Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonstiges Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der Wiederaufbau eines zerstörten oder beschädigten Gebäudes vor dem Inkrafttreten des LAG beendet und ein Antrag auf Verzicht von Umstellungsgrundschulden nach § 3 b HypSichG vor diesem Zeitpunkt gestellt, so ist der Abgabepflichtige so zu stellen, wie wenn über den Antrag nach den Vorschriften des HypSichG entschieden worden wäre.

 

Normenkette

HypSichG § 3b; LAG § 104 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Einheitswert für das Grundstück ist wegen Kriegsschäden zum 21. Juni 1948 von 890.300 RM auf 435.000 DM fortgeschrieben worden. Gemäß § 3 a des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich (HypSichG) wurde auf 51,14 % der Umstellungsgrundschulden verzichtet. Die Hypothekengewinnabgabe (HGA) wurde unter Berücksichtigung dieses Verzichtes gemäß § 100 LAG auf 168.762,68 DM festgestellt.

Das Grundstück ist in den Jahren 1950 / 1951 wieder aufgebaut worden. Am 28. Juli 1952 wurde bei der verwaltenden Stelle ein Antrag auf Erklärung des Verzichtes auf Umstellungsgrundschulden gemäß § 3 b HypSichG gestellt. Infolge der inzwischen erfolgten Veröffentlichung des LAG wurde der Antrag jedoch vorerst nicht bearbeitet.

Am 16. Oktober 1957 hat die beschwerdeführende Eigentümerin (Bfin.) einen Antrag auf Herabsetzung nach § 104 LAG gestellt; bei der von ihr vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung ergab sich ein Fehlbetrag von 87.000 DM.

Die Räume in dem aufgebauten Gebäude sind im Jahre 1951 zum Teil an einen Zeitungsverlag, zum Teil an eine der Eigentümerin nahestehende GmbH vermietet worden. Der Zeitungsverlag zahlte einschließlich einiger später hinzugemieteter Räume 134.790 DM jährlich. Als Nebenleistung hatte er ein Darlehen von 300.000 DM zu geben, das mit 7 % zu verzinsen war. Die GmbH, an der ein Gesellschafter der Grundstückseigentümerin ebenfalls überwiegend beteiligt war, hat eine Miete bezahlt, die infolge ihrer gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zum Grundstückseigentümer niedriger als üblich ausgefallen ist. Für die Ertragsberechnung ist deshalb von der Bfin. die mit einer AG vereinbarte Mindestmiete von 150.000 DM angesetzt worden. Diese AG hat die Räume, die an die GmbH vermietet waren, ab 1. Mai 1952 für monatlich 8.000 DM bis 31. Dezember 1953 gemietet. Für die folgenden Jahre wurde eine Miete nach dem Umsatz vereinbart, und zwar 3 % für einen Umsatz bis zu 6 Millionen DM, 2 % für 6 Millionen bis 7 Millionen DM und 1 % für über 7 Millionen DM unter Garantierung einer Mindestjahresmiete von 150.000 DM. Mit der Nachfolgerin der AG als Mieterin wurde am 5. März 1958 ein Mietvertrag auf 25 Jahre gegen eine Jahresrohmiete von 245.000 DM abgeschlossen, die jedes Jahr um 5.000 DM steigt, bis sie im 11. Mietjahr 295.000 DM erreicht. Bei einem Gesamtertrage von (126.000 + 150.000) 276.000 DM errechnete die Bfin. Gesamtaufwendungen von 363.000 DM. In den Aufwendungen ist ein AfA-Betrag von 2 % auf die Herstellungskosten von 2.323.000 DM mit 46.000 DM enthalten. Die Bfin. hält die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Abgabeschulden für erfüllt. Für die Verhältnisse bei der Fertigstellung des Gebäudes seien das HypSichG zugrunde zu legen und - wenn nötig - die Mieten zu schätzen. Die Bfin. habe sich auf die Zusicherung eines Verwaltungsangestellten verlassen dürfen, daß § 3 b HypSichG zur Anwendung komme.

