Entscheidungsstichwort (Thema)
In sich nicht schlüssige Schätzung des FG
Leitsatz (NV)
1. Zur Aufklärungspflicht des FA vor Schätzung der Besteuerungsgrundlagen.
2. Zur eigenen Schätzungsbefugnis des FG, wenn eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
3. Bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das FG muß die Schätzung durch die von ihm getroffenen Feststellungen gedeckt sein.
4. Das Urteil des FG ist aufzuheben, wenn die vom FG vorgenommene Schätzung der steuerpflichtigen Einnahmen des Klägers aufgrund seines Lebensbedarfs in sich nicht schlüssig ist. Das ist der Fall, wenn sich aus dem Urteil des FG nicht entnehmen läßt, welche Gelder dem Kl. sonst zur Verfügung gestanden haben.
Normenkette
AO 1977 § 167; FGO § 96 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1975 bis 1978 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma X-GmbH.
Streitig sind die Einkommensteuerveranlagungen der Jahre 1975 bis 1978. In der Einkommensteuererklärung 1975 hat der Kläger weder Einkünfte erklärt noch Sonderausgaben angegeben. In der Steuererklärung 1976 gab er nur negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 1 110 DM an; Sonderausgaben wurden nicht erklärt. Für 1977 errechnete er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 8 189 DM und Sonderausgaben in Höhe von 7 982 DM. Bezüglich des Jahres 1978 erklärte der Kläger Einkünfte als Geschäftsführer der X-GmbH für den Monat Januar 1978 in Höhe von 4 000 DM und als Geschäftsführer der von ihm neu gegründeten Firma Y-GmbH für die Zeit vom 6. Juli bis 31. Dezember 1978 in Höhe von 12 000 DM. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betrugen nach seinen Angaben in 1978 4 671 DM.
Der Beklagte und Revisonsbeklagte (das Finanzamt - FA -) war der Ansicht, daß der Kläger auch in den Jahren 1975 bis 1977 Einkünfte aus seiner Geschäftsführertätigkeit für die X-GmbH bezogen habe. Er setzte deshalb bei den Einkommensteuerveranlagungen 1975 bis 1977 den erklärten Einkünften jeweils 84 000 DM Bruttoeinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hinzu. Für 1978 schätzte das FA die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit auf 28 000 DM und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf 9 000 DM. Die gegen die Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1978 eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Im Klageverfahren brachte der Kläger u. a. vor, er habe von der X-GmbH Gehaltszahlungen nur bis einschließlich Juni 1974 in Höhe von monatlich 4 800 DM brutto erhalten. Über diesen Zeitraum hinaus sei kein Lohn mehr gezahlt worden, da die X-GmbH illiquide geworden sei, die Arbeitsverträge mit sämtlichen Mitarbeitern wie auch seinen Anstellungsvertrag aufgelöst und sämtliche Mitarbeiter entlassen habe. Ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens sei gestellt, das Verfahren sei jedoch mangels einer die Kosten deckenden Masse eingestellt worden. Er habe außer den von ihm erklärten Einkünften in den Streitjahren keine anderweitigen Einkünfte erzielt. Er habe der X-GmbH in den Jahren 1974 bis 1977 insgesamt 112 609 DM an eigenen Mitteln zugeführt. Andererseits habe die X-GmbH ihm bis zum 30. Januar 1979 80 687,24 DM zurückgezahlt, was sein Steuerbevollmächtigter bezeugen könne.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) übergab der Kläger zwei Aufstellungen vom 9. September 1982 über die ihm zur Bestreitung seines Lebensunterhalts in den Jahren 1975 bis 1978 zur Verfügung stehenden Mittel und über seine Ausgaben in diesen Jahren. Diese Aufstellungen haben folgenden Inhalt:
. . .
