Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Erhebung der Abschöpfung nach der EWG-VO Nr. 19.
2. Die nach der EWG-VO Nr. 19 zu erhebende Abschöpfung ist weder um den Betrag der Umsatzausgleichsteuer noch um den Betrag der Denaturierungskosten einer Ware zu vermindern.
3. Solange die Zollstellen auf Grund allgemeiner Weisung des Bundesministers der Finanzen von der Einbeziehung der Abschöpfung in die Bemessungsgrundlage der Umsatzausgleichsteuer absahen, war es auch vor dem Verböserungsverbot den Steuergerichten im Hinblick auf Art. 3 GG verwehrt, die Abschöpfung einzubeziehen.
Normenkette
GG Art. 3; GG: Art. 73 Nr. 5, Art. 80; EWGV 19/62 Art. 4, 6, 8, 10, 14-15, 20, 26; EWGV 55/62; Gesetz zur Durchführung der EWG-VO Nr. 19: § 5; AbG § 1; Zweite VO zur Durchführung des Gesetzes zur Durchführung der EWG-VO Nr. 19 vom 30. Juli 1962 (BGBl I, 473): § 1; VO zur Änderung der Zweiten VO zur Durchführung des Gesetzes zur Durchführung der VO Nr. 19 (Getreide) vom 27. Dezember 1962 (BGBl I, 774): Art. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin beantragte am 20. August 1962, 36 459 kg aus Thailand eingeführtes Mehl von Manihot (sogenanntes Tapiokamehl) der Tarifnummer 11.06 A des Zolltarifs zum freien Verkehr abzufertigen, gleichzeitig beantragte sie, die Eosinierung (Umwandlung zu Futterzwecken) der Ware zollamtlich zu überwachen. Das Hauptzollamt (HZA) setzte die Abschöpfung zu dem für 40 kg Gerste geltenden Satz von 81,44 DM pro 1 000 kg auf 2 927 DM und die Umsatzausgleichsteuer zum Satz von 4 % auf 351,30 DM fest.
Der Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, daß die Erhebung der Umsatzausgleichsteuer neben der Abschöpfung gesetzwidrig sei, und daß die Abschöpfung um die Umsatzausgleichsteuer und um die Kosten der Eosinierung einschließlich der entsprechenden Umsatzsteuer zu ermäßigen sei, hatte keinen Erfolg.
Auch die Berufung blieb erfolglos. Sie führte zu einer Erhöhung der Umsatzausgleichsteuer auf 470,80 DM.
Hiergegen hat die Klägerin Rechtsbeschwerde eingelegt, die nunmehr als Revision zu behandeln ist. Sie hat ihren ursprünglichen Antrag auf Freistellung von der Umsatzausgleichsteuer im Laute des Revisionsverfahrens im Hinblick auf die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EGH) vom 4. April 1968 zur Frage der Erhebung von Umsatzausgleichsteuer neben der Abschöpfung zurückgezogen und dann folgende Anträge gestellt bzw. wiederholt:
1. Die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als sie die Umsatzausgleichsteuer um 119,50 DM auf 470,80 DM erhöht hat.
2. Die Abschöpfung um den Betrag der Umsatzausgleichsteuer in Höhe von 351,30 DM und um die Eosinierungskosten in Höhe von 49,40 DM zu ermäßigen.
Zur Begründung wird vorgetragen, daß Bedenken gegen die Gültigkeit des Abschöpfungserhebungsgesetzes (AbG), insbesondere im Hinblick auf die fehlende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes bestünden. Eine solche ergebe sich nicht aus Art. 73 Nr. 5 des Grundgesetzes (GG). Die Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (VO) Nr. 19 (Getreide) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – EWG – (Schwellenpreise) vom 30. Juli 1962 (BGBl I 1962, 473) sei nichtig, weil die Ermächtigungsgrundlage des § 5 AbG gegen Art. 80 GG verstoße. § 5 AbG sage nicht, nach welchen Gesichtspunkten der Verordnungsgeber den Schwellenpreis festzusetzen habe. Halte der Bundesfinanzhof (BFH) diese Vorschrift für verfassungswidrig, müsse die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) herbeigeführt werden, sofern nicht die Schwellenpreisverordnung aus einem anderen Grunde rechtsunwirksam sei.
