Leitsatz (amtlich)
Eine Kupferhütte, die im elektrolytischen Verhüttungsverfahren Kathodenbleche herstellt, kann, wenn sie auf Wunsch ihrer Abnehmer die Kathodenbleche in tiegelrechte Stücke zerschneidet, insoweit für die Weiterlieferung des zerschnittenen Kupfers Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 UStG nicht beanspruchen.
Normenkette
UStG 1934 § 4 Ziff. 4; UStG 1951 § 4 Ziff. 4; UStDB 1938 § 12; UStDB 1951 § 12; UStDB 1938 § 28 Abs. 1, 2 Ziff. 9, Abs. 2 Ziff. 12, § 29 Abs. 1 Ziff. 6; UStDB 1951 § 29 Abs. 1, 2 Ziff. 9, Abs. 2 Ziff. 13, § 30 Abs. 1 Ziff. 9
Tatbestand
Streit besteht über den Anwendungsbereich des sogenannten Verhüttungsprivilegs [§ 4 Ziff. 4 UStG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Ziff. 9 UStDB 1951 (§ 29 Abs. 1 Ziff. 6 UStDB 1938) und § 29 Abs. 1 und Abs. 2 Ziffern 9 und 13 a. a. O. (§ 28 Abs. 1 und Abs. 2 Ziffern 9 und 12 UStDB 1938)]. Die Steuerpflichtige (Stpfl.) betreibt eine Kupferhütte, die aus Altkupfer und Abfällen als Verhüttungsmaterialien Kupfer in Öfen erschmilzt. Das schmelzflüssige Kupfer wird zu Platten (Anodenplatten) vergossen. Die Platten werden in elektrolytische Bäder eingehängt, in denen elektrischer Gleichstrom von den Anoden zu Kupferblechen (Kathodenblechen) fließt. Die Kupferionen wandern von der Anode zur Kathode und schlagen sich auf dem Kathodenblech nieder. Wenn der Kupferbelag auf der Kathode eine Stärke von etwa 15 mm erreicht hat, wird die Kathodenplatte herausgenommen. Sie ist etwa 94 x 64 cm groß und wiegt etwa 50 kg. Das so gewonnene Kathoden-(oder Elektrolyt-)Kupfer ist porös und besitzt einen Reinheitsgrad von über 99,9 %.
Die Kathodenplatten werden teils unverändert weiterveräußert, zum Teil aber einer weiteren Behandlung unterzogen.
Streit besteht nur noch über die Lieferung tiegelrecht geschnittener Kathodenplatten. Hier wird insbesondere auf Wunsch solcher Abnehmer, die das Kupfer zur Herstellung von Legierungen im Schmelztiegel benötigen, die Kathodenplatte mittels einer einfachen Schere in unregelmäßige, handliche Stücke zerteilt, weil der Umfang der Schmelztiegel eine Zerkleinerung des Materials erforderlich macht, ohne daß es auf eine genaue Größe der einzelnen Plattenstücke ankommt. Durch das Zerschneiden erhöht sich der Preis des Kupfers um 20 DM bis 25 DM je Tonne. Eine Tonne Kupfer kostete seinerzeit etwa 3370 DM.
Das Finanzamt hat die begehrte Steuerfreiheit versagt, weil die Kathodenplatten bereits als metallisches Enderzeugnis einer steuerlich unschädlichen Verhüttung anzusehen seien und sich die Marktgängigkeit durch das tiegelrechte Zerschneiden ändere, ohne daß das Zerschneiden noch als Verhüttungsvorgang anzusehen sei oder unter die in § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB besonders zugelassenen Vorgänge falle.
Die Berufung der Stpfl. wurde zurückgewiesen. Das Finanzgericht ist der Auffassung des Finanzamts beigetreten.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. der Stpfl. kann keinen Erfolg haben.
Es ist davon auszugehen, daß alle echten Verhüttungsvorgänge, bei denen Verhüttungsmaterialien der Ausgangsstoff und Metalle das Endergebnis sind, als besonders zugelassene Bearbeitungen oder Verarbeitungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Ziff. 9 UStDB 1951 (§ 29 Abs. 1 Ziff. 6 UStDB 1938) anzusehen sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 59/52 S vom 30. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 274, Slg. Bd. 57 S. 720). Als Verhütten ist dabei nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. z. B. die Urteile des Bundesfinanzhofs V 70/51 S vom 30. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 325, Slg. Bd. 58 S. 90, und V 42/56 S vom 18. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 123 unter II, Slg. Bd. 66 S. 323) nur eine Bearbeitung mittels typisch hüttenmännischer Einrichtungen, ein metallurgischer Arbeitsprozeß, zu verstehen. Maßnahmen der Zerkleinerung fallen nicht darunter. Sie können jedoch wie Aufbereitungsmaßnahmen als Vorstufe eines hüttenmännischen Verfahrens unter das Verhüttungsprivileg fallen, wenn sie als vorbereitende Maßnahmen des die Verhüttung vornehmenden Unternehmers selbst erfolgen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 667/37 vom 24. August 1938, RStBl 1938 S. 917, Slg. Bd. 44 S. 331).