Das FG wies insoweit die Klage ab. Es führte u. a. aus:
Das FA sei im Streitfall zur Schätzung der Einkünfte des Klägers für die Streitjahre 1975 bis 1978 berechtigt gewesen, da die Einkünfte des Klägers in den Streitjahren auf andere Weise nicht zu ermitteln und rechnerisch festzustellen gewesen seien. Eine Schätzung der Einkünfte sei auch vom Gericht vorzunehmen. Denn das Gericht sei der Überzeugung, daß der Kläger in den Streitjahren erhebliche einkommensteuerpflichtige Mittel von der X-GmbH bezogen habe. Trotz gewisser Bedenken werte es diesen Zufluß nicht als verdeckte Gewinnausschüttung, sondern als Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit. Eine freie Schätzung sei notwendig, da dem Gericht keine abgeschlossene Buchführung der X-GmbH oder sonstige Erkenntnismittel zur Verfügung gestanden hätten. Nach Aussagen des im Klageverfahren der X-GmbH als Zeuge vernommenen Steuerbevollmächtigten habe dieser die ihm übergebenen, zum Teil kontierten Belege in die nachgebuchte Datev-Buchführung der X-GmbH übernommen, ohne die Vollständigkeit und Stimmigkeit der Buchführung überprüfen zu können.
Unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Belege über die Verwertung von Vermögensgegenständen seines Privatvermögens und der Inanspruchnahme eigener privater Mittel sei das Gericht überzeugt, daß der Kläger auch in den Streitjahren 1975 bis 1977 in der Lage gewesen sei, der X-GmbH Mittel in Höhe seiner früheren Bezüge zu entnehmen. Es schätzte daher seine Einkünfte als Geschäftsführer der X-GmbH in den Streitjahren 1975 bis 1977 auf jährlich 60 000 DM. Der Kläger selbst habe in den beiden gegen ihn anhängig gewesenen Strafverfahren eingeräumt, ein Gehalt von 3 800 DM bezogen zu haben. Er habe bis zum Jahre 1973 der wirtschaftlich notleidenden X-GmbH Geschäftsführergehälter bis zu 62 000 DM entnommen. Die wirtschaftliche Lage der X-GmbH dürfte sich - nach Wiederaufnahme der Tätigkeit - in 1975 gebessert haben. Insbesondere seien der X-GmbH ab dem Jahre 1975 Schadensersatzzahlungen aufgrund eines Vergleichs zugeflossen, die die Liquidität gesteigert hätten. Das Gericht könne den vom Kläger eingereichten Aufstellungen über die ihm zur Bestreitung seines Lebensunterhalts in den Jahren 1975 bis 1978 zur Verfügung stehenden Mittel nicht folgen, da er die dort genannten Beträge im wesentlichen bereits in den Jahren 1973 und 1974 in Anspruch genommen habe. In dieser Zeitspanne habe die X-GmbH erhebliche Verluste erlitten, so daß der Kläger nach seinem glaubhaften Vorbringen und den Buchungen auf dem Verrechnungskonto der X-GmbH aus privaten Mitteln Darlehen zu dem Zweck zur Verfügung gestellt habe, sich die notleidende X-GmbH als Existenzgrundlage zu erhalten. Nach dem Verrechnungskonto habe er der X-GmbH lediglich in 1976 5 017,52 DM und in 1978 65 337,94 DM entnehmen können. Die letztgenannten Mittel könnten mittelbar der vom Kläger im Jahre 1978 gegründeten Y-GmbH zugeflossen sein.
Gehe man von der Aufstellung des Klägers vom 9. September 1982 aus, so sei ihm in den Jahren 1973 und 1974 Geld in Höhe von 96 381 DM zugeflossen. Das gelte aber nicht für die Folgejahre. Die ihm im Jahre 1975 zustehenden Mittel ließen sich anhand der vom Kläger eingereichten Aufstellung nicht exakt ermitteln, allenfalls nur mit 36 846 DM schätzen. Von diesem Betrag habe er Zinsen für die von ihm privat in Anspruch genommenen Darlehen entrichten müssen. Im Jahre 1976 habe der Kläger entsprechend seiner Aufstellung nur über einen Jahresbetrag von 14 835 DM und im Jahre 1977 über einen Betrag von 5 032 DM verfügen können. Diesen Zuflüssen ständen Belastungen für Zinsen und Tilgungen aus den in Anspruch genommenen Darlehen von 44 835 DM gegenüber, die die Zuflüsse des Jahres 1976 nahezu und in 1977 vollständig aufgezehrt haben dürften. Um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestreiten zu können, habe der Kläger daher bei der X-GmbH in den Jahren 1975 bis 1977 jährlich Entnahmen in der bisherigen Höhe tätigen müssen. Dazu sei er als Geschäftsführer in der Lage gewesen.
