Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei den mit einem § 7 c - Zuschuß errichteten Wohnungen kann auch bei Vereinbarung einer ungewöhnlich niedrigen Miete der Zuschuß steuerlich nicht als verdeckte Mietvorauszahlung behandelt werden.
Normenkette
EStG § 21/1/1, § 7c/1
Tatbestand
Die Steuerpflichtigen haben 1952 und 1953 ein Mietwohnhaus gebaut und für die Wohnung im ersten Stock des Hauses einen Baukostenzuschuß von 5.000 DM erhalten. Der Mietvertrag für diese Wohnung lief sechs Jahre und berechtigte die Mieter zur weiteren Vermietung der Wohnung, falls sie die Wohnung selbst nicht benötigten. Die Steuerpflichtigen haben den Baukostenzuschuß als verlorenen Zuschuß angesehen und ihn deshalb in ihrer Einkommensteuererklärung weder bei den Mieteinnahmen noch bei der Bemessung der Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 b EStG berücksichtigt. Das Finanzamt ist dieser Behandlung bei der Veranlagung zunächst gefolgt. Nach einer Betriebsprüfung hat es jedoch die 5.000 DM als Mietvorauszahlung angesehen und bei einer Berichtigungsveranlagung die Mieteinnahmen des Hauses um 1/6 des Zuschußbetrags (833 DM) höher angenommen und die AfA von einem um 5.000 DM höheren Betrag errechnet.
Die Sprungberufung führte zur Herabsetzung der Einkommensteuer. Das Finanzgericht folgte zwar der Auffassung des Finanzamts, daß die Miete mit Rücksicht auf die gezahlten 5.000 DM erheblich niedriger vereinbart worden sei, als es sonst geschehen wäre. Es nahm aber an, daß nur ein Teil dieses Betrags eine Mietvorauszahlung sei; denn die reine Kostenmiete sei für die Wohnung nach § 27 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vom 24. April 1950 (BGBl 1950 S. 83) und § 3 Abs. 2 der Verordnung vom 20. November 1950 (BGBl 1950 S. 759) auf 1.440 DM begrenzt. Der Unterschied zwischen der vereinbarten Miete von 1.100 DM jährlich und dem höchstzulässigen Mietbetrag von 1.440 DM, also 340 DM jährlich, sei eine Mietvorauszahlung; entsprechend sei für die Bemessung der AfA nach § 7 b EStG von einem um (6 x 340 =) 2.040 DM höheren Betrag der Herstellungskosten auszugehen.
Der Vorsteher des Finanzamts wendet sich mit seiner Rb. gegen die Berechnung der Mieteinnahmen nach den Bestimmungen des Wohnungsbaugesetzes. Von den anderen Mietern des Hauses seien wesentlich höhere Mieten gezahlt worden als der nach diesem Gesetz zulässige Betrag von 1,50 DM je qm. Die mit dem "Zuschuß" geförderte Wohnung sei die wertvollste des Hauses. Der vereinbarte Mietpreis je qm habe nach dem Mietvertrag 1,15 DM betragen. Für andere Wohnungen des Hauses seien 1,87 DM und 1,88 DM je qm gezahlt worden. Nach Ablauf der sechs Jahre, in denen die Zuschußgeber über die Wohnung hätten verfügen können, sei diese von den Steuerpflichtigen für 2 DM je qm weitervermietet worden. Unter diesen Umständen seien die 5.000 DM steuerlich in voller Höhe eine Mietvorauszahlung für sechs Jahre.
Die Steuerpflichtigen, die Anschlußbeschwerde eingelegt haben, begehrten die Anerkennung der 5.000 DM als echten Zuschuß. Nach ihrer Auffassung ist die Rechtsprechung bisher davon ausgegangen, daß jeder Mieter, der sich mit Hilfe eines Zuschusses eine Wohnung beschafft hat, gegenüber anderen Mietern gewisse Vorteile habe, die jedoch bei der Einkommensbesteuerung der Vermieter nicht zu berücksichtigen seien.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet. Die Anschlußbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Mietvorauszahlungen und Mieterzuschüsse werden bei der Einkommensbesteuerung der Vermieter der nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Häuser verschieden behandelt. Nach der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 712/30 vom 4. Februar 1931 (RStBl 1931 S. 275, Slg. Bd. 28 S. 95), an der Rechtsprechung und Verwaltung festhalten (vgl. Abschn. 130 Abs. 2 EStR 1953), gelten Mietvorauszahlungen als zinslose Darlehen der Mieter, die bei den Vermietern in jedem Jahr, auf das sich die Vorauszahlungen beziehen, anteilig den Mieteinnahmen zuzurechnen sind. Verlorene Zuschüsse werden dagegen als von den Mietern übernommene Teile des Herstellungsaufwandes behandelt; sie wirken sich daher bei den Vermietern nicht als Mieteinnahmen aus.
