Leitsatz (amtlich)

Einer Spar- und Darlehnskasse, die neben dem Geld- und Kreditgeschäft auch bankfremde Geschäfte betreibt, darf der ermäßigte Steuersatz nach § 33 KStDV 1964 nicht gewährt werden, wenn sie Kunden, die nicht ihre Mitglieder sind, für die von ihr vermittelten Warengeschäfte Kredite gewährt, die weder der Höhe noch der Laufzeit nach als geringfügig anzusehen sind.

 

Normenkette

KStG 1965 § 23 Nr. 1; KStDV 1964 § 33

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine eGmbH - gehört zu den Spar- und Darlehnskassen, die auch das Warengeschäft betreiben. Im Streitjahr 1967 überwog das Kreditgeschäft das Warengeschäft. Das Einkommen war gemäß § 33 KStDV in der für das Streitjahr geltenden Fassung dem ermäßigten Körperschaftsteuersatz von 19 v. H. unterworfen worden. Die Klägerin hatte erklärt, daß keine Kredite an Nichtmitglieder gewährt worden seien.

Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1969 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) fest, daß Kunden der Klägerin, die Bausteine und Dachziegel benötigten, von der Klägerin an die Ziegelei M verwiesen werden. Die Kunden erhielten von der Ziegelei Rechnung über die gelieferten Materialien. Der Rechnungsbetrag wurde im Auftrag der Kunden von der Klägerin an die Ziegelei überwiesen. Soweit die Kunden im Zeitpunkt der Überweisung keine Guthaben bei der Klägerin hatten, wurden die an die Ziegelei zu zahlenden Beträge kreditiert und über das Warenkontokorrentkonto der Kunden gebucht. Für die vermittelten Aufträge erhielt die Klägerin von der Ziegelei eine Provision. Im Streitjahr 1967 wurden mit acht Kunden, die nicht Mitglieder der Klägerin waren, derartige Geschäfte abgewickelt und ihnen zwischen 308 DM und 2 108 DM für 4 bis 108 Tage kreditiert.

Das FA hielt diese Kreditierung für steuerschädlich. Es versagte die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes und setzte durch Berichtigungsbescheid die Körperschaftsteuer 1967 auf 49 v. H. des Einkommens fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In ihrer Klage vertrat die Klägerin die Auffassung, sie habe ihren Kunden, soweit sie Baustoffe von der Ziegelei bezogen hätten, steuerunschädliche Warenkredite eingeräumt.

Das FG wies die Klage ab.

In ihrer Revision trägt die Klägerin vor, das FG habe die bürgerlich-rechtliche Gestaltung in den Vordergrund gerückt und die im Steuerrecht gemäß § 1 Abs. 3 StAnpG anzuwendende wirtschaftliche Betrachtungsweise außer Betracht gelassen. Sie sei ihren Kunden gegenüber wirtschaftlich als Verkäuferin der Baumaterialien aufgetreten. Das ergebe sich aus der Verbuchung dieser Lieferungen in ihrer Buchführung. Es habe sich daher um Warenforderungen gehandelt. Daraus erkläre sich auch deren Unverzinslichkeit. Das FG hätte ihre diesbezügliche Behauptung nicht in Frage stellen dürfen, sondern den Sachverhalt gemäß § 76 FGO in dieser Hinsicht näher aufklären müssen. Aus dem mit einem Kunden geführten Schriftwechsel, der dem FG vorgelegen habe, ergebe sich, daß sie ihren Kunden gegenüber als Eigenhändlerin aufgetreten sei.

Auch wenn man der Meinung wäre, daß die hier streitigen Forderungen nicht zu den Warenforderungen gehörten, sei die Versagung der Steuervergünstigung nicht angebracht. Es sei zwar zutreffend, daß schon eine einzige Darlehensgewährung an ein Nichtmitglied zum Verlust der Steuervergünstigung führen könne. Nach der Rechtsprechung könnten jedoch Nichtmitgliederkredite aus besonderen Gründen oder wegen Geringfügigkeit außer Betracht bleiben. Das FG habe daher die Anwendung des § 33 KStDV zu Unrecht abgelehnt.