Der Kläger habe Aufwendungen für die Lebenshaltung in 1975 mit 7 200 DM, in den Jahren 1976 und 1977 von jeweils 8 000 DM und für das Jahr 1978 von 9 000 DM angegeben. Abgesehen davon, daß die nach der Aufstellung des Klägers zur Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu diesem Zweck in erheblichem Umfang nicht zur Verfügung gestanden hätten, widerspreche es der Lebenserfahrung, daß der Kläger nach seinem Lebenszuschnitt mit derart bescheidenen Mitteln, die gerade die Sozialhilfesätze überschritten, seine Lebenshaltung habe bestreiten können. Es sei auch nicht auszuschließen, daß der Kläger für die Instandsetzung und den Ausbau eines Grundstücks in A, für die er zahlreiche Arbeitsstunden aufgebracht haben wolle, erhebliche, nicht durch Darlehen gedeckte Mittel eingesetzt habe.
Es bestünden zudem ernstliche Zweifel, ob die wirtschaftliche Lage des Klägers in den Streitjahren derart mißlich gewesen sei, wie er behaupte. Immerhin habe er von . . . das Gebäude für die X-GmbH zum Preis von 100 000 DM erworben. Als Sicherheit für den ihm hierfür gewährten Bankkredit habe eine Grundschuld sowie eine Höchstbetragsbürgschaft seines damaligen Steuerbevollmächtigten gedient. Es sei zweifelhaft, ob sich nicht dem Steuerbevollmächtigten bei der Gewährung der Höchstbetragsbürgschaft Zweifel an der Bonität des Klägers hätten aufdrängen müssen, wenn dessen wirtschaftliche Lage so schlecht gewesen sei, wie der Kläger jetzt behaupte.
Für das Jahr 1978 habe das FA ein Bruttogehalt des Klägers von 28 000 DM der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt. Selbst wenn der aus dem Lohn von D verfügbare Nettobetrag dem Kläger für die gemeinschaftliche Haushaltsführung zugeflossen wäre, käme eine Minderung dieses finanzamtlichen Schätzungsbetrages nicht in Betracht. Im Hinblick auf das Verböserungsverbot müsse es bezüglich dieses Jahres bei der Schätzung des FA verbleiben.
Der Kläger legte gegen dieses Urteil Revision ein. Er bringt u. a. vor:
Das FA sei im Streitfall nicht zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) berechtigt gewesen. Es sei von seinen Angaben in den Einkommensteuererklärungen 1975 bis 1978 abgewichen, ohne ihn zuvor von der beabsichtigten Abweichung zu informieren und ohne ihn oder seinen Steuerbevollmächtigten zu Auskünften aufgefordert zu haben. Er habe dem damaligen Sachbearbeiter des FA mitgeteilt, daß er und sein Steuerbevollmächtigter zu weiteren Auskünften und Angaben zur Verfügung ständen.
Das FA habe eine willkürliche Schätzung vorgenommen. Dies verstoße gegen § 162 AO 1977. Hätte das FA seiner Ermittlungspflicht genügt und ihn entsprechend befragt, so hätte er anhand der Buchhaltung der X-GmbH lückenlos nachweisen können, welche Beträge ihm in den Jahren 1975 bis 1978 als Darlehensrückzahlungen zugeflossen seien. Die freie Schätzung des Gerichts sei ebenso fehlerhaft, wie die vorher vorgenommene Schätzung des FA. Dies ergebe sich aus folgenden Erwägungen:
a) Das Gericht habe nicht alle angebotenen Beweismittel zur Ermittlung des tatsächlichen Sachverhalts ausgeschöpft. So habe er, der Kläger, im Schriftsatz vom 7. September 1982 dem Gericht Beweis über den Zufluß von Geldbeträgen angeboten, die kein steuerpflichtiges Einkommen gewesen seien. Er habe hierfür seine frühere Ehefrau und D als Zeugen benannt. D sei in den streitbefangenen Jahren teilweise die Buchhalterin der X-GmbH gewesen. Sie habe Aufzeichnungen darüber geführt, welche Gelder er der X-GmbH vor 1975 zur Verfügung gestellt habe und welche Mittel er in den Jahren 1975 bis 1978 als Darlehensrückflüsse von der X-GmbH erhalten habe.
