Entscheidungsstichwort (Thema)
Schriftliche Aufklärungsanordnungen während der Außenprüfung sind in der Regel keine selbständig anfechtbaren Verwaltungsakte
Leitsatz (amtlich)
Die während einer Außenprüfung vom Prüfer gegenüber dem Steuerpflichtigen erlassene schriftliche Aufforderung, bestimmte Fragen zu beantworten sowie genau bezeichnete Belege, Verträge und Konten vorzulegen, ist in der Regel kein Verwaltungsakt, sondern eine nicht selbständig anfechtbare Vorbereitungshandlung, wenn sie ausschließlich der Ermittlung steuermindernder Umstände dient und deshalb nicht erzwingbar ist. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige die Aufforderung nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt als Maßnahme zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Einleitung eines Erzwingungsverfahrens verstehen mußte.
Orientierungssatz
1. Ebenso ist das Verlangen, die Empfänger von Betriebsausgaben, Werbungskosten und anderen Ausgaben genau zu benennen, kein Verwaltungsakt, sondern eine nicht selbständig anfechtbare Vorbereitungshandlung zum Erlaß eines Verwaltungsaktes (vgl. BFH-Urteil vom 12.9.1985 VIII R 371/83).
2. Wendet sich ein Steuerpflichtiger gegen eine Aufklärungsmaßnahme während einer Außenprüfung, die nicht als selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt anzusehen ist, so kann er seine Rechte im nachfolgenden Steuerfestsetzungsverfahren durch eine Anfechtungsklage verfolgen. Diese Möglichkeit schließt ein Feststellungsinteresse und mithin die Zulässigkeit einer Feststellungsklage i.S. des § 41 FGO aus (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
AO 1977 §§ 160, 328; FGO §§ 40-41; AO 1977 § 118; VwGO § 44a
Verfahrensgang
Hessisches FG (EFG 1998, 527) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Privatkrankenanstalt. Sie führt u.a. auch für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Behandlungen und Kuren durch. Mit bestandskräftiger Prüfungsanordnung wurde bei ihr eine Außenprüfung angeordnet. Im Verlauf der Außenprüfung ergaben sich beim Außenprüfer Zweifel, ob die Klägerin im Prüfungszeitraum tatsächlich die Voraussetzungen erfüllt hat, um als Zweckbetrieb i.S. des § 67 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) beurteilt werden zu können und ob sie mithin die mit der Einstufung als Zweckbetrieb verbundenen Steuervergünstigungen zu Recht in Anspruch genommen hatte.
In diesem Zusammenhang stellte der Außenprüfer an die Klägerin schriftliche sog. Prüfungsanfragen. Darin bat er nicht nur um die Beantwortung von Fragen und die Erläuterung des Abrechnungssystems, sondern auch um die Vorlage von genau bezeichneten Unterlagen und Urkunden, z.B. der Ausgangsrechnungen und Leistungsabrechnungen mit den Kostenträgern und Privatpatienten, der Arbeits-/Dienstverträge sowie Lohnkonten des in bestimmten Bereichen eingesetzten Personals und der Abrechnungen für bestimmte Aufwendungen.
Die Klägerin legte dagegen Einspruch ein. Sie war der Meinung, daß der Außenprüfer seine Ermittlungspflichten rechtswidrig überdehne. Er sei zu einer Überprüfung der Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 AO 1977 nicht befugt, wenn die Pflegesätze mit Sozialleistungsträgern --im Streitfall der BfA-- vereinbart worden seien. In einem solchen Fall sei ohne weiteres davon auszugehen, daß die Pflegesätze sich im Rahmen des § 67 Abs. 1 AO 1977 gehalten hätten. Es bestehe die (unwiderlegbare) Vermutung, daß die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 AO 1977 vorlägen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) verwarf den Einspruch mit der Begründung als unzulässig, daß die angefochtenen Prüfungsanfragen entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) keine Verwaltungsakte i.S. des § 118 Satz 1 AO 1977 seien; es fehle der besondere Regelungscharakter.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es ließ dahingestellt, ob sie zulässig sei, da sie jedenfalls unbegründet sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 527 veröffentlicht.
Die Klägerin rügt mit der Revision eine fehlerhafte Auslegung der §§ 118 und 67 Abs. 2 AO 1977.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die beanstandeten Prüfungsanfragen sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise, die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Prüfungsanfragen festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es ist der Meinung, daß das FG die Klage richtigerweise als unzulässig hätte abweisen müssen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist nicht als Anfechtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, weil die beanstandeten Prüfungsanfragen nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanz keine Verwaltungsakte i.S. des § 118 Satz 1 AO 1977 sind. Sie ist auch nicht als Feststellungsklage i.S. des § 41 FGO zulässig.
1. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 118 Satz 1 AO 1977).
a) Die beanstandeten Prüfungsanfragen sind keine Verwaltungsakte. Ihnen fehlt der Regelungscharakter. Es handelt sich um vorbereitende Maßnahmen, die der Ermittlung des Sachverhalts im Rahmen einer Außenprüfung (vgl. § 194 AO 1977) und damit lediglich der Vorbereitung der Steuerfestsetzung dienen. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 12. September 1985 VIII R 371/83 (BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537) entschieden, daß das Verlangen, die Empfänger von Betriebsausgaben, Werbungskosten und anderen Ausgaben genau zu benennen, kein Verwaltungsakt ist, sondern eine nicht selbständig anfechtbare Vorbereitungshandlung zum Erlaß eines Verwaltungsaktes (ebenso BFH-Urteile vom 20. April 1988 I R 67/84, BFHE 154, 5, BStBl II 1988, 927; vom 11. Oktober 1989 I R 101/87, BFHE 159, 98, BStBl II 1990, 280). Er hat die Erzwingbarkeit nach den §§ 328 ff. AO 1977 als das für die Unterscheidung zwischen bloßer Vorbereitungshandlung und Verwaltungsakt maßgebliche Kriterium angesehen.
Die im Streitfall beanstandeten Prüfungsanfragen sind ebenso wie das Benennungsverlangen nach § 160 Satz 1 AO 1977 nicht erzwingbar. Denn sie zielten ausschließlich darauf ab, solche Umstände zu ermitteln und zu überprüfen, die nach Auffassung des Außenprüfers vorliegen müssen, um die Klägerin als Zweckbetrieb i.S. des § 67 Abs. 2 AO 1977 einstufen und ihr weiterhin diejenigen steuerlichen Vergünstigungen gewähren zu können, die an diese Voraussetzung geknüpft sind. Die Anwendung von Zwangsmitteln (§§ 328 ff. AO 1977) zur Durchsetzung der Handlungen, zu denen die Klägerin in den Prüfungsanfragen aufgefordert war, wäre unverhältnismäßig und deshalb ermessensfehlerhaft (§ 5 AO 1977) gewesen. Die Klägerin trägt die objektive Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die für die Gewährung der erstrebten Steuervergünstigungen vorliegen müssen. Deshalb wäre das FA berechtigt gewesen, die von der Klägerin erstrebten steuerlichen Vergünstigungen unter Hinweis auf den Verstoß gegen die nach § 200 AO 1977 bestehende Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts zu versagen.
Soweit im Einzelfall Auskunftsersuchen und Aufklärungsmaßnahmen, die auf die Ermittlung steuermindernder Umstände gerichtet sind, gleichwohl dann als Verwaltungsakte i.S. des § 118 Satz 1 AO 1977 zu beurteilen sein können, wenn sie vom Steuerpflichtigen nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt als eine Maßnahme zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Einleitung eines Erzwingungsverfahrens zu verstehen sind, ist diese Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt. Denn die Prüfungsanfragen enthielten keine Rechtsbehelfsbelehrung (§ 356 AO 1977) und ihnen war auch sonst nicht zu entnehmen, daß die Behörde die Absicht habe, das der Klägerin aufgegebene Verhalten notfalls zwangsweise durchsetzen zu wollen.
b) Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht i.S. des § 11 Abs. 2 FGO von der anderer Senate des BFH ab. Zwar hat das FG zutreffend dargelegt, daß es sich nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 23. Februar 1984 IV R 154/82, BFHE 140, 505, BStBl II 1984, 512; vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790; vom 14. August 1985 I R 188/82, BFHE 144, 339, BStBl II 1986, 2) bei einzelnen Prüfungsmaßnahmen während einer Außenprüfung dann nicht um bloße Realakte oder Vorbereitungshandlungen, sondern um Verwaltungsakte handelt, wenn dem Steuerpflichtigen ein bestimmtes Verhalten aufgegeben wird. Unter Anwendung dieser Maßstäbe sind in der Rechtsprechung des BFH während einer Außenprüfung ergangene Aufforderungen, Aufschluß über die Höhe von erhaltenen Aufwandsentschädigungen zu geben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790) oder bestimmte Unterlagen vorzulegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 144, 339, BStBl II 1986, 2; vom 15. September 1992 VII R 66/91, BFH/NV 1993, 76; BFH-Beschluß vom 11. September 1996 VII B 176/94, BFH/NV 1997, 166), als Verwaltungsakte angesehen worden.
