Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Bankenkonsortium bei Zeichnung junger Aktien im Rahmen der Erhöhung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft als Ersterwerber anzusehen ist. Es kommt entscheidend darauf an, ob die Aktiengesellschaft oder das Bankenkonsortium letztlich das Risiko des Absatzes der jungen Aktien trägt.

 

Normenkette

KVStG § 20 Nr. 1, § 22 Nr. 2

 

Tatbestand

Es ist zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Bankenkonsortium bei Zeichnung junger Aktien im Rahmen der Erhöhung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft als Ersterwerber im Sinne des § 20 Nr. 1 KVStG 1955 anzusehen ist.

I. - Im Jahr 1958 erhöhte die X-AG - AG - ihr Grundkapital um 110 Mio DM in der Weise, daß ein Bankenkonsortium - Konsortium - mit der Bgin. als Konsortialführerin unter Ausschluß der Gesamthaftung die neuen Aktien im Gesamtnennbetrage zeichnete und zum Kurs von 100 v. H. übernahm. 25 v. H. des Nennwertes der neuen Aktien hatte die Bgin. nach dem übernahmevertrag für Rechnung des Konsortiums zum Tage der Anmeldung des Antrages auf Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung in das Handelsregister auf ein zins- und provisionsfreies Sonderkonto gutzuschreiben; Wert dritter Werktag nach Ablauf der Bezugsfrist war das Guthaben des Sonderkontos auf ein laufendes Konto der AG zu übertragen, falls die AG nicht schon früher darüber zu verfügen wünschte. Weitere 25 v. H. des Nennwertes der neuen Aktien waren ebenfalls Wert dritter Werktag nach Ablauf der Bezugsfrist, und ein Vierteljahr später waren die restlichen 50 v. H. des Nennwertes der neuen Aktien zuzüglich des vom Konsortium erzielten Mehrerlöses gegenüber dem übernahmekurs von 100 v. H. auf das laufende Konto der AG zu überweisen.

Das Konsortium verpflichtete sich, die übernommenen jungen Aktien den Inhabern der alten Aktien der AG im Verhältnis 5 : 1 zum Kurse von 115 v. H. zuzüglich Börsenumsatzsteuer zum Bezug anzubieten. Soweit die Bezugsrechte nicht ausgeübt werden sollten, war die AG nach dem übernahmevertrag berechtigt, "über die entsprechenden neuen Aktien ganz oder teilweise zum Kurse von 100 v. H. unter Verrechnung von Zinsen zu verfügen". Der Zeichnungsschein enthält entsprechend die Erklärung: "Wir übernehmen die Aktien mit der Verpflichtung, daß wir sie den Aktionären der X-AG im Verhältnis 5 : 1 zum Bezuge zu 115 % anbieten und nach Weisung der Gesellschaft nicht bezogene Aktien mindestens zum Einstandspreis nebst Zwischenzinsen zu verwerten haben, und zwar jeweils unter Abführung des Mehrerlöses an die Gesellschaft."

Als Vergütung erhielt das Konsortium eine feste Provision.

Auf Weisung eines Aktionärs, der neue Aktien bezogen hatte, führte die Bgin. keine Börsenumsatzsteuer ab, da nach ihrer Meinung ihr Kunde Ersterwerber im Sinne des § 20 Nr. 1 KVStG war. Das Finanzamt hielt das Konsortium für den Ersterwerber, da es einen unentziehbaren Anspruch auf Zuteilung der Aktien erhalten und sich zur Bewirkung der Gegenleistung aus seinem Vermögen verpflichtet habe, ohne Rücksicht darauf, ob der Absatz der übernommenen Aktien gelinge.

Die gegen den Steuerbescheid mit Genehmigung des Vorstehers des Finanzamts eingelegte Sprungberufung hatte Erfolg.

Das Finanzgericht vertrat in dem in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1960 Nr. 430 S. 381 veröffentlichten Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteile II A 24/22 vom 22. September 1922, RStBl 1923 S. 8; II A 139/23 vom 14. Dezember 1923, Slg. Bd. 13 S. 113; II A 311/28 vom 6. Juli und 14. Dezember 1928, RStBl 1929 S. 91) die Auffassung, daß die Frage, wer Ersterwerber der Aktien sei, in erster Linie nicht nach bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkten, sondern nach dem gesetzgeberischen Zweck der Steuervorschrift zu entscheiden sei. Auf Grund der Bindungen des übernahmevertrages sei das Konsortium wirtschaftlich nur als Kommissionär tätig geworden. Die Ansicht, daß das Konsortium selbst Ersterwerber dann sei, wenn es die Gefahr trage, auf den Aktien sitzenzubleiben, hat das Finanzgericht abgelehnt.