b) Sein Verrechnungskonto bei der X-GmbH habe zum 30. Juni 1978 einen Saldo zu seinen Gunsten in Höhe von 65 337,94 DM ausgewiesen, so daß ihm bis zu diesem Zeitpunkt über 60 000 DM Darlehensrückflüsse zugute gekommen seien. Diese Mittel habe das Gericht außer Betracht gelassen und sie als Geschäftsführergehälter angesetzt. Das FG habe sich über die Bekundungen des Zeugen hinweggesetzt und in freier Schätzung Geschäftsführergehälter mit 60 000 DM angesetzt, ohne zu berücksichtigen, daß die X-GmbH im Kalenderjahr 1974 Verluste erlitten habe und daher in der Folgezeit nicht mehr in der Lage gewesen sei, Gehälter auszuzahlen.
c) Unzutreffend sei die Feststellung des FG, er, der Kläger, habe in dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren eingeräumt, ein Gehalt von monatlich 3 800 DM bezogen zu haben. In Wirklichkeit habe es sich um Bezüge der Kalenderjahre 1967 bis 1972 gehandelt. Er habe in seiner Steuererklärung für das Jahr 1974 angegeben, daß seine monatlichen Bruttobezüge zum 30. Juni 1974 4 800 DM betragen hätten.d) Unzutreffend sei die Feststellung des Gerichts, daß die ihm im Jahre 1977 zugeflossenen Beträge vollständig durch Zins- und Tilgungsleistungen aufgezehrt worden seien. Das Gericht habe übersehen, daß er im Kalenderjahr 1977 ein Bankdarlehen aufgenommen habe, daß ihm Mieteinnahmen zugeflossen seien und er weitere Darlehensrückzahlungen der X-GmbH erhalten habe.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und die Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1978 aufzuheben sowie hilfsweise unter Aufhebung der Vorentscheidung das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Der Kläger hatte in den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1975 bis 1978 keine oder nur geringe Einkünfte erklärt. Das FA ist nach § 162 AO 1977 berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn es nachweisen kann, daß die Angaben des Steuerpflichtigen in den Einkommensteuererklärungen unzutreffend oder unvollständig sind. Eine solche Schätzung ist aber nur dann zulässig, wenn feststeht, daß eine weitere Sachaufklärung bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226). Vor Schätzung der Besteuerungsgrundlagen hat das FA daher in der Regel den Steuerpflichtigen zur Erläuterung seiner Angaben aufzufordern und ggf. entsprechende Belege nachzufordern. Eine solche Aufforderung entspricht auch dem Gebot des rechtlichen Gehörs. Hiervon geht offensichtlich auch § 162 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 aus, wenn er bestimmt, daß das FA insbesondere zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt ist, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag. Ob das FA im Streitfall den Kläger zu solchen Erläuterungen vorab aufgefordert hat, ist zwischen den Beteiligten strittig. Aus den vorliegenden Akten sind für eine entsprechende Anfrage beim Kläger keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Die Frage kann letztlich aber dahingestellt bleiben, weil das FG seinerseits eine eigene Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durchgeführt hat, der Kläger zuvor ausreichende Möglichkeiten hatte, seinen Standpunkt darzulegen, und er von diesem Recht entsprechenden Gebrauch gemacht hat.
