Entscheidungsstichwort (Thema)
Anlauf der Festsetzungsfrist nach Aufforderung des FA zur Abgabe einer ErbSt-Erklärung unabhängig von der Anzeige durch das Nachlassgericht; Steuererklärung ohne Unterschrift ist unwirksam
Leitsatz (amtlich)
1. Verlangt das FA die Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung, richtet sich der Anlauf der Festsetzungsfrist auch dann nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977, wenn das Nachlassgericht dem FA die Erteilung von Erbscheinen und die eröffneten Verfügungen von Todes wegen bereits angezeigt hat.
2. Eine Erbschaftsteuererklärung setzt nur dann die Festsetzungsfrist in Lauf, wenn sie unterschrieben ist.
Normenkette
AO 1977 § 150 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-3, § 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1; ErbStG § 30 Abs. 1, 3 S. 1, § 31 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 4 S. 2, § 34
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Alleinerbin ihres im Jahr 1989 verstorbenen Ehemannes. Das Nachlassgericht übersandte dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ―FA―) im Jahr 1990 eine Abschrift des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute mit der Niederschrift über dessen Eröffnung sowie den Erbschein. Nach Aufforderung durch das FA wurde im November 1990 eine ―nicht unterschriebene― Erbschaftsteuererklärung eingereicht. Die Klägerin holte die Unterschrift im März 1991 nach. Der verwendete amtliche Vordruck der Erbschaftsteuererklärung enthielt die Versicherung, dass die Angaben in der Erklärung und den beigefügten Anlagen nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht wurden, sowie den Hinweis des FA, dass Steuererklärungen ohne Unterschrift als nicht abgegeben gelten.
Das FA erließ am 14. September 1995 einen vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid, mit dem es die Steuer auf 0 DM festsetzte. Aufgrund der Ergebnisse einer Außenprüfung erhöhte es die Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 14. August 1997 auf 53 338 DM.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 593 veröffentlichten Urteil mit der Begründung statt, bereits dem Erlass des ursprünglichen Erbschaftsteuerbescheids habe Festsetzungsverjährung entgegengestanden. Die an die Klägerin gerichtete Aufforderung des FA, eine Erbschaftsteuererklärung abzugeben, habe den Anlauf der Festsetzungsfrist nicht gehemmt. Für eine Anlaufhemmung aufgrund dieser Aufforderung bestehe kein Anlass, da das Nachlassgericht seiner Anzeigepflicht nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 2 und 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) nachgekommen sei und dem FA dadurch alle Umstände bekannt geworden seien, die es zur Prüfung benötigt habe, ob ein steuerbarer Vorgang vorliege und ein Besteuerungsverfahren einzuleiten sei.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Nach seiner Ansicht ist die Erfüllung der Anzeigepflicht durch das Nachlassgericht für die Anlaufhemmung bedeutungslos.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Dem Erlass des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids vom 14. August 1997 stand entgegen der Ansicht des FG Festsetzungsverjährung nicht entgegen. Bei Ergehen des ursprünglichen Erbschaftsteuerbescheids vom 14. September 1995 war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen. Da die Steuer in diesem Bescheid gemäß § 165 AO 1977 vorläufig festgesetzt wurde, war der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 8 AO 1977 gehemmt.
a) Nach § 47 AO 1977 erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis u.a. durch Verjährung. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Die Festsetzungsfrist beträgt für die Erbschaftsteuer regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977).
Die Festsetzungsfrist beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 Alternative 1 AO 1977). Bei Erwerben von Todes wegen entsteht die Erbschaftsteuer ―von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen― mit dem Tode des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
b) Da die Klägerin aufgrund des Verlangens des FA eine Erbschaftsteuererklärung abzugeben hatte (§ 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG), begann die Festsetzungsfrist jedoch abweichend von dieser Grundregel nicht bereits mit Ablauf des Jahres 1989, sondern nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 erst mit Ablauf des Jahres 1991, in dem die unterschriebene Steuererklärung eingereicht wurde. Insoweit stimmen § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 in der bis 1993 geltenden Fassung und in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21. Dezember 1993 (BGBl I, 2310) in den Rechtsfolgen überein. Aufgrund gesetzlicher Vorschrift i.S. des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 a.F. war auch die Erbschaftsteuererklärung abzugeben, obwohl sie nach § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG erst auf Verlangen des FA einzureichen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 5. November 1992 II R 25/89, BFH/NV 1994, 213, und vom 17. Februar 1993 II R 83/90, BFHE 170, 305, BStBl II 1993, 580).