Das Finanzamt hat den Antrag abgelehnt, weil die nachhaltigen Grundstückserträge nicht feststellbar seien, da sich die Mieten nach den Umsätzen richten, und wegen der Art der Finanzierung des Aufbaues bei einem Eigenkapital der aufbauenden Grundstücks-GmbH von nur 20.000 DM und einer Bilanzsumme von 2,9 Millionen DM am 28. Februar 1955.

Es hat ferner unter Hinweis auf § 4 der Achtzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (18. AbgabenDV-LA) die Nachhaltigkeit der angegebenen Mieteingänge bestritten und ausgeführt, daß deren Feststellung nicht möglich sei. § 15 Abs. 2 der 18. AbgabenDV-LA sei nicht anwendbar, weil die Erträge des Grundstückes infolge der Art seiner Benutzung hinreichend bestimmt und von sonstigen Erträgen oder Wirtschaftsergebnissen abgrenzbar seien, deren Nachhaltigkeit jedoch nicht festzustellen sei.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führt aus, für die Ertragsberechnung seien die voraussehbaren Erträge maßgeblich. Die mit der AG vereinbarte Miete sei bis 1957 auf 233.000 DM angestiegen. Bei der Fertigstellung am 1. Juni 1951 sei die Freigabe der Geschäftsräume aus der Preisregelung bereits voraussehbar gewesen. Sie sei auch schon am 29. November 1951 erfolgt. Schon 1956 hätten die Mieteinnahmen nach den Angaben der Bfin. 361.649 DM erreicht und damit für die laufende HGA ausgereicht. Abschreibungen könnten nur mit 1 % nach Ziff. II 9 d der Verwaltungsanordnung vom 4. November 1949 (Amtsblatt des Finanzministeriums Württemberg-Baden 1950 S. 5) berücksichtigt werden, wodurch sich die gesamten Aufwendungen für das Gebäude nach der Berechnung der Bfin. auf 340.000 DM ermäßigen würden.

Beim Finanzgericht hatte die Abgabepflichtige eine Teilentscheidung über die Anwendbarkeit des § 104 LAG beantragt. Das Finanzgericht bezeichnet den Antrag auf eine Teilentscheidung über die Anwendbarkeit des § 104 LAG als unverständlich, weil es sich ohnehin nur um die Anwendbarkeit dieser Bestimmung, allerdings in vollem Umfange, handelte.

Die Abgabepflichtige rügt mit der Rb., das Verfahren des Finanzgerichtes leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel, da es sich nicht bemüht habe, den Sinn des Antrages auf eine Teilentscheidung zu ermitteln. Das Finanzgericht habe sich zu der einzigen streitigen Frage, ob § 104 LAG anwendbar sei, nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Die Rüge der Bfin., die Unterlassung der beantragten Teilentscheidung sei ein Verfahrensmangel, ist unberechtigt. Nach § 284 Abs. 2 AO sind Teilentscheidungen nur mit Zustimmung des Steuerpflichtigen zulässig; ergeht eine Teilentscheidung ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen, so liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor (Urteil des Bundesfinanzhofes III 116/50 S vom 7. Mai 1951, BStBl 1951 III S. 116, Slg. Bd. 55 S. 301). Der Steuerpflichtige hat aber keinen verfolgbaren Anspruch auf Erlaß einer Teilentscheidung, weil eine solche Aufteilung des Verfahrens von der prozessualen Zweckmäßigkeit bestimmt wird, über die allein das Gericht entscheidet.