2. Das FG hat nach § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 162 AO 1977 eine eigene Schätzungsbefugnis, wenn eine weitere Sachaufklärung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Welche Schätzungsmethode dem Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch der Wirklichkeit möglichst nahekommende Wahrscheinlichkeitsüberlegungen festzustellen, am besten gerecht wird, ist grundsätzlich eine Frage der Tatsachenfeststellung durch das FG. Das Revisionsgericht ist hieran gebunden, sofern diese Feststellungen nicht auf einem Rechtsirrtum oder Verfahrensmangel beruhen. Materiellen Rechtsfehlern stehen Verstöße gegen die angewandte Schätzungsmethode, gegen Denkgesetze, gegen allgemeine Erfahrungssätze und gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze gleich. Schätzungen müssen insbesondere in sich schlüssig sein (Urteil in BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226).
3. Das FG ist bei seiner Schätzung davon ausgegangen, daß der Kläger auch in den Streitjahren 1975 bis 1978 noch Geschäftsführer der X-GmbH war. Das ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat dies letztlich auch nicht in Abrede gestellt. Denn er hat nach seinem eigenen Vorbringen für die X-GmbH weiterhin gehandelt, so insbesondere bei Abschluß des Vergleichs am 14. Juli 1975 und bei Entgegennahme der Schadensersatzleistungen für die X-GmbH. Die X-GmbH hat ihm im übrigen im Januar 1978 ein Gehalt von 4 000 DM zuerkannt.
4. Das FG ist davon ausgegangen, die X-GmbH habe dem Kläger in den Jahren 1975 bis 1978 ein Geschäftsführergehalt von brutto 60 000 DM gezahlt. Es kann zweifelhaft sein, ob die vom Kläger bestrittene Weiterzahlung des Gehalts in dieser Höhe in den Streitjahren von den vom FG getroffenen Feststellungen ausreichend gedeckt ist. Solche Leistungen haben sich jedenfalls nicht der Buchführung der X-GmbH entnehmen lassen, da diese unvollständig, nachträglich erstellt und auch aus anderen Gründen nicht ordnungsgemäß war. Entsprechende Verträge zwischen der X-GmbH und dem Kläger bezüglich der Wiederaufnahme seiner Gehaltszahlungen liegen nicht vor. Die Zahlung eines solchen Gehaltes könnte allerdings glaubhaft sein, wenn die X-GmbH in den Jahren 1975 bis 1977 ihre Tätigkeit mit eigenen Mitarbeitern im früheren Umfang wieder aufgenommen oder eine andere Geschäftstätigkeit entfaltet haben sollte und ihr hieraus nach Bestreitung der Unkosten ausreichende Mittel zur Verfügung gestanden haben. Ausreichende Feststellungen hat das FG hierzu ebenfalls nicht getroffen.
Das FG hat das Vorbringen des Klägers für zutreffend angesehen, er habe der X-GmbH in den Jahren 1974 bis 1977 insgesamt 112 609 DM eigene Mittel als Darlehen zur Verfügung gestellt. Nach der Lebenserfahrung könnte manches dafür sprechen, daß der Kläger in erster Linie hätte bestrebt sein müssen, von der anscheinend nicht mehr lebensfähigen X-GmbH diese Darlehensbeträge möglichst schnell zurückzuerhalten. Dies lag bei einer anscheinend nur geringen Geschäftstätigkeit der X-GmbH für den Kläger wohl näher, als davon auszugehen, daß er sich ein - für ihn steuerpflichtiges - Geschäftsführergehalt von monatlich 5 000 DM bezahlt hat, das die Firma neben den Darlehensrückflüssen offensichtlich hätte aufbringen müssen. Der Kläger hat zur Frage der Darlehensrückzahlungen seinen früheren Steuerbevollmächtigten und D als Zeugen benannt; sie wurden nicht vernommen. Nach den Angaben des Klägers betrugen die Darlehensrückzahlungen insgesamt 80 687,24 DM. Vor Annahme von Geschäftsführergehältern in der vom FG geschätzten Höhe hätte es mithin nahegelegen, den Kläger dazu zu befragen, ob und wann der restliche Darlehensbetrag von 31 921,76 DM von der X-GmbH an ihn zurückgezahlt worden ist.