Im Streitfalle war Ziel des hüttenmännischen Vorganges des Elektrolysierens die Herstellung von Elektrolytkupfer. Dieses ist ein handelsübliches metallisches Enderzeugnis und als solches auch gehandelt worden. Weitere Maßnahmen können dann noch begünstigt sein, wenn in einem weiteren hüttenmännischen Arbeitsprozeß des gleichen Unternehmens, z. B. mittels eines Schmelzprozesses, eine weitere Raffination zur Beseitigung der Porosität des Kathodenkupfers erfolgt. Das Zerkleinern im Streitfalle, das der eigentlichen Verhüttung nachfolgt, hatte jedoch unstreitig das Ziel, für einen besonderen Kreis von Abnehmern, die das Material im Schmelztiegel zur Herstellung von Kupferlegierungen benötigen, das gewonnene Kathodenkupfer in tiegelrechte Abmessungen zu zerteilen. Die Bfin. hat also eine Arbeitsleistung übernommen, die andernfalls von ihren Abnehmern zu leisten gewesen wäre. Aus der Fassung des § 30 Abs. 1 Ziff. 9 UStDB 1951 (§ 29 Abs. 1 Ziff. 6 UStDB 1938) geht deutlich hervor, daß der Verordnungsgeber nicht jeden beliebigen Arbeitsvorgang, sondern -- wie aus den angeführten Beispielen ersichtlich -- immer nur hüttenmännische Arbeitsvorgänge im Auge gehabt hat, die auch nur von Hüttenunternehmungen vorgenommen werden können.
Im Gegensatz zur Auffassung der Rb. kann auch nicht die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, insbesondere die mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 29. September 1937 (RGBl I S. 1025, RStBl S. 1059) getroffene Loslösung vom Zolltarif zu einem anderen Ergebnis führen. Sicherlich ist unter anderem auch der Zweck des Verhüttungsprivilegs, zu verhindern, daß die Verarbeitung von Verhüttungsmaterialien zu rohen Metallen um deswillen im Ausland vorgenommen wird, weil die ausländischen Hütten um die Umsatzsteuerquote billiger produzieren können, mit der Neuregelung durch die genannte Verordnung unverändert geblieben. Anderseits ist § 4 Ziff. 4 UStG eine Begünstigungsvorschrift für den Binnengroßhandel, wobei die Steuerfreiheit auf bestimmte notwendige Rohstoffe und Halberzeugnisse beschränkt wurde, weil es nicht tragbar erschien, die gesamte Rohstoff- und Ernährungsgrundlage des Inlands auf der Großhandelsstufe mit Umsatzsteuer zu belasten (Einzelheiten vgl. bei Beck in Hübschmann-Grabower-Beck-von Wallis, Umsatzsteuergesetz § 4 Ziff. 4 Anm. 1). Es ist deshalb nicht angängig, den Kreis der ausdrücklich zugelassenen Bearbeitungen schon deshalb zu erweitern, weil im Einzelfall die Gleichstellung mit dem Ausland nicht vollkommen erreicht wird. Die von der Rb. angestellten Erwägungen können daher auch nicht den von ihr in Anspruch genommenen Rechtssatz rechtfertigen, daß Nachbehandlungen des Metalls als unter das zugelassene Verhüttungsprivileg fallend angesehen werden müssen, wenn nach diesen Behandlungen die Ware zolltariflich immer noch als rohes Metall zu gelten hat. Man wird als Nachbehandlung wohl Vorgänge des Entzunderns oder des Entfernens der Gußhaut ansehen können, aber nur dann, wenn solche Bearbeitungen in einem unmittelbaren technischen Zusammenhang mit dem eigentlichen Verhütten stehen. Nach Auffassung des Senats greift dieser Gesichtspunkt aber nicht durch, wenn das gewonnene Enderzeugnis einer Bearbeitung unterworfen wird, die weder selbst als hüttenmännisch anzusprechen ist noch mit hüttenmännischen vorausgegangenen Vorgängen in einem Zusammenhang steht oder durch diese bedingt ist. Mit Recht hat die Vorinstanz hervorgehoben, daß sich die Beurteilung eines Vorgangs im Rahmen des Verhüttungsprivilegs nicht nach dem Zolltarif, sondern allein nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck der Vergünstigungsvorschrift richten kann (vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats V 134/55 U vom 21. September 1955, BStBl 1955 III S. 