Es stünde nicht im Ermessen des Verordnungsgebers, wie der Schwellenpreis festgesetzt werde, sondern der Schwellenpreis sei nach den Kriterien des Art. 4 der VO Nr. 19 festzusetzen. Der Schwellenpreis habe die Funktion, die Ware an den Richtpreis heranzuführen. Es sei der Preis, den die Ware koste, wenn sie die deutsche Zollgrenze überschritten habe. Er solle so ausgerichtet werden, daß die Ware zum Richtpreis verkauft werden könne. Er müsse daher die notwendigen Einfuhrnebenkosten auffangen. Dazu gehörten die Umsatzausgleichsteuer und die Denaturierungskosten. Werde die Umsatzausgleichsteuer nicht berücksichtigt, müsse sie der Importeur auf den Verkaufspreis draufschlagen. Der Schwellenpreis entspräche dann nicht mehr dem Richtpreis. Das gleiche gelte für die Eosinierungskosten.
Die Schwellenpreisverordnung habe weder die Umsatzausgleichsteuer noch die Denaturierungskosten berücksichtigt, weshalb sie ungültig sei.
Auf die Ansicht des Finanzgerichts (FG), daß die Eosinierungskosten im Abschöpfungssatz nicht berücksichtigt werden könnten, sei zu entgegnen, daß es zweifelhaft sei, ob die zu Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 55 des Rates der EWG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1962 S. 1503 – ABlEG 1962, 1583) in der Präambel zu dieser VO gegebene Begründung ausreichend sei. Sie lasse nicht erkennen, warum der bewegliche Teil der Abschöpfung für denaturiertes Tapiokamehl in Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 55 gerade entsprechend dem Abschöpfungssatz für 40 kg Gerste festgesetzt worden sei. Die Vorschrift lasse im übrigen erkennen, daß die Eosinierungskosten im Abschöpfungssatz noch nicht berücksichtigt worden seien. Das Verfahren der Denaturierung sollte in einer besonderen Durchführungsverordnung festgelegt werden. Das sei in der VO Nr. 94 der EWG-Kommission vom 25. Juli 1962 geschehen. Solange also noch nicht einmal das Verfahren der Denaturierung festgestanden habe, hätten noch viel weniger die dadurch entstandenen Kosten vorausgesehen und im Abschöpfungssatz berücksichtigt werden können.
Würden im Streitfalle die Eosinierungskosten unberücksichtigt bleiben, so würde sich durch diese unmittelbaren Kosten sowie durch die infolge der Eosinierung entstehende Umsatzsteuer eine Mehrbelastung von rund 18 DM/t ergeben, die letztlich der Verbraucher zu tragen hätte. Es würde dem Diskriminierungsverbot des Art. 40 Abs. 3 EWG-Vertrag widersprechen, wenn ausländische Getreideverarbeitungserzeugnisse im Gegensalz zu gleichartigen inländischen Erzeugnissen eosiniert werden müßten, ohne daß die dadurch entstehenden Kosten im Abschöpfungsbetrag aufgefangen würden.
Im Zweifelsfalle müsse eine Vorentscheidung des EGH eingeholt werden.
Schon ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der EWG-Getreidemarktordnung seien die Schwellenpreise durch die Änderungsverordnung vom 27. Dezember 1962 (BGBl I 1962, 774) um eine Pauschale in Höhe der Umsatzausgleichsteuer gesenkt worden. Das sei aber nicht rückwirkend geschehen, so daß der Gleichheitssatz verletzt sei.
Die Erhöhung des Umsatzausgleichsteuerbetrages durch das FG sei nach den Vorschriften der Finanzgerichtsordnung (FGO) die nunmehr anzuwenden seien, ausgeschlossen. Im übrigen seien die Abschöpfungen, die auf Grund der europäischen Marktordnungsbestimmungen erhoben würden, keine Zölle und sollten es nach dem Willen des Bundesgesetzgebers auch nicht sein, weshalb sie auch nicht in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzausgleichsteuer einbezogen werden könnten. Die Abschöpfung sei eine Abgabe des Marktlenkungsrechts. Sie habe nicht den Zweck, Einnahmen zu verschaffen.
Das HZA beantragt,
die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als sie den Betrag der Umsatzausgleichsteuer erhöht hat.