Sollte es der X-GmbH in den Streitjahren wirtschaftlich besser gegangen sein als vorstehend angenommen wurde, so bleibt auch die Frage bestehen, ob der Kläger zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht Beträge von seinem Gesellschafterkapitalkonto bei der X-GmbH hätte abheben können.
5. Selbst wenn man diese Zweifel außer Betracht läßt und die Möglichkeit ins Auge faßt, daß der Kläger in den Streitjahren ggf. Einnahmen aus einer bisher nicht bekannten gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit erzielt haben könnte, kann das Urteil des FG jedenfalls deshalb keinen Bestand haben, weil die vom Gericht vorgenommene Schätzung der Einnahmen des Klägers aufgrund seines Lebensbedarfs nicht in sich schlüssig ist.
a) Bei der Hinzuschätzung von Einkünften des Klägers von jährlich je 60 000 DM ist das FG davon ausgegangen, daß der Kläger etwa die gleichen Beträge zur Bestreitung seines Lebensunterhalts jährlich benötigt hat wie in den Jahren vor 1975. Das FG hat sich bei der Schätzung an das dem Kläger bis zum 30. Juni 1974 zustehende Gehalt von monatlich brutto 4 800 DM angelehnt, was einem Jahresgehalt von 57 600 DM brutto entspricht. Im Hinblick darauf, daß der Kläger nach den Feststellungen des FG bis zum Jahr 1973 der X-GmbH Geschäftsführergehälter bis zu 62 000 DM entnommen hat, erscheint eine Schätzung in Höhe von 60 000 DM jährlich nicht aus der Luft gegriffen.
b) Die vom FG vorgenommene Hinzuschätzung solcher Beträge im Hinblick darauf, daß er solche Mittel zur Bestreitung seiner Lebenshaltungskosten benötigt habe, setzt jedoch voraus, daß dem Kläger sonst keine Gelder für diesen Zweck zur Verfügung gestanden haben. Das läßt sich dem Urteil des FG jedoch nicht entnehmen.
aa) Bezüglich des Streitjahres 1975 kommt das FG zu dem Ergebnis, daß der Kläger liquide Mittel von 33 837 DM für den Lebensunterhalt gehabt haben könnte, und zwar: . . .
Geht man von Lebensbedarfskosten von 60 000 DM brutto aus, so wäre mithin nur eine Schätzung von rd. 26 000 DM Geschäftsführergehälter brutto berechtigt gewesen.
bb) Bezüglich der Jahre 1977 und 1978 hätte das FG gemäß den zutreffenden Ausführungen des Klägers in der Revisionsschrift berücksichtigen müssen, daß ihm Mieteinnahmen zugeflossen sind. Diesen Einnahmen stehen zwar Darlehenszinsen in 1977 und 1978 zuzüglich Bearbeitungsgebühr gegenüber. Aus dem finanzgerichtlichen Urteil ist nicht zu entnehmen, ob das Gericht diese Belastungen bei seiner Berechnung der dem Kläger in den Jahren 1977 und 1978 zur Verfügung stehenden Mittel mit berücksichtigt hat.
cc) Der Kläger rügt im übrigen zu Recht, daß das FG bei der Berechnung seiner Mittel im Jahr 1977 nicht das von ihm in jenem Jahr aufgenommene Darlehen angesetzt hat. Dieses Darlehen hatte der Kläger in seiner Aufstellung vom 9. September 1982 gesondert aufgeführt. Das FG hätte zumindest feststellen müssen, daß der Kläger das Darlehen, sollte es gewährt worden sein, für andere Zwecke, insbesondere für Bauzwecke, benötigt hat. Entsprechende Ausführungen sind jedoch im Urteil nicht enthalten. Im Rahmen der weiteren Aufklärung des Sachverhalts kann es unter Umständen erforderlich sein, Bedienstete des Bankinstituts nach dem Zweck der Darlehensaufnahme zu befragen.