359, Slg. Bd. 61 S. 418). Hiernach aber erscheint es nicht gerechtfertigt, jedwede weitere Bearbeitungsmaßnahme für besondere Verwendungszwecke der Abnehmer noch unter das allein begünstigte hüttenmännische Verfahren zu rechnen. Die Rb. macht demgegenüber geltend, es werde nur begehrt, die auf der Verhüttungsstufe üblichen weiteren Bearbeitungsmaßnahmen als zum Verhütten gehörig anzusehen. Eine solche Abgrenzung wäre aber weit schwieriger als die hier durch den unmittelbaren technischen Zusammenhang gegebene Begrenzung; sie stünde auch nicht mehr mit den gesetzlichen Vorschriften im Einklang, die nur bestimmte Arbeitsvorgänge, hier das Verhütten, begünstigen. Der Begriff "Verhütten" hat durch Rechtsprechung und Schrifttum einen fest umrissenen Inhalt erhalten. Das Entfernen der Gußhaut von einem Kupferbarren mag deshalb noch als unschädlich gelten, weil sich die Gußhaut beim Erkalten des Metalls gebildet hat, ihre Entfernung deshalb technisch bedingt ist und noch zur Herstellung des Kupferbarrens rechnen kann. Es kann deshalb auch nicht darauf ankommen, die Verkehrsauffassung darüber zu ermitteln, ob die hier streitige Maßnahme auf der Verhüttungsstufe üblich ist.
Das Zerschneiden könnte demnach nur unter dem Gesichtspunkt des § 12 UStDB steuerlich unschädlich sein. Die Rb. beruft sich insoweit auf die neuere Rechtsprechung, wonach die Herrichtung der Ware für besondere Zwecke des Verbrauchers steuerlich unschädlich sein soll. Der erkennende Senat hat aber diesen Standpunkt nur eingenommen, wenn es sich um Vorgänge des Kennzeichnens, Umpackens oder Umfüllens gehandelt hat. Nur bei diesen Vorgängen kommt es nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB nicht darauf an, ob sich die Marktgängigkeit geändert hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 174/52 U vom 30. April 1953, BStBl 1953 III S. 203, Slg. Bd. 57 S. 528). Das Zerschneiden als Umpacken oder Umfüllen anzusehen, erscheint dem Senat aber auch bei denkbar weitester Auslegung nicht vertretbar. Bei den anderen Bearbeitungsvorgängen hat der Senat aber stets geprüft, ob durch die Bearbeitung ein neues Verkehrsgut entstanden ist (vgl. Urteil V 21/58 U vom 12. November 1959, BStBl 1960 III S. 13, Slg. Bd. 70 S. 33) oder ob es sich nur um reine Verteilermaßnahmen oder solche Maßnahmen handelt, die lediglich zum Zwecke eines besseren Transports vorgenommen sind. Insbesondere beruft sich die Rb. zu Unrecht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V 160/54 U vom 5. November 1954 (BStBl 1955 III S. 34, Slg. Bd. 60 S. 90). Beim Abschneiden von Draht- und Hanfseilen von Rollen, die in üblichen Herstellerlängen erworben worden sind, konnte in jenem Streitfalle nicht festgestellt werden, daß der Großhändler über Maßnahmen bloßer mengenmäßiger Zuteilung hinausgegangen ist. Die Abnehmer wollten nur so viel Seil erwerben, wie sie gerade benötigten. Hier handelt es sich aber nicht um eine nur mengenmäßige Zuteilung; denn unstreitig wurden die Kathodenplatten zerschnitten ohne Rücksicht darauf, welche Menge an Kupfer zu liefern war, sondern allein zu dem Zweck, ein besonderes Bedürfnis solcher Abnehmer zu befriedigen, die das Kupfer zum Einsatz im Schmelztiegel benötigen. In Fällen dieser Art, wenn sich also ein Bedürfnis nach tiegelrecht zerschnittenem Kathodenkupfer herausgebildet hat und hierfür ein, wenn auch geringfügiger Preis berechnet wird, hat die Rechtsprechung stets eine Änderung der Marktgängigkeit angenommen, insbesondere dann, wenn, wie im Streitfalle, die Maßnahme bereits einen Fortschritt in der Weiterverarbeitung darstellt, der Unternehmer mithin seine Verteilerfunktion überschreitet.
Nach allem war der Vorentscheidung beizutreten und die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409863 |
BFHE 1961, 114 |