Zur Begründung trägt es vor, daß die durch das FG vorgenommene Verböserung im Hinblick auf die Vorschriften der FGO nicht zulässig sei.
Im übrigen führt das HZA aus, die Schwellenpreisverordnung vom 30. Juli 1962 stütze sich auf § 5 AbG. Diese Ermächtigungsvorschrift finde ihren Inhalt in den Art. 4 und 8 der VO Nr. 19. Es gäbe keine Möglichkeit, die inneren Abgaben von den EWG-einheitlichen Abschöpfungen abzusetzen. Würde man die Abschöpfung um den Betrag der Umsatzausgleichsteuer mindern, so würde die Umsatzausgleichsteuer so behandelt, als ob sie eine zollgleiche Wirkung hätte. Dies stünde aber im Widerspruch zu den Entscheidungen des EGH. Die VO Nr. 19 sei durch die VO Nr. 120 abgelöst worden. Der Schwellenpreis werde nicht mehr national festgesetzt, sondern durch die EWG. Daraus folge, daß der Umsatzausgleichsteuer überhaupt nicht mehr Rechnung getragen werden könne. Die Schwellenpreise seien Nettopreise. Das sei auch aus der EWG-VO Nr. 136/66 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette vom 22. September 1966 ersichtlich. Ebensowenig könnten die Eosinierungskosten von der Abschöpfung abgesetzt werden. Was nach der Einfuhr geschehe, könne grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden, weil es sich um einheitliche Abschöpfungssätze handle.
Entscheidungsgründe
Die Revision kann nur zum Teil Erfolg haben.
Im Streitfall ist in Thailand hergestelltes Mehl von Manihot eingeführt worden, das vor der Abfertigung zum freien Verkehr eosiniert wurde. Durch Art. 1 Buchst. d (Anlage) der VO Nr. 19 des Rats der EWG über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Getreide vom 4. April 1962 (ABlEG 1962, 933, BZBl 1962, 618) in Verbindung mit §§ 1 bis 3 AbG vom 25. Juli 1962 (BGBl I, 4,53, BZBl 1962, 650) sowie § 6 des Gesetzes zur Durchführung der VO Nr. 19 (Getreide) des Rats der EWG vom 26. Juli 1962 (BGBl I, 455, BZBl 1962, 643) wird bestimmt, daß bei der Einfuhr von Tapiokamehl eine Abschöpfung zu erheben ist.
1. Der erkennende Senat hält das AbG für mit dem GG vereinbar.
Nach der Präambel zur VO Nr. 19 wird der Handel mit Agrarerzeugnissen zwischen den Mitgliedstaaten durch eine Reihe von Hindernissen, nämlich Zölle, Abgaben gleicher Wirkung, Kontingente und sonstige mengenmäßige Beschränkungen gehemmt, die in unterschiedlicher Weise und Zeitfolge schrittweise beseitigt werden müßten, wenn die Organe der Gemeinschaft keine Harmoniserungsmaßnahmen träfen. Eine einheitliche Maßnahme an der Grenze auf dem Gebiet des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs erlaube hingegen einen gleichlaufend fortschreitenden Abbau dieser Hindernisse in den einzelnen Staaten in einer Zeitfolge, die der schrittweisen Entwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik angepaßt sei. Eine solche einheitliche Maßnahme an der Grenze, die an die Stelle sämtlicher einzelstaatlicher Maßnahmen trete, seien innergemeinschaftliche Abschöpfungen, die dem Unterschied zwischen den Preisen des ausführenden und des einführenden Mitgliedstaates entsprächen. Dem Erfordernis, die Präferenz zugunsten der Mitgliedstaaten zu ermöglichen, könne durch die Einführung von Abschöpfungen auf die Einfuhren aus dritten Ländern Rechnung getragen werden.
Für die vorherigen außenhandelspolitischen Maßnahmen (Zölle, Kontingente) ist der Bund unter dem Gesichtspunkt der „Einheit des Zoll- und Handelsgebiets” nach Art. 73 Nr. 5 GG ausschließlich zuständig gewesen; denn die „Einheit des Zoll- und Handelsgebiets” als Gegenstand der Gesetzgebung umfaßt notwendig auch die Erhebung von Abgaben vom Warenverkehr innerhalb des Hoheitsgebietes und an dessen Grenzen (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 8 S. 260 [268] – BVerfGE 8, 260, [268] –). Daher fällt auch die Abschöpfung, die an die Stelle der früheren Maßnahmen tritt, in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes.
