Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens einer Pfandleihe sind außer den ausgeliehenen Darlehen die laufenden Zinsen und Gewinne, auch wenn sie am Stichtage noch nicht fällig sind, unter zeitlicher Aufteilung (pro rata temporis) anzusetzen. Mangels Einzelberechnung ist für die Aufteilung eine Schätzung unter Beachtung der Verhältnisse des Pfandleihgewerbes und des Einzelbetriebes vorzunehmen.
Normenkette
BewG § 54; AO § 217
Tatbestand
Streitig ist, ob für den Leihhausbetrieb die jeweils bis zum Bilanzstichtage bereits entstandenen Zinsen und Unkostenvergütungen zu aktivieren und bei der Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1952, 1. Januar 1953 und 1. Januar 1954 anzusetzen sind.
In dem Pfandleihgeschäft, das im Handelsregister eingetragen ist, erhält der Kunde gegen Verpfändung eines Gegenstandes ein Gelddarlehen auf drei Monate bei einem Zinssatze von 1 v. H. monatlich. Außerdem werden monatlich Unkostengebühren berechnet. Das Darlehen nebst Zinsen und Unkostengebühren kann jederzeit zurückgezahlt werden. Bei nicht fristgerechter Rückzahlung hat der Bf. zwei Monate mit der Versteigerung zu warten. Alsdann verwertet er das Pfand durch öffentliche Versteigerung zur Befriedigung seiner gesamten Ansprüche. Der Mehrerlös steht dem Kunden zu, der aber seinerseits durch die Versteigerung, bei der auch der Bf. mitbieten kann, von seiner Verbindlichkeit befreit wird.
Der Bf. aktivierte die durch Pfand gesicherten Darlehnsbeträge unter der Bezeichnung "Pfänderlager" in Höhe des Nennbetrages, jedoch nicht die bis zum Jahresende aufgelaufenen, noch nicht entrichteten Zinsen und Unkostenvergütungen. Diese verbuchte er im Zeitpunkte der Zahlung; sie wurden erst bei Rückzahlung des Darlehens fällig.
Das Finanzamt aktivierte auf Grund einer Betriebsprüfung außer den vom Bf. angesetzten Darlehnsforderungen die jeweils bis zum Bilanzstichtage (31. Dezember) aufgelaufenen Forderungen an Zinsen und Unkostengebühren. Es vertrat den Standpunkt, mangels Aufzeichnungen sei Schätzung geboten. Dabei sei zu berücksichtigen, daß zum Teil Pfänder ohne Erzielung der Zinsen und Gebühren versteigert würden. Bei der Schätzung dieser Ausfälle sei davon auszugehen, daß die innerhalb des ersten Halbjahres zur Versteigerung kommenden Pfänder fast ausschließlich aus Beleihungen des Vorjahres stammten. Der auf diese Pfänder entfallende Darlehnsbetrag könne von den am 31. Dezember des Vorjahres bestehenden Darlehnsforderungen abgesetzt werden. Für die verbleibenden Darlehnsforderungen seien Zinsen und Gebühren zu aktivieren. Nach den Feststellungen des Betriebsprüfers betrugen die durchschnittliche Laufzeit der Darlehnsbeträge für die Jahre 1951 bis 1953 drei Monate, die Zinsen dafür etwa 3 v. H. und die Unkostengebühren im Jahre 1951 etwa 14 v. H. und in den Jahren 1952 und 1953 etwa 17 v. H.