Die Vorinstanz hat die Möglichkeit der Herabsetzung entgegen der Ansicht des Finanzamtes mit Recht grundsätzlich bejaht. § 104 Abs. 1 Satz 3 LAG erklärt zwar die Herabsetzung für unzulässig, wenn sich die Erträge des Grundstückes infolge der Art seiner Benutzung nicht hinreichend bestimmt von sonstigen Erträgen abgrenzen lassen. Diese Vorschrift kann im vorliegenden Falle nicht angewandt werden. Das wiederhergestellte Gebäude ist am 1. Juni 1951 bezugsfertig geworden; der Antrag auf Verzicht auf Umstellungsgrundschulden ist am 28. Juli 1952 - also vor Inkrafttreten des LAG am 1. September 1952 - gestellt worden. Der Wiederaufbau erfolgte unter der Geltung des HypSichG, das in dem maßgeblichen § 3 b keine dem § 104 Abs. 1 Satz 3 LAG vergleichbare Beschränkung enthält. Hier ist vielmehr ohne Einschränkung gesagt, daß der Eigentümer im Falle des Wiederaufbaues eines zerstörten oder beschädigten Gebäudes nach beendigtem Aufbau verlangen kann, daß auf den Teil der Grundschulden verzichtet wird, für den die Leistungen aus den Erträgen des im Rahmen des Wiederaufbauplanes als Dauerbau wiederhergestellten Gebäudes nicht aufgebracht werden können. Es erscheint ungerechtfertigt, über den Antrag nach Vorschriften zu entscheiden, die nach dem Wiederaufbau und nach der Stellung des Antrages ergangen sind und zusätzliche Voraussetzungen für die Vergünstigung schaffen. Daß der Gesetzgeber diesen rechtsstaatlichen Gedanken anerkennen wollte, zeigt die Verzichtsgarantie in § 104 Abs. 2 LAG und die Ausgestaltung von § 15 der 18. AbgabenDV-LA, die in Abs. 2 eine Zusicherung vor Beginn des Wiederaufbaues für verbindlich erklärt, selbst wenn der Wiederaufbau erst nach dem 1. September 1952 beendet worden ist. In höherem Maße und aus rechtlichen Gründen unerläßlich ist dies in den Fällen, in denen der Aufbau vor Erlaß des LAG beendet und der Erlaßantrag gestellt war, aber wegen des Wegfalles der Umstellungsgrundschulden später nicht mehr bearbeitet werden konnte.

Der Vertrauensschutz zugunsten des Abgabepflichtigen verlangt, daß er bei rechtzeitiger Stellung des Antrages auch unter dem neuen Gesetz mindestens so gestellt wird, wie wenn über seinen Antrag entschieden worden wäre. Von dem gleichen Rechtsgedanken ist der erkennende Senat auch in den Urteilen III 99/52 S vom 17. April 1953 (BStBl 1953 III S. 147, Slg. Bd. 57 S. 374) und III 22/56 S vom 27. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 240, Slg. Bd. 63 S. 114) ausgegangen. Es ist daher zunächst über den Antrag vom 28. Juli 1952 zu entscheiden, wobei zu ermitteln ist, wie hoch der Erlaß von Umstellungsgrundschulden nach § 3 b HypSichG gewesen wäre. Bleibt hiernach unter Berücksichtigung der Verzichtsgarantie des § 104 Abs. 2 LAG noch eine HGA bestehen, so ist ferner zu prüfen, ob noch Raum für eine Entscheidung über den Antrag auf Herabsetzung der HGA bleibt. Denn die Durchführung eines Verzichtsverfahrens nach § 3 b HypSichG schließt eine nach dem LAG weitergehende Herabsetzung grundsätzlich nicht aus.

Schließlich kann auch die vom Finanzgericht getroffene Beanstandung der AfA in dieser Form nicht anerkannt werden. Nach dem insoweit mit § 9 der 18. AbgabenDV-LA übereinstimmenden § 19 Abs. 2 der Ersten Berechnungsverordnung beträgt der normale AfA-Satz 1 v. H.; eine überschreitung ist aber anzuerkennen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen, z. B. wenn bei der Einkommensteuer ein höherer Satz anerkannt worden ist. Ob im vorliegenden Falle eine höhere AfA als 1 v. H. gerechtfertigt ist, ist von den Vorinstanzen noch nicht ausreichend erörtert worden. Es erscheint aber möglich, daß für das Geschäftshaus eine geringere Nutzungsdauer des Gebäudes als 100 Jahre festgestellt wird.

Da die Vorinstanzen in diesen Punkten das bestehende Recht verkannt haben, sind die Vorentscheidungen aufzuheben. Die Sache geht an das Finanzamt zurück, welches die nach den vorstehenden Ausführungen erforderlichen Berechnungen durchzuführen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410277

BStBl III 1962, 105

BFHE 1962, 277

BFHE 74, 277

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