Es kann sonach dahingestellt bleiben, welcher Abgabenart Abschöpfungen zuzurechnen sind und ob eine Gesetzgebungsbefugnis des Bundes sich noch aus einer anderen Vorschrift des GG ergibt.
Das AbG ist auch nicht deswegen verfassungswidrig, weil es, wie die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen hat, den Tatbestand, der zur Aufgabenerhebung führt, nicht selbst festlegt, sondern sich mit Verweisungen begnügt. Die wesentlichen Merkmale des Tatbestandes ergeben sich aus § 1 AbG – Einfuhr von Waren – im Zusammenhang mit den darin erwähnten einschlägigen EWG-Verordnungen. Nach dem Beschluß des BVerfG 2 BvL 7, 20, 22/64 vom 15. November 1967 (BVerfGE 22, 330 [346], Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1968 S. 323 – HFR 1968, 323 –) ist es aber grundsätzlich zulässig, daß ein Gesetz die gesetzlichen Tatbestände nicht selbst festlegt, sondern auf andere Normen verweist, wenn das Gesetz klar erkennen läßt, welche Vorschriften im einzelnen gelten sollen.
2. Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, daß das Gesetz zur Durchführung der EWG-VO Nr. 19 gegen das GG verstieße, weil es die rechtsstaatliche Forderung außer acht lasse, daß Abgabengesetze selbst dem Bürger darüber Aufschluß geben müßten, in welchen Fällen und in welcher Höhe er mit der Abgabe zu rechnen habe (vgl. dazu Beschluß des BVerfG 2 BvL 29/63 vom 5. Juli 1967, BVerfGE 22, 134 [140], HFR 1967, 508, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1967 S. 305 – ZfZ 1967, 305 –).
Bei der Abschöpfungserhebung auf eosiniertes Tapiokamehl ist von dem Abschöpfungsbetrag für Gerste auszugehen (Art. 14 der VO Nr. 19 in Verbindung mit Art. 7 der VO Nr. 55, ABlEG 1962, 1583). Nach Artikel 10 Abs. 2 der VO Nr. 19 entspricht der Abschöpfungsbetrag gegenüber dritten Ländern für Gerste dem Unterschied zwischen dem cif-Preis und dem Schwellenpreis. Die cif-Preise für Gerste werden durch Entscheidung der EWG-Kommission gemäß Art. 189 EWG-Vertrag festgesetzt. Die Tabellen zu den Entscheidungen werden in der Landwirtschaftsbeilage zum ABlEG verkündet; sie werden der Bundesrepublik Deutschland (BRD) bekanntgegeben (Art. 191 Abs. 2 EWG-Vertrag).
Der Schwellenpreis wird nach § 5 des Durchführungsgesetzes der VO Nr. 19 durch den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bestimmt. Dies ist durch die Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Durchführung der VO Nr. 19 (Getreide) des Rats der EWG (Schwellenpreis) vom 30. Juli 1962 (BGBl I 1962, 473) geschehen. Die Ermittlung der Abschöpfungssätze kann daher – wie dies Götz, Juristenzeitung 1962 S. 265/266, tut – als ein mathematischer Vollzug des Europäischen Rechts bezeichnet werden, da alle Faktoren für die Bestimmung des Abschöpfungsbetrages bekannt sind. Unter diesen Umständen ist die Höhe der Abschöpfung als hinreichend durch Gesetz oder gesetzesgleiche Norm bestimmt anzusehen.
3. Nach Auffassung des Senats sind die Schwellenpreise auch rechtswirksam festgesetzt worden.
Die Grundsätze der Abschöpfungsermittlung für Tapiokamehl ergeben sich, wie schon ausgeführt, aus Art. 14 der VO Nr. 19 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 55. Danach gilt für Tapiokamehl ein Abschöpfungssatz, der sich aus einem beweglichen und einem festen Teilbetrag zusammensetzt. Der bewegliche Teilbetrag für 100 kg denaturiertes Tapiokamehl entspricht dem Abschöpfungsbetrag für 40 kg Gerste (Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 55). Der Abschöpfungsbetrag für Gerste wird für Einfuhren aus dritten Ländern nach Art. 10 in Verbindung mit Art. 4 der VO Nr. 19 von der Einfuhr- und Vorratsstelle (EVSt) – Getreide – errechnet (§ 6 des Gesetzes zur Durchführung der VO Nr. 19 des Rats der EWG in Verbindung mit Artikel 15 der VO Nr. 19).