dd) Bezüglich des Streitjahres 1978 hat das FG überhaupt keine Erwägungen angestellt, welche Beträge dem Kläger für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden haben. Es hat ohne weiteres die Schätzung des FA im Einkommensteuerbescheid 1978 übernommen, wobei das FA ein Bruttogehalt von 28 000 DM und einen Überschuß der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 9 000 DM angesetzt hatte. Im Hinblick auf die Ausführungen des FG, für das Streitjahr 1978 müsse es wegen des Verböserungsverbots bei der Schätzung des FA verbleiben, muß davon ausgegangen werden, daß das FG im Hinblick auf den Lebenszuschnitt des Klägers auch für dieses Jahr von einem Zufluß von Mitteln in Höhe von 60 000 DM ausgegangen ist. Nimmt man mit dem FG Lebenshaltungskosten in dieser Höhe auch für das Streitjahr 1978 an, so wäre eine Schätzung in dieser Höhe oder auch nur in Höhe der vom FA angesetzten Beträge von 28 000 DM an Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und 9 000 DM an Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur gerechtfertigt, wenn das FG Feststellungen dazu getroffen hätte, inwieweit der Kläger seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unzutreffend erklärt hat und welche Beträge ihm für dieses Jahr zur Bestreitung von Lebenshaltungskosten sonst zur Verfügung gestanden haben. Solche Erwägungen hat das FG für 1978 nicht angestellt. Ermittlungen bezüglich der sonst zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten möglichen Mittel wären aber gerade für dieses Jahr geboten gewesen, weil der Kläger vor dem FG behauptet hat, an Darlehensrückzahlungen von der X-GmbH in 1978 65 337,94 DM erhalten zu haben, wofür er seinen früheren Steuerbevollmächtigten und D als Zeugen benannt hatte. Das FG hat es für möglich gehalten, daß diese Beträge mittelbar der Y-GmbH zugeflossen sein ,,können". Konkrete Feststellungen hierzu hat das FG jedoch nicht getroffen, so daß die Frage offenbleibt, ob der vorgenannte Betrag von 65 337,94 DM dem Kläger zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat.
6. Wegen der vorstehenden Mängel hebt der Senat die Vorentscheidung auf und verweist die Sache an das FG zur erneuten Tatsachenfeststellung zurück. Er erstreckt die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das FG auch auf das Jahr 1976, weil nicht auszuschließen ist, daß der vorgenannte Darlehensrestbetrag von 31 921,76 DM in diesem Jahr an den Kläger zurückgewährt wurde, was zu einer entsprechenden Minderung des Hinzuschätzungsbetrages von 60 000 DM für das Streitjahr 1976 führen könnte. Im Hinblick darauf, daß die Revision aus diesen Gründen Erfolg hat, braucht der Senat auf die übrigen vom Kläger vorgebrachten Revisionsrügen nicht einzugehen.
Bei einer erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das FG ggf. den Sachverhalt noch in anderer Hinsicht näher aufklären müssen. Denn dafür, daß dem Kläger in den Streitjahren mehr Geld zur Verfügung gestanden hat, als er angegeben hat, könnte auch der Umstand sprechen, daß er in den Jahren 1976 und 1977 das von der X-GmbH und dann von ihm nur mit Darlehensmitteln erworbene Gebäude instand gesetzt und ausgebaut hat. Der Kläger soll das Gebäude ,,in fast abbruchreifem Zustand" erworben und ,,Hunderttausende von Mark" hineingesteckt haben. Wenn der Kläger auch behauptet, er habe selbst zahlreiche Arbeitsstunden aufgewandt, so wird er wohl kaum in der Lage gewesen sein, eine solche Renovierung nebst Ausbau des Gebäudes ohne Einsatz bezahlter Hilfskräfte und vor allem ohne Materialkosten durchzuführen. Das FG deutet dies in seinem Urteil zu Recht mit den Worten an, es sei ,,nicht auszuschließen", daß der Kläger diese Maßnahmen teilweise mit eigenen Mitteln finanziert habe. Es wird hierzu - ggf. unter Hinzuziehung eines Bausachverständigen - nähere Ermittlungen anstellen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 414794 |
BFH/NV 1987, 698 |