Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstück mit renoviertem und ausgebautem Gebäude als einheitlicher Vertragsgegenstand
Leitsatz (NV)
1. Für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist entscheidend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. Dieser wird nicht nur bestimmt durch das den Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäft selbst, sondern -- ggf. -- auch durch mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen, die ingesamt zu dem Erfolg führen, daß der Erwerber das Grundstück in bebautem (renoviertem) Zustand erhält.
2. Werden vom Erwerber Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über die Errichtung (hier: Renovierung und Ausbau) eines Gebäudes abgeschlossen, so ist zu prüfen, ob die mehreren Verträge darauf abzielen, dem Erwerber ein Grundstück in bebautem Zustand bzw. mit renoviertem und ausgebautem Gebäude zu verschaffen (objektiver enger sachlicher Zusammenhang). Maßgebend ist der Gesamtinhalt der Verträge unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB; BFH- Urteil vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609, und BFH-Beschluß vom 18. September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627).
3. Ein derartiger enger sachlicher Zusammenhang zwischen zivilrechtlich getrennten Verträgen liegt danach u. a. dann vor, wenn ein Veräußerer einem Erwerber aufgrund einer in bautechnischer und finan- zieller Hinsicht ganz konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur insgesamt annehmen kann. Der objektive enge sachliche Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und zur Errichtung des Gebäudes abgeschlossenen Verträgen wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß zeitlich zuerst der Grundstückskaufvertrag abgeschlossen wird.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 3. April 1985 von den Eheleuten A. Z. und B. Z. ein bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 900 000 DM. Am 7. Juni 1985 beauftragte er A. Z. mit der Durchführung von Sanierungs- und Ausbauarbeiten zu einem Festpreis von 903 552 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Im Bauvertrag nahmen die Vertragsschließenden auf eine Leistungsbeschreibung vom 7. Juni 1985 Bezug. Vertragsbestandteil waren auch "Besondere Vertragsbedingungen", die von den Vertragsparteien bereits am 15. April 1985 unterschrieben worden waren, und die auf eine von A. Z. vorbereitete Baubeschreibung vom 26. März 1985 Bezug nahmen.
Nach dem Inhalt des notariell beurkundeten Änderungsvertrages vom 7. Juni 1985 sollten der Kläger und seine Ehefrau das Grundstück in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erwerben. Diese traten durch Vertrag vom 29. Juni 1985 die Gesellschaftsanteile an der GbR an 18 Neugesellschafter ab.
Die Baugenehmigung für die Um- und Ausbauarbeiten an dem Gebäude wurde aufgrund eines Bauantrages vom 27. Juni 1985 der "Grundstücksgesellschaft XY" am 20. Dezember 1985 erteilt.
Das FA beurteilte den Kaufvertrag vom 3. April 1985 und den Bauvertrag vom 7. Juni 1985 als einheitliches Vertragswerk und setzte die Grunderwerbsteuer gegen den Kläger durch Bescheid vom 13. Januar 1986 auf 38 600 DM fest. Als Gegenlei stung legte es den Kaufpreis für das Grundstück in Höhe von 900 000 DM zuzüglich der Umbaukosten einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von 1 030 049,28 DM zugrunde. Der Einspruch des Klägers hiergegen blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat unter Abänderung von Bescheid und Einspruchsentscheidung die Steuer auf 18 000 DM ermäßigt und ausgeführt, Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei lediglich das Grundstück mit unrenoviertem und nicht ausgebautem Gebäude. Bemessungsgrundlage sei deshalb auch nur der Kaufpreis hierfür in Höhe von 900 000 DM.
Der Kaufvertrag bilde mit dem Bauvertrag vom 7. Juni 1985 keine rechtliche Einheit. Es sei nicht hinreichend ersichtlich, daß die Verträge voneinander abhängen sollten. Selbst wenn ein einheitlicher Vertrag zustande gekommen wäre, unterliege der Grunderwerbsteuer nur der Teil der Gegenleistung, der sich auf die Grundstücks- übereignung beziehe. Denn es könne nicht angenommen werden, daß sich die Grundstücksveräußerer zur Übereignung eines modernisierten Grundstücks verpflichtet hätten. Obwohl hierfür sprechen könne, daß der Mitveräußerer A. Z. zugleich der Auftragnehmer aus dem Bauvertrag sei, stehe dem entscheidend entgegen, daß die Vereinbarungen in zwei auch zeitlich getrennten Urkunden enthalten seien und sich der Kläger in der Zeit zwischen dem Abschluß der Verträge, wie er unwiderlegt vorgetragen habe, wegen der Ausführung der Bauarbeiten anderweitig bemüht habe.
Das FG halte ferner die Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH), daß lediglich ein objektiver Zusammenhang zwischen mehreren Verträgen zu einem einheitlichen Vertragswerk führen könne, für eine unzulässige steuerverschärfende Analogie. Wegen der Einzelheiten werde auf das der Vorentscheidung auszugsweise beigefügte Urteil des FG vom 15. November 1990 I 338-339/86 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1991, 496) Bezug genommen, dessen Grundsätze gleichermaßen auch für die im Streitfall erhebliche Frage der Höhe der Gegenleistung maßgeblich seien.