Der Abschöpfungssatz für Gerste ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Schwellenpreis für Gerste und dem cif-Preis für Gerste (siehe oben). § 5 des Gesetzes zur Durchführung der VO Nr. 19 sieht vor, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Schwellenpreise für die einzelnen Monate des Getreidewirtschaftsjahres für die in Artikel 1 Buchst. a bis c der VO Nr. 19 genannten Erzeugnisse bestimmt. Dies ist – wie erwähnt – für die strittige Ware durch die oben bezeichnete Zweite Durchführungsverordnung vom 30. Juli 1962 geschehen. Da sich der Inhalt der Ermächtigung aus Art. 4 bzw. 8 der VO Nr. 19 ergibt, kann der Einwand der Klägerin, daß die Ermächtigungsvorschrift des § 5 des Gesetzes zur Durchführung der VO Nr. 19 nicht den Erfordernissen des Art. 80 GG entspreche, nicht durchgreifen.
4. Der Einwand der Klägerin, die Abschöpfung hätte um den Betrag der Umsatzausgleichsteuer vermindert werden müssen, ist ebenfalls nicht begründet. Bei der hier in Rede stehenden Abschöpfung handelt es sich um eine Abgabe, deren Satz auf der Grundlage von Rechtsvorschriften einheitlich festgelegt ist und daher nicht im Einzelfall geändert werden kann. Ferner aber ist den einschlägigen Vorschriften zu entnehmen, daß Abschöpfung und Umsatzausgleichsteuer nebeneinander erhoben werden. Denn sowohl die VO Nr. 19 (in ihren Art. 18 und 20) als auch Verordnungen, die die Abschöpfung auf andere Waren regeln, verbieten nur, daß neben der Abschöpfung Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erhoben werden. Die Umsatzausgleichsteuer aber ist keine Abgabe zollgleicher Wirkung, wie der EGH in seinem Urteil vom 4. April 1968 Rs 20/67 (BZBl 1968, 346) entschieden hat und der herrschenden Meinung entspricht. Ihre Erhebung neben der Abschöpfung ist daher zulässig.
Im Streitfall kommt als Maßstab für die Abschöpfung der Schwellenpreis für Gerste in Betracht. Der Abschöpfungsbetrag für Gerste ist die Differenz zwischen dem cif-Preis und dem Schwellenpreis für Gerste. Nach Art. 4 der VO Nr. 19 sind die Schwellenpreise so festzusetzen, daß der Verkaufspreis des eingeführten Erzeugnisses dem Grundrichtpreis nach Art. 5 a. a. O. entspricht, die Schwellenpreise im Sinne des Art. 8 a. a. O. sind so festzusetzen, daß die Höhe der Richtpreise für die in Art. 4 a. a. O. genannten inländischen Getreidearten erreicht werden kann. Das Durchführungsgesetz zur VO Nr. 19 vom 26. Juli 1962 enthält keine Bestimmung darüber, wie die Schwellenpreise im einzelnen festzusetzen sind, und besagt auch nichts darüber, ob etwaige Umsatzausgleichsteuer-Beträge im Schwellenpreis enthalten sein dürfen oder nicht, wie das z. B. andere Verordnungen tun. So sagt die spätere EWG-VO Nr. 13/64 über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse vom 5. Februar 1964 (ABlEG 1964, 549, BZBl 1964, 821) in Art. 2 Abs. 1 ausdrücklich, daß vom Schwellenpreis für die dort genannten Erzeugnisse u. a. die inländischen Abgaben abzuziehen sind, um den Abschöpfungsbetrag zu erhalten, während nach Art. 4 der EWG-VO Nr. 136/66 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette vom 22. September 1966 (ABlEG 1966, 3025, BZBl 1966, 816) u. a. der Schwellenpreis für Olivenöl von vornherein auf der Großhandelsstufe ohne Steuern festgesetzt wird.