Das Finanzgericht ließ die Rb. wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zu.

Mit der form- und fristgerechten Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts (Bf.) unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts bei der Auslegung des § 20 Nr. 1 KVStG 1955 und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben. Im Gegensatz zu den vom Reichsfinanzhof entschiedenen Fällen habe das Konsortium die neuen Aktien selbst fest übernommen und die Gegenleistung aus eigenen Mitteln erbracht. Wegen fehlender Weisungspflicht der AG sei die Rechtsstellung des Konsortiums so freigewesen, daß sie der eines Konsortiums nicht gleichkomme. Der Konsortialvertrag (gemeint ist nicht der Vertrag zwischen den Konsorten, sondern der übernahmevertrag zwischen dem Konsortium und der AG) enthalte überwiegend Elemente des übernahme-, nicht aber des Vertriebskonsortiums.

Demgegenüber hält die Bgin. an ihrem Standpunkt fest, daß die AG nach dem übernahmevertrag stets die volle Verfügungsgewalt über alle ausgegebenen Aktien gehabt habe. Die Konsortialbanken hätten die Aktien auch nicht im eigenen Portefeuille "behalten" können; die Aktien hätten deshalb nicht als zum Vermögen der Banken gehörig angesehen werden können. Auch bezüglich der nicht von den Aktionären bezogenen neuen Aktien habe die AG von ihrem Weisungsrecht in vollem Umfange Gebrauch gemacht, so daß das Konsortium nicht als frei verfügungsberechtigter Eigentümer, sondern nur als weisungsgebundener Kommissionär und damit nicht als Ersterwerber gelten könne.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Rb. hat Erfolg.

Die Frage, ob bei der Ausgabe der neuen Aktien im Rahmen der Kapitalerhöhung der AG durch Zwischenschaltung des Konsortiums dieses Konsortium selbst (ggf. dessen Konsorten: siehe unten zu 3 am Anfang) oder erst der Kunde der Bgin. Ersterwerber im Sinne des § 20 Nr. 1 KVStG 1955 (= § 22 Nr. 2 KVStG 1959) wurde, entscheidet sich in erster Linie danach, ob der übernahmevertrag zwischen der AG und dem Konsortium als Kommissions- oder als Kaufvertrag zu betrachten ist.

Bei der Fremdenmission kann sich die AG eines reinen Begebungs- (Plazierungs-) konsortiums bedienen, das die neuen Aktien ohne eigenes Risiko lediglich kommissionsweise (oder nur als Vermittler oder Makler) unterzubringen sucht, aber auch der häufigeren Form eines reinen übernahmekonsortiums, das die Aktien gegen Zahlung eines Kaufpreises für längere oder kürzere Zeit zu Eigentum erwirbt, oder aber der heute gebräuchlichsten Art des kombinierten übernahme- und Begebungskonsortiums, das die Aktien zwar zur Weiterbegebung, aber zunächst im eigenen Namen und für eigene Rechnung übernimmt (vgl. Steinrücke-Scholze, "Das Konsortialgeschäft der deutschen Banken", Duncker & Humblot, Berlin 1956 S. 78 ff.; Müller-Löffelholz, "Bank-Lexikon", Stichwort Konsortium). Dabei ist das Rechtsverhältnis nicht vom Auftrag des Bankkunden, sondern von dem der AG aus zu beurteilen, und zwar unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles.