Für den Fall, daß sie mit ihrer Auffassung nicht durchdringe, beabsichtige sie, für 1967 eine steuerlich zu berücksichtigende Warenrückvergütung auszuschütten (§ 35 KStDV). Es sei anerkannt, daß im Falle der Änderung des Jahresergebnisses aufgrund einer Betriebsprüfung der festgestellte Mehrgewinn zu einer nachträglichen Ausschüttung von Warenrückvergütungen verwendet und das steuerpflichtige Einkommen entsprechend gemindert werden könne.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Veranlagung entsprechend ihrem Klageantrag zu ändern, hilfsweise, die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 23 Nr. 1 KStG, § 33 KStDV - hier in der für das Streitjahr 1967 geltenden Fassung des KStG 1965 und der KStDV 1964 - wird bei Kreditgenossenschaften, die Kredite ausschließlich an ihre Mitglieder gewähren, die Körperschaftsteuer auf 19 v. H. des Einkommens ermäßigt. § 33 KStDV ist nicht als eine Begünstigung der Kreditgenossenschaften gedacht. Die Vorschrift hat den Zweck, die Kreditgenossenschaften den in § 4 Abs. 1 Nr. 4 KStG 1965 von der Körperschaftsteuerpflicht befreiten öffentlichen oder unter Staatsaufsicht stehenden Sparkassen gleichzustellen. Das Abstellen auf die Ausschließlichkeit der Kreditgewährung an Mitglieder geht bis auf das Körperschaftsteuergesetz 1925 zurück und ist in den späteren gesetzlichen Regelungen beibehalten worden (vgl. hierzu Urteil des BFH vom 5. Februar 1969 I R 39/66, BFHE 95, 317, BStBl II 1969, 421). Unter den Begriff der Kreditgewährung fallen nicht nur die darlehnsweise Überlassung von Geld, sondern auch die Gewährung von Vorschüssen, die Diskontierung von Wechseln, die Übernahme von Bürgschaften, Garantien, der Haftung, ferner nicht nur vorübergehende und geringfügige Kontoüberziehungen.

In Abschnitt 61 KStR 1964 ist angeordnet, daß der ermäßigte Steuersatz des § 33 KStDV auch für Spar- und Darlehnskassen gilt, die neben dem Geld- und Kreditgeschäft bankfremde Geschäfte, z. B. das Warengeschäft, betreiben, sofern das Geld- und Kreditgeschäft den Hauptgeschäftszweig darstellt und Kredite ausschließlich an Mitglieder gewährt werden. Es soll hiernach unschädlich sein, wenn eine Spar- und Darlehnskasse den Tätigkeitsbereich ihrer bankfremden Geschäfte, insbesondere das Warengeschäft, auch auf Nichtmitglieder ausdehnt. Demzufolge soll der ermäßigte Steuersatz des § 33 KStDV nicht etwa dadurch verloren gehen, daß die Spar- und Darlehnskasse ihren Warenkunden, auch wenn diese nicht zum Kreis der Mitglieder der Genossenschaft gehören, die branchenüblichen Zahlungsziele oder Teilzahlungen gewährt (Blümich-Klein-Steinbring-Stutz, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 23 Anm. 33; Zülow-Henze-Schubert, Die Besteuerung der Genossenschaften, 5. Aufl., S. 131; Verfügung der OFD Düsseldorf vom 21. April 1964 S 2215 A St 13 H, StEK, Körperschaftsteuergesetz § 23 Nr. 35). Im vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob diese Auffassung zutreffend ist. Bei den eben genannten Geschäften mit Nichtmitgliedern liegt das Schwergewicht auf der Abwicklung des Warenverkehrs, nämlich auf der Lieferung der bestellten Ware und der Einziehung des dafür geschuldeten Kaufpreises gemäß den branchenüblichen Gepflogenheiten. Liegt dagegen das Schwergewicht der Tätigkeit der Genossenschaft auf der Geldseite des Warenverkehrs, insbesondere bei einer längerfristigen Bevorschussung oder Kreditierung des Kaufpreises, ist, wenn es sich bei dem Zahlungsverpflichteten um ein Nichtmitglied handelt, eine schädliche Kreditgewährung gegeben.