Mangels eines ausdrücklichen Verbots der Einbeziehung der Umsatzausgleichsteuer bei den in der VO Nr. 19 genannten Erzeugnissen kann es aber dahingestellt bleiben, ob im Schwellenpreis für Gerste irgendwelche Umsatzausgleichsteuer-Beträge berücksichtigt waren, da dies insoweit nicht unzulässig gewesen wäre. Es gibt aber auch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der es verböte, daß in der Bemessungsgrundlage für eine Abgabe auf eine andere Abgabe zu entrichtende Beträge enthalten sind.
Gegen eine zutreffende Festsetzung des Schwellenpreises spricht auch nicht die VO zur Änderung der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Durchführung der VO Nr. 19 (Getreide) des Rats der EWG (Schwellenpreise), durch die die Schwellenpreise für bestimmte Getreidearten am 1. Januar 1963 gesenkt wurden.
Daß die Schwellenpreise zutreffend festgesetzt worden sind, ist insbesondere daraus zu schließen, daß die genannte Änderungs-VO nicht alle in der Schwellenpreis-VO vom 30. Juli 1962 aufgeführten Schwellenpreise gesenkt hat und daß sich die Änderungs-VO auch keine rückwirkende Kraft beigelegt hat, sondern erst zum 1. Januar 1963 in Kraft getreten ist. Die Senkung der Schwellenpreise im Hinblick auf die Erhebung der Umsatzausgleichsteuer stellt sich, wie auch aus der Begründung zu dieser Änderungs-VO (Drucksache des Bundesrats 400/62) zu schließen ist, nur als handels- und wirtschaftspolitische Maßnahme dar.
Außerdem bleibt zu beachten, daß nach Art. 4 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 der VO Nr. 19 die Schwellenpreise für die in dieser Vorschrift genannten Erzeugnisse einer „Revision” (Art. 26 der VO Nr. 19) unterzogen werden, wenn sie unter Verstoß gegen zwingendes EWG-Recht festgesetzt worden sind. Aus der VO Nr. 122 der EWG-Kommission vom 6. August 1962 (ABlEG 1962, 2024) ist ersichtlich, daß die EWG-Kommission die in der VO vom 30. Juli 1962 festgesetzten Schwellenpreise für Braugerste, Saatweizen, Saatroggen und Saatgerste revidiert hat. Es kann nicht angenommen werden, daß die EWG-Kommission nicht auch die übrigen in der Schwellenpreis-VO vom 30. Juli 1962 festgelegten Schwellenpreise überprüft und für den Vorschriften entsprechend befunden hat, zumal sie in der genannten VO den Schwellenpreis der Gerste außer Braugerste ausdrücklich anerkannt hat. Wenn die EWG-Kommission die Bundesregierung aufgefordert haben sollte, den Schwellenpreis um den Betrag der Umsatzausgleichsteuer zu senken (vgl. Kuhn im Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters 1964 S. 34/35), so ging sie nach Angabe dieses Verfassers davon aus, daß die Umsatzausgleichsteuer nicht neben der Abschöpfung erhoben werden könne. Der von der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren erhobene Einwand, daß die EVSt für Getreide und Futtermittel vor Inkrafttreten der EWG-Marktordnung bei der Erhebung von Abschöpfungen die anfallende Umsatzausgleichsteuer stets berücksichtigt bzw. zurückerstattet habe, kann im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen nicht durchgreifen, ebensowenig der Einwand der Klägerin, das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe zur alten Marktordnungsregelung entschieden, daß die Abschöpfung sämtliche notwendigen Nebenkosten der Einfuhr berücksichtigen müsse, d. h. daß diese von der Abschöpfung abzusetzen seien.
Wenn durch die vorbezeichnete Änderungs-VO vom 27. Dezember 1962 die Schwellenpreise erst mit Wirkung vom 1. Januar 1963 gesenkt worden sind, nicht aber mit Wirkung vom 1. August 1962 (dem Inkrafttreten der EWG-Getreidemarktordnung), so kann diese Regelung nicht als willkürlich, d. h. den Gleichheitssatz verletzend, angesehen werden. Es muß dem VO-Geber überlassen bleiben, zu bestimmen, ob und bis zu welchem Zeitpunkt eine Änderung rückwirken soll.