Wird ein Konsortium als Verkaufskommissionär tätig, so erwirbt es an den übernommenen Aktien zivilrechtlich kein Eigentum vom Kommittenten; es wird auch nicht Ersterwerber im Sinne des § 20 Nr. 1 KVStG 1955, weil es mangels Eigentumsübergangs überhaupt nicht Erwerber werden kann. Ersterwerber ist vielmehr - außer im Falle des Selbsteintritts des Verkaufskommissionärs nach § 400 HGB - erst der Dritte, an den der Verkaufskommissionär veräußert. Nach dem Grundsatz, daß zur Vermeidung der doppelten Besteuerung mit Gesellschaftsteuer und Wertpapiersteuer einerseits und Börsenumsatzsteuer andererseits alle Rechtsgeschäfte bis zum Erwerb der Gesellschafts- oder Gläubigerrechte durch den Ersterwerber unter die Gesellschaftsteuer und Wertpapiersteuer fallen, ist dann sowohl das Geschäft, das die Zuteilung der Wertpapiere an den Kunden als Ersterwerber zum Gegenstand hat, als auch das (zweite) Abwicklungsgeschäft zwischen dem Kommissionär und dem Kommittenten börsenumsatzsteuerfrei (so schon Entscheidung des Reichsfinanzhofs II A 219/26 vom 30. Juni 1926, Slg. Bd. 19 S. 186, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz alter Fassung, § 36, Rechtsspruch 4).

Der Senat hält aber für den Streitfall im Gegensatz zu der Meinung des Vertreters der Bgin. im Schriftsatz vom 30. Juni 1960 einen Kommissionsvertrag für nicht gegeben. Nicht ausschlaggebend für diese rechtliche Würdigung ist, daß die Bgin. selbst in dem Schriftsatz vom 16. Juni 1958 erklärte, das Konsortium sei "bei bürgerlich-rechtlicher Betrachtungsweise durch seine Zeichnung Aktionär der Gesellschaft" (d. h. also Eigentümer der Aktien) geworden, habe aber nur "wie" ein Kommissionär die Weisungen der AG ausgeführt. Entscheidend ist vielmehr, daß das Konsortium die gesamte Emission gegen einen der Höhe nach genau bestimmten Gesamtkaufpreis fest übernahm. Die Kaufpreisraten waren nach Zeit und Höhe unabhängig von den Erlösen aus der Weiterveräußerung der Aktien zu leisten. Das Konsortium hatte einerseits einen unentziehbaren Anspruch gegen die AG auf Lieferung, andererseits aber auch die Verpflichtung zur Abnahme der gesamten Emission, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ihm der Absatz aller Aktien mengen- und zeitmäßig - bezüglich der evtl. frei verfügbaren Stücke auch wertmäßig - gelang. Das Konsortium trug also - was bei dieser rechtlichen Beurteilung allein wesentlich ist - vertraglich das volle Absatzrisiko. Diese Umstände sprechen aber - ähnlich wie die Tatsache der Gefahrentragung durch den Erwerber beim Untergang der Sache - für einen festen Kaufvertrag, während bei einem Kommissionsverhältnis außer den Vorteilen auch die Nachteile dem Auftraggeber zukommen (siehe Ratz in Kommentar der Reichsgerichtsräte zum HGB, Zweite Auflage, 1960, § 383 Anm. 9, § 406 Anm. 1 mit weiteren Nachweisen). Der Verkaufskommissionär kann also bei Nichtausführbarkeit des Auftrages die Sache zurückgeben und haftet nur bei Verletzung seiner Sorgfaltspflicht auf Schadensersatz (siehe Ratz, a. a. O., § 384 Anm. 2 Nr. 1 letzter Absatz; § 385 Anm. 1 zu a). Solche Kommissionsabreden gemäß §§ 384 ff. HGB waren aber im vorliegenden Falle nicht getroffen. Demgegenüber wurde der Vertrag noch nicht deshalb zum Kommissionsverhältnis, weil das Konsortium verpflichtet war, die Aktien den Altaktionären zu einem bestimmten Kurs anzubieten und die nicht übernommenen Aktien ebenfalls zu einem bestimmten Kurs zu verwerten. Solche Bindungen, besonders hinsichtlich des Verkaufspreises, sind auch bei Kaufverträgen, z. B. über Markenartikel, nichts Ungewöhnliches. Schließlich gibt auch die Vereinbarung einer Vergütung in Form einer Provision noch nicht den Ausschlag für die Annahme eines Kommissionsgeschäftes (vgl. Ratz, a. a. O., § 383 Anm. 4 und 9; insbesondere schon Urteile des Reichsfinanzhofs II A 304/21 vom 20. September 1921, Juristische Wochenschrift - JW - 1922 S. 330; II A 219/26, a. a. O.; Bescheid und Urteil II A 663/30 vom 13. Januar 1931 / 24. März 1931, Slg. Bd. 28 S. 355, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz alter Fassung, § 36, Rechtsspruch 8).