In übereinstimmung mit dem Ergebnis der Betriebsprüfung stellte das Finanzamt die Einheitswerte des gewerblichen Betriebes zum 1. Januar 1952, zum 1. Januar 1953 und zum 1. Januar 1954 fest. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Er bezog sich auf zwei Streitfragen, ob die Zinsen und die Unkostengebühren zu aktivieren seien und ob die in den Bilanzen des Bf. eingesetzten Wertberichtigungsposten zu den aktivierten Darlehnsforderungen gegen die Verpfänder der Höhe nach berechtigt seien. Auf die Berufung ermäßigte das Finanzgericht die Einheitswerte zum 1. Januar 1952, 1953 und 1954. Es hielt die Aktivierung der Zinsen und Unkostengebühren aufrecht, nahm aber die begehrte Wertberichtigung der aktivierten Forderungen gegen die Verpfänder wegen des Risikos unter ausdrücklicher Zustimmung des Finanzamts vor. Zur Begründung der Aktivierung der Zinsen und Unkostenvergütungen bezog sich das Finanzgericht auf sein am gleichen Tage ergangenes Urteil I 203-214/57 betreffend Einkommensteuer- und Gewerbesteuersache II/1948 bis 1953. Dort hatte das Finanzgericht ausgeführt, es sei zwar richtig, daß der Pfandgeber nur mit der Pfandsache hafte, diese Haftungsbeschränkung ändere aber nichts an dem Bestande der Forderung. Gegen dieses Urteil legte der Bf. ebenfalls Rb. ein, die beim Bundesfinanzhof anhängig ist.
Mit der hier anhängigen Rb. begehrt der Bf., die Rbn. betreffend Einheitsbewertung und betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer wegen des gleichen Tatbestandes zusammenzufassen. Diesem Antrage kann nach dem Geschäftsverteilungsplane des Bundesfinanzhofs nicht entsprochen werden. Zur Sache beantragt der Bf., die Zinsen und Unkostenvergütungen für die am Bilanzstichtage schwebenden Geschäfte zum 31. Dezember nicht zu aktivieren, das heißt sie auch für die nachfolgenden Einheitswertstichtage zum 1. Januar außer Ansatz zu lassen. Er führt aus, § 40 HGB sei lediglich eine "Höchstbewertungsvorschrift". Mangels persönlicher Haftung der Pfandgeber nach dem hamburgischen Gesetz über das Pfandleihgewerbe vom 14. März 1923 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1923 S. 239) in der Fassung vom 31. März 1938 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1938 S. 103) liege kein Schuldverhältnis vor. Die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer Realisierung begründe keine Aktivierungspflicht. Es sei ungewiß, ob der Pfandgeber das Darlehen einlöse, und noch ungewisser, ob bei einer Versteigerung Darlehen, Zinsen und Unkostenvergütung gedeckt würden. Unter Beachtung dieser Gesichtspunkte ergebe sich auch nach der Rechtsprechung zur Frage der Gewinnverwirklichung keine Aktivierungspflicht. Das nachträgliche Verlangen des Finanzamts, das bei der großen Zahl der laufenden Pfandverträge kaum durchführbar sei, oder zumindest einen unangemessenen Arbeitsaufwand beanspruche, verstoße zudem gegen Treu und Glauben, da früher die Finanzverwaltung die Aktivierung der Nebenforderungen nicht verlangt habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das Finanzgericht.
Ausgangspunkt für die Streitfrage sind § 40 HGB und das oben genannte Gesetz über das Pfandleihgewerbe, dessen § 8 lautet:
"Der Verpfänder haftet aus dem Darlehnsgeschäft nicht persönlich, so daß sich der Pfandleiher wegen seiner Ansprüche nur an das Pfand halten kann. Im übrigen finden, soweit sich nicht aus diesem Gesetz etwas anderes ergibt, die Vorschriften des BGB über das Pfandrecht an beweglichen Sachen Anwendung."