Nach den Feststellungen des FG ist die Klägerin bei den hier in Rede stehenden Geschäften mit Bausteinen und Dachziegeln nicht als der Warenverkäufer aufgetreten. Sie hatte, was aus den von ihr erstellten Baustoffpreislisten hervorgeht, Lieferanten an der Hand, mit denen sie möglicherweise die Preise und sonstigen Kaufbedingungen aushandelte. Da die Kunden nach den Feststellungen des FG lediglich einen Abholschein erhielten oder von der Klägerin an die Lieferanten verwiesen wurden, kamen die Kaufverträge über die Baumaterialien unmittelbar zwischen dem Hersteller und den Kunden zustande. Der Hersteller händigte die Ware den Kunden aus und erteilte ihnen die Rechnung. Die Klägerin hat sich damit lediglich in den Warenverkehr zwischen Lieferanten und Kunden in der Weise eingeschaltet, daß sie ihren eigenen Kunden Personen nachwies, die unter bestimmten Bedingungen Verträge abzuschließen bereit waren. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung kann auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise diese Einschaltung in den zwischen anderen Personen stattfindenden Warenverkehr nicht als ein eigenes Warengeschäft der Klägerin angesehen werden. Die unmittelbar unter Fremden abgewickelten Geschäfte sind, wie das FG weiterhin zutreffend ausgeführt hat, auch nicht dadurch zu Eigengeschäften geworden, daß die Klägerin die Kaufpreiskreditierungen auf dem Warenkonto verbucht und möglicherweise keine Zinsen berechnet hat.

Abgesehen von der bloßen Namhaftmachung von Lieferanten lag hier das Schwergewicht der Tätigkeit der Klägerin bei der finanziellen und bankmäßigen Abwicklung der Warengeschäfte ihrer Kunden. Kommt es hierbei zu kurzfristigen Kontoüberziehungen durch ein Nichtmitglied, so soll gegebenenfalls wegen Geringfügigkeit die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes des § 33 KStDV nicht in Frage gestellt werden (für die Zeit ab 1969 vgl. Abschn. 59 Abs. 4 Nr. 1 KStR 1969). Bei einigen der hier in Rede stehenden Fälle handelt es sich jedoch nicht um kurzfristige Kontoüberziehungen. Im Falle des Nichtmitglieds H ist am 20. Juni 1967 durch Überweisung an den Ziegellieferanten M ein Betrag von 2 108 DM bei der Klägerin offengeblieben, den H erst am 10. Oktober 1967 ausgeglichen hat. Weiteren Kunden, die ebenfalls Nichtmitglieder sind, sind Überweisungsbeträge zwischen 399 und 672 DM über Zeiträume von etwa zwei Monaten kreditiert worden. Damit liegen Kreditgewährungen an Nichtmitglieder vor, die weder der Höhe noch der Laufzeit nach als geringfügig und damit als unbeachtlich angesehen werden können. Sie führen dazu, daß der ermäßigte Steuersatz von 19 v. H. gemäß § 33 KStDV nicht angewendet werden kann.

Das Vorbringen der Klägerin in der Revision, sie beabsichtige, gegebenenfalls einen durch die Betriebsprüfung für das Streitjahr festgestellten Mehrgewinn zu einer nach § 35 KStDV absetzbaren Warenrückvergütung zu verwenden, kann nicht berücksichtigt werden. Das Revisionsverfahren dient der Rechtskontrolle, d. h. der Nachprüfung, ob die Vorinstanz die geltenden Rechtsvorschriften auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewendet hat. Wie sich aus § 123 FGO ergibt, soll die Berücksichtigung nachträglicher Veränderungen in den Entscheidungsgrundlagen - ausgenommen der Fall des § 68 FGO - im Revisionsverfahren vermieden werden.

Das FG hat nach alledem aufgrund des Sachverhalts, so wie er in der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen hat, die Klage zu Recht abgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72180

BStBl II 1977, 174

BFHE 1977, 395

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