Die wegen Nichtvorliegens eines Kommissionsverhältnisses zwischen AG und Konsortium nunmehr zu entscheidende Frage, ob gleichwohl nicht schon das Konsortium, sondern erst der Kunde Ersterwerber im Sinne des § 20 Nr. 1 KVStG 1955 an den emittierten Aktien geworden ist, muß ebenfalls verneint werden. Dabei ist es - dies sei zwischenbemerkt - im Streitfall entscheidungsunerheblich, ob auf Grund des Konsortialvertrages zwischen den Konsorten das Konsortium selbst, d. h. die in der BGB-Gesellschaft zusammengeschlossenen Konsorten zur gesamten Hand (ß 718 BGB), oder die einzelnen Konsorten Bruchteils- oder Alleineigentum an den zu übernehmenden Aktien erwarben. Bei jeder dieser drei Möglichkeiten ist jedenfalls der Kunde - dies ist hier allein wesentlich - nicht mehr Ersterwerber. Im übrigen läßt der Passus des übernahmevertrags, daß das Konsortium "unter Ausschluß der Gesamthaftung" gebildet sei, darauf schließen, daß auch im Streitfall entsprechend dem handelsrechtlichen Gewohnheitsrecht Eigentum zur gesamten Hand oder Miteigentum nach Bruchteilen an den einzelnen Stücken ausgeschlossen und Alleineigentum der einzelnen Konsorten je an einem Teil der Wertpapiere vereinbart war (siehe auch Steinrücke-Scholze, a. a. O., S. 22). Mit dieser Maßgabe wird im folgenden kurz nur vom Konsortium als vom Erwerber gesprochen.

Der in §§ 2 Nr. 1 und 20 Nr. 1 KVStG 1955 für die Gesellschaftsteuer und für die Börsenumsatzsteuer übereinstimmende Begriff des "ersten Erwerbers" ist nicht aus dem bürgerlichen Recht übernommen, sondern ein dem Kapitalverkehrsteuerrecht eigentümlicher Begriff. Er ist deshalb nicht in erster Linie nach bürgerlich-rechtlichen, sondern nach den besonderen kapitalverkehrsteuerrechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen. Der Senat trägt darum keine Bedenken, insoweit die ständige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu übernehmen, wonach als Ersterwerber in kapitalverkehrsteuerrechtlicher Sicht derjenige gilt, der, ohne daß ein anderer die Aktien zuvor für sich hat erwerben wollen, die Aktien für eigene Rechnung als Bestandteile seines Vermögens fest übernimmt und dessen Gegenleistung dafür dauernd in das Vermögen der Gesellschaft übergeht (Urteile des Reichsfinanzhofs II A 151/29 vom 30. April 1929, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz alter Fassung, § 36, Rechtsspruch 7; II A 77/32 vom 20. Dezember 1932, RStBl 1933 S. 765).

