat deshalb die Klägerin aus dem Verkehrswert zur Grunderwerbsteuer herangezogen und deren Einspruch zurückgewiesen. Das FG hat zur Besteuerungsgrundlage nur den vereinbarten Kaufpreis gerechnet und die Steuer entsprechend herabgesetzt (EFG 1964, 501).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
Zugunsten des Beklagten kann davon ausgegangen werden, daß der Kaufpreis des Grundstücks weit unter dessen Verkehrswert liegt und daß der Käufer nur deshalb diesen niederen Preis erhalten konnte, weil er viele Jahre in den Diensten der Klägerin stand und weiterhin in deren Interesse tätig ist. Es ist aber weder festgestellt noch behauptet, daß die Klägerin im Dienstvertrag (§ 611 BGB) oder anläßlich des Dienstvertrages oder Dienstverhältnisses sich verpflichtet hätte, dem späteren Käufer als zusätzliche Vergütung (§ 612 BGB) ein Grundstück unter dessen Wert zu überlassen, oder daß der Käufer sich beim Kauf oder anläßlich des Kaufs des Grundstücks verpflichtet hätte, weiterhin gewisse Geschäfte zu tätigen, deren Wahrnehmung im Interesse der Klägerin liegt. Demzufolge können hier geleistete oder künftige Dienste allenfalls Motiv für die Vereinbarung eines dem Käufer günstigen Preises, aber nicht Inhalt der rechtsgeschäftlichen Preisvereinbarung (§ 433 Abs. 2 BGB; vgl. §§ 154, 313 BGB) gewesen sein. Es ist nicht zu ersehen, daß der vereinbarte Preis nicht in allen Konsequenzen hätte maßgeblich sein sollen oder unwahr (vgl. § 5 StAnpG) oder mißbräuchlich (vgl. § 6 StAnpG) gewesen wäre.
Die Gedankenführung der Revision ist ersichtlich von ertragsteuerrechtlichen Erwägungen beeinflußt; im Berufungsverfahren hatte sich der Beklagte ausdrücklich auf das Urteil VI 255/60 U vom 2. März 1962 (BFH 74, 577, BStBl III 1962, 214) bezogen. Er übersieht dabei, daß die Einkommensteuer einen anderen Anknüpfungspunkt hat als die Grunderwerbsteuer. Denn der für die Bemessung des Einkommens (§ 2 Abs. 1 und 2 EStG) bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 EStG) erhebliche Rechnungsposten der Einnahmen (§ 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG) erfaßt u. a. alle geldwerten Güter (§ 8 Abs. 1 EStG), die dem Arbeitnehmer als Vorteile für seine Beschäftigung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) ohne Rücksicht darauf, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Insofern genügt also eine hier nicht näher zu bestimmende kausale Verknüpfung des Vorteils mit der Beschäftigung; eine bürgerlich-rechtliche Verknüpfung ist nicht erforderlich. Das GrEStG dagegen unterwirft den Kauf eines Grundstücks der Steuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) und bemißt diese grundsätzlich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) und nicht nach dem gemeinen Wert des Grundstücks. Es fragt also - soweit nicht § 10 Abs. 2 GrEStG eingreift - nicht danach, was der Käufer erhält, sondern was für den Erwerb des Grundstücks hinzugeben ist. Darunter könnte zwar der Verzicht auf eine geschuldete Vergütung bereits erbrachter Leistungen fallen, aber weder diese Leistung selbst noch deren Wert. Künftige Leistungen können nur insoweit Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks sein, als sich der Erwerber zu ihnen verpflichtet oder sie freiwillig erbringt, um das Grundstück erwerben oder behalten zu können (vgl. Boruttau-Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 1965, § 11 Tz. 321); es genügt nicht, daß er ohne kausale Verknüpfung zum Grundstückserwerb fernerhin in einer Weise tätig wird, die dem Verkäufer vorteilhaft erscheinen mag.
Der grunderwerbsteuerrechtliche Begriff der Gegenleistung ist in § 11 GrEStG des näheren bestimmt. Bei einem Kauf gelten demnach als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Der Kaufpreis ist derjenige des § 433 Abs. 2 BGB; ihn hat das FG mit Recht zugrunde gelegt. Sonstige Leistungen fallen nur insoweit unter § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, als sie der Käufer übernommen hat; für eine solche rechtsgeschäftliche Übernahme ergibt sich aus dem tatsächlichen Vorbringen des Beklagten kein Anhalt. Nutzungen hat sich die Klägerin nicht vorbehalten (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Als Belastungen (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG) gingen lediglich Grunddienstbarkeiten über; diese bleiben als dauernde Lasten des Grundstücks (vgl. Urteil II R 16/68 vom 19. November 1968, BFH 94, 160 [163], BStBl II 1969, 90) außer Betracht (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG). An Dritte oder von Dritten (§ 11 Abs. 3 GrEStG) sind keine Leistungen erbracht worden.
Damit bleibt allein die Frage, ob der Käufer außerhalb des Kaufvertrages (§ 433 BGB) der Klägerin späterhin Leistungen für den billigen Erwerb des Grundstücks erbracht hat (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Die Revision macht dazu geltend, der inzwischen bereits aus den Diensten der Klägerin ausgeschiedene Käufer sei noch als Mitglied der Aufsichtsräte und Beiräte anderer Unternehmen tätig geworden; dadurch habe er den Interessen der Klägerin gedient. Dieses Vorbringen ist, da die Aufklärungsrüge verspätet erhoben wurde (§§ 289, 290 Abs. 1 AO a. F.), unerheblich (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; vgl. § 296 Abs. 2 Satz 1 AO a. F.). Der Frage ist gleichwohl nachzugehen (vgl. Urteil II R 36/67 vom 5. März 1968, BFH 92, 416, BStBl II 1968, 610), weil ausweislich des Tatbestandes (vgl. § 105 Abs. 2 Nr. 4 FGO, § 313 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO) des angefochtenen Urteils der Beklagte bereits im Berufungsverfahren behauptet hatte, der Käufer habe der Klägerin noch nach dem Kauf Leistungen erbracht, um derentwillen ihm das Grundstück zu einem günstigeren Preis übertragen worden sei. Weder diese Behauptung noch das neue Vorbringen des Beklagten deuten aber darauf hin, daß der Käufer seine späteren Tätigkeiten gerade deshalb wahrgenommen hätte, um durch nachträgliche Leistungen den billigen Kaufpreis aufzubessern (verpflichtet hatte er sich dazu ohnehin nicht); demnach versagt auch der Hinweis auf das Urteil II 128/57 U vom 16. April 1958 (BFH 67, 19, BStBl III 1958, 280). Ebenso, wie im Rahmen des § 11 GrEStG der vereinbarte Kaufpreis auch dann maßgeblich bleibt, wenn er aufgrund persönlicher Beziehungen niedrig angesetzt wurde, können auch Erwartungen, die der Verkäufer aus persönlichem Vertrauen an Tätigkeiten knüpft, die der Käufer unabhängig vom Kauf anderen erbringt und die von diesen vergütet werden, nicht preiserhöhend berücksichtigt werden, sofern nicht dadurch dem Verkäufer eine besondere - mit dem Kauf zusammenhängende - Leistung erbracht werden soll und erbracht wird.
Fundstellen
Haufe-Index 68658 |
BStBl II 1969, 668 |
BFHE 1969, 429 |