Das in dem Urteil in BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790 zu beurteilende Auskunftsverlangen betraf jedoch Aufwandsentschädigungen, die der Prüfer als steuerpflichtige Einnahmen ansah. Die in dem Urteil in BFHE 144, 339, BStBl II 1986, 2 enthaltene Aussage, eine Aufforderung des Prüfers, bestimmte Unterlagen vorzulegen, stelle einen Verwaltungsakt dar, ist nur ein obiter dictum. Gestritten wurde um die Rechtmäßigkeit einer Prüfungserweiterung. Das gleiche gilt für die Ausführungen im Urteil in BFHE 140, 505, BStBl II 1984, 512 zur Rechtsqualität von einzelnen Prüfungsmaßnahmen. Tragend ist die Aussage, daß Feststellungen gegen einen vermeintlichen Einzelunternehmer aufgrund einer rechtmäßigen Außenprüfung auch gegenüber einem tatsächlichen Mitunternehmer verwertet werden dürfen. In dem Urteil in BFH/NV 1993, 76 und dem Beschluß in BFH/NV 1997, 166 ging es um Aufforderungen zum Zwecke der Feststellung von steuerpflichtigen Einnahmen verbunden mit Zwangsgeldandrohungen.
c) Das Verständnis, wonach der Begriff des Verwaltungsakts an die Erzwingbarkeit im konkreten Fall anknüpft, steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung der anderen obersten Bundesgerichte. Es entspricht einem in § 44a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken. Nach § 44a VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen. Bereits vor Inkrafttreten des § 44a VwGO hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, bei der Frage, ob ein Verwaltungsakt vorliege, komme es entscheidend darauf an, ob der Rechtsschutz des Betroffenen durch eine Unanfechtbarkeit der Anordnung geschmälert werde. Der Begriff des Verwaltungsakts sei eine Zweckschöpfung, durch die ein wirksamer Rechtsschutz gewährleistet werden solle. Die Anordnung der Verwaltungsbehörde, der Inhaber einer Fahrerlaubnis solle ein Gutachten einer medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beibringen, sei kein anfechtbarer Verwaltungsakt, sondern konkretisiere lediglich seine schon nach allgemeinen Grundsätzen bestehende Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts. Eine solche Anordnung könne nicht zwangsweise durchgesetzt werden (Urteil vom 28. November 1969 VII C 18.69, BVerwGE 34, 248).
Das Bundessozialgericht hat sich in einem Urteil vom 14. Dezember 1988 9/4b RV 55/86 (Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1989, 901) der Rechtsprechung des BVerwG angeschlossen. Zwar fehle im sozialgerichtlichen Verfahren eine dem § 44a VwGO entsprechende Vorschrift. Aber auch hier bestehe ein Bedürfnis, die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens nicht durch eine isolierte Anfechtbarkeit von einzelnen Verfahrenshandlungen zu verzögern und zu erschweren.
Auch der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 26. Januar 1978 III ZR 184/75 (Deutsches Verwaltungsblatt 1978, 376) zwischen einer Aufklärungsanordnung an den Verfahrensbeteiligten zur Konkretisierung seiner Mitwirkungspflicht und der Auferlegung einer bestimmten zwangsweise durchsetzbaren, also erzwingbaren Verpflichtung unterschieden.
2. Die Klage ist auch nicht als Feststellungsklage i.S. des § 41 FGO zulässig. Die Klägerin hat nicht das nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO erforderliche Feststellungsinteresse. Wendet sich der Steuerpflichtige gegen eine Aufklärungsmaßnahme während einer Außenprüfung, die nicht als selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt anzusehen ist, so kann er seine Rechte im nachfolgenden Steuerfestsetzungsverfahren durch eine Anfechtungsklage verfolgen. Diese Möglichkeit schließt nach der Rechtsprechung des BFH das Feststellungsinteresse aus (vgl. Urteile vom 1. Februar 1973 IV R 1/72, BFHE 108, 517, BStBl II 1973, 533; vom 8. April 1981 II R 47/79, BFHE 133, 308, BStBl II 1981, 581; in BFHE 144, 339, BStBl II 1986, 2).
Fundstellen
Haufe-Index 56238 |
BFH/NV 1999, 841 |
BStBl II 1999, 199 |
BFHE 187, 386 |
BFHE 1999, 386 |
BB 1999, 1747 |
BB 1999, 574 |
BB 1999, 574 (Leitsatz) |
DB 1999, 884 |
DStRE 1999, 247 |
DStRE 1999, 247-248 (Leitsatz und Gründe) |
DStZ 1999, 383 |
DStZ 1999, 617 |
DStZ 1999, 617 (Leitsatz) |
HFR 1999, 347 |
StE 1999, 150 |
StE 1999, 150 (Leitsatz) |