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles kommt der Senat zu der Auffassung, daß das Konsortium die Aktien für eigene Rechnung fest übernommen hatte und daß seine Gegenleistung als Zeichner auch dauernd in das Vermögen der AG überging. Der Ansicht der Bgin., daß das Konsortium die Aktien nicht als Bestandteile seines Vermögens übernommen habe, weil es sie wegen der Anbietungspflicht gegenüber den Altaktionären und des Verfügungsrechts der AG nicht in seinem Vermögen habe "behalten" können, kann nicht gefolgt werden. In den §§ 17, 18 und 20 KVStG 1955 ist Gegenstand der Besteuerung und auch der Befreiung von der Börsenumsatzsteuer bereits das (schuldrechtliche) Anschaffungsgeschäft, nicht erst das dingliche Erfüllungsgeschäft. Bei der Börsenumsatzsteuer als Stichtagssteuer sind grundsätzlich für die Besteuerung und entsprechend für die Steuerbefreiung nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Verkehrsvorgangs maßgebend. Demgemäß hat der Reichsfinanzhof bereits entschieden, daß ein übernahmekonsortium auch dann als Ersterwerber anzusehen sei, wenn es sich der Gesellschaft gegenüber verpflichtet habe, die jungen Aktien den alten Aktionären zu einem bestimmten Kurs anzubieten oder sie zu einem anderen Zweck zu verwenden, vorausgesetzt, daß das Konsortium nicht nur einen unentziehbaren Lieferungsanspruch erworben habe, sondern zur übernahme auch dann verpflichtet sei, wenn ihm der beabsichtigte Absatz der Aktien an Dritte nicht gelinge (Urteil des Reichsfinanzhofs II A 304/21 vom 20. September 1921, JW 1922, S. 330). Gerade diesem Umstand, wer letztlich das Risiko - und zwar rechtlich und nicht nur tatsächlich des Geschäftes trägt, mißt der Senat im Gegensatz zum Finanzgericht entscheidende Bedeutung bei (vgl. auch Kuffner, Der Betrieb 1955 S. 635; Kinnebrock, Kapitalverkehrsteuergesetz, 3. Aufl., 1960, § 2 Anm. I 3 Abs. 2; vgl. ferner Steinrücke-Scholze, a. a. O., S. 36; ebenso im Grunde, wenn auch nicht folgerichtig, Stelzer, Deutsche Steuerzeitung 1942 S. 315 ff., 318). Auch diese Rechtsfrage kann nach dem bereits erwähnten Stichtagsprinzip nur nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entschieden werden. Unerheblich müssen deshalb die besonderen tatsächlichen Umstände des Einzelfalles oder auch die allgemeinen Entwicklungsaussichten am Kapitalmarkt sein. Insbesondere kann die durch die Entwicklung bestätigte Erwartung, daß das Konsortium nicht auf einem Teil der Aktien "sitzenbleiben" werde, keine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen (siehe auch das oben angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs II A 304/21). Im Streitfalle aber trug das Absatzrisiko das Konsortium, da die AG nach dem übernahmevertrag nur berechtigt, jedoch nicht verpflichtet war, über die von den Altaktionären nicht bezogenen Aktien ganz oder auch nur teilweise zu verfügen. Hinsichtlich der - unter Umständen - "nach Weisung der AG nicht abgesetzten Stücke" hatte das Konsortium keine Preisbindung nach oben, wohl aber eine solche nach unten, übernommen. Die vom Finanzgericht und von der Bgin. angeführten Urteile des Reichsfinanzhofs betreffen gewisse Sondertatbestände, die sich mit dem vorliegenden nicht entscheidend decken. In dem Falle II A 24/22 (Urteil vom 22. September 1922, RStBl 1923 S. 8) hatte das Konsortium die Aktien von vornherein lediglich zum Erwerb von Kuxen für die Emittenten zu erwerben und den Rest der Aktien zu deren Verfügung zu halten. Im übrigen hielt der Reichsfinanzhof aber auch in diesem Urteil an seiner Auffassung in dem oben angeführten Urteil II A 304/21 fest. Im Falle II A 139/23 (Urteil vom 14. Dezember 1923, Slg. Bd. 13 S. 113) waren die Aktien ebenfalls von vornherein nur nach Anweisung der Gesellschaft zu verwenden. Im Falle II A 311/28 (Urteil vom 14. Dezember 1928, RStBl 1929 S. 91) hatte sich das Konsortium ebenfalls verpflichtet, die Aktien zur Verfügung der Gesellschaft zu halten und sie jederzeit der Gesellschaft zum übernahmekurs zurückzuübertragen. Auch im Falle II A 450/30 (Urteil vom 17. Dezember 1930, RStBl 1931 S. 396) waren die Aktien zur Verfügung der Gesellschaft zu halten, ebenso im Falle II A 77/32 (Urteil vom 20. Dezember 1932, RStBl 1933 S. 765), in dem der Reichsfinanzhof im übrigen bemerkt, daß die Steuerpflicht aber zu bejahen sei, wenn nach ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung die Leistung des Zeichners der Gesellschaft dauernd verbleiben sollte. Zur Risikofrage äußern sich die vier letztgenannten Entscheidungen nicht ausdrücklich.

Soweit jedoch der Reichsfinanzhof in den vorerwähnten Entscheidungen eine andere Auffassung hat vertreten wollen als der Senat im Streitfall, vermag ihr der Senat aus den oben angeführten Gründen nicht zu folgen.

Da somit das Konsortium Ersterwerber der neuen Aktien im Sinne von § 20 Nr. 1 KVStG 1955 war, hat das Finanzamt das Anschaffungsgeschäft des Kunden zu Recht nach §§ 17, 18, 19, 22 und 25 KVStG 1955 zur Börsenumsatzsteuer herangezogen. Die Vorentscheidung war demgemäß aufzuheben und die Sprungberufung der Steuerpflichtigen gegen den Steuerbescheid des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410872

BStBl III 1963, 422

BFHE 1964, 279

BFHE 77, 279

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