Nach den zutreffenden Ausführungen des Finanzgerichts in dem Urteil I 203-214/57, auf das in der Vorentscheidung Bezug genommen wird, gewährt der Bf. den Verpfändern ein Darlehen, wobei gleichzeitig allerdings erst später fällig werdende Forderungen auf Zinsen und Gebühren entstehen. Der Bf. hat einen Anspruch auf volle Befriedigung sämtlicher Ansprüche aus dem Pfandgegenstande (siehe § 10 Ziff. 2 des hamburgischen Gesetzes über das Pfandleihgewerbe in der Fassung 1938). Die Beschränkung der Haftung auf die Pfandsache kann sich auf die Höhe der Bewertung, die hier nicht streitig ist, aber nicht auf die Aktivierung der Nebenforderungen als solche auswirken. Andernfalls dürfe auch die Hauptschuld nicht aktiviert werden, was der Bf. selbst nicht behauptet. Vielmehr sind nach § 40 HGB bei Aufstellung der Bilanz sämtliche Vermögensgegenstände, zu denen die Darlehns-, Zins- und Unkostenansprüche gegen die Verpfänder gehören, mit dem Werte anzusetzen, der ihnen in dem Zeitpunkte beizulegen ist, für welchen die Aufstellung stattfindet. Die laufenden Vergütungen stellen Posten der Rechnungsabgrenzung dar. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs I A a 147/29 vom 2. Dezember 1930 (RStBl 1931 S. 320) müssen bedeutende Zinsen insbesondere dann aktiviert werden, wenn den Forderungen entsprechende, unter den Passiven aufgeführte Zahlungsverpflichtungen gegenüberstehen. Das ist hier der Fall, da der Bf. die Darlehen, mit deren Hilfe er die Pfänder beleiht, und die dafür von ihm gezahlten Zinsen in den Bilanzen der einzelnen Wirtschaftsjahre auf der Passivseite berücksichtigt. Bei einer Nichtaktivierung der Zinsen und Unkosten für die am Bilanzstichtage bereits abgelaufene Zeit würden die in Rechnung gestellten Zinsen und Unkostengebühren nur den Ertrag des neuen Jahres erhöhen, während die Unkosten der Refinanzierung und der Verwaltung das alte Jahr belasten. Ein solches Verfahren würde für die Einzelbewertung dem Stichtagsprinzip, für die Ertragsteuern dem Prinzip des Periodenerfolges widersprechen. Die Rechnungsabgrenzung für Pfandleihgeschäfte ähnelt der Rechnungsabgrenzung für Teilzahlungsfinanzierungsgeschäfte der Banken und der Abgrenzung des Erfolges aus Kleinkreditgeschäften, wofür entsprechend der Zweckbestimmung verschiedene Abgrenzungsmöglichkeiten zulässig sind (vgl. Birck, Die Bankbilanz, 2. Aufl., S. 185/186). Da diese Abgrenzungen unter anderem in den Stellungnahmen des Bankenfachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer zu Bilanzierungsfragen erörtert und vorgeschlagen sind (abgedruckt bei Birck, S. 719), kann der Auffassung des Bf. über die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer solchen Abgrenzung nicht zugestimmt werden. In ihr liegt auch kein Verstoß gegen Treu und Glauben, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Finanzverwaltung bei anderen Pfandleihanstalten unter Nichtbeachtung der aktiven Rechnungsabgrenzungsposten unrichtig veranlagt bzw. unzutreffende Einheitswerte festgestellt hat. Fraglich ist nur, in welcher Höhe die Rechnungsabgrenzungsposten anzusetzen sind. Eine genaue Einzelberechnung ist bei den sehr zahlreich laufenden Pfandverträgen nicht durchführbar. Die Schätzung der Vorinstanz, die von Darlehnsbeträgen am Bilanzstichtage (nach Abzug der Beträge, bei denen mit einer Pfandeinlösung nicht zu rechnen wäre) unter vollem Ansatz der durchschnittlichen Laufzeit der Darlehen die Zinsen und Gebührenunkosten am Bilanzstichtage für das letzte Jahr angesetzt hat, wird der Sachlage nicht gerecht. Denn ein mehr oder weniger großer Teil dieser laufenden Vergütungen gehört in das neue Jahr, während das Finanzamt sie voll dem alten Jahre zurechnet. Um zu einer gerechten Aufteilung zu kommen, bedarf es tatsächlicher Ermittlungen für den einzelnen Fall, bzw. für die Sparte der gewerblichen Pfandleiher. Bei dieser Berechnung wird nicht außer acht zu lassen sein, daß durch die Absetzung der Darlehnsbeträge für die in der ersten Hälfte des folgenden Jahres versteigerten Pfänder eine für den Pfandleiher überaus günstige Regelung als Ausgangspunkt genommen wird; gegebenenfalls kann von dieser Berechnung auch abgegangen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410280 |
BStBl III 1962, 79 |
BFHE 1962, 205 |
BFHE 74, 205 |