Die im Jahr 1990 beim FA eingegangene Erbschaftsteuererklärung wirkte sich auf die Anlaufhemmung nicht aus, da sie nicht unterschrieben war. Eine Steuererklärung setzt nur dann die Festsetzungsfrist in Lauf, wenn sie unterschrieben ist und somit auch die im amtlichen Vordruck (§ 150 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) geforderte schriftliche Versicherung enthält, dass die Angaben wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen gemacht wurden (§ 150 Abs. 2 AO 1977). Fehlt es an diesen Erfordernissen, ist die Steuererklärung unwirksam. Eine solche Steuererklärung kann ein ordnungsmäßiges Besteuerungsverfahren und die Festsetzungsfrist nicht in Gang setzen (BFH-Urteil vom 14. Januar 1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; BFH-Beschluss vom 26. März 1999 X B 196/98, BFH/NV 1999, 1309). Dies gilt auch für die Erbschaftsteuererklärung. Wie sich aus der Vorschrift des § 31 Abs. 4 Satz 2 ErbStG, wonach eine von mehreren Erben gemeinsam abgegebene Steuererklärung von allen Beteiligten zu unterschreiben ist, ergibt, bedarf auch die Erbschaftsteuererklärung der Unterschrift. Lediglich eine eigenhändige Unterschrift des Steuerpflichtigen (§ 150 Abs. 3 AO 1977) ist nicht vorgeschrieben.
Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die unwirksame Steuererklärung in eine die Anlaufhemmung beendende Anzeige nach § 30 Abs. 1 ErbStG umgedeutet werden kann, stellt sich nicht, da die Klägerin gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 ErbStG nicht anzeigepflichtig war. Nach dieser Vorschrift braucht der Erwerber einen der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb abweichend von § 30 Abs. 1 ErbStG dem FA u.a. dann nicht anzuzeigen, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt.
c) Entgegen der Ansicht des FG begann die Festsetzungsfrist auch nicht deshalb mit Ablauf des Jahres 1990, weil das Nachlassgericht in diesem Jahr seine Anzeigepflichten nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 2 und 3 ErbStG erfüllt hat. Die Pflicht des Erwerbers, auf Verlangen des FA eine Steuererklärung abzugeben (§ 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG), wird durch die Anzeigepflicht des Nachlassgerichts und deren Erfüllung nicht berührt. Der erkennende Senat hat bereits wiederholt angenommen, dass sich der Anlauf der Festsetzungsfrist unabhängig davon, ob das Nachlassgericht die Erteilung von Erbscheinen und die eröffneten Verfügungen von Todes wegen angezeigt hat, nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 richtet, wenn das FA die Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung verlangt (Urteile in BFH/NV 1994, 213, und in BFHE 170, 305, BStBl II 1993, 580).
Wie die Anzeige des Erwerbers nach § 30 Abs. 1 ErbStG (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16. Oktober 1996 II R 43/96, BFHE 181, 351, BStBl II 1997, 73) soll nämlich auch die Anzeige des Nachlassgerichts eine Erbschaftsteuererklärung nicht vorwegnehmen und deshalb das FA noch nicht in die Lage versetzen zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe durch den angezeigten Vorgang Erbschaftsteuer tatsächlich angefallen ist. Die Anzeigepflicht soll insoweit lediglich die möglichst vollständige Erfassung aller Erwerbe sicherstellen und dient in erster Linie dazu, dem FA die Prüfung zu erleichtern, ob und wen es im Einzelfall zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung aufzufordern hat. Die Erbschaftsteuererklärung hat demgegenüber ein Verzeichnis der zum Nachlass gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die Feststellung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs erforderlichen Angaben zu enthalten (§ 31 Abs. 2 ErbStG) und soll so die Erbschaftsteuerfestsetzung ermöglichen.
Demgegenüber hat sich das FG zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 30. Oktober 1996 II R 70/94 (BFHE 181, 274, BStBl II 1997, 11) gestützt. In diesem Fall ging es um die Frage, ob dann, wenn ein Erwerber einen der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb (Pflichtteil) entgegen § 30 Abs. 1 ErbStG dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen FA nicht anzeigt, der Beginn der Festsetzungsfrist für die vom Erwerber geschuldete Erbschaftsteuer gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 weiter hinausgeschoben wird, obwohl dem FA aufgrund der Angaben in der vom Erben eingereichten Erbschaftsteuererklärung der Name des Erblassers und der des anzeigepflichtigen Erwerbers sowie der Rechtsgrund für den Erwerb bekannt sind. Der Senat verneinte diese Frage mit der Begründung, aus der Erbschaftsteuererklärung seien dem zuständigen FA in einem solchen Fall alle für die Prüfung, ob ein steuerbarer Vorgang vorliege und ein Besteuerungsverfahren einzuleiten, insbesondere vom Erwerber eine Steuererklärung anzufordern sei, benötigten Umstände bekannt, wie dies auch bei einer Anzeige durch den Erwerber selbst der Fall gewesen wäre. Der Rechtsstreit betraf also lediglich die Anlaufhemmung aufgrund Nichterfüllung der dem Erwerber obliegenden Anzeigepflicht. Mit der Frage, wie sich die Anforderung einer Erbschaftsteuererklärung auf die Festsetzungsverjährung auswirkt, brauchte sich der Senat in dem Urteil nicht zu befassen.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat von seinem Standpunkt aus zu Recht noch nicht geprüft, ob die Erbschaftsteuer nach § 5 ErbStG wegen Bestehens einer fiktiven Forderung auf Zugewinnausgleich herabzusetzen ist. Dies wird das FG nunmehr nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1311020 |
BFH/NV 2005, 406 |
BStBl II 2005, 244 |
BFHE 2005, 33 |
BFHE 208, 33 |
BB 2005, 426 |
DB 2005, 645 |
DStRE 2005, 366 |
DStZ 2005, 138 |
HFR 2005, 331 |