5) Zutreffend hat die Vorinstanz auch entschieden, daß der Abschöpfungsbetrag nicht um die Eosinierungskosten zu ermäßigen ist. Wie schon ausgeführt, handelt es sich bei den Abschöpfungssätzen um allgemeine Abgabensätze, die ohne entsprechende ausdrückliche Regelung in einer Rechtsvorschrift nicht im Einzelfall erhöht oder herabgesetzt werden können.
In Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 55 ist bestimmt, daß der bewegliche Teilbetrag (Art. 14 Abs. 1 A Buchst. d der VO Nr. 19) für denaturiertes Mehl von Manihot dem Abschöpfungsbetrag für 40 kg Gerste entspricht, während nach Art. 7 Abs. 1 der VO Nr. 55 für nicht denaturiertes Mehl von Manihot der bewegliche Teilbetrag für 100 kg Maisstärke gilt. Wäre das Mehl von Manihot schon vor der Einfuhr im Ausland eosiniert worden, wären die Kosten der Eosinierung im cif-Preis und im Schwellenpreis einbegriffen, ein Abzug dieser Kosten käme nicht in Betracht. Nichts anderes aber kann gelten, wenn die Eosinierung erst bei der Einfuhr im Inland stattfindet. Denn es wäre nicht gerechtfertigt, den Abgabensatz für eosinierte Ware in einem Fall zu senken, im anderen Falle aber nicht. Der Abschöpfungsbetrag kann daher nicht um die Eosinierungskosten gemindert werden. Da dieses Ergebnis der unterschiedlichen Bestimmung der Teilbeträge in den EWG-Verordnungen folgt, bedarf es keiner Anrufung des EGH wegen einer Auslegung dieser Verordnungen. Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, warum die Kosten der Denaturierung nicht ungefähr zu errechnen gewesen sein sollten, auch wenn das Verfahren der Denaturierung noch nicht festgestanden hat. Nach der Präambel zur VO Nr. 55 ist der bewegliche Teilbetrag für denaturiertes Tapiokamehl unter Berücksichtigung der Marktbedingungen für ein verarbeitetes Erzeugnis festzusetzen, das ihm am ähnlichsten ist und mit dem es insbesondere im Wettbewerb steht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß diesem Erfordernis nicht Genüge geschehen ist, auch hat die Klägerin dafür nichts vorgetragen. Kommt aber ein Abzug der Eosinierungskosten vom Abschöpfungsbetrag nicht in Betracht, so gilt dies zwangsläufig auch für die auf diese Kosten entfallende Umsatzsteuer.
6) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Abschöpfung vor der ausdrücklichen Regelung im Umsatzsteuergesetz in der Fassung des 16. Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 26. März 1965 (BGBl I, 156) in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzausgleichsteuer einzubeziehen war. Da der Bundesminister der Finanzen die Zollstellen durch Erlaß vom 17. Juli 1962 (BZBl 1962, 652 [653]) angewiesen hatte, die Abschöpfung nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, und davon auszugehen ist, daß diese entsprechend verfahren sind, wäre der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt, wenn entgegen der Praxis der Zollstellen im Streitfall die Abschöpfung in die Bemessungsgrundlage einbezogen würde. Das aber muß auch das Gericht beachten.
7) Da die Klägerin in der Vorinstanz den Antrag auf Herabsetzung der Abschöpfung um den Betrag der Umsatzausgleichsteuer nur hilfsweise gestellt hat, im Ergebnis also eine Befreiung von dem Umsatzausgleichsteuer-Betrag in Höhe von 351,30 DM nur einmal gefordert hat, konnte das FG diesen Betrag bei der Streitwertfeststellung nicht doppelt berechnen.
8) Nach allem konnte der Revision der Klägerin nur insoweit stattgegeben werden, als die Abschöpfung in die Bemessungsgrundlage der Umsatzausgleichsteuer einbezogen wurde. Die in der Verböserung liegende Zurückweisung der Berufung hat das FG auszusprechen unterlassen. Das mußte daher nach Aufhebung der Verböserung nachgeholt werden, da es sonst an einer Entscheidung über die Berufung (Klage) fehlen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 514601 |
BFHE 1968, 248 |