Die Steuerfestsetzung sei auch nicht unter Berücksichtigung des Wirkens eines Initiators begründet. Der BFH habe zwar bei der Erörterung des Erwerbs "aus einer Hand" ausgeführt, daß sogar beim Auftreten mehrerer Personen auf der Veräußererseite ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen bestehen könne, insbesondere könne sich die Verflechtung der Verträge aus der Stellung des Projektanbieters ergeben. Diese Rechtsprechung verstehe das FG so, daß ein Initiator kraft seiner Rechtsmacht bewirken müsse, daß ein unbebautes Grundstück beim Erwerber als bebautes Grundstück ankomme. Es könne jedoch dahinstehen, ob der BFH diese Rechtsprechung neben der zum "objektiven Zusammenhang" unverändert und in vollem Umfang aufrechterhalte. Denn das FG könne in derartigen Fällen keinen für die Steuerbarkeit erforderlichen derivativen Erwerb des Bauherrn hinsichtlich des Bauwerks erkennen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983. Nach den vom BFH entwickelten Grundsätzen zum sogenannten einheitlichen Vertragsgegenstand habe der Kläger ein Grundstück mit einem renovierten und ausgebauten Gebäude erworben. Der sachliche Zusammenhang der Verträge ergebe sich im Streitfall aus der Stellung des A. Z., der als Mitveräußerer des Grundstücks und Werkunternehmer freie Hand bei der Durchsetzung des Grundstücksbebauungskonzeptes gehabt habe. Der Kläger habe den Zugang zum Grundstück nur erhalten, weil er die vom Initiator vorgesehenen Modernisierungsmaßnahmen akzeptiert habe. Eine Verknüpfung der Verträge untereinander ergebe sich auch daraus, daß Grundlage des am 7. Juni 1985 abgeschlossenen Bauvertrages u. a. die bereits am 26. März 1985 -- also vor dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages -- komplett fertiggestellte Baubeschreibung gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um abschließend prüfen zu können, ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs des Klägers das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude ist.
1. Der Grundstückskaufvertrag vom 3. April 1985 ist ein Rechtsvorgang, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegt. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Zur Gegenleistung gehört bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).
Für den Umfang der Bemessungsgrund lage ist entscheidend, in welchem tatsäch lichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, 287, BStBl II 1990, 590; vom 5. Februar 1992 II R 110/88, BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357 sowie -- zu § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 -- BFH-Urteil vom 11. März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, 231, BStBl II 1981, 537 m. w. N.); denn Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen kann das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat, oder in einem (künftigen) Zustand, in den es erst zu versetzen ist.
Der für den Umfang der Gegenleistung maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird nicht nur bestimmt durch das den Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäft selbst, sondern -- ggf. -- auch durch mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen, die insgesamt zu dem Erfolg führen, daß der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1989 II R 143/87, BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183, und II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181 sowie in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, und BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357).
Sind, wie im Streitfall, vom Erwerber (Kläger) Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über die Errichtung (hier: Renovierung und Ausbau) eines Gebäudes abgeschlossen worden, so ist zu prüfen, ob die mehreren Verträge darauf abzielen, dem Erwerber ein Grundstück in bebautem Zustand bzw. mit renoviertem und ausgebautem Gebäude zu verschaffen (objektiver enger sachlicher Zusammenhang). Maßgebend ist der Gesamtinhalt der Verträge unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --; Urteil vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609, und BFH-Beschluß vom 18. September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627).
Ein derartiger enger sachlicher Zusammenhang zwischen zivilrechtlich getrennten Verträgen liegt danach u. a. dann vor, wenn ein Veräußerer einem Erwerber aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht ganz konkreten und bis (an nähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur insgesamt annehmen kann. Der objektive enge sach liche Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und zur Errichtung des Gebäudes abgeschlossenen Verträgen wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß -- wie im Streitfall -- zeitlich zuerst der Grundstückskaufvertrag abgeschlossen wird. Maßgebend ist, ob der Erwerber in diesem Zeitpunkt in seiner Entscheidung über das "Ob" und das "Wie" der Bebauung noch frei ist oder nicht. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1991 II R 133/87, BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532).
An dieser nunmehr ständigen Rechtsprechung hält der Senat fest. Die dagegen erhobenen Einwendungen des FG überzeugen nicht. Nach den von der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätzen ist der Gegenstand des Erwerbsvorgangs nicht nur dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft (z. B. Grundstückskaufvertrag) selbst zu entnehmen, sondern ggf. auch mit diesem im Zusammenhang stehenden weiteren Rechtsgeschäften. Diese Auffassung beruht auf einer am Sinn und Zweck des Gesetzes orientierten Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983, die die verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Gesetzesauslegung nicht überschreitet und auch nicht auf einem verfassungsrechtlich unzulässigen Analogieschluß beruht (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212; BFH in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183; in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, und in BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357).
2. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das FG zurückzuverweisen.
Das FG hat es auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung unterlassen, ausreichende tatsächliche Feststellungen zu der Frage zu treffen, ob der Kläger bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages am 3. April 1985 hinsichtlich des "Ob" und des "Wie" der Bebauung gebunden war. Insbesondere hat das FG nicht untersucht, ob der Kläger bei Abschluß des Grundstückskaufvertrages z. B. durch mündliche Absprachen oder durch sonstige Umstände faktisch auf das von dem Verkäufer A. Z. entwickelte Baukonzept und den Abschluß des Bauvertrages festgelegt war.
Fundstellen
Haufe-Index 420162 |
BFH/NV 1995, 337 |