Ob Zahlungen Mietvorauszahlungen oder verlorene Zuschüsse sind, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei kommt der Bezeichnung, die von den Beteiligten gewählt wurde, keine entscheidende Bedeutung zu; sie kann aber in Zweifelsfällen doch als Anzeichen ihres rechtsgeschäftlichen Willens zu werten sein. Regelmäßig ist bei Leistung einer Mietvorauszahlung, die auf die Miete der folgenden Jahre angerechnet wird, die laufende Miete niedriger als der objektiv angemessene Mietzins. Sogenannte "verlorene Zuschüsse" haben oft eine ähnliche Wirkung, da ein Mieter, der einen solchen Zuschuß gibt, in der Regel günstigere Mietbedingungen zugestanden bekommt und eine niedrigere Miete zu zahlen hat als ein anderer, der einen solchen Zuschuß nicht geleistet hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 160/59 S vom 20. Mai 1960, BStBl 1960 III S. 309, Slg. Bd. 71 S. 160). Ist der Unterschied zwischen der angemessenen und der tatsächlich gezahlten Miete mit Rücksicht auf einen sogenannten verlorenen Baukostenzuschuß erheblich, kann dies dazu führen, daß trotz der von den Beteiligten gewählten Bezeichnung "Baukostenzuschuß" aus der Vertragsgestaltung der Schluß zu ziehen ist, daß in Wirklichkeit eine verdeckte Mietvorauszahlung vorliegt. Unter welchen Voraussetzungen dies anzunehmen ist und daraus entsprechende steuerliche Folgerungen zu ziehen sind, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden; denn hier handelt es sich bei den als Zuschuß hingegebenen 5.000 DM um einen Betrag, der bei der Besteuerung des Geldgebers als Zuschuß nach § 7 c EStG anerkannt worden ist. Derartige Zuschüsse zum Wohnungsbau nehmen bei der Besteuerung eine Sonderstellung ein.
In der Rechtsprechung zu den §§ 7 b und 7 c EStG wurde wiederholt hervorgehoben, daß es in den ersten Jahren des Wiederaufbaus darauf ankam, den Bau von Wohnungen um jeden Preis zu fördern, und zwar auch unter einem erheblichen Verzicht auf Steuern (siehe z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 137/52 U vom 13. November 1952, BStBl 1953 III S. 11, Slg. Bd. 57 S. 28; VI 180/60 U vom 25. August 1961, BStBl 1961 III S. 482). Bei den nach § 7 c EStG begünstigten Zuschüssen zum Wohnungsbau wäre die Umdeutung in eine Mietvorauszahlung im allgemeinen mit dem Sinn und Zweck des § 7 c EStG nicht zu vereinbaren (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 195/55 U vom 8. November 1955, BStBl 1955 III S. 391, Slg. Bd. 61 S. 499). Die der Förderung des Wohnungsbaus dienenden §§ 7 b und 7 c EStG nehmen eine Sonderstellung ein und durchbrechen zum Teil die sonst das Einkommensteuerrecht beherrschenden Grundsätze. Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmebehandlung der den Wohnungsbau begünstigenden Vorschriften für vertretbar gehalten, weil die Schaffung von Wohnungen nach dem zweiten Weltkrieg als besonders vordringlich angesehen wurde. Dieser Wille des Gesetzgebers muß bei der Beurteilung aller dieses Gebiet berührenden Fragen beachtet werden. Bei Berücksichtigung dieser Grundeinstellung würde es aber bei den mit § 7c-Zuschüssen geförderten Wohnungen dem Sinn dieser Vorschrift widersprechen, wenn man prüfen wollte, ob der Vorteil, den der Mieter einer solchen Wohnung durch eine Mietverbilligung hat, ein Ausmaß erreicht, das bei wirtschaftlicher Betrachtung den Zuschuß als Mietvorauszahlung erscheinen läßt. Wenn daher ein Steuerpflichtiger eine Wohnung mit Hilfe eines anerkannten § 7c-Zuschusses erlangt und die vereinbarte Miete sogar wesentlich unter der objektiv angemessenen Miete liegt, kann grundsätzlich aus der günstigen Mietbemessung nicht der Schluß gezogen werden, daß bei der Besteuerung der Beteiligten der Zuschußbetrag als verdeckte Mietvorauszahlung zu behandeln sei.
Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung für eine andere Beurteilung. Die Vorentscheidung, die zum gegenteiligen Ergebnis gelangt ist, muß daher wegen Rechtsirrtums aufgehoben werden. Die Sache ist entscheidungsreif. Es ist jedoch zweckmäßig, die Sache zur Steuerberechnung an das Finanzamt zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410283 |
BStBl III 1962, 80 |
BFHE 1962, 209 |
